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dieselbe bezeichne eine neue Aera für den Kaukasus und sei ein neuer Be­weis für die Konsequenz und Beharrlichkeit des Kaisers in der Verwirklichung friedlicher und fruchtbarer Thätigkeit. Schon bei seiner Krönung habe der Kaiser Herrn v. Giers durch -ein Rescript gedankt, daß derselbe in diesem Sinne ein treues und gewissenhaftes Organ in der Leitung der auswärtigen Politik sei. Dieses feste und weise Vorgehen trug bereits seine Früchte in der militärischen, finanziellen, kommerziellen und industriellen Entwickelung Rußlands und lasse eine Aera unablässigen Fortschrittes voraussehen, die dazu beitragen müßte, die Macht die Wohlfahrt und das Ansehen Rußlands nicht durch unfruchtbaren Kriegsruhm, sondern durch fruchtbare Friedens­arbeit zu befestigen.

Gcrges-Weuigkeiten.

Calw. Die Obstbaumbesitzer machen wir auch an dieser Stelle auf die im Inseratenteil erlassene Aufforderung aufmerksam, wonach denselben zum Schutz ihrer Obstbäume Brumataleim und Papierstreifen um 1 Drittel! des Preises billiger angeboten und bei zeitiger Anmeldung durch die Stadt- pflege beschafft wird. Es ist wohl nicht zu zweifeln, daß dieses Anerbieten, welches dankbare Anerkennung verdient, vielfach benützt wird.

Dem heutigen Viehmarkt waren 431 Stck. Rindvieh und 22 Pferde zugesührt. Handel durchweg flau. Regere Kauflust zeigte sich auf dem Schweinemarkt, Preis der Milchschweine 1018 pr. Paar. Läufer ge­sucht, jedoch wenige beigebracht.

(Amtliches.) Vermöge Höchster Entschließung vom 9. Oktober haben Seine Königliche Majestät die erledigte evangelische Stadt­pfarrstelle in Ellwangen, Dekanats Aalen, dem Pfarrer Rieger in Deckenpfronn, Dekanats Calw, gnädigst übertragen.

Nagold, 27. Okt. Eine raffinierte Bosheit verübten anfangs dieses Mts. zwei schulpflichtige Knaben von hier. Dieselben beschlossen, den Bienen­stand eines hiesigen Zieglers seines Honiginhalts zu berauben, kauften zu diesem Zwecke eine Schwefelschnitte, stiegen in den verschlossenen Stand ein, nachdem sie zuvor an den beiden Kästen, in welchen sie Bienen vorfanden, mit Erde die Fluglöcher verstopft halten, und schwefelten die beiden wert­vollen Bienenvölker ein, daß sie elendiglich verendeten, wodurch dem Eigen­tümer ein Schaden von ca. 50 erwuchs. Aus den beiden Kästen ent­nahmen sie sodann mehrere mit Honig gefüllte Waben. Durch einen Zufall gelangte man den Thätern auf die Spur. Untersuchung ist eingeleitet; da die beiden Knaben das 12. Lebensjahr bereits überschritten haben, werden sie der gerichtlichen Strafe nicht entgehen.

Stuttgart. Eine Schnitze ljagd wurde am Freitag vor­mittag 11 Uhr von den Offizieren des Feldartillerie-Regiments Nr. 29Prinz- Regent Luitpold" geritten. Rendezvous war am Südende des Favorit-Parks. Am Start hatten sich auch zwei Damen (Frau Major Epplen und Frau Hauptmann Löffler) eingefunden, welche der über Hindernisse aller, teilweise nicht eben der leichtesten Art führenden Jagd im flottesten Tempo folgten. Nachdem der Wiesengrund bei Schloß Monrepos, welchen der Arrangeur mit vielen Hindernissen ausgestattet hatte, passiert war, gab der Master, Hauptmann von Miller, die Jagd frei. Nach scharsem Kampfe wurde der von Sekonde- lieutenant Schweizerbarth gerittene und von den Huntsmen (Lieutenant Schmidt und Lieutenant Moser) hart bedrängte Fuchs in der Gegend der Asperger Eisenbahnbrüäe durch Sekondelieutenant Landauer Hallali gemacht. Den beiden der Jagd beiwohnenden Damen, welche unter den Ersten beim Hallali erschienen, überreichte der Master nach alter Reitersitte den wohlver­dienten Eichenbruch.

Schwäb. Gmünd, 29. Okt. Kürzlich sind dem Reisenden einer hiesigen renomierten Bijouteriesabrik 18,000 ^ im Hotel D. in der Kaufinger­straße in München, abhanden gekommen, trotzdem daß die Thüre mit einem Vorhängschloß versehen war. Von dem Dieb hat man bis jetzt keine Spur.

