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Listen, in welche die Glieder einer Hanshaltung eingetragen wurden, kommen nunmehr Haushaltungshefte zur Verwendung, in denen für jede einzelne Person eine Zählkarte auszusüllen ist. Besonderes Gewicht wird diesmal auf genaue Angaben über die Berufs- und Ecwerbsthätigkeit der Bevölkerung gelegt, weil dadurch Aufschlüffe gewonnen werden sollen für das Studium der Frage, ob in der Schweiz eine allgemeine und obligatorische Unfallver­sicherung einzuführen sei.

Gcrges-Weuigkeitsrr.

Calw. Die Abstimmung der bürgerlichen Collegien ergab in be­deutender Mehrheit ein zustimmendes Resultat, wodurch Hr. Stadtschultheiß Haffner bereit ist, das ihm angetragene Mandat in den Landtag anzunehmen.

(Amtliches) Laut Bekanntmachung des K. Consistoriums hat sich u. a., Lehrern in den Winterabendschulen pro 1887/88 ausgezeichnet und ist mit einer Prämie bedacht worden: Schullehrer Stark in Stammheim, Bezirks Calw.

Stuttgart, 26. Nov. Nachdem Ihre Majestät die Kö­nigin am SamStag den 17. ds. Mts. Musik im engeren Kreise bei sich gehört, befahl Allerhöchstdieselbe während der folgenden Woche trotz leichter Erkältung von den anwesenden Landtagsmitgliedern den Fürsten Karl von Löwenstein-Fceudenberg, die Staatsminister v. Varnbüler und von Lmden, sowie Freiherrn Georg von Wöllwarth, hernach die Präsidenten von Gem- mingen und von Köstlin und den Prälaten von Müller, die Rektoren des Katharinen- und Olga-Stifts, Heller und Gutekunst, zu kleineren Diners.

Eßlingen, 26. Nov. Die vom Gemeinderate aus gestern nach­mittag 4 Uhr in die Turnhalle ausgeschriebene Versammlung, in welcher die Bewerber um unsere Stadtschultheißen st eile sich vor­stellen sollten, warsehr zahlreich besucht, es mögen in dem Raume 8900 Menschen versammelt gewesen sein. Gemeinderat A. Weiß führte den Vor­sitz; nachdem er die Versammlung begrüßt, teilte er mit, daß 2 von den Bewerbern, die Herren Härlin und Schooer, beide beim Amtsgericht in Reutlingen, zurückgelreten seien; ferner verlas er ein Schreiben von Rechts­anwalt Camerer hier, nach welchem derselbe von seiner Bewerbung Abstand nahm, da seine Voraussetzung, daß er einmütig von sämtlichen Parteien vor- geschlagen werde, nicht zugetroffen sei. So blieben noch 5 Bewerber übrig: Amtsrichter Bälz von Leutkrrch, Amtmann Gauger von Neresheim, Amtmann Goll, Cannstatt, Hospitalpfleger Fuchslocher von Nürtingen und Stadlpfleger Weith hier; sie alle waren erschienen und kamen durchs Los geordnet zum Wort, Gauger eröffnete, dann Bälz, Goll, Fuchslocher, Weith. Sie haben sich alle, der eine mehr der andere weniger ausführlich, bis auf Bälz und Weith, die frei sprachen, an der Hand von Auszeichnungen ausgesprochen über die Aufgaben eines O-tsvoistehers und wie sie dieselben zu erfüllen gedenken. Es fanden alle Verfall, Weith wurde schon beim Auftreten mit solchem empfangen. Amtmann Goll hat seine Bewerbung bereits zurück­gezogen. Nach 1 >/z Stunden war die Versammlung zu Ende. Der Wahl­ausschuß trat zusammen und hat sich beinahe einstimmig für Bälz entschieden. Bälz wird nun der einzige Bewerber für diejenigen sein, welche in erster Linie einen höher geprüften Mann wollen, daneben noch eine jüngere Kraft, die noch, unbeengt von der Macht der Gewohnheit, auf dem Rathause neues frisches Leben in unsere Stadtverwaltung bringen soll. Stadtpfleger Weith, der hiesiger Bürgerssohn ist und in stä tischen Diensten, zuerst als Ruts­schreiber und später als Stadtpfleger thätig war und tüchtig ist, hat bedeu­tenden Anhang; es wird noch große Anstrengung und namentlich fleißige Beteiligung an der Wahl bedürfen, um den Sieg zu gewinnen.

Reutlingen, 23. Nov. In einer zahlreich besuchten Versammlung des kaufmännischen Vereins, wozu auch der Gewerbe- und der Handelsverein ihre Mrtglieder eingeladen hatten, sprach am verflossenen Mittwoch Abend Professor Bei.ßwanger über dieBerufswahl unserer Söhne".

