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hinauslaufende Mitteilung enthalten, man solle sich nur nach Besanyon wenden, dort gäbe es einen Advokaten, der sich der drei Studenten an» nehmen werde. Der „Hann. Cour." setzt dann noch hinzu: Die Angelegenheit ist noch in der Schwebe; die Reichsregierung wird nichts unterlassen, um den gekränkten deutschen Studenten, von denen einer noch an den Folgen der brutalen Behandlung, die ihnen in Belfort widerfahren, zu leiden hat, zu ihrem Rechte zu verhelfen.
Italien.
Rom, 7. Sept. Zum Besuche des Kaisers Wilhelm im Vatikan. Wie der „politischen Korrespondenz" von hier gemeldet wird, ist dem päpstlichen Hofstaate, sowie den Offizieren der vatikanischen Garde, mit Einschluß der auf Urlaub befindlichen, die Weisung zugegangen, sich am 19. und 20. Oktober für das Ceremoniell, wie es bei den großen Empfängen von Souveränen üblich ist, bereit zu halten. Selbstverständlich wird diese Verfügung mit dem bevorstehenden Besuche des deutschen Kaisers in Rom in Zusammenhang gebracht. — Man erwartet im Vatikan die nahe Rückkehr des preußischen Vertreters beim heiligen Stuhle, Herrn v. Schlözer.
Frankreich.
— Der in Nizza verhaftete angebliche Spion war niemals deutscher Offizier, sondern nach Ausweis seines Paffes aus Grünberg in Schlesien und 1877 einjährig-freiwilliger Gefreiter. Also ist auch die Angabe, daß er den französischen Feldzug mitgemacht habe, unrichtig. Der Verhaftete heißt Fritz Kilian und scheint sich eigenmächtig den Namen v. Hohenburg beigelegt zu haben. Wie den Blättern aus Saint-Nazaire gemeldet wird, hat die Municipalität und die Bevölkerung dieser Stadt den Offizieren des russischen Kreuzers „Admiral Korniloff", der auf den Werften der Loire erbaut ist, einen glänzenden und enthusiastischen Empfang bereitet. Die 11 russischen Offiziere wurden von dem Gemeinderat mit dem Maire an der Spitze in dem mit russischen und französischen Fahnen geschmückten Stadthause feierlichst begrüßt und vom Maire mit einer patriotischen Ansprache bewillkommt. Darauf setzte sich der Zug, die Musik voran, nach dem Grand.Hotel in Bewegung unter Begleitung einer zahlreichen Menge, die unaufhörlich rief: „Vivo Is kussie! Vivo I» krsnoe!" Im Grand-Hotel wurde im Festsaal ein Lunch serviert, an dem über 400 Personen Teil nahmen. Der Maire trank auf den Zaren, auf Rußland und dessen Größe und betonte die aufrichtige Freundschaft und Zuneigung, die Frankreich und Rußland mit einander verbänden. Der russische Fregatten-Kapitän und Kommandant des Schiffes, Alexief, dankte und brachte einen Toast auf den Präsidenten der Republik, auf die französische Marine und auf die Stadt Saint-Nazaire aus. Die russischen Offiziere wurden in Wagen nach dem Hafen zurückgeleitet unter steten Zurufen der Bevölkerung. Für den Abend hatte der Gemeinderat einen großen Fackelzug als Beschluß dieser Festlichkeit organisiert. — Vier Truppentransportschiffe in Toulon erhielten Befehl, sich seefertig zu machen. Man bringt dies mit Gerüchten von Unruhen in Zusammenhang, die in Südalgerien ausgebrochen wären. — In Bon - Nieres wurden französische Arbeiter mit italienischen, welche auf deren Verlangen entlassen worden waren, handgemein. Gendarmerie mußte einschreiten.
Gages-Weuigkeiten.
r. Calw, 10. Sept. Wie immer im Herbst, wenn die Feldfrüchte eingeheimst sind, mehren sich die Brandfälle in bedenklicher Weise. So haben wir innerhalb 2 Monaten schon über den dritten Fall zu berichten. Kaum hatten sich die Bewohner der Umgegend von dem Schrecken des vor acht Tagen in Althengstett ausgebrochenen Brandes erholt, als man am letzten Freitag, abends 10 Uhr, schon wieder eine starke Röte am Horizont in der Richtung gegen Herrenberg wahrnahm, die ebenfalls auf ein ausgebrochenes Feuer schließen ließ; zwei mit Getreide- und Futtervorräten an
gefüllte Scheunen brannten in Deckenpfronn total nieder. Das Feuer griff durch Wind begünstigt, sehr rasch um sich und die dortige Feuerwehr, die ebendeshalb etwas früher hätte am Platz sein dürfen, hatte im Verein mit der requirierten Gültlinger Feuerwehr vollauf zu thun, wenigstens die nebenstehenden Wohnhäuser zu retten. Gegen 1 Uhr war das Feuer bereits gedämpft. Der Schaden beträgt mehrere tausend Mark. Einer der Abgebrannten ist versichert, wogegen zwei andere, welche eine der Scheuern gemeinsam hatten, nicht versichert sind. Ueber die Entstehungsursache ist noch nichts bekannt. — Am letzten Samstag Abend bei einbrechender Dunkelheit hat einer der kürzlich hieher gekommenen böhmischen Steinbrecher, in betrunkenem Zustand, einen seiner Kameraden ohne irgend welchen Wortwechsel, derart in den Unterleib gestochen, daß derselbe lebensgefährlich verletzt sofort in das hiesige Krankenhaus verbracht werden mußte. Der Thäter, der sich sofort flüchtete, wurde gestern morgen festgenommen und dem Gerichte übergeben.
