81. Jahrgang.
Auflage 2600.
Erscheint täglich mit Ausnahme der vonn- und Festtage.
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Mit dem Plauderstübche» und
«chwäb. Landwirt.
1S4
Kagold, Dienstag den 20. August
1907
politische HleSerficht.
Das Ergebnis der Monarch ende gegnnnge»
der letzten Tage wird in einer offiziösen Berliner Zuschrift der Süddeutsche« Reichskorrespondenz abschließend wie folgt beleuchtet:
„Eine leichte Entstellung in der politischen Physiognomie Europas hat sich jetzt zurückgebildet. Im Frühjahr war der Schein entstanden, England könne unter Abschwächung seiner Beziehungen zu den Kaiserreichen als Mittelpunkt eines westmächtlichen Verbandes Neuerungen an den Küsten des Mittelmeeres und in Balkanfragen anstreben. Der Schein war falsch, und sowohl die britische Diplomatie wie die Regierungen anderer westlicher Staaten haben sich mit Recht dagegen gewehrt. Als Widerpart dieser angeblichen mittelländischen Neubildung ließ man damals in den Zeitungen einen Dreikaiserbund ausmarschteren. Auch dafür war kein ernsthafter politischer Hintergrund vorhanden. Nirgends konnte man eine Entwicklung wünschen, durch die Europa in zwei Lager gespalten würde. Die Vorgänge der letzten Zeit machen es vollends zur erfreulichen Gewißheit, daß ein grundsätzliches Abschwenken Englands von den Kaisermächten nicht ins Auge gefaßt, sogar bestimmt zurückgewiesen wird. Dafür zeugt die Gestaltung des Verhältnisses zwischen England und Rußland, die wohl vornehmlich der Balkanlage gewidmete Besprechung in Ischl und nicht zuletzt der Wandel in den deutschenglischen Beziehungen, der in den Trinksprüchen von Wilhelmshöhe einen so entschiedenen Ausdruck gefunden hat."
Der Pariser Figaro stellt heute fest, daß die Besuche König Eduards bei dem Deutschen Kaiser und dem Kaiser Don Oesterreich beruhigende und zuversichtliche Eindrücke hervorgerufen haben. Gaulois bedauert, daß Frankreich bei den edlen Bestrebungen, die soeben zu den Begegnungen in Swinemünde, Wilhelmshöhe und Ischl Veranlassung gegeben haben, nicht auch Sitz und Stimme gehabt habe. Humanitö beklagt die Ermutigung, die dem französischen Vorgehen in Marokko bei diesen Zusammenkünften geworden sei. Wir verlangen nur eines, sagt das Blatt, nämlich den Frieden.
Der Staatssekretär -es Reichskolouialamts
hat unterm 12. Juli eine Verordnung betreffend die Anwendung körperlicher Züchtigung als Strafmittel gegen Eingeborene im ostafrikanischen Schutzgebiet erlassen. Im wesentlichen wird darin folgendes bestimmt: Ueber die Verhandlungen, aus Grund deren die Strafe verhängt worden ist, sowie den Strafvollzug ist ein Protokoll aufzunehmen. In Fällen, in denen eine Prügelstrafe von über 15, oder eine Rutenstrafe von über 10 Schlägen festgesetzt wird, ist dem Protokoll eine Begründung des Urteils anzuschließen. In dieser Begründung sind die für erwiesen erachteten Tatsachen anzugeben, in welchen die Merkmale der strafbaren Handlungen gefunden werden, ferner auch Umstände, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Die Begründung ist von dem mit der Ausübung der Strafgerichtsbarkeit betrauten Beamten zu unterschreiben. Eine Abschrift
des Protokolls ist dem Gouverneur einzureichen, sowie auch dem Referenten für Medizinalangelegenheiten.
Das deutsch-nordamerikanische Zollabkommen wird demnächst die nordamerikanischen Gerichte beschäftigen, und es wird dadurch Klarheit hinsichtlich seiner Rechtsgültigkeit geschaffen werden, was der Wunsch der Importeure ist. Das Gerichtsverfahren soll herbeigeführt werden auf Grund einer Entscheidung der Zoll-Appraisers von Newyork, welche den erhöhten Einfuhrwert deutscher Schokolade aufrecht erhält. Die Zollabschätzungsbeamten berufen sich dabei auf eine Entscheidung des Obersten Bundesgerichtes in Zollsachen, die Importeure auf das neue Zollabkommen mit Deutschland.
Die Marineverwaltung hat sich nach einer Meldung des „Hamb. Korresp." entschlossen, auf der Insel Borkum, der westlichsten der ostfriesischen Inseln, eine Marine-Artillerie- Garnison zu errrichten. Schon seit längerer Zeit hatten sich unter den deutschen Marine-Autoritäten Stimmen geltend gemacht, die darauf hinwiesen, daß trotz der Verstärkungen, die die Küstenbefestigungen bei Cuxhaven und bei Mlhelmshaven im Lauf der letzten Jahre erfahren haben und noch erfahren werden, unsere Küstenverteidigung im Fall eines Seekrieges mit einem überlegenen Gegner unzureichend seien. Im Etat für das Jahr 1907 erstreckten sich die Ausgaben für die Küstenverteidigung lediglich auf 860 000 ^ als erste Rate für eine Verbesserung der Befestigungen an der Elbe und auf Helgoland im Extraordinarium. Wenn nun Borkum eine Garnison von Marine-Artillerie erhält, so ist die natürliche Folge, daß auch Befestigungsanlagen geschaffen werden, die die neue Garnison zu bedienen haben wird. Es wird also ein fortifikatorischer Schutz der Emsmündung und der als Handelshafen und Torpedostation in ihrer Bedeutung immer mehr steigenden Stadt Emden geplant.
Z«m nordamerikauische« Telegraphistenstreik wird weiter gemeldet, daß der telegraphische Verkehr eine stetige Besserung erkennen lasse; eine Anzahl Ausständiger habe den Dienst wieder ausgenommen. Allerdings hat von Chicago aus der Präsident des Telegraphistenverbandes allen im kommerziellen Telegraphenverkehr beschäftigten Beamten die Anweisung gegeben, unverzüglich in den Ausstand zu treten, falls nicht Verträge mit dem Verband unterzeichnet worden seien. — Der Generalpostmeister plant internationale Verhandlungen einzuleiten wegen Herabsetzung des Briefportos von fünf auf zwei Cents für Briefe bis zum Gewicht einer halben Unze für Länder mit direkter Dampferverbindung, und beabsichtigt gleichzeitig die Paketpost, die bisher dem Privatbetrieb überlassen war, in den staatlichen Betrieb zu übernehmen und Postsparrassen einzuführen.
Die Lage iu Deutsch-Südwestafrika.
Berlin, 17. Aug. Von wohlinformierter Seite empfängt das Berliner Tageblatt nachstehende Meldung: Nach den im Laufe der letzten Stunden beim Oberkommando der Schutztruppen eingelaufenen Meldungen aus Deutsch- Südwestafrika ist die Situation außerordentlich ernst. Nicht minder ernst als 1904 beim Ausbruch des Herero-Aufstandes. Es ist kein Zweifel, daß Morenga
alsbald zur Offensive übergehen wird, er wird es schon
deshalb tun, um sich so bald wie möglich in den Besitz von Schußwaffen und Muniton zu setzen, um seine gesamten Mannschaften ausrüsten zu können. Schon in den allernächsten Tagen dürfte von Ueberfällen Morengas zu berichten sein. Sie werden sich voraussichtlich zunächst gegen kleinere Abteilungen richten, wie die Telegraphen- und He- liographen-Stationen. Der Oberstleutnant v. Estorff wird sich mit seinem Stabe nach Keetmanshoop begeben. Em Heranziehen der Truppen aus dem Norden nach dem bedrohten Süde n ist in die Wege geleitet. _ (Mpst.)
Uages-'Aeuigkeilen.
Au« Vtadt und Land.
Ragow, SO. August.