Die auf eingehenden Erfahrungen und Studium der sozialen Verhältnisse beruhenden Ausführungen des Redners sind im wesentlichen etwa folgende: Gewiß gibt es kein größeres Unglück, als seine Bestimmung für das ganze Leben verfehlt zu haben, und man darf wohl in der verfehlten Berufswahl eine Hauptquelle des unsere Zeit beherrschenden Mißbehagens, des häufigen Mangels an Lebens, und Schaffensfreudigkeit und Zufriedenheit suchen. Die richtige Betreibung der verschiedenen Berufsarten schützt in Gemeinschaft mit der Sittlichkeit den Staat vor den sozialen Gefahren und jeder Beruf kann und soll zur Förderung der Sittlichkeit des Volkswohles, zur Besserung der sozialen Verhältnisse beitragen. Die reiche Zahl von Berufsarten, ungenü­gende Kenntnis von deren Eigentümlichkeiten, Ueberfüllung einzelner Berufr- zweige erschweren die richtige Wahl eines Berufes. Unter keinen Umständen ist dieselbe jedoch den Söhnen selbst zu überlaffen, deren Pläne in der Regel zu hoch gehen oder von unrichtigen Voraussetzungen ausgehen. Schon das kindliche Spiel bietet Anhaltspunkte zur Erkennung der Neigungen, doch man darf sich bei der Beobachtung keiner Täuschungen hingeben. Es ist für Eltern ratsam, das Urteil anderer erfahrener Männer, von Lehrern und Erziehern zu hören, um nicht oberflächliche Liebhabereien mit wirklicher Begabung zu verwechseln. Doch hat man sich auch zu hüten, kräftig sich entwickelnde An­lägen zu unterdrücken und das Talent in falsche Bahnen zu zwängen. Um eine richtige Berufswahl vorzubereiten, erziehe man die Kinder zur Pietät gegen den Lehrherrn, zum Gehorsam gegen das Gesetz, zur Achtung vor Schule und Kirche, zu Ehrlichkeit, Sparsamkeit und Ordnungsliebe. Mit der Erziehung zum Gehorsam beginnt die große Kette der Schulung des Willens, der Bildung des Karakters. Auch auf die religiös-sittliche Bildung ist bei den sittlichen Gefahren mancher Berufsarten besonderes Gewicht zu legen. Endlich ist die Erziehung zur Arbeit, Gewissenhaftigkeit und Pflichttreue ins Auge zu fassen, ebenso die Bildung des ästhetischen Sinnes. Mit der Be­rufsfrage ist die Schulfrage aufs engste verbunden. Redner verweilt hier länger, kommt dabei auf das Nebel der Gegenwart, die Ueberfüllung der gelehrten Berufsarten und höheren Schubn zu sprechen, Erscheinungen, die auf dem Bestreben der Eltern beruhen, immer höher hinaus zu wollen als der eigene Stand selbst ist. Der Sohn des Handwerkers soll ein Beamter, der des kleinen Beamten ein großer Beamter werden. Ueberall sehen wir Ueberfüllung, nur im Handwerk nicht, das bei den gesteigerten Anforderungen der Zeit doch ebenfalls fähige Köpfe nötig hat. Wohl soll der Sohn bei der Berufswahl auch seine Meinung äußern, seiner Meinung folgen dürfen, dies aber in Uebereinstimmung mit den Eltern und etwa des Lehrers. Redner gab noch eine Uebersicht der Zahlen bezüglich der Abgangsprüfungen der württembergischen höheren Schulen aus diesem Jahre und schließt seinen lehrreichen, beifällig aufgenommenen Vortrag mit dem Satze: Wir können uns der Thatsache nicht verschließen, daß der Kampf ums Dasein immer ernster wird und daß wir jeden Beruf nur dann richtig ausfüllen, wenn wir uns auf diesen Kampf durch Benützung aller uns zur Verfügung stehenden Bildung?mittel richtig vorbereiten, und das wird wohl möglich sein, wenn wir durch den gewählten Beruf auch auf dem richtigen Boden stehen.

Reutlingen, 26. Nov. Heute brachte der O r a t o r i e n v erein unter Musikdirektor Schönhardts Leitung Haydn'ö unsterbliches Meister­werkd i e S ch ö p f un g" zur Ausführung. Hatten die aufs eifrigste betrie­benen Pi oben die Erwartungen aus den höchsten Grad gesteigert, so zeigte die vorzügliche Einübung der Chöre, daß die Zuhörer, die sich in so reicher Zahl eingestellt hatten, sich keiner falschen Hoffnungen hingegeben hatten. Pianist Wölfls, in dessen kundige Hand die Begleitung des herrlichen Ton­werks gelegt war, hat seinen alten Rai aufs neue bewährt. Die Soli, die Frl. Frida Wacker, dem Altmeister Schülky und Konzertsänger Diezel über­tragen waren, wurden mit reichem Beifall ausgenommen. Der Erfolg des heutigen Abends möge dem Oratorienverein nnd seinem verdienten Leiter ein neuer Sporn sein, sich die Pflege klassiicher Musik angelegen sein zu lassen. Eines schändlichen Verbrechens machte sich eine 17jährige, bei einem

