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olle 11 Tage eine Brücke zusammen, während dergleichen Unfälle in Europa zu den allerseltensten Vorkommnissen gehören und bei uns Brücken eigentlich nur durch Hochwasser oder Winddruck (Taybrücke) zu Schaden kommen. Auf welche Ursachen sind die so zahlreichen Unfälle zurückzuführen, welche fast stets einer Anzahl Menschen das Leben kosteten? Die Beantwortung dieser Frage ist sehr leicht. Die amerikanischen Eisenbahnbrücken wurden zum guten Teil zu einer Zeit erbaut, wo man nur leichte Lokomotiven und langsam fahrende Züge kannte. Seitdem stieg das Gewicht der Maschinen von 3,5 auf 75 Tonnen, während die Geschwindigkeit der Züge um hundert Prozent erhöht wurde. Trotzdem geschah nicht das Mindeste, um die Brücken entsprechend zu verstärken.
Das Diebesleben. Im Laufe dieser Woche erscheint in Budapest ein von dem dortigen Polizeiinspektor Koloman Bekes verfaßtes Buch, welches den vielversprechenden Titel „Das Dieberleben" führt. Der Autor erzählt darin unter Anderem, daß die Brennpunkte der organisierten Gaunerbanden Europas in London, Paris, Berlin, Wien, Petersburg, Warschau, Odessa und Budapest zu suchen sind. Weit voran steht London da, in welcher Metropole im Jahre 1880 statistisch verbucht standen: 8000 Vagabunden, 6050 Einschleicher, 76 gewaltthätige Diebe (eigentlich Räuber), 56 Falschmünzer, 634 Falschgeldvertreiber, 646 Hochstapler und Betrüger, 706 Hehler, 100 Bettelbriefschreiber, 140 Bettelbriefausträger, 1400 Taschendiebe, 280 Hundediebe, 30 Pferdediebe, 2000 Gauner ohne Spezialität und 12,000 Zuhälterinnen, zusammen also 30,000 notorische Gauner-Individuen. Der Verfasser versucht u. A. den Nachweis zu führen, daß es speziell die nachts beschäftigten Arbeiter seien, aus deren Reihen sich meist die Diebe rekrutieren. Es lasse sich auf Grund statistischer Daten der Schluß ziehen, daß in großen Städten die Mehrzahl der Diebe ihrer früheren bürgerlichen Beschäftigung nach Bäcker oder Kellner, also Nachtarbeiter gewesen sind. Die erste Schule des Gauners sei das nächtliche Herumstreichen und der Aufenthalt in den Spelunken. Die Gauner sind, mit wenigen Ausnahmen, ungebildete Menschen und geistig gänzlich verkommen. Zum Schulunterricht fühlen sie nicht die geringste Neigung. Eher kann von einer „häuslichen Erziehung" die Rede sein und von emem gewissen „Korpsgeist", welche die Diebeseltern in ihren Diebeskindern zu nähren bestrebt sind. Im Alter von 7 Jahren werden die Diebeskinder aktiv. Ihre erste Aufgabe ist, in die verschiedenen Gebäude zu gehen und Beschreibungen der Fenster und Thüren zu bringen. Die Diebessprache lernt das Kind als seine Muttersprache. Den die Diebessprache ist auch die Familiensprache der Gauner.
Der Nrumatakeim, feine Nnwenäung nnä fein Nutzen.
Von F. A. Wider in Stuttgart. (Württ. Wochenblatt für die Landwirtschaft Nr. 44.)
Anfangs der 70er Jahre empfahl Herr Oberlehrer Becker in Jüterbog einen Klebleim, der zum Abfangen schädlicher Insekten von den Obstbäumen entschieden besser diente, als das früher angewandte Umgeben der Bäume mit Teergürtel; aus diesem Grunde fanden seine Leimgürtel in ganz Deutschland entschiedene Anerkennung.
Der ungemein große Wert, den dieser Brumataleim in volkswirtschaftlicher Beziehung für die Obstkultur hat, läßt sich am deutlichsten erkennen, wenn wir die Thalsache bedenken, daß der Frostnachtspanner bei alle« Obstbäumen den größten Schaden verursacht; daß ferner sein Weibchen allein von allen übrigen Schmetterlingsarten zu kurze Flügel besitzt, um die Bäume zu befliegen, dieselben also nur kriechend erreicht, und somit die absolute Sicherheit vorhanden ist, daß nahezu alle mit dem Leimgürtel bei zeitiger Anwendung abgcfangen werden können; ferner, daß ein einziges Weibchen 250 bis 400 Eier legen kann, daß nur 50 Weibchen, die auf einen Baum kommen, eine Legion Raupen erzeugen können, mehr als genug, um den Ertrag des Obstbaumes in Frage zu stellen.