* Die Abeudkouzerte auf dem Stadtacker üben große Anziehungskraft aus; es ergeht sich in der köstlichen Abendkühle bei den Klängen der Stadtkapelle recht angenehm auf dem schönen Platz, der durch das Entgegenkommen des Herrn Wohlbold glänzend beleuchtet ist. — Am Samstag nachmittag und abend wird vom Fremdenverkehrsverein ein So mm er fest für die Kurgäste auf dem Schloßberg abgehalten. Wer diese Feste aus den Vorgängen kennt, weiß, daß es etwas Herrliches um diese Veranstaltung ist.
(- Haiterbach, 19. Aug. Gauturnfahrt des Nagold-Gaues. Vom schönsten Wetter begünstigt fand gestern die Gauturnfahrt hier statt. Vor 11 Uhr zogen die Turnvereine von Altensteig, Calw, Emmingen, Ebhausen, Haiterbach, Horb, Nagold Möttlingen, Neuhengstett, Otten- bronn, Simmozheim begleitet von den prächtigen Klängen der Nagolder-Mustkkapelle auf den hiesigen Fest- Md Turnplatz Buß, wo alsbald das Pretsturnen begann. Jung Md alt von hier und der Umgegend schauten mit sichtlichem Interesse dem Wettbewerb der frischen Turnerschar zu, besonders da die Turner sich bemühten, ihr Bestes zu leisten. Den ganzen Nachmittag dauerten die Preisübungen ohne Unterbrechung fort, bis abends nach 7 Uhr alle Uebungen beendigt waren. Mit Preisen wurden beglückt: 1. Adolf Morlok-Nagold, 2. Paul Karch-Calw, 3. Albert Rie- derer-Ebhausen, 4. Franz Dietz-Calw, 5. Karl Kohler-Alten» steig, 6. Friedrich Breitling-Calw, 7. Wilh. Fuchs-Alten- steig, 8. Karl Schöttle-Ebhausen und Christ. Bujer-Hirsau, 9. Wilh. Wackenhut-Calw, 10. Wilh. Dengler-Ebhausen je Kranz mit Diplom; 11. Joh. Haßmann-Horb und Karl Stimmler-Horb, 12. Wilh. Baumann-Altensteig je Diplom. Zöglinge: 1. K. Hörtz-Calw, 2. Fritz Rentschler- Nagold, 3. Christ. Brezing-Haiterbach, 4. Herm. Essig-Calw, 5. Eugen Majer-Calw, 6. Eugen Müller-Hirsau und Fr. Riexmger-Möttliugen, 7. Gottl. Krauß-Ebhausen und Hugo Riederer-Horb, 8. Alfred Schittler-Altensteig uud Karl Kaupp-Haiterbach. Das Fest nahm einen schönen Verlauf und ist auch das Glück manchem Bewerber nicht hold gewesen, so möge er doch unverdrossen die edle Turnsache Wetter pflegen und sich nicht abschrecken lassen; denn „Was
Das Testament des Bankiers.
Kriminalroman vou N. M. Barb»«r.
AutorifieM. — Rachdr»ck verböte«.
(Fortsetz«»,.)
In dem Bekenntnis von Hugh Mainwaring heißt es Wetter:
„Er," der Fremde, der zu Hugh Mainwaring eingetreten war, „war von meiner Größe und Gestalt, mit krausem, schwarzem Haar und dickem Schnurrbart; sein Gesicht aber ckonnte ich nicht erkennen, da er im Schatten stehen geblieben war. Ehe ich noch in meiner Ueberraschung ein Wort her- vorbringen konnte, begann er in spöttischem Tone:
-,Der Herr von Schöneiche scheint recht niedergeschlagen am Vorabend des schönen Doppeltestes, das er morgen zu leiern gedenkt."
Ich erinnerte mich, daß ein Fremder am Nachmittag nach mir gefragt und dabei, wie mir mein Sekretär gemeldet, eine erstaunliche Kenntnis meines für den nächsten Tag geplanten Vorhabens gezeigt hatte."
