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Eßlingen, 19. Nov. In unsere Stadt schultheißenwahl scheint nun etwas Leben kommen zu wollen, schreibt man der „Württ. Ldztg.". Nach einem „Eingesandt" in der morgigen Nummer der „Eßl. Ztg." hat Stadtpfleger Weith hier gegenüber dem Wunsch einer größeren Anzahl von Wählern aus Stadt und Filial sich bereit erklärt, eine auf ihn fallende Wahl anzunehmen und in einer öffentlichen Wählerversammlung in den nächsten Tagen sein Programm zu entwickeln. Weiter erfahren wir, daß die deutsche Partei in einer Versammlung ihrer Mitglieder heute abend bei Kugel ebenfalls zu der bevorstehenden Wahl Stellung nehmen will. Von dieser Partei soll der Antrag auf eine Verständigung mit den übrigen politischen Parteien (soweit möglich dahin ausgehen, ein gemischtes Wahlkomite aus der Gesamtwählerschaft zu bilden, welches dann die ferneren Schritte gemeinsam zu leiten habe. — Inzwischen erfahren wir noch, daß an Meldungen von auswärts bis heute eingegangen sein sollen: Von Amtmann Gauger von Neresheim, Amtsrichter Bälz von Leutkirch, Hospitalverwalter Fuchslocher (geb. Eßlinger) von Nürtingen. Von weiteren — hervorragenden — Namen war unter der Hand ebenfalls schon die Rede. Der Meldetermin geht kommenden Donnerstag zu Ende, die Wahl soll anfangs Dezember stattfinden, die Sache wird sich also von jetzt ab rasch entwickeln. Wahlberechtigte sind es gegen 2800.
Kirchheim, 18. Nov. Im Stall des Rotgerbers Schönleber hier find 2 Stücke Rindvieh an Milzbrand gefallen. Eine Partie sog. Wildhärrte, die aus China stammten, und kurze Zeit vorher in der Nähe des Schönleber'schen Stalles abgelagert wurden, galten als Träger des Milz- brandgiftes, und sollten nach polizeilicher Anordnung verbrannt werden. Der Eigentümer der Häute, ein israel. Handelsmann, erhob Beschwerde gegen diese Anordnung, wurde aber in allen Instanzen abgewiesen, da durch mikroskopische Untersuchungen außer Zweifel gestellt war, daß ein Teil der Häute wirklich von milzkrankem Vieh herrührte, und eine Ausscheidung der etwa von gesunden Tieren stammenden Häute mit Rücksicht darauf, daß auch sie indessen von dem Ansteckungsstoff in sich aufgenonimen haben konnten, sich als unzulässig erwies. Am 16. d. M. wurden die Häute, die zu 800 gewertet waren, im freien Felde mit Holz- und Petroleumfeuer vernichtet, nachdem Tags zuvor eine kürzlich wieder in dem Schönleber'schen Stall untergebrachte Kuh ebenfalls am Milzbrand zugrunde gegangen war. Nach den bestehenden Gesetzen erhält der Eigentümer der Häute keine Entschädigung.
Gmünd, 18. Nov Aehnlich wie in Stuttgart und Heilbronn sind von morgen an auch in Gmünd im Postgebäude sogenannte amerikanische Briefladen angebracht, zu welchen die einzelnen Geschäftsleute eigene Schlüssel besitzen. Unmittelbar nach Ankunft jedes Zuges werden Briefe und Drucksachen in die numerierten Kästchen gebracht, wo sie sofort abgeholt werden können. Bei der dermaligen Geschäftspraxis, wornach eingehende Bestellungen oft noch am gleichen Tage besorgt werden sollen, ist die praktische Einrichtung von großem Wert. Von 105 verfügbaren Behältnissen find 70 bereits besetzt. — Die kürzlich erstellte Telefoneinrichtung soll bis 1. Dez. in Betrieb gesetzt werden. Bis jetzt sind es 26 Geschäfts, inhaber, welche sich an der Sache beteiligen.
Marbach, 16. Nov. Die heutige Amtsvcrsammlung hat für die König Karl-Jubiläums-Stiftung 5000 ^ als Gabe beschlossen.
Vom Hohenlohe schen, 17. Nov. Ein Mahlknecht aus Bayern, ungefähr 22—24 Jahre alt, wurde gestern vormittags in der Mühle zu Kröffelbach vom Transmissionsriemen erfaßt und durch das Kammrad erdrückt.
