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Äerichtislanii für!>«i«le <«U«
«st Calw.
Nr. 304
Kurts- unä Knzelgeblatt für äen vberamtsbezirk (alw.
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Donnerstag, den 29. Dezember 1927
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verantwort!. Schrifileitung: Frieärich Han» Scheel« vnuk unä Verlag äer A Oelschläger'schen Suchäruckerei.
101. Jahrgang
Die Finanznöte der Länder
Neue Ansprüche an das Reich
TU. Berlin, 29. Dez. Die Länder melden sich jetzt mit neuen Ansprüchen. Dabei geht Preußen voran, das eine zroße Rechnung ausgestellt hat über seine Kriegs- und Nach- kriegsverluste. Es kommt dabei auf einen Betrag von über » M i l l i a r d e n, die es mit 4 Pro-, verzinst haben möchte. Das wären 100 Millionen, die gerade das Loch im preußischen Etat decken würden. Aehnlich scheinen auch andere Staaten Ihre Stellung zu begründen, so daß der Neichssinanzminifter sich wieder neuen Ansprüchen gegenübersteht, die er um so schwieriger decken kann, als sein Haushaltsvoranschlag schon die günstige Wirtschaftsentwicklung des letzten Jahres zur Grundlage genommen hat. Weitere Reserven sind kaum vorhanden. Wie hier ein Ausgleich herbeigesührt werden soll, ist im Augenblick nicht zu übersehen. Zusammen mit den Ministerpräsidenten der Länder werden aber auch die Finanzmtnister der einzelnen Staaten in den ersten Januarlagen nach Berlin kommen, um sich hier mit Herrn Dr. Köhler über ihre Sorgen auszusprecheu. Vorläufig ist es aber noch zweifelhaft, ob der ReichSsinanzminister trotz guten Willens wird Helsen können.
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Staalsvereikisachung in Sachsen
LU. Dresden, 29. Dez. Die sächsische Denkschrift hinficht- Uch einer Verwaltungsrcsorm steht den Abbau von zwei Ministerien, zwei Kreishauptmannschasten und vier AmtS- hauptmannschaften vor. Weiter plant man den Wegfall von S7 Amtsgerichten und eine weitgehende Uebertragung von Ltaatsausgaben auf die Gemeinden. Besonderen Wert legt tie Denkschrift auf die Beseitigung aller Dualismen. Das tlrbetts- und Wirtschaftsministerium soll dem Innenministerium zugeteilt werden. In der Denkschrift wird auch eine Verminderung der Zahl -er Abgeordneten angeregt.
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Burgfriede im französischen Kabinett
Kein Gegensatz Poincare-Briand in der Auffassung der Locarnopolitik.
TU Paris, 29. Dez. Ministerpräsident Poincare hat eS sich zur Aufgabe gemacht, die Mitglieder feines Kabinetts aus «in gemeinsames Programm für den Wahlkaurpf zu einigen. Nach Meldungen der Pariser Presse fand gestern «ine Besprechung -wischen Poincare und den linksgerichteten Mitgliedern des Kabinetts, Briand, Pain- leve und Sarraut statt. Die „Ltberte" will wissen, daß Poincare dabei den radikalen und republikanisch-sozialistischen Ministern in großen Zügen sein Programm entworfen habe, das auf die Erhaltung des politischen Burgfriedens abziele.
Poincare scheint sich mit Len genannten Ministern ausschließlich über die Außenpolitik unterhalten zu haben. Da diese nach der Besprechung ihre Demission nicht gaben, muß angenommen werden. Laß sie dem anßenpolitischen Programm, das Poincare vor der Kammer entwickeln wirb, ihre Zustimmung gaben. Poincare hofft, baß die Rede, die er vor der Kammer halte.: wird, das Wahlprogramm brr Parteien bilden werbe, die er in seiner jeyMehrheit vereinigt sinket und von der er wünschen möchte, daß sie sich auch in der nächsten Kammer zusammr-ifindet.
Poincare wird tn seiner Kammerrede einfach erklären, daß die Locarnopolittk -urchgesührt werben soll, so nämlich, wie Poin- eare sie versteht, daß der Locarnovertrag nichts anderes als eine Befestigung des Bersatller Vertrages sei. Im übrigen muß darauf aufmerksam gemacht werden, daß man in Brt- ands unmittelbarer Umgebung daraus hlnwies, baß der Lo- carnovertrag nicht nur einen Schutz der französischen Oft- grenze darstelle, einerlei von welcher Macht diese angegriffen werden könne, sondern bah er auch einen SchiedS- gerichtSvertrag enthalte, sodaß man Unrecht hätte, immer zu erklären, daß Locarno ausschließlich eine deutsch- französische Abmachung sei. Ebenso wichtig seien die Schiedsgerichtsverträge, die zwischen Deutschland, Polen «nd -er Tschechoslowakei abgeschlossen worden seien. In diesem Sinne wird sich Poincare wohl äußer», und die Zustimmung Briauds scheint ihm von vornherein gesickert zu sein.