— (Egsdt.) Zur Bienenzucht. Ein sonderbares Jahr in der Bienenzucht geht seinem Ende entgegen. Berechtigte der Anfang des Frühlings zu den schönsten Hoffnungen, so trat doch bald seltene Trockenheit und Hitze ein, bei der weder Honig noch Schwärme gediehen. Ihn löste dagegen ein so wechselvoller Sommer ab, daß die Tische für honigproduzierende Insekten fast gänzlich leer blieben. Dadurch gerieten die Bienen in Unzufriedenheit und Zorn, stachen sehr häufig die Mutter ab, und war der Bienenvater nicht sehr fleißig umsichtig, so hatte er bald mehr eingegangene Völker, als ihm lieb war. Darum mustere jeder seine Völker genau, vereinige die schwachen mit den weisellosen und beuge dem Abwürgen durch Anwenden des „Apiol" aus der Apotheke vor. Auch wird er sofort finden, daß er den weitaus größten Teil seiner Völker füttern muß, will er sie nicht dem Hungertods preisgeben. Ein Volk muß für den Winter wenigstens 15—20 Pfd. Futter haben; wiegt also ein Strohkorb samt Volk nicht mindestens 30 Pfd., dann ist es hohe Zeit, mit aufgelöstem Kandis zu füttern; 3 Pfd. in 1 Liter Wasser. Wer dies zu spät besorgt, wird im Frühjahr tote Völker finden, da das eingetragene Futter unbedeckt bleibt und sauer wird. Darum frischer Einsatz, dann wird das nächste Jahr den Lohn bezahlen.
Leonberg, 4. Sept. Die hiesige Feuerwehr hat in Folge Einführung des neuen Gesetzes über Feuerlöschwesen eine gänzliche Umgestaltung erfahren. Statt der früher 70 Mann eingekleideter Mannschaften haben wir nun die stattliche Anzahl von 124 Mann und die Stadtgemeinde hat nun auch beschlossen, denselben Uniformröcke anzuschaffen. Neben obiger Zahl sind noch 176 Mann zur Pflichtfeuerwehr eingereiht. Bei der nun vor einigen Tagen vorgenommenen Hauptprobe durch den Bezirksfeuerlöschinspektor, bei welcher sowohl Schulübungen, als auch ein Hauptangriff gegen ein markiertes Feuer ausgeführt wurden, hat sich gezeigt, was eine tüchtig geschulte Feuerwehr zu leisten vermag, und es haben sämtliche Anwesende sich sehr anerkennend darüber ausgesprochen. Unsere Hochwafferleitung, eine Schöpfung unseres allzufrüh verstorbenen Stadtschultheißen Häcker, hat sich bei dieser Gelegenheit wieder glänzend bewährt. Die Einwohnerzahl der Stadt beträgt 2300.
— Die „Cannst. Ztg." meldet: Oeffingen, 6. Sept. Vor einigen Tagen ereignete sich hier ein schweres Unglück. Als nämlich ein hier durchfahrendes Gefährt, auf dem sich drei Herren und eine Dame befanden, letztere auf dem Bock neben dem Kutscher fitzend, den kleinen Bergabhang bei Kreuz passierte, entfielen der leitenden Dame die Zügel und der Kutscher, der dieselben noch zu erreichen glaubte, stürzte kopfüber vom hohen Bock herab und wurde überfahren; um die Pferde zu halten, sprang ein Herr zum Wagen hinaus, stürzte aber so unglücklich, daß er ebenfalls bewußtlos liegen blieb. In Schmiden wurde endlich das Gefährt, an welches zwei prächtige Schimmel angespannt waren, aufgehalten und hierauf die beiden Verletzten eiligst nach Stuttgart geführt.
Tübingen, 6. Sept. Am 28. September beginnen hier laut „Tüb. Chronik" die Schwurgerichts-Verhandlungen vom IV. Quartal. Das
wohnt, hatte doch der Bühne entsagt, um nur der Liebe leben zu können, hatte die Lorbeer» von sich gewiesen, um nach dem Myrtenkranz zu greifen. Kehrte sie jetzt zu der Kunst zurück, so geschah Dies nur, um sich für bittere Enttäuschungen zu trösten, die ihr das Leben bereitet hatte.