Das Gericht befaßt sich ernstlich mit der Sache, und wird auch zu entscheiden haben, wer den Schaden zu tragen hat, da der Hotelbesitzer sich weigert, Schadenersatz zu leisten. Der seitherige Landtagsabgeordnete für den Be­zirk Gmünd, Herr Rektor Dr. Klaus, wird auch für die nächste Landtags­periode als Kandidat auftreten; die Arbeiterpartei hat beschlossen, einen Gegen­kandidaten aufzustellen, die Person ist noch nicht endgültig festgestellt.

Vom Brenzthal, 29. Okt. Heuer haben wir in unserer Gegend noch eine Ernte, wie sie vielleicht alle 20 Jahre wiederkehrt. Die Buchen in unseren herrlichen Laubholzwaldungen sind nämlich diesmal so reichlich mit ihren ölreichen Früchten, den Bucheckern, behängen, daß sich ein Sammeln wohl lohnt. Wer Zeit hat, namentlich Mütter mit den Kindern, geht bei dem herrlichen Herbstwetter in den Wald, umBüchelen" zu lesen, und giebt es schon Familien, die bis zu 10 Simri gelesen haben.

Ulm, 28. Okt. Gestern lief hier von Markgröningen die Mitteilung ein, der am 15. d. Mts. auf der Bahnlinie in der Nähe des hiesigen Bahn­hofes aufgefundene Knabe, über den das hiesige Stadtpolizeiamt ein Aus­schreiben an die Behörden hatte ergehen lassen, werde der nicht ganz 14 Jahre alte, schon bestrafte Wilhelm Friedrich Gist er er aus Markgröningen sein. Daß dem in der Thal so war, daß also der abgefeimte Bursche nicht taub­stumm war, sondern 12 Tage lang meisterhaft zu simulieren verstanden hatte, bewies der Umstand, daß derselbe gestern abend aus dem Spital entwich, nachdem ihm von dem Vorstand des Stadtpolizeiamts bedeutet worden war, er werde morgen in seine Heimat zurücktransportiert werden. Heute abend hat sich der Entlaufene jedoch wieder im Spital eingefunden, um wieder Nachtquartier zu erhalten. Er hat nunmehr gestanden, daß er die .ganze Zeit über aus diesem Grunde simuliert habe, um nicht nach Hause zurück zu müssen. Man ist erstaunt, wie es der Bursche, dem man die ganze Zeit über nicht recht traute und der deshalb bei Tag und Nacht scharf beobachtet wurde, fertig brachte, die ihn beobachtenden Personen so lange zu täuschen.

Frankfurt a. M., 30. Okt. Zu den Wahlen zum preuß. Landtag wurden hier soweit bekannt 279 nationalliberale Wahlmänner und 271 demo- krat.-freisinnige gewählt.

Kassel, 29. Okt. Die Stadt Hünfeld ist von einem furchtbaren Brandunglück heimgesucht. Seit heute vormittag steht die Stadt in Flammen. 200 Häuser sind eingeäschert, darunter die Post und das Rathaus. IV 2 Tausend Personen sind obdachlos. Es ist alles verbrannt. Auch aus dem Hünfeld benachbarten Großenbach wird Großfeuer gemeldet. (Hün- seid ist eine Kreisstadt im Reg.-Bez. Kassel, Station der Linie Frankfurt- Göttingen; sie hat mehrere Fabriken, darunter eine Zuckerfabrik, und etwa 1900 Einwohner.)

Kassel, 30. Okt. Zu dem Brandunglück in Hünfeld erhält dasFrkf. I." den Nachtrag, daß 300 Gebäude, drei­viertel der Stadt, in Asche und Schutt liegen. Der Brand dauert noch immer an. Das Hersfelder Militär und dreißig Feuerwehren sind aufgeboten. Das Rat­haus, die Reichspost, die Schulen, die Apotheke sind eingeäschert. Die Kirche ist noch unversehrt. Alle Scheuern waren vollgepfropft mit Getreide. Die Ver­wüstungen sind entsetzlich, das Elend unbeschreiblich.

Wevnrifchtes.

Amerikanisches. In englischen Fachblättern findet sich ein wahr­haft verblüffender Bericht des amerikanischen Ingenieurs S. H. Thomson über die Eisenbahnbrücken seiner Heimat. Danach sind in dem mit dem 31. Dezember 1887 endenden 10jährigen Zeitabschnitt in den Vereinigten Staaten nicht weniger als 251 Brücken unter der Last darüber hinfahrender Züge zusammengebrochenl Es stürzt also drüben durchschnittlich

Jeuilleton. <«-4^

Lieben und Leiden.