Rottweil, 17. Nov. (Strafkammer.) In der Nacht vom 31. August auf 1. September v. I. hat der ledige Dienstknccht Leonhard Steidle von Unterdigisheim in unmittelbarster Nähe des Wohnhauses seines früheren Dienstherrn, des Fahrboten Friedrich Meßner von Rietheim, auf den er schon lange Zeit erbittert, zwei Schüsse aus einem scharfgeladenen Revolver abgefeuert. Da Steidle schon im vorigen Jahre mit scharf geladenem Revolver in das Haus des Meßner eingedrungen war und dessen Tochter mit Erschießen bedroht hatte (er wurde Hiewegen am 28. Dezember
vor. I. vom K. Schöffengericht Tuttlingen mit 2 Monaten Gefängnis bestraft) konnte die Meßner'sche Familie nicht anders annehmen, als er plane einen Racheakt und befürchtete, er suche eines der Familienglieder zu erschießen. In straferhöhender Berücksichtigung seiner Vorstrafen, sowie des hohen Grades der durch sein Treiben in der Meßner'schen Familie hervorgerufenen Beängstigung, wurde Steidle, der sich mit dem zweiten Schuß — wie er sagt in selbstmörderischer Absicht — in die Stirne geschossen hatte, wegen eines Vergehens der Bedrohung zu der Gefängnisstrafe von vier Monaten verurteilt. — Am 14. Juni ds. I. hat sich der ledige Pulverarbeiter Philipp Schneider von Göslingen über den dortigen Schultheißen in der Hasenwirtschaft zu Rottweil in Anwesenheit mehrerer Gäste in beleidigender Weise ausgelassen und Vorwürfe gegen ihn ausgesprochen, welche ihn in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet waren. Schneider wurde Hiewegen vom K Schöffengericht Rottweil zu der Gefängnisstrafe von 14 Tagen verurteilt. Auf die seitens des Schneiders erhobene Berufung hob die Strafkammer dieses Erkenntnis auf und verurteilte ihn zu der Geldstrafe von 40 ^ (im Falle der Uneinbringlichkeit zu 8 Tagen Gefängnis.) — Am 7. Dezember vorigen Jahres erhielt Franz Mattes in Deilingen unter einer an ihn von dem Metzger I. Weiß in Spaichingen gemachten Zahlung einen Reichskafsen- schein über 20 Mark und kurze Zeit nachher der Schuhmacher Höfler in Durchhausen ebenfalls von Weiß einen gleichen Schein, die sich in der Folge beide als gefälscht herausstellten. Diese Scheine hatte Weiß von einem Schweinehändler aus Wiesloch eingenommen, der sie seinerseits ebenfalls an Zahlungsstatt erhalten hatte, von wem letzterer sie in Empfang genommen, konnte nicht ermittelt werden. Da keine Anhaltspunkte Vorlagen, welche es ermöglichten, eine bestimmte Person wegen Nachahmung dieser Reichskafsen- scheine zur Verantwortung zu ziehen, wurden dieselben durch Urteil der Strafkammer gemäß § 152 des St.G.B. eingezogen.
Riedlingen, 18. Nov. In der verflossenen Woche wurde der Opferstock in der Wendelinskopelle erbrochen und seines Inhalts beraubt.
Ravensburg, 17. Nov. Der „Oberschw. Anzeiger" nebst Buchdruckerei ist durch Kauf in den Besitz des Hrn. Dr. B. Kah, zurzeit in Schorndorf, früher Redakteur der „Germania" und des „Bad. Beobachters", übergegangen. Die Geschäftsübergabe wird mit dem 1. Januar k. Jahres erfolgen. Die Nachricht, wonach das Geschäft an die Herdersche Verlagsbuchhandlung in Freiburg verkauft sei, ist unrichtig. Der Verkaufspreis soll 240,000 betragen. Herr Kah kaufte heute die Aubert Ulrich'sche Buchdruckerei dahier nebst Verlag des „Generalanzeigers" an.
Hechingen , 19. Nov. Vor einigen Tagen starb hier der kaiserlich ottomanische Hof-Lithograph unv Photograph, Herr F. Löffler aus Konstantinopel. In dem benachbarten Pfarrdorfe Voll 1841 geboren, besuchte er die hiesige Realschule und kam dann in die Lehre zu Lithograph I. C. Daiker, hierselbst. Die Wandeljahre des intelligenten jungen Mannes brachten ihn auch nach Paris, wo ihn ein Engländer kennen lernte, mit dem er nach dem Orient reiste. Zunächst arbeitete er in Konstantinopel, übernahm später das Geschäft seines Prinzipals und verheiratete sich mit einer Französin, mit der er ein glückliches Familienleben führe. Durch Tüchtigkeit und Intelligenz brachte er sein Geschäft rasch empor, so daß er vom Sultan zum Hoflieferanten ernannt wurde. Alle Arbeiten auf dem Gebiet der Lithographie und Photographie, die für den kaiserlichen Hof erforderlich waren, mußte Löfflers Atelier liefern, so daß er es bald zu großem Renommee und beträchtlichem Vermögen brachte. Seit einigen Jahren ist Herr L. leidend gewesen. Er suchte zur Erholung und Wiedergenesung sein schwäbisches Heim auf, in welchem es ihm gar gut gefiel. Jndeß nahm sein Leiden immer mehr zu und endlich erlöste ihn der Tod von demselben. In heimatlicher Erde, am Fuße des Hohenzollern, ruht seine Asche.