Andrea wußte nicht genau, weshalb die Gräfin sich von ihrem Gatten geschieden hatte; sie erriet aber nur zu leicht, daß dieser Gatte sie in unwürdiger Weise getäuscht haben müsse. Sie trug klagelos das herbe Schicksal, welches jener Mann ihr bereitet hatte. Ja, mehr noch, sie dachte seiner mit unveränderter Liebe. Andrea hatte sie mehr denn einmal überrascht, wenn sie mit überströmenden Augen das Bild des Grafen anblickte, welches üein einem Medaillon bewahrte.
Unwillkürlich warf sich Andrea die Frage auf, ob auch sie dazu bestimmt sei, zu leiden, wie die verehrungswürdige Frau, der sie den Namen Tante gab. Auch ihr war bis nun schon ein merkwürdiges Schicksal zu Teil geworden. Der wunderbarste Zufall hatte sie gleich nach ihrer Ankunft in Paris mit Albert dÄrtige zusammengeführt. War es vielleicht in dem Buche des Schicksals geschrieben, daß ihr künftiger Lebenslauf mit dem dieses Mannes im Zusammenhang stehen sollte, den sie erst seit einem Monat kannte und der schon einen so großen Platz in ihrem Herzen einnahm?
Andrea glaubte an Vorahnungen und so fühlte sie, daß die Stunde nicht mehr fern sei, in der ihr Herz sich für das Leben entscheiden werde, sei es zum Glück, sei es zum Unheil; sie wußte, daß jeder Widerstand vergeblich war.
In solche Gedanken versunken, hatte sie nicht wahrgenommen, was um sie her vorging. So hatte sie auch nicht bemerkt, wie der Mann, dem ihre Betrachtungen galten, wie Albert d'Artige aus einer Seitenallee auf den freien Platz dem Theater gegenüber getreten war, um hier langsain auf und abzuschreiten. Es hatte den Anschein, als ob er auf die Gräfin warte, denn seine Blicke richteten sich unverwandt nach dem ThöLtre Lyrique und er zog mehrmals seine Uhr hervor, um zu sehen, welche Zeit es sei. Bis jetzt hatte er Andrea nicht gesehen, doch auf einmal, eine andere Richtung nehmend, gewahrte er sie. Im nächsten Moment stand er neben ihr.
„Sie hier, mein Fräulein?" rief er überrascht, indem er Andrea mit ehrerbietiger Höflichkeit begrüßte.
„Ja," stammelte Andrea verlegen, „ich habe die Tante ins Theater begleitet und sie holt mich auf dem Heimweg hier ab."
„Dann gestatten Sie mir, bei Ihnen zu bleiben. Ich muß so bald als möglich mit der Gräfin von Listrac sprechen, und da sie warteten —"
„Himmel! Haben Sie ihr vielleicht eine böse Kunde zu bringen?" rief Andrea.
„Nein, gnädiges Fräulein; es handelt sich um Dinge, welche ich vernommen habe und die auch sie wissen muß, doch bin ich gleichzeitig dem Zufall sehr dankbar, der mich mit Ihnen hier zusammenführte. Ich hatte feit unserer ersten Begegnung im Garten der Tuilerien noch niemals das Vergnügen, Sie allein zu sprechen."
Diese Worte trugen das Ihrige dazu bei, Andrea derart zu verwirren, daß sie nicht wußte, was sie antworten sollte.
„Ich habe jene glückliche Begegnung nicht vergessen," fuhr d'Artige fort, „und mehr als einmal schon den Zufall gesegnet, der mir die Möglichkeit bot, Ihnen nützlich zu sein."
„Auch ich habe jenen Augenblick bereits wiederholt gesegnet," erwiderte lebhaft das junge Mädchen. „Was wäre aus mir in der großen Weltstadt Paris geworden, wenn ich nicht Frau von Listrac gefunden hätte? Ihnen allein danke ich es, wenn ich heute die Schutzbefohlene meiner teuren Gönnerin bin."
„Sagen Sie lieber, ihre Adoptivtocher! Sie könnte es nie übers Herz bringen, sich von Ihnen zu trennen."
„Ich glaube fürwahr, auch ich stürbe vor Schmerz, wenn ich es wüßte."
„Sie haben also nicht die Absicht, sich zu vermählen?" fragte d'Artige lächelnd.
„Ich dachte nie daran und glaubte, daß auch Sie sich zu meiner Ansicht bekennen."
„Sie täuschen sich; meine Jugend ist vergangen, indem ich suchte. Ich wollte ein junges Mädchen heiraten, welches ich liebte und das mich seinerseits lieben würde; ich fand nicht, wonach ich strebte."
„Sie haben eine glänzende Karriere vor sich, Sie haben treue Freunde —"