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Amtliche Bekanntmachung,
betreffend statistische Erhebungen über die Verbreitung der Tuberkulose (Perlsucht) des Rindviehs.
Nachdem durch hohen Mimstenalerloß vom 8. Nov. d. I. (Minist. Amtsbl. S. 333) die Ausdehnung der statistischen Erhebungen bis zum 30. September 1889 angeordnet ist, erfährt die Vierteljahresberichtsrstattung eine Aenderung dahin, daß der nächste Bericht für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dez. d. I. also erst auf den 2. Januar 1889 an den Oberamts- tierarzt zu erstatten ist. —
Hiedurch tritt der in Nro. 142 des Amtsblattes erteilte Auftrag außer Wirkung. — Der Mehrbedarf an Formularien ist vom Oberamt zu beziehen. — Calw, den 1. Dezember 1888. K. Oberamt.
Amtmann Bert sch.
Amtliche Bekanntmachung,
betreffend den Vollzug der Vorschriften über die Einrichtung und den Betrieb der zur Anfertigung von Zigarren be
stimmten Anlagen.
Diejenigen Ortsvorsteher, in deren Gemeinden sich Anlagen zur An- fertigung von Zigarren, in welchen nicht ausschließlich Familienmitglieder der Unternehmer beschäftigt werden, befinden — werden angewiesen, Zahl und Name dieser Gewerbetreibenden binnen fünf Tagen hieher anzuzeigen. Calw, 3. Dezember 1888. K. Oberamt.
Amtmann Bertsch.
Aotttifche Aachrichten.
Stuttgart. Der Schluß des Landtages am 5. Dezember wird diesmal mit einer Thronrede Sr. K. Hoh. des Prinzen Wilhelm von Württemberg in besonders feierlicher Weise erfolgen.
Berlin, 30. Nov. Der Reichstag begann heute die zweite Lesung des Etats, und zwar mit dem Etat des Reichstags (383.370 gegen das Vorjahr — 150 ,4t). Der Staatssekretär v. Bötticher teilte dabei mit, man hoffe, daß das neue Reichstagsgebäude im Herbst 1892 bezogen werden könne. — Etat des Reichskanzlers und der Reichskanzlei 147.960 -s- 5400 Genehmigt. — Reichsamt des
Innern: 8,373,172 ^ (-j- 308.418 ^) Er werden mehrere Titel, darunter derjenige betreffend Venvrlligung von Repräfevtationsgeldern im Betrag von 14,000 an den Staatssekretär des Innern, an die Budgetkommission verwiesen; eine größere Zahl von Kapiteln w'rd sofort verwilligt. — Etat der Reichsjustizverwaltung 1,851,596 — 91.990
Staatssekretär Dr. Schelling stellt eine Vorlage, betreffend die Ermäßigung gewisser Gerichtskosten, in Aussicht. Der Etat wird genehmigt. Nächste Sitzung Dienstag den 4. Dezember. Militär- und Marine- Etat, soweit dieselben nicht an die Budgetkommission verwiesen sind.
Kiel, 30. Nov. Nach einer Meldung der „Danziger Zeitung" ist auch gegen die „Kieler Zeitung" Anklage wegen Abdrucks des Tagebuchs Kaiser Friedrichs von 1866 erhoben. Der Strafantrag ist vom Kaiser gestellt.
Hages-Weirigkeiten.
Cannstatt, 30. Nov. Der um 9 Uhr 59 Min. abends nach Gmünd abgehende Personenzug überfuhr gestern auf der Strecke Cannstatt—Fellbach oberhalb dem Krankenhaus eine Schafherde, die sich auf dem Geleise befand. Ein wandernder Schäfer hatte seine Herde auf dem Feld an der Säuniedener Straße mit Hürden für die Nacht eingeschloffen und war in die Stadt gegangen. Während seiner Abwesenheit sind die Schafe ausgebrochen, der Bahn zugerannt und unter den Zug geraten, wobei 56 Stück zu Grunde gingen. _
„O, keineswegs," ries sie in beunruhigtem Ton aus, als ob eine solche Aussicht ihr große Angst einflößte. „Ich würde unverzüglich fortgeschickt werden, wenn unsere Vorsteherin Derartiges erführe. Ich fürchte, Mr. Egerton," sie hatte mit einem Blick auf die Karte seinen Namen erfahren, „wir müssen uns, vielleicht auf immer, Lebewohl sagen."
„Ich gebe das nicht zu, ich wenigstens sage auf.Wiedersehen'," entgegnete er, ihre Hand ergreifend und ihr dann nachschauend, bis sie hinter einer hohen Eichenpforte verschwunden war.