Roman aus der Pariser Gesellschaft von A. d« NoksgoVey.

(Autorisierte deutsche Uebersetzung.)

(Fortsetzung.)

Desto besser für ihn, entgegnete mit unerschütterlicher Ruhe der Polizeibeamte, es hätte sonst doch nur irgend ein schlechtes Ende mit ihm nehmen können!"

Und der Andere?" forschte Herr d'Arcy.

Moulisres? O, das ist ein Abenteurer der schlimmsten Kategorie, und wir überwachen ihn seit langer Zeit. Er ist aber sehr schlau und lief uns noch nie in die Falle, da er jeden Kontakt mit den Gesetzen auf das Sorgsamste zu meiden weiß!"

Worin bestehen seine Antecedenten?"

Er ist von Geburt ein Marseiller, heißt eigentlich Marejolin und ist der Sohn eines bankerotten Kaufmanns. Nach allerhand tollen Streichen, welche ihm teuer zu stehen hätten kommen können, hat er seine Vaterstadt verlassen, um in Italien sein Glück zu versuchen. Da es ihm weder an Bildung, noch an vornehmer Haltung fehlte, konnte »r sich dort in der bestm Gesellschaft bewegen und gab sich als einen Mann von altem Adel, Namens Moulisres, aus; er schloß sich einer Ge­sellschaft von Spielern an, hat viel Geld verdient und kam vor etwa fünfzehn Jahren mit bedeutenden Kapitalien nach Paris!"

Und er hat fortgefahren, vom Spiel zu leben?"

Nein, er hat sein System gänzlich geändert. Er hat sich im Geheimen mit einem früheren Agenten verbündet, mit einem gewissen Menager, und die Beiden haben als Wucherer die bestm Geschäfte gemacht. Moulisres führt seinem Genossen die Klienten zu und wird dafür von demselben glänzend bezahlt. Sobald in Folge heftiger Verlüste beim Spiel irgend ein Mitglied des Klubs, welchem Moulisres an- gehört, sich in Geldverlegenheit befindet, weist Moulisres dasselbe an Menager,

welcher dann mit ihm den entfallenden Gewinn teilt. Die Freunde Moulisres' ahnen nicht, mit welch hübschen Geschäften er sich befaßt. Er ist gut angesehen in den Kreisen, in welchen er sich bewegt, und eine gewisse Kategorie von Frauen schwärmt sogar für ihn. Er stand in sehr intimen Beziehungen zu der Witwe, welche das Vermögen des Grafen und der Gräfin von Listrac verschlungen hat, und da sie Millionärin geworden, beabsichtigt er jetzt jedenfalls, sie zu heiraten. Es wäre ein gut zu einander passendes Paar."

Ist jene Person nicht die Witwe eines ehrenwerten Land-Edelmannes aus der Normandie, des Barons von Benserrade, der im Zweikampf getötet wurde?'

Ja, und sie scheint fürwahr Unhell zu bringen, denn nun wurde auch ihr Geliebter getötet. Vor ihrer Vermählung war sie in eine kriminelle Angelegenhell verwickelt, die Ermordung eines Mädchens betreffend, das im gleichen Hause mit ihr wohnte und welches man eines Tages erdrosselt im Bette fand."

Ich entsinne mich, aber Frau von Benserrade ward weder angeklagt, noch verdächtigt."

Man konnte allerdings keine Beweise gegen sie Vorbringen, doch der Chef der damaligen Sicherheitpolizei glaubte unumstößlich daran, daß das Verbrechen von der Baronin verübt worden sei. Man hat jedoch den Schuldigen nie zu entdecken oder zu überführen vrrmocht, und so wurde denn die Sache niedergeschlagen."

Man wird sie auch jetzt nicht wieder aufrühren, da dies doch zu Nichts führen könnte. Ueberdies kommt jene Frau in der Angelegenhell, um derentwillen ich Sie habe kommen lassen, gar nicht in Frage. Moulisres war der Zeuge Herrn von Listrac's in dem Zweikampf, in welchem dieser gefallen ist; Herr von Chantal war der Sekundant des Gegners. Es ist möglich, daß die Sache vor die Behörde kommen wird, da der Verlauf der ganzen Geschichte kein absolut korrekter war. Der Leich­nam blieb auf dem Platze liegen."

Ich wundere mich nicht, daß Moulisres dies geschehen ließ; zweifelsohne war ihm daran gelegen, der Baronin den Tod Listrac's so rasch als möglich mit- zuteilen."

Wie, Sie glauben, daß er zu ihr gegangen ist?"