aus, sich fast erschrocken in die Höhe richtend.Ich'Habs mich von meinen Gefühlen ^ Hinreißen lassen, anstatt daß ich Dir vor Allem ein Geständnis gemacht hätte, das ich Dir schuldig bin. Ich glaube, ja, ich bin dessen sicher, daß es in Deinen Augen keinen Unterschied machen wird, aber trotz alledem habe ich kein Recht, Dich über einen Umstand in Ungewißheit zu lassen, dem viele Leute ein großes Gewicht bei­legen könnten. Als mein Kousin und ich in Westland-Court ankamen, entstand irgend ein Irrtum in Bezug auf unsere Persönlichkeiten, und mein Kousin wurde für den Künstler Hugh Cleveland gehalten, während man in mir den jungen Erben von Avenel-House vermutete. Er war ob dieses Irrtums so belustigt, daß er mich bat, denselben aufrecht zu halten, wozu ich einfältigerweise beistimmte; nicht etwa, weil ich wünschte, eine Stellung einzunehmen, die mir ja nicht gebührte, sondern weil ich sah, daß er heftig in' ein junges Mädchen verliebt war, das gleichfalls in diesem Hause als Gast weilte und das ich sofort als eine schlaue Kokette erkannte die ihn gewiß ausschlagen würde, wenn er als armer Künstler um sie warb, während sie ihn ohne Zweifel angenommen, hätte sie ihn als Hugh Cleveland, den Erben von Avenel-House, gekannt. Die Gleichheit unserer Namen begünstigte das Unter­nehmen, und der Erfolg entsprach meinen Erwartungen; er machte ihr einen Antrag und wurde von ihr abgewiesen. Ich beabsichtigte, Dir das Alles zu sagen, ehe ich Dir meine Liebe gestand, Natalie, denn ich bin sehr arm. Ich habe nur eine kleine Rente jährlich, außer Dem, was ich durch meine Kunst verdiene, und es kann noch lange, lange dauern, ehe ich im Stande sein werde, Dich mit jenem Lu- rus zu umgeben, an den Du gewöhnt bist, Geliebte; aber ich bin jung, gesund und habe Talent, und Das, im Verein mit dem Bewußtsein Deiner Liebe, wird mir die Kraft geben, den Kampf mit dem Leben siegreich zu führen. Ich will mir als Künstler einen großen Namen machen; ich will Ruhm und Reichtum gewinnen, und dann will ich kommen und Dir Alles zu Füßen legen und Dich, meine Königin, als höchsten Lohn erbitten!"

Er sollte ihre Aufnahme seiner Eröffnungen nicht zu fürchten haben. Reich- tümer, wie verlockend sie auch sein konnten, hätten dieses edle, junge Herz nicht zu dethören vermocht; denn es hatte ihm seit Wochen entgegengeschlagen und wollte

hm treu bleiben in Zeit und Ewigkeit. Sie blickte ihm mit beseligendem Lächeln ins Antlitz, als er schwieg.

Glaubst Du wirklich, daß das für mich nur den geringsten Unterschied machen könnte?" fragte sie vorwurfslos.Die Armut kann meine Liebe ebensowenig beein­flussen, als die Zell oder sonstige Wandlungen. Ich liebe Dich so sehr," fuhr sie, ihren schönen Kopf zu ihm hinabneigend, in leisem Flüstertöne fort,daß nur der Tod die Gewalt haben soll, Dich mir zu entreißen!"

2. Kapitel.

An demselben Morgen, an welchem Mr. Egerton mit seiner Tochter Natalie den Niedergang seines Hauses beklagte, saß sein nächster Gutsnachbar, Sir Ralph Lynwood von Lynwood-Hall, in dem Frühstückszimmer seines von glänzendem Reich­tum Zeugnis gebenden Herrenhauses und verzehrte mit großem Behagen sein Frühstück.

Er war etwa fünfundfünfzig Jahre alt, besaß eine blühende, frische Gesichts­farbe und war ein Gentleman vom Wirbel bis zur Zehe, obwohl sein ganzes Wesen deutlich verriet, daß er den größten Teil seines Lebens nicht in volkreichen Städten, sondern auf dem Lande zugebracht hatte.

Im gegenüber saß ein um etwa fünfundzwanzig Jahre jüngerer Mann, der in jeder Beziehung von ihm verschieden war. Es war sein Neffe, Otto Lynwood, der früher Rittmeister war, jedoch aus nur ihm allein bekannten Gründen der mili­tärischen Laufbahn entsagt hatte. Es bestand keinerlei Ähnlichkeit zwischen ihm und seinem Onkel, was in so fern nicht zu verwundern mar, als sein Vater nur ein Stiefbruder Sir Ralph's war. Die Frauen erklärten Otto Lynwood allgemein für schön und schwärmten für seine großen, dunklen Augen.

Welchen Appetit Du hast, Onkel Ralph!" sagte der Neffe in neidischem Tone, nachdem er einige der vor ihm stehenden Leckerbissen kaum berührt wieder von sich geschoben hatte.

(Fortsetzung folgt.)