Berlin. Ueber einen neuen schweren Unglücksfall, welcher sich am Abend des 16. Nov. im kön. Schauspielhause zugetragen hat, be-
heutiges Pech Witze zu reißen! doch beeile Dich, dieses Revier ist abgejagt und es soll ein Imbiß an der großen Eiche eingenommen werden, die übrigen sind bereits auf dem Wege dahin.
Die beiden Freunde schlugen die Richtung nach der großen Eiche ein, wo sich die Jagdgesellschaft bereits auf dem Rasen gelagert hatte und Lieutenant v. Mertzing trug Sorge, daß Steinbergs heutiges Malheur allbekannt wurde, und die beiden Ankommenden wurden mit einem lauten Gelächter begrüßt.
„Steinberg, Steinberg, wie war das möglich, daß Sie daneben geschossen haben;" redete ihn Freiherr von Erlenthal an, „es ist blos gut, daß Liebenau diesen Kapitalbock noch geschossen hat, aber Ihr Karo wird schließlich bei der ganzen Geschichte um das schöne Halsband kommen."
„Und ich beinahe um den schönen Lendenbraten," brummte Major von Hoch, der als Gourmand bekannt war. — „Heiliger Hubertus! Mein erster Gedanke war, was für ein feiner Leckerbissen meinem Gaumen entgangen war, als Steinberg der Rehbock unter der Büchse weglief."
„Ein geistreicher Gedanke," bemerkte letzterer, indem er sich ebenfalls im Kreise niederließ, um etwas zu frühstücken. Es fielen wohl hie und da einige scherzhafte Bemerkungen über Steinbergs Fehlschuß, aber Curt von Erlenthal, sowie einige seiner Freunde bemühten sich, das Gespräch auf andere Dinge zu lenken, und bald war eine laute Unterhaltung über Pferde und Pferdezucht im Gange.
Der Freiherr war ein vorzüglicher Pferdekenner und hatte während seiner Militärzeit fast alle Rennplätze Deutschlands besucht. Er kannte fast alle die besten Rennpferde vom Starte und deren Eigenthümer und gab jetzt manche kleine Episode zum Besten. Die Gläser machten die Runde und die Unterhaltung wurde immer animierter.
Plötzlich sah der Freiherr nach der Uhr. „Aufbrechen, meine Herren, wir habm noch viel vor uns; das kleine Fichtengehege, links von der Chaussee und dann noch der Erlengrund muß abgejagt werden und es ist bereits 11 Uhr."
„Auf! auf! zum fröhlichen Jagen!" summt Major von Horst vor sich hin, und die Herren erhoben sich. Sie schlugen dm Weg nach dem Erlengrunde ein und
bald von dorther herüberschallende Schüsse deuteten an, daß die Jagd auch da ergiebig ausfallen werde.
III.
An eine m Fenster des nach dem Walde zu liegenden Flügels des Schlosses zu Erlenthal stand Eugenie und sah in die herrliche Herbstlandschaft hinaus. Der leichte Wind trug dann und wann den Schall eines im Walde gefallenen Schusses herüber und über ihre fein geschnittenen Züge glitt ein Lächeln. „Vielleicht schon wieder Steinberg," lispelte sie, und trat vom Fenster hinweg nach ihrem Nähtischchen und entnahm der Schublade desselben ein weißes Papier, in welchem ein prachtvolles Hundehalsband eingewickelt war. Es war das für Steinberg bestimmte Geschenk und er sollte es heute Abend aus ihren Händen empfangen. Auf der in der Mitte befindlichen Messingplatte war ein gothisches „S" mit einer Krone darüber eingraviert und das Ganze dicht mit Perlen besetzt. Nachdem sie es eine zeitlang betrachtet, legte sie es wieder an seinen Platz zurück und trat wieder an das Fenster. „Ich weiß gar nicht» was für eine Ahnung heute in mir aufsteigt," sprach sie halblaut vor sich hin, „gerade als müßte heute noch etwas besonderes geschehen. Wie oft kommen doch auf einer solchen Jagd kleine Unglücksfälle vor oder gar —Sie schauderte, den Gedanken auszusprechen und begab sich in den Salon hinab, wo sie ihre Mutter mit einer Handarbeit beschäftigt am Fenster sitzend fand und setzte sich ihr schweigend gegenüber. Unverwandt sah sie zum Fenster hinaus nach den Wirtschaft gebäuden hinüber und keine von dm beiden Damen schien ein Gespräch eröffnen zu wollen.
„Bis wann gedmken denn die Herren von der Jagd zurückzukommen", brach endlich Eugenie das Schweigen und sah nach der Mutter hinüber.
„Curt meinte, bis 4 Uhr dürfte wohl alles abgejagt sein, aber bei solchen Gelegenheiten läßt sich schwer ein Zeitpunkt feststellm", entgegnete Frau von Erlenthal. „Sie scheinen jetzt dem Schießen nach sich im Erlmgrund zu befinden und es ist jetzt halb drei, sie können also vielleicht schon vor vier Uhr zurückkommen und um 6 Uhr soll gegessen werden."
(Schluß folgt.)