Aus Stadt und Land
Calw, den 28. Dezember 1927
Dieustnachricht.
Der Htlfslehrerin Eugenie Thomä in Göppingen ist eine HauptlehrertnnensteUe an der Frauenarbctlöschuls in Calw übertragen worden.
Zwischen de« Festen!
Weihnachten ist vorüber. Aber die Festtagsstimmung ist noch vorherrschend und kann sich noch nicht von der Nüchternheit des Alltags verscheuchen lassen. Man läßt die letzten Tage des alten Jahres vorübergehen und nimmt sich vor, im neuen Jahre sich mit voller Kraft wieder in die Arbeit zu stürzen. Die Zeit zwischen den Festen hat etwas Versöhnliches an sich. Die Menschen betrachten sich nicht so sehr als Feinde. Die Weihnachtsbotschaft »Friede auf Erden" ist noch nicht so ganz verklungen. Man hat in den Schwierigkeiten und Kümmernissen des täglichen Lebens doch einen Ruhepunkt gefunden und segelt hoffnungsvoll dem neuen Jahre
entgegen. Man faßt neue Vorsätze. Im neue« Jahre-
eS mutz viel anders werden. Auch bet den Menschen. Nur bas Leben wird sich gleich bleiben. Die schweren Schtcksals- zetten haben in uns Deutschen den Sinn für das Festefeiern getrübt. Und doch bedürfen wir solcher Feiertage, um an den großen Abschnitten einmal Halt zu mache» und Rückschau zu halten aus Vergangenes. Die kirchlichen Feste sind die Marksteine auf der Landstraße der Menschhettspilger, an denen sie rasten und sinnen, vergessen und neue Kraft sammeln zum weiteren Wandern. Allzu Menschliches verliert au Wichtigkeit und die Menschen erkennen wieder, daß nicht sie das Schicksalsrad durch die Zeitenspanne rollen, sondern ein Höherer. Bald werden wir Abschied nehmen von dem alten Jahre. Dann sind die Festtage vorüber und tin gleichmäßigen Rhythmus der gewohnten Arbeit werden die Tage wieder dahtnflteßen. Jahreswende — Schicksalswende. Deutschland hofft daraus mehr als eine andere Nation. Diese Hoffnung möge unser Volk geleiten. Einmal führt doch ein Weg aus der Tiefe »u Höhen. Unser Weg muß rastlose Arbeit sein.
Brückeubanteu im Bezirk der NeichSbahndirektion Stuttgