63. Jahrgang.
Kro. 138.
Amts- unä IntekkigenMatt für äen Oezir^.
Erscheint Kienstag, Donnerstag L Samstag.
Die Einrückungsgebühr beträgt S H p. Zelle im Bezirk, sonst 12 H.
Donnerstag, äen 22. November 1888.
Abonnementspreis halbjährlich 1 80 H, durch
die Post bezogen im Bezirk 2 30 sonst in
ganz Württemberg 2 70 H.
ArntticHs Wekcrnntmcrchungen.
Diejenigen Hrtsvorsteher,
. welchen demnächst 1 Exemplar der reoidirten Unfalloerhütunasvorschriflen der südwestdeutschen Holzberussgenossenschaft zugeht, werden angewiesen, solche — zum Dienstgebrauch für die in ihren Gsmeinoen ansäßigen Genossenschaftsmitglieder — in Verwahrung zu nehmen.
Calw, den 19. Noo. 1888. K. Obsramt.
Amtmann Bertsch.
Aokitifchs WcrchvicHterr.
Deutsches Reich.
Potsdam, 19. Noo. Der Kaiser und die Kaiserin empfingen um 9>/s Uhr vormittags die schwedische Deputation im hiesigen Stadtschloffe. Der Kaiser trug die schwedische Marineunisorm. Die Audienz währte eine Viertelstunde, worauf das Kaiserpaar mit der Deputation in die Garnisanskirche und später in die katholische Kirche begab, wo die Beeidigung der Rekruten des ersten Garderegiments zu Fuß und des Garde« jägerbataillöns stattfanden. Der Kaiser erteilte beide Mals persönlich den Befehl zum Einrücken der Fahnen in die Kirche.
— Berliner Blätter bringen bereits Mitteilungen über den neuen Reichs- Etat, denen zu entnehmen ist: Die außerordentlichen Ausgaben im Marine- Etat, welche durch die neuen Schiffsbauten veranlaßt sind, betragen 9—10 Millionen Mark, die Mehrausgaben im Militär-Etat infolge der höheren Getreide- und Fouragepreise 2—3 Millionen Mark. Die Matrikularumlagen weisen nur eine Steigerung von etwas über eine Million Mark auf, während die Ueberweisungen an die Einzelstaaten erheblich gestiegen sind, obgleich ein Defizit von 22 Mill. Mark gedeckt werden muß.
— Die Kaiserin Friedrich wird künftig bei ihrer Anwesenheit in Berlin das ehemals kronprinzliche Palais bewohnen, ihren dauernden Aufenthalt übrigens in ihrem Schloß Friedrichshof im Taunus nehmen, das mit aller Beschleunigung hergerichtet wird.
England.
London, 17. Noo. Times meloet aus Sansibar vom 16. d. M.: Der belgische Dampfer Brabo, welcher 400 Sklaven für Kongo an Bord führte, wurde auf der Höhe der Küste von Sansibar von dem englischen Kreuzer Griffon angehalten. Der Kreuzer nahm 2 Sklaven, welche schwuren, daß sie gewaltsam entführt seien, mit sich, worauf der Dampfer weiterfahren konnte.
Hcrges-WeuigkeiLen.
Nagold, 20 Nov. In Folge epidemischen Auftretens der Diph « theritis in hiesiger Stadt wurde die Schließung sämtlicher Schulen verfügt. In verschiedenen Ortschaften des Bezirks herrschen die Masern unter den Kindern. Verschiedene Opfer wurden schon von dieser tückischen Krankheit gefordert.
Neuenbürg, 18. Nov. Vor einer zahlreichen Versammlung erstattete heute Nachmittag der Landtagsabgeordnete Beutter von Herrenalb, Bericht über seine Thätigkeit während der letzten Wahlperiode. Im Verlauf einer längeren Rede besprach er der Reihe nach die verschiedenen vom Landtag verabschiedeten Gesetze, indem er ihre Bedeutung für den Bezirk und seine Stellung zu denselben, beziehungsweise seine Mitwirkung bei der Beratung und Formulirung derselben klar legte, so namentlich bei dem Branntweinsteuergesetz und dem Gesetz über die Steuerverteilung zwischen Grundbesitz und Gewerbe. Bei der Besprechung der mehr den künftigen Landtag erwartenden Gesetzesvorlagen betonte er bezüglich der in Aussicht genommenen Ver- faffungsrevision die in Deutschland einzigartige Zusammensetzung der württ. Kammer und war der Ansicht, daß, wenn es wirklich zu einer vollständigen Revision der Verfassung komme, was er bezweifle, diese Frage wohl dahin entschieden werden müsse, daß man die bisherigen Privilegierten der 2. Kammer der Kammer der Standesherren zuweise und hier fordere, daß ein Mandat nur in Person ausgeübt werden könne. Bei der Frage der Revision der Gemmndeverfaffung glaubte er, daß ein Mittel gefunden werden müsse, um Unzuträglichkeiten, die in einzelnen Fällen durch die Lebenslänglichkeit der Ortsvorsteher entstehen können, zu verhüten. Angesichts des erheblichen lieber« schuffes des Staatshaushalts glaubte der Redner den Zeitpunkt für gekommen, eine Entlastung der Gemeinden insbesondere durch Uebernahme eines größeren Teils der Schullasten seitens des Staats herbeizuführen und mehr als bisher Wünschen um Beihilfe zur Verbesserung der Verkehrsverhältniffe Rechnung zu tragen. Stadtschultheiß Stirn dankte dem Abgeordneten unter dem Beifall der Anwesenden für seinen eingehenden und belehrenden Vortrag, und Oberamtspfleger Wessinger sprach den Wunsch aus, derselbe möchte» nachdem er den Bezirk 18 Jahre lang vertreten habe, bei der nächsten Wahl wieder gewählt, seine erfolgreiche Thätigkeit in der Kammer zum Segen des Bezirks fortsetzen.
