8!. Jahrgang.

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Mit dem Plauderstübchen und

Schwäb. Landwirt.

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Nagold, Mittwoch den 24. April

1907

ordnetenhaus angrnommen wurden. Im weiteren Verlauf seiner Rede teilte Kosfuth über die Ausgleichsverhandlungen noch ergänzend mit, daß nach 1917 Zollschranken errichtet werden, die in dem abzuschließenden Zollvertrag mit Oesterreich sicher gestellt werden. Schwierigkeiten beständen nur noch in bezug auf Details. Nach 1917 werden beide Staaten ihre Verträge mit dem Ausland selbständig abschließen. Ob diese Verträge gleichlautend oder inhaltlich verschieden sein sollen, sagte Kossuth nicht. Ueber die Ausgleichs­frage sprach sich in Wien auch der österreichische Minister­präsident Beck zu dem ständigen Ausschuß der industriellen Körperschaften aus. Ohne irgendwelche tatsächliche Angaben zu machen, führte er u. a. aus: Wenn es zu keinem Aus­gleich komme, könne Österreich der weiteren Entwicklung der Dinge furchtlos entgegensetzen. Wenn der Ausgleich den österreichischen Interessen nicht entspreche, werde er nicht geschlossen werden.

Die Prüfung der Montagnini-Papiere hat, wie eine halbamtliche Note feststellt, die schwersten Anklagen gegen den Vatikan gerechtfertigt. Viele reaktionäre Beamte und Offiziere seien so bloßgestellt, daß ein durchgreifender Reinigungsprozeß unvermeidlich sei. Wie aus Orleans gemeldet wird, hat der Bischof seine Teilnahme an der Jeanne d'Arc-Feier abgelehnt, insbesondere wegen des vom Ministerpräsidenten erteilten Verbots der Mitführung kirch­licher Embleme im Festzug und wegen der Beteiligung der Freimaurer an der Feier.

In der letzten Dumasitzung verlas der Präsident einen Protest der Budgetkommisston gegen die Haltung des Ministerrats, welcher sich weigerte, der Kommission verschie­dene Aktenstücke vorzulegen, die sich auf die interne Ge­schäftsführung der Ministerien bei der Aufstellung ihrer Budgets beziehen. Die Kommission weist in ihrem Protest hin auf die Auslassungen des Ministerpräsidenten Stolypin über den Wunsch der Regierung nach einem Zusammen­arbeiten mit den Erwählten der Nation.

Die englische Kolonialkonferenz beschloß, in Lon­don ein besonderes, unter der Aufsicht des Kolonialamts stehendes Institut einzurichten, welches die Angelegenheiten vorbereiten soll, die vor die alle vier Jahre stattfindende Reichskonferenz gebracht werden sollen. Ebenso kam man überein, daß ein Zentralstab für Behandlung der Fragen der Reichsverteidigung errichtet werden soll.

Aus Marokko kommt nach langer Zeit auch wieder einmal eine Nachricht über Freund Raisuli. Er hat Elkmes verlassen und sich mit zahlreichen Anhängern nach Osten gewandt, in der Absicht, sich mit dem Prätendenten zu ver­einigen, um die Mahalla, die am Fluß Muluja ihr Lager aufgeschlagen hat, anzugreifen. Andere behaupten sogar, er werde Udschda angreifen. Das wird er wohl aber in Anbetracht der französischen Besatzung Udschdas hübsch bleiben lassen. Im übrigen lauten die neuesten Nachrichten aus Marokko nicht ungünstig. Der französische KreuzerForbin" hat verschiedene Häfen besucht, aber überall Ruhe und Frie­den gefunden. Für keines der französischen Schiffe ist bis jetzt etwas zu tun übrig geblieben, so daß sie sich auf kleine Spazierfahrten längs der marokkanischen Küste beschränken

können. Dagegen haben englische und französische Blatter

wieder einen mageren deutschen Bissen aufgestöbert, auf dem sie gierig herumbeißen. Es handelt sich um die Vergebung des Baues eines Sammelkanals in Tanger durch den Wach­sen an eine deutsche Firma. Die Hetzblätter behaupten, daß bei dieser Vergebung die Abmachungen von Algeciras ver­letzt worden seien. Die Ermittlungen haben jedoch ergeben, daß die Sache auf einer möglicherweise mißverständlich aufgefaßten Verfügung des aus den Chefs der diplo­matischen Missionen bestehenden Sanitätsrats beruht. Es steht außer Zweifel, daß die Angelegenheit eine durchaus einträchtige Regelung finden wird.__