„Ich glaube " erwiderte ich barsch, „Sie haben mich schon am Nachmittag zu sprechen gewünscht und Bescheid erhalten. Es befremdet mich im höchsten Grade wie Sie zu einer solchen Stunde Einlaß in dieses Zimmer fanden, und ich werde sorgen, daß Sie unverweilt hinausbegleitet werden."
Damit wollte ich zur Klingel schreite«, er jedoch ver
sperrte mir mit einem behenden Sprung den Weg und hielt mir einen Revolver entgegen.
„Ah, bitte. Keine Ueberstürzung!" sagte er hämisch. „Sie werden sich gedulden müssen, bis ich mit Ihnen ge sprachen habe."
Ich stand wie angewurzelt und starrte ihn an. Seine jetzt vom Licht beschienenen Zügen zeigten mir etwas Bekanntes und doch etwas, was nur auf einer entsetzlichen Sinnestäuschung beruhen konnte. Seine Augen glühten wie Kohlen, die Töne seiner Stimme glichen dem Fauchen eines wilden Tieres, unheimlicher aber als das alles war das Lächeln, das seine Lippen umspielte. Dieses erschreckte mich zehnmal mehr als die auf mich gerichtete Revolvermündung. Ich bewahrte indessen meine Ruhe und sagte:
„Was soll das heißen, daß Sie bewaffnet bei mir Eindringen?"
„O, ich wußte zu genau, zu wem ich mich begab, um bewaffnet zu gehen," höhnte er. „Sie freilich," — er senkte den Revolver — „hätten an meiner Stelle diese Waffe nicht gewählt; ein Stoß im Dunkeln, ein Stich in den Rücken, das würde Ihrem Charakter mehr entsprochen haben."
„Herr, Sie müssen toll sein!" brauste ich auf. „Was fällt Ihnen ein, mich derart zu beschimpfen? Wie kommen Sie dazu?"
„Wie ich dazu komme?" erwiderte er mit seinem grauenvollen Lächeln. „Nun, Herr Hugh Mainwaring, vielleicht begreifen Sie es, wenn ich einige Erinnerungen in Ihnen wecke — wenn ich Sie bitte, beim Eintritt in
Ihr 50. Lebmsjahr einen kleinen Rückblick auf die letzten 25 Jahres Ihres Lebens zu werfen. Vielleicht erscheint Ihnen da ein alter sterbender Mann, den Sie hintergingen, indem Sie seinen letzten Willen nicht zur Ausführung brachten, vielleicht auch zaubert dieses Bild Ihnen noch einen anderen vor Ihre schwarze Seele, dem Sie zuerst die Ehre seines Hauses und dann noch das ihm zugefallene Erbe raubten. He, erinnern Sie sich?"
Ich glaubte in diesem Augenblick einen Helfershelfer Hobsons vor mir zu haben, den dieser abgesandt hatte, eine neue Erpressung an mir zu versuchen, und brach in schäumen- Wut los: „Mensch, Ihre Frechheit übersteigt alle Grenzen. Nur ein Wahnsinniger kann es wagen, so zu mir zu sprechen! Wer sind Sie? Und was wollen Sie hier?"
„Wer ich bin? Und was ich hier will?" antwortete er langsam und mit einer Stimme, die mir das Blut in den Adern erstarren machte. „NM, das ist kurz gesagt: Ich bin Harold Skott Mainwaring und gekommen, mein Eigentum zu fordern, um das deine brüderliche Liebe mich betrog! Verstehst du das!"
„Sie sind ein Lügner Md Betrüger!" schrie ich völlig
außer mir. „Und wenn Sie-"
„Oho!" zischte er mit flammensprühendem Auge, sich zu seiner vollen Höhe aufrtchtend, „du Dieb wagst es, mich mit Ausdrücken zu belegen, die dir allein zukommen? Nur mir hast du eS zu danken, daß du nicht schon längst in einer Verbrecherzelle fltzst. Ich ein Betrüger? Ueberzeuge dich!"
(Fortsetzung folgt.)