„Ich bin beinahe sicher, daß man ihn im gegenwärügen Moment noch bei ihr fände!"
„Es wäre der Mühe wert, sich dessen zu vergewissern, um zu erfahren, ob in diesem Zweikampf zwei ehrliche Menschen es mit abgefeimten Schurken zu thun hatten."
„Ich stehe zu Diensten und wenn Moulieres sich mit der Baronin verbündet, um jenem Herrn zu schaden, bin ich mit Vergnügen bereit, ihr Komplott zu zerstören, indem ich den Jndustrieritter und seine würdige Genossin entsprechend einschüchtere. Ich brauche zu den Beiden nur von ihrer Vergangenheit zu sprechen."
„Mein Herr", sprach Chantal plötzlich und seine Stimme bebte vor verhaltener Erregung, „gestatten Sie mir die Frage: ist in dem Verlebten Moulieres' auch ein längerer Aufenthalt in Florenz verzeichnet und was wissen Sie darüber?"
Ein scharfer, prüfender Blick, der den gewiegten Kriminalbeamten kennnzeich- nete, traf d'Artige; dann antwortete der Geheimpolizist auf die an ihn gestellte Frage des Letzteren:
„lieber Moulieres Aufenthalt in Florenz weiß ich dies: er hat den Winter des Jahres 1849 auf 1850 dort zugebracht und ist plötzlich abgereist, um sich in Paris niederzulassen, ohne daß man je erfahren hätte, weshalb er eine Stadt verlassen, in der er durch das Spiel bedeutende Summen gewonnen hat."
„Ich weiß es!" rief Chantal. „Mouliöres hat einen italienischen Maler erdolcht und wollte sich vor Nachforschung schützen!"
„Es existieren allerdings noch Schriftstücke, welche auf diesen Mord Bezug nehmen," bemerkte der Polizeibeamte. „Der Maler hieß Vitellio; es scheint aber nicht, daß die italienische Behörde jemals auf den Einfall kam, MouliSres des Mordes zu verdächtigen!"
„Weil sie einen Brief nicht zu Gesicht bekam, der seine Schuld darthut!"
„Einen Brief?"
„Ja, das Schreiben, welches der Mörder dem armen Vitellio sandte, um ihn des Nachts nach einem entlegenen Ott zu locken. Der Brief ist nicht unterzeichnet, aber die Handschrift ist ganz gleich mit jener, die das Billet aufzuweisen hat, welches
Der Beckersche resp. Widersche Leim wird nach dem Frostnachtspanner „Obeimatobis Lrumsta" — „Brumataleim" genannt, unter welchem Namen er seit Jahren in Verwendung kommt. Mit diesem Leim lassen sich aber auch sehr viele andere Raupen rc. fangen, allerdings nur teilweise, aber der Erfolg ist doch so beachtenswert, daß es sich lohnt, auch jenen zu Leibe zu gehen. Da ihre Weibchen nämlich die Bäume behufs ihrer Eierlage befliegen können, so handelt es sich hier um das Abfangen der vom Baume abkriechenden Räupchen, um im Boden sich einzupuppen; andere kriechen auch aufwärts, so daß dieselben über und unter dem Gürtel gefangen bleiben und so für das nächste Jahr unschädlich gemacht werden können.
Ich komme nun zu der Frage, gegen welche Insekten und zu welcher Zeit der Brumataleim anzuwenden ist?
1. Der Frostnachtspanner. (Hauptschädling I) Sein Weibchen kommt Ende Oktober bis 20. November etwa zum Vorschein. — Ist also Ende Oktober schon der Gürtel anzulegen und zwar bei Apfel-, Birnen-, Kirschen-, Zwetschgen-, Pflaumen-, Wallnuß- und Haselnuß-Bäumen! Vielleicht auch an Aprikosen und Pfirsichen.
2. Der Blüten st echer (^.ntbonomus pomorum.) Seine Larve ist als sogenannter Kaiwurm, der ebenfalls sehr großen Schaden verursacht, bekannt. Seine Maden sammeln sich von Anfangs Juli bis März nächsten Jahres hinter den Leimgürteln.
3. Der Apfelwickler (Oarpooapsa pomonana.) Mitte Juli bringt man die Leimgürtel l'/s Meter hoch vom Boden am Stamm derart an, daß die Raupen oberhalb desselben zum Unterkriechen Raum haben. Bei alten Bäumen muß die alte Rinde abgekrazt, gesammelt und verbrannt werden, damit die Raupe nicht hinter sie kriecht; man löst von Zeit zu Zeit den Gürtel, um die gefangenen Raupen zu vertilgen.