Stuttgart, 20. Nov. Die Kammer trat heute zusammen und wurde vom Präsidenten v. Hohl mit einer patriotischen Ansprache eröffnet. Die Kammer wird morgen 9>/z Uhr mit der Beratung des Gesetzes über die Kcankenpflege-Versichsrung beginnen.
Feuilleton. °°r->°t-n.
Amor und KL. Kuöertus.
Erzählung von Th. E b ert.
(Fortsetzung.)
Währenddessen waren die übrigen Jagdteilnehmer angekommen und man schickte sich an, einen kleinen Imbiß einzunehmen, um dann sofort aufbrechen zu können. Die Damen begleiteten hierauf die Herren bis zur Schloßtreppe und empfahlen denselben nochmals die größte Vorsicht bei dem Gebrauche der Gewehre an. „Keine Angst, gnädige Frau", antwortete Major von Liebenau und schob dabei seinen grünen Jägerhut vom rechten nach dem linken Ohr. Eugenie erinnerte Steinberg noch einmal an seine Verpflichtung und nickte ihm freundlich zu, als er sich am Ausgange des Schloßhofes noch einmal umwandte. Nachdem die Jagdgesellschaft
ihren Blicken entschwunden war, kehrte sie langsamen Schrittes in den Salon zurück.
*
Ein eintöniges Klappern ließ sich durch den Erlenthaler Forst hören, hie und da schlug ein Hund an und Büchsenschüsse störten die Waldruhe. Die Jagd des Freiherrn von Erlenthal hatte ihren Anfang genommen. Die Schützen hatten das schon am Abende vorher eingelappte, abzujagende Revier von zwei Seiten umstellt, und von der andern Seite her rückten unter Anweisung eines Unterförsters die bestellten Treiber langsam heran. Lieutenant von Steinberg hatte, wie es schien, einen ungünstigen Platz erhalten, denn er hatte bis jetzt immer noch den ersten Schuß in der Büchse. Rechts von chm befand sich Curt von Erlenthal, während er auf seiner linken Seite den Lieutenant von Mertzing zum Nachbar hatte. Die Büchsen der Beiden krachten abwechselnd in kürzeren Zwischenpausen, was Steinberg allemal einen kräftigen Waidmannsfluch entlockte. Er kannte die beiden als gute Schützen zu genau, als daß er nicht hätte annehmen müssen, daß stets ein Stück Wild unter
ihrem Feuer zusammengebrochen wäre. „Ich soll heute das meiste Wild zur Strecke bringen", murmelte er, indem er die Büchse zum Anschläge bereit hielt „und kein Schwanz kommt mir hier vors Rohr. Eugeniens Preis ist sicher schon für mich
verloren, denn da schießt schon wieder dieser verd.Mertzing" und wandte das
Gesicht nach dessen Standorte hin, als hätte er das Wild sehen wollen, dem Mertz- ings letzter Schuß gegolten. „Donnerwetter, wenn Eugenie auf den Gedanken kommen sollte, das für mich bestimmte Geschenk jedem andern besten Schützen von heute zu verehren und dieser Mertzing würde es erhalten!" spricht er vor sich hin, indem er die weißen Zähne aufeinanderpreßt. „Weiß der Teufel, wie mir der Kerl jetzt ins Gehege kommt. Schon fest 4 Wochen kommt er häufiger nach Erlenthal, als er sonst zu thun pflegte! Und Eugenie? Wie angenehm schien sie sich heute morgen mit ihm zu unterhalten und meine Anwesenheit gar nicht zu bemerken. Und wenn er ihr nun heute abend aufzählen wird, wie viel er geschossen und sich vielleicht einfallen ließe, sich über mich lustig zu machen, so soll mich der Teufel holen, wenn-"
Wetter kam er nicht mit seinem Selbstgespräche, ein lautes „A" entfuhr seinen Lippen und die zum Anschläge bereit gehaltene Büchse saß an der Wange. Ein Rehbock war plötzlich ausgebrochen und im nächsten Augenblicke krachte auch schon Steinbergs Büchse. Aber was war das — Steinberg lehnte sich mit dem Rücken an eine hinter ihm stehende Eiche und schaute nach der Richtung hin, in welcher der von ihm geschossen geglaubte Rehbock verschwand. Er hatte ihn gefehlt! Gefehlt auf kaum zwanzig Schritte Entfernung! Noch nie war ihm das passiert und heute mußte ihm das geschehen, — gerade heute — wo er bis jetzt nicht einmal geschossen hatte. Mußte er nicht zum Zielpunkt aller Witzeleien werden! Steinberg knirschte vor Wuth.
„Donnerwetter, Steinberg!" Verdammtes Pech heute," ließ sich da Curt von Erlenthals Stimme hinter ihm vernehmen, „wie konntest Du aber auch nur diesen Bock fehlen. Nun muß es gerade auch dieser Mertzing gesehen haben, der Kerl schießt heute wie St. Hubertus selber. Nun, er wird es nicht wagen, über Dein