Neuregelung
der Heeresergänzungs-Beslimmungen
Eine «enc Verordnung des Neichswehrministeriums über de« Ersatz der Reichswehr.
TU. Berlin, 29. Dez. Wie der Demokratische ZeitungS- dicnst meldet, ist eine neue Verordnung des Reichswehrministers erschienen, die die HecreSergänzungsbcstimmungen neu regelt. Nach dieser Verordnung liegt die Ergänzung dcö Heeres bei den Wehrkreiskommandos. Als Werbestellen sind die Truppenteile ai^usehen. Truppenteile, die einen starken Zulauf haben, dliisen für andere werben. Die Truppenteile dürfen, um Freiwillige zu ermitteln, nicht politische Vereine und andere gemeinnützige Einrichtungen.benutzen. Die Wehrkreiskommandos sollen beim Veröffentlichen von Hinweisen ans Einstellungs- und von Werbeaufrufen Blätter aller Richtungen, soweit sie nicht die bestehende Staatsordnung ablehnen, gleichmäßig berücksichtigen. Die Auswahl deS Offizierersatzes kann erst während der Dienstzeit erfolgen. Abgeschlossene höhere Schulbildung schasst günstige Unterlagen zur Beförderung zum Offizier. Von der Bewerbung ist u. a. ausgeschlossen, iver an Bestrebungen teilgenommen hat, die ans eine Aenderung der verfassungsmäßigen Zustände mit unerlaubten Mitteln gerichtet waren. Unter den Auswejspaptere» wird ein polizeiliches Füh- rungs- und Leumundszeugnis verlangt, in dem sich die Behörden darüber anssprechen müssen, ob sich der Bewerber in verfassnngsfeindlichem Sinne betätigt hat. Das Einziehen von Erkundungen bei Personen Lie in politischen Vereinen führend tätig sind oder staatssrindlichen Parteien angehören, ist zu unterlaßen. Dem Freiwilligen, der zum Truppenteil einberusen ist, muß eröffnet werden, daß er binnen 19 Tage» den Eid aus die Retchsverfassung abzulegen hat und daß im Falle de» EideSweigernng die Einstellung nichtig wird.
Paul Bonconr gegen die sofortig« Räumung des RheinlandeS
TU. Paris, 29. Dez. In der vorgestrigen Abendsitzung der französischen sozialistische» Partei wandte sich das Mit- glied der französischen Vülkerbundsdelegation Paul Boncour gegen «ine sofortige Räumung des Rheinlandes. Man sei sich, so erklärte Paul Boncour, mit den deutschen Sozialisten darüber einig, daß die Räumung von gewissen Bedingungen für die Sicherheit abhängig sei. Diese Bedingungen seien jedoch noch nicht erstilll. Der Redner kam dann auf das Nationalitätenproblem zu sprechen »nd sagte, man müsse es den Nationalitäten selbst überlassen, entsprechend dem Böl- kervnndSpakt die Revision der Friedensverträgr zu verlangen. Die notwendige Demokratisierung deS Völkerbundes hänge hauptsächlich von der Demokratisierung der Regierungen ab. Die Sache deS Völkerbundes sei noch keineswegs gewonnen. Der Ausgang -er Wahlen Deutschlands, Frankreichs und Englands werde von großer Be- dentnng für das Schicksal des Völkerbundes sein.
Frankreich und Italien
Die Hanptschwierigkeit« für ein« französisch-italienische Annäherung.
TU. Paris, 29. Dez. Das „Echo de Paris" bezeichnet als eine Hauptschwierigkeit für eine französisch-italienische Verständigung den Wunsch Italiens, ans dem Balkan freie Hand zu haben. Wenn in dieser Krage «ine Verständigung zwischen Rom nnd Belgrad erzielt werden könnte, so würde dadurch die Ausgabe deS neuen französischen Botschafters in Rom bedeutend erleichtert werden. Italic« müsse einsehe«, daß ein Konflikt mit Südslawie« die Lage i» Mitteleuropa völlig verändern »«d «ine »e»e Offensiv« deS PangermantsmnS herbeiführ«« würde. Italien müsse sich mit einer vorsich, tigen Ausnützung seiner Sonberinteressen in Albanien begnügen. Sonst würden allerlei Abenteuern Tür und Tor geöffnet. Das Blatt kommt bann aus Tunis zu sprechen und schreibt, eine grenzenlose Entfaltung der italienischen Nationalität tn einem Gebiet, das unter französischer Ober- hpheit ftche, würde einer Annäherung zwischen Frankreich und Italien nicht dienlich sein. Ueber all« anderen Fragen sei eine Einigung zwischen Leiden Ländern nicht schwer z« erreich«
Tages-Spiegel
Die Länder haben insvlgc ihrer mißliche« Finanzlage neue Foidcrnngen, welche sich auf ihre Entschädignugsansprüche stützen, an das Reich gestellt.