„Giebt es ein Schicksal?" sagte er zu sich, als er sich abwandte. „Wenn ich daran glaubte, dann wäre ich überzeugt, daß das Geschick dieses Mädchens und das meine in seltsamer Weise einander beeinflußen werden. Das Leben spielt nur zu oft gar seltsam mit uns; wir werden sehen, was die Zukunft bringt."
Was die Zukunft bringen sollte, davon ließ er sich in diesem Augenblick Nichts träumen.
Unterdessen hatte sich Adrienne in das kleine, kahle Gemach begeben, das eigentlich nicht mehr als ein Schlafraum war und das als ihr Zimmer bezeichnet wurde. Sie setzte sich auf den einzigen Stuhl, den es enthielt, an das Fenster und begann über das Abenteuer, das sie eben erlebt hatte, nachzudenken.
Daß etwas Seltsames an dem Umstande war, daß Egerton sie nach Hause begleitet hatte, das fiel ihr nicht einen Augenblick ein, sowie sie auch gar nicht daran dachte, daß er dies aus einem andern Grunde, als aus Güte und Höflichkeit ge- than habe. Sie hatte bisher in fast klösterlicher Abgeschiedenheit gelebt und wußte so gut wie Nichts von der Außenwelt.
Wie sie es zu Lionel gesagt hatte, war es ihr an diesem Tage zum ersten Mal gestattet worden, allein auszugehen, und zwar nur aus dem Gmnde, well sie nicht mehr Schülerin, sondern seit Kurzem Lehrerin war. Das Vergnügen, mit einem jungen Manne zu sprechen, der sie mit der ehrerbietigsten Hochachtung behandelte und der überdies schön war, wie ein junger Gott, war ihr daher etwas
Wangen, O.A. Cannstatt, 29. Nov. Schon seit mehreren Jahren wurden, wie anderwärts, so auch hier, die grünen Früchte der Kirschbäume von einem Insekt zerfressen, wodurch erheblicher Schaden entstand. Im Gartenbauverein wurde der ungemein schädliche Frostnachtspanner als Verursacher dieses Schadens bezeichnet und zu der Vertilgung desselben zur Anlegung der auch im „Landw. Wochenblatt" Nr. 41 empfohlenen Leimgürtel um die Stämme der Kirschbäume aufgemuntert. Verschiedene Baumgutbesitzer befolgten den guten Rat. Sie banden anfangs Oktober um die Kirschbäume einen zwei Hände breiten Streifen Packpapier und bestrichen denselben mit dem Brumata-Leim. Der Erfolg war außerordentlich. Sämtliche von der Erde am Stamm emporkriechenden Weibchen des Frostnachtspanners, die bekanntlich flügellos sind, blieben in dem zähen Klebstoff hängen und gaben die Eier, welche sie sonst in den Knospen der Bäume absetzen, im Todeskampfe von sich. Ganze Klümpchen weißliche und rötliche Eier finden sich hinter den toten Tierchen. Mittels des Vergrößerungsglases konnte Ihr Korrespondent einmal nahezu 200 zählen. Auf einem Bauerngut im Schleifrain sind zehn junge bis mittelstarke Kirschbänme mit solchen Brumatagürteln versehen. An diesen fanden sich 350 Stück Weibchen und 394 geflügelte Männchen. Nimmt man für ein Weibchen nur die Zahl von 20 Eiern an (Herr Dr. Hofmann in Stuttgart schätzt jedoch 250) so gäbe dies die Summe von 70,000 jungen Larven, welche sich auf Kosten des Baumbesitzers im kommenden Frühjahr güilich thun würden. Ueberdies bleiben noch andere Insekten, wie Rüsselkäfer, Floi fliegen, Tausendfüßler rc. an dem Leim hängen. Bei Apfelbäumen läßt sich der so schädliche Apfelblütenstecher und die Raupen des Apfelwicklers auf diese Art wegfangen. (W Ldztg.)
Eßlingen, 30. Nov. Bei der gestrigen Stadtschultheißenwahl haben von 2755 Wahlberechtigten 2340 abgestimmt und zwar von Eßlingen-Stadt. 1784, von Filialen 557. Das Ergebnis der Wahl ist bis jetzt noch nicht bekannt. Voraussichtlich ist 1.: Sladtpfleger Weith hier; 2. und 3. sind Strohmänner (aus Weiths Zetteln nntgewählt) nämlich Ge- werbebankdireklor Krauß und Gemeinderat Hardtmann, so daß durch dieses Wahlmonöver Amtsrichter Bälz-L ulkirch und Amtmann Gauger-Neresheim gar nicht unter die 3 Vorzuschlagenven kommen.