4. Der Pfl a u m e n w i ckl e r wie der Apfelwickler.
5. Der Goldschwanz (Lombix obr^sorrböa). Der Ringel- sp inner (llvmbix neustria). Anfangs Juni sind die Gürtel anzubringen. Diese Raupen sammeln sich ebenfalls ober- und unterhalb der Leimgürtel. Das Abkratzen der rauhen Rinde ist hier ebenfalls nötig; weil dieselben sich gerne daran einen Platz zum Verpuppen suchen.
6. Wenn die Maden von 2 bis 5 sich hinter den Gürteln fangen lassen, so können deren Schmetterlinge durch Bestreichen einer großen Laterne mit Brumataleim gefangen werden, indem man bei dunklen, windstillen, warmen Nächten ein brennendes Licht in die Laterne bringt und in die Nähe der Bäume aufhängt. Morgens stellt man die Laterne in einen Keller, damit der Leim nicht so schnell austrocknet. Die Gläser lassen sich nachher wieder durch Abreiben mit Fett und Erdöl reinigen.
6. Außer obigen lassen sich noch fangen: der rote Knospenwickler, die Apselbaumgespinnstmotte, die Wachsmotte und andere mehr.
7. Die Blattläuse. In den Monaten Juni und Juli kriechen dieselben am Stamme auf und ab und werden mit den Leimringen gefangen.
8. Die Ameisen. Auch diese werden gründlich vertilgt durch die Leimgürtel.
Zur Abfassung dieser kurzen und wie ich hoffe, klaren, bündigen Abhandlung habe ich durch die Güte des Herrn Or. Hofmann hier das geeignete Material erhalten und wünsche ich nur, daß dieselbe recht viel Anregung zur energischen Vertilgung unserer Obst- rc. Schädlinge geben möchte.
Calw. ^
Eanllwlrl^LÜu^ttiL^ee Äezir^soerein.
Die bei dem Unterzeichnete« bestellten Ovstbiinme find unfehlbar am nächsten Samstag Bormittag von 8—12 Uhr abznholen.
Calw, den 31. Oktober 1888. E. Horlacher,
Secretär.
sich in Listrac's Brieftasche vorfindet und das Moulieres heute Morgen an den Freund geschrieben hat."
„Haben Sie den Brief Vitellio's bei sich?"
„Nein, aber ich weiß, wo derselbe sich befindet, und kann Ihnen das Schreiben jederzeit verschaffen."
Der Polizei-Agent blickte d'Arcy an, welcher sich beeilte, ihm zu Hilfe zu kommen.
„Lieber Chantal, ich wünsche regelrecht vorzugehen; ich habe Nichts dagegen, wenn der Herr Polizei-Agent Herrn von Moulieres und Madame de Benserrade ausforscht, aber ich möchte mich vor Allem zu dem Richter von Versailles begeben, ihm die ganze Sache vortragen und ihm die in meinen Händen befindlichen Gegenstände übergeben. Er wird dann die nötige Entscheidung treffen, und brauche ich Dich wohl nicht erst zu versichern, daß ich Deine Sache so gut als möglich ihm gegenüber führen werde."
„Ich meinerseits kann aber Herr von Moulieres nicht drohen, daß ich ihn eines Verbrechens wegen, das er möglicherweise vor fünfzehn Jahren im Auslande begangen hat, verhaften werde," sprach der Geheimpolizist.
„Sie können ihn aber wenigstens zwingen, daß er vor dem Richter, welcher ihn verhütt, aussage, daß der Zweikampf ein ehrlicher gewesen ist und daß Herr von Listrac die Modalitäten desselben festgesetzt hat. Sie können ihn sogar zwingen, Patts zu verlassen, — wenn sein Herz danach schmachtet, in der Gesellschaft der Frau von Benserade."
„Ich möchte nur Herrn von Chantal bitten, mir angeben zu wollen, in welchen Händen sich das Schreiben befindet, welches an den Maler Vitellio gerichtet war."
„In den Händen seiner Tochter Andrea Vitellio, welche bald die Gattin meines Freundes d'Artige sein wird und inzwischen auf dem Quai Voltaire Nr. 44 wohM; wenn Sie die Dame sprechen wollen —"
„Ihre Mitteilung genügt mir, mein Herr; ich werde mich, wenn der Herr Landrat meiner nicht mehr bedarf, sofort zu Frau von Benserrade begeben."
D'Arcy nickte zustimmend und der Beamte entfernte sich.
(Fortsetzung folgt.)