Parlamentarische Nachrichten.

Deutscher Reichstag.

Berlin, 20. April.

Wagner (kons.) äußert seine Genugtuung über diese Ankündigung der Reform des Amtsgerichtsverfahrens. Ebenso dringend wie die Strafprozeßreform sei die Zivilprozeß- Reform. Die Regierung sollte vor zu großem Andrange zum juristischen Studium warnen. Mit der Resolution wegen Haftung des Reiches für die Reichsbeamten seim seine Freunde einverstanden. Die Resolution Bassermann dagegen, welche auch die Haftung des Staates für Staatsbeamte reichsgesetzlich geregelt wissen will, gehe ihm zu weit. Be­züglich der Resolution über den Zwangsvergleich seien die Ansichten bei seinen Freunden geteilt. Mit der Resolution Bassermann wegen der Aufhebung des Zeugniszwangs für die Presse sei seine Fraktion nicht einverstanden. Mit der Freiheit der Presse müsse doch auch eine gewisse Verantwort­lichkeit derselben verknüpft sein. Aus demselben Grunde lehnten seine Freunde auch die Ausdehnung der Abgeord- neten-Jmmunität auf ein Zeugnis-Verweigerungsrecht ab.

Heine (Soz.) Seine Freunde würden die Tierhalter- Resolution ablehnen, alle übrigen Resolutionen billigen. Die Immunitäts-Resolution gehe seinen Freunden freilich nicht weit genug. Die Aufhebung des Zeugniszwangs für die Presse fordere die Presse nicht in ihrem eigenen Interesse, sondern im Interesse der Oeffentlichkeit. Redner beleuchtet das Erfordernis, die Haftbarkeit für Versehen von Staats­beamten reichsgesetzlich zu regeln und im Anschluß daran die preußische polizeiliche Ausweisungs-Praxis. Gegen diese müsse unbedingt vom Reich eingeschritten werden. Redner sucht an der Hand von Beispielen nachzuweisen, daß eine Klassenjustiz bei uns bestehe. Durch diese Klaffen-Justiz sei das Koalitionsrecht völlig in Frage gestellt worden. Die Sicherung des Koalitionsrechtes aber sei die beste Sozial­politik, die man treiben könne. (Sehr richtig links).

Staatssekretär Nieberding: Es werde ihm schwer zu antworten, wenn ein Mann wie der Vorredner solche Behauptungen aufstelle, so das Material vorbringe, wie es ihm passe und bei Seite lasse, was ihm nicht paffe. Es liefe darauf hinaus, daß die Richter entweder Bösewichter oder Trottel seien. Der Vorredner sei natürlich objektiv, die Richter dagegen seien alle subjektiv. Und was der Vor-

Amtliches.

Kurs für Buchbinder.

Die Zentralstelle für Gewerbe und Handel beabsichtigt, von Mitte Juni d. I. ab in Stuttgart einen Kurs für Buchbinder im Hand vergolden mit vierwöchiger Dauer abzuhalten. Der Unterricht ist ganztägig.