Heilbronn, 30. Nov. (Die Angelegenheit Hegelmaier.) Das Geheimnis der vertraulichen Beratung des hiesigen Gemeinderats über Schlitte gegen den Oberbürgermeister Hegelmaier ist, so schreibt man dem „Fikf I", — dmch eine für das Ansehen unserer Stadtvertretung höchst bedenkliche Indiskretion von demokratischer Seite gelüstet worden: es steht jetzt fest, daß der Gemeinderat einstimmig beschlossen hat, die Amtsenthebung des Oberbürgermeisters beim Ministerium des Innern zu beantragen. Zu diesem Zwecke wird sich morgen eine Abordnung, bestehend aus vier Gemeinderälen, zum Minister v. Schmid begeben. Ueber diesen Beschluß war den Beteiligten strengste Geheimhaltung aufgelegt worden und auf Anfragen bei ewigen nationalliberalen Gemeinderäten hatten wir denn auch den Bescheid erhalten, es sei durchaus noch nichts endgültiges beschlossen. Aus diesen Bescheid hin glaubten wir den Sensationsnachrichten, die in auswärtige Blätter übergingen, entgegentreten zu müssen; wir konnten dabei nicht annehmen, daß innerhalb des GemeindekolleglumS Leute sitzen, die den streng vertraulichen Charakter der Beratung mißachtend das wirkliche Ergebnis derselben sofort urbi ot orbi verkündeten. Daß die Nachricht zuerst ihren Weg in die demokratische Presse fand, ist nicht allein bezeichnend für die nahe Fühlung, in der ein Teil der Väter der Stadt mit der hiesigen demokratischen Hrtz- und Skandalpresse steht, sondern auch für die Auffassung, welche auf demokratischer Seite über den Wert von bindenden Versprechungen herrscht; denn es verlautet nichts darüber, daß irgend ein Mitglied des Gemeinderats in jener Sitzung gegen die Geheimhaltung der Beschlüsse opponiert hat. Tatsächlich hat sich anfänglich selbst die „Heil- bronner Ztg." gescheut, die sensationelle Meldung von der beantragten Suspendierung in ihre Spalten aufzunehmen, nur am Fenster ihres Redaktionslokals war es als Plakat zu lesen; erst heute, in ihrer Freitagsnummer, die betr. Sitzung fand am Mittwoch statt), macht sie sich in großen auffälligen
ganz Neues und schien einen frischen Abschnitt in der klösterlich stillen Einförmigkeit ihres bisherigen Lebens einzuleiten.
Sie rief sich Alles ins Gedächtnis, was er zu ihr gesprochen und gesagt hatte, und sie verglich ihn im Geiste mit den ritterlichen Helden, von denen sie in den Werken ihrer Lieblingsdichter gelesen hatte. Glich er doch so ganz dem Bilde, das sie sich von diesen immer entworfen hatte.
Ihre Träumerei wurde durch den Eintritt einer Dienerin unterbrochen, welche ihr meldete, daß ein Herr unten sei und sie zu sprechen wünsche.
„Ein Herr wünscht mich zu sprechen!" wiederholte Adrienne überrascht, und holde Röte überflutete ihr Gesicht bei dem Gedanken, daß Egerton vielleicht dennoch zurückgekehrt sein könne. Sie verwarf diesen Gedanken jedoch augenblicklich wieder und ging in das Sprechzimmer hinab, wo sie einen ältlichen Gentleman fand, der aufstand, als sie eintrat, und sie mit unverhohlenem Erstaunen betrachtete.
„Ich glaube, es muß ein Irrtum obwalten," stammelte er, als sie sich tief vor ihm verneigte und wartete, daß er zu sprechen anfange. „Ich verlangte, ein kleines Mädchen zu sehen, das, wie ich glaubte, hier Zögling ist."
„Ah," versetzte Adrienne lächelnd, „auch ich dachte sogleich, daß es ein Irrtum sein müsse, denn ich bekomme niemals Besuch. Vielleicht kann ich Ihnen indes behilflich sein, mein Herr. Wen wünschen Sie zu sehen?"
„Eine Miß Adrienne Marchmont."
Das junge Mädchen wiederholte voll Ueberraschung den Namen.
„Dann bin doch ich es, die Sie suchen. Ich bin Adrienne Marchmont!"
„Sie?"
Sir Ralph Lynwood, — denn natürlich war es der Baronet — setzte sein Augenglas auf und starrte sie ganz verwirrt an. Er war so verblüfft, daß er einen Augenblick lang gar keine Worte fand. Er hatte sich ein zartes Kind von höchstens dreizehn Jahren vorgestellt, und nun sah er sich einer vollständig erwachsenen jungen Dame gegmüber. Ihre Schönhell verwirrte ihn vollends; er glaubte, etwas