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Der Vertreter Prenhens i» St eichsrat fordert, daß di« Läm de«, die an ihrer Eigenstaatlichkeit festhalten »olle», diese anch selber bezahl« svll«.
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Die Gesamtzahl der «nterstützte« Er,verbslos« im Dent- sch« Reich hat am 1». Dez. rund 1 Million erreicht.
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Poincare «twickelte sei« Wahlprvgramm vor de« Ministe« der Link« deS französisch« Kabinetts «nd erlangte der« Anstimmnng.
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Perfi« hat Lei« Völkerbund gegen Englands Vertrag mit dem HedschaS protestiert.
Ans England, Holland, Belgien und Portugal »erd« Schneestürme «nd -Schäden gemeldet. Ueber Frankreich befindet sich eine n«e, parke Kältewelle.
Der italienische Vizekonsul in Moskau ermordet
TU. Sowno, 29. Dez. Wie aus Moskau gemeldet wird, ist ln der vergangenen Nacht in der Umgebung der Stadt die völlig unbekleidete Leiche des italienischen BtzekonsnlS Ko- tior gefunden worb«. Vertreter der italienischen Botschaft und der russischen Behörden besichtigten den Fundort. Nach Angaben der russisch« Behörden soll es sich um ein« Raubmord handeln. Dte Untersuchung ist im Gange. Die italienische Botschaft hat sich bisher z« der Angelegenheit noch nicht geänßert.
Amerika für die Revision des Dawesplans?
TU Berlin, 29. Dez. Wie die „B Z." aus Newyork meldet, veröffentlicht die der Washingtoner Regierung nahestehende „Newyork Herald Tribüne" Ausführungen ihres Washingtoner Korrespondenten über den Dawesplan und die Kriegsschulden. In diesen Ausführungen kommt zum Ausdruck, daß man in Washington der Meinung sei, die Zeit sei gekommen, wo die alliierte» Kriegsschnlde« herab, gesetzt «nd die deutsch« Reparationsverpslichtnnz« konsolidiert werde« müßte«. Seit Parker GilbertS Bericht seien diese Frag« der Mittelpunkt von Beratungen in amtlichen Washingtoner Kreis«. Man nimmt tn Newyork an, daß aus den Anssührungen des Washingtoner Sorrr» spondenten der „Newyork Herald Tribüne" dte Meinung des Schatzamtes oder die deS jetzt tn Washington weilenden Parker GilbertS spricht.
Der TaweSpla« «nd d«S deutsche Eigentum s« Amerika.
TU Berlin» 29. Dez. Wie ein Berliner Blatt an« New. York berichtet, meldet tm Zusammenhang mit den Plänen deutscher Versicherungsgesellschaften, thre GeschSstStätigkeit in Amerika wieder aufzunehmen, dte „Newyorker Staatszeitung", der Verwalter deS ehemaligen feindlichen Eigentums habe erklärt, es bestehe ketnerlet Gefahr, baß die Bereinigten Staaten sich jemals au dem in Amerika befindlichen deutschen Privatbesttz schadlos halten könnten, fall- Deutschland etwa seine sich aus dem Dawesplan ergebenden Verpflichtungen nicht einhalten sollte.
Weitere Zunahme der Arbeitslosigkeit
TU Berlin, 29. De». Amtlich wird milgetcilt: Die Ar- beitslostgkejt hat in -er ersten Hälfte des Monats Dezember weiter zugenomm«, wobei dte starke Kälte und die dadurch bedingte Unterbrechung fast jeglicher Außenarbeit eine große Rolle spielte. Die Zahl der HauptunlerstAtzungdemp- fänger in der Arbeitslosenversicherung stieg von rd. 095 900 am 89. November auf 8S1090 am 15. Dezember, also «m 226990 oder 27,4 v. H. Der Zuwachs entfällt in der Hauptsache auf die männlichen Arbeitslosen, deren Zahl von rd. 507 999 auf 79» 909, also nur 292909 zunahm. Bei den weiblichen Arbeitslosen betrug die Steigerung nur 24,4 Prz. Die Zahl der Krisenunterstützten nahm im gleichen Zeitraum NM rund 24 999 svon 147 999 auf 171999) oder «m 16,6 Pr,, zu. Die Gesamtzahl der unterstützten Arbeitslosen ist somit von 759 999 aus rnnd 1 Million gestiegen sdavo« ISS 999 Frauen). Die Zunahme beträgt als» insgesamt rh 259999 oder 2LL ». 4L.
Poincares Wahlprogramm