Zur Teilnahme an dem Kurs werden in erster Linie selbständige Handwerker und ältere Gesellen, welche im Be­griff sind, sich selbständig zu machen, zugelassen werden. Ein Unterrichtsgeld wird nicht erhoben. Auswärtigen Teil­nehmern, welche minderbemittelt sind, wird auf Ansuchen ein Reisekostenbeitrag in Höhe des Eisenbahnfahrpreises für die einmalige Her- und Rückfahrt gewährt. Solchen auswärtigen Teilnehmern, welche in besonders bedürftigen Verhältnissen leben, kann beim Nachweis der letzteren außer dem Reise­kostenbeitrag eine Unterstützung zur teilweisen Deckung des Mehraufwands, welcher ihnen durch den Aufenthalt in Stutt­gart über die Dauer des Kurses erwächst, auf Ansuchen gewährt werden. Etwaige Unterstützungsgesuche sind gleich­zeitig mit der Einreichung der Anmeldung zur Teilnahme an den Kursen anzubringen; später einkommende Gesuche können in der Regel nicht mehr berücksichtigt werden.

Anmeldungen zur Teilnahme an den Kursen wollen durch Vermittlung der Ortsbehörde oder des Vorstandes einer örtlichen gewerblichen Vereinigung bis spätestens 21. Mai 1907 eingereicht werden. Aus den Anmeldungen sollen Namen, Beruf, Berufsstellung (ob selbständig over Geselle), Alter und Wohnort ersichtlich sein. Die Ortsbe­hörden und die Vorstände der gewerblichen Vereinigungen werden ersucht, die Anmeldungen der Zentralstelle für Ge­werbe und Handel vorzulegen und bei der Vorlage sich darüber zn äußern, ob die Angemeldeten nach ihrer Aus­bildung und ihren Fähigkeiten in der Lage sind, mit Erfolg an dem Kurs sich zu beteiligen. Wird von einem Ange­meldeten eine Unterstützung erbeten, so ersuchen wir die OrtS- behörden und Vercinsvorstände, ihre Aeußerung auch auf die Vermögens-, Erwerbs- und Familienverhältnisse des Ge­suchstellers auszudehnen.

Stuttgart, den 8. April 1907.

Mosthaf.

WolMsche Hlsöersicht.

Eine lächerliche Demonstration gegen Oester­reich hat der Volkswirtschaftliche Ausschuß des ungarischen Abgeordnetenhauses eingeleitet. Er nahm en bloc einen autonomen ungarischen Zolltarif einstimmig an. Obwohl ein solcher Zolltarif unter der gegenwärtig doch noch immer bestehenden wirtschaftlichen Einheit Oesterreichs und Ungarns absolut bedeutungslos ist, vermochte Handelsminister Kossuth zu erklären, die Annahme eines selbständigen ungarischen Zolltarifs, welcher identisch mit dem gemeinsamen Zolltarif sei, könne nicht als offensiver Schuß gegen Oesterreich miß­deutet werden. Dieser Zolltarif, der die Grundlage der auswärtigen Handelsverträge bilde, müsse jedenfalls Ge­setzeskraft erlangen, bevor die Handelsverträge vom Abge-

Das Testament des Bankiers.

Kriminalroman von A. M. Barbour.

Autorisiert. Nachdruck verboten.

(Fortsetzung.)

Ein schreckliches Erwachen.

Hugh Mainwaring, der das Bedürfnis fühlte, sich noch etwas in der frischen Nachtlust zu ergehen, stieg in den Garten hinab und wandelte dort im Schein der Sterne ge­dankenvoll auf und nieder. Als er zurückkehrte, begegnete er seinem Sekretär, der eben das Haus verließ, um auch noch etwas Luft zu schöpfen.

Kommen Sie noch einmal in die Bibliothek, ehe Sie schlafen gehen, Herr Skott," redete er ihn an.

Sofort, Herr Mainwaring, wenn Sie es wünschen."

Nein, es hat keine Eile; innerhalb einer Stunde." Dann betrat er das Haus.

Eine halbe Stunde später schritt Skott auf dem langen Korridor nach der Bibliothek, blieb aber vor dieser stehen, als er drin eine zornige Stimme hörte, die er sogleich für die von Frau La Grange erkannte.

Wo würdest du in diesem Augenblick sein?" schrie sie.Wo würdest du all die vergangenen Jahre gewesen sein, wenn ich deine Schlechtigkeit und Falschheit ans Licht gebracht hätte? Du hast deinen Bruder hintergangen und betrogen; du hast deinen Sohn, dein eigenes Fleisch und Blut, hartnäckig verleugnet, und nun willst du ihn auch noch bestehlen, willst ihm nicht nur seinen Namen, sondern auch

sein Erbe rauben ihn mit einem bloßen Bettel abfinden! An seinen rechtmäßigen Platz willst du diesen Fremden setzen, von dem du dich nicht entblödest zu sagen: Märe mir doch ein Sohn, wie er, beschieden worden!' Na, warte, das sollst du büßen! Du bist in meiner Gewalt; du und deine Sippschaft, ihr sollt das Werk dieses Tages bereuen, ich werde es zunichte machen!"

Mainwarings Erwiderung auf diesen Wutausbruch blieb unverständlich, und Skott, der schon zuviel gehört zu haben glaubte, zog sich in eine Fensternische zurück, bis die Tür aufging und Frau La Grange heraustrat. Sie lief blind vor Zorn, scheinbar ohne ihn zu bemerken, vorüber, als er aber an die Tür der Bibliothek klopfte, sah er, wie sie sich nmwandte und seinen Eintritt beobachtete.

Hugh Mainwaring war bleich und verstört beiin Ein­tritt seines Sekretärs, und seine Stimme klang matt, als er sagte:

Ich will Sie nicht lange aufhalten, lieber Skott; nehmen Sie diesen Zettel: er enthält die Anweisungen, die ich Ihnen noch zu geben hatte. Im übrigen wollte ich Sie nur noch bitten, sich morgen als meinen Gast zu bettachten und die Festlichkeiten des Tages mit uns zu teilen."

Skott verbeugte und empfahl sich mit einigen Dankes­worten; ein scharfer Beobachter hätte indessen eine gewisse kühle Zurückhaltung an ihm gewahren können.

Er begab sich auf sein Zimmer, legte sich aber noch nicht zu Bett. Noch war er zn erfüllt von den Ereignissen des Tages und denen, die morgen zu erwarten standen. Seine Gedanken kehrten zu dem von ihm aufgefundenen

Dokument zurück, und das vergilbte Papier aus der Tasche ziehend, las er es immer nnd immer wieder aufs neue mit gespannter Aufmerksamkeit und zunehmender Erregung.

Es war beinahe drei Uhr, als seine Gedanken durch ein leises Geräusch abgelenkt wurden, das von der Hinter­seite des Hauses zu kommen schien und schleichenden Fuß­tritten glich. Gespannt lauschte er noch eine Weile, da sich aber nichts mehr hören ließ und ihm nur noch wenig Zeit zur Ruhe blieb, so beschloß er, sich, nicht erst zu entkleidm, löschte das Licht aus und warf sich, wie er war, auf das Sofa.

Die Sonne schien hell, als er plötzlich, durch angst­volles weibliches Gekreisch geweckt, aus tiefem Schlaf empor­fuhr. Unmittelbar darauf hörte er lautes Schluchzen und eiliges Hin- und Herrennen. Schnelle Schritte näherten sich seinem Zimmer. Er sprang auf, vertauschte hastig sein durch den Schlaf zerknittertes Jackett mit einem Rock und war mit dem Anziehen noch beschäftigt, als heftig an die Tür gepocht wurde und eine vor Aufregung bebende Stimme seinen Namen rief.

Die Tür aufreißend, sah er Herrn Whitney vor sich und weiter, hinter diesem, verstörte Diener die laut jam­merten und schluchzten.

Herr Skott," keuchte der Anwalt, am ganzen Leibe zitternd,kommen Sie ins Turmzimmer, Herr Mainwaring ist ermordet!"

Was? Herr Herr Mainwaring ermordet?" rief Skott, fast sprachlos vor Schrecken.Großer Gott! Kann denn das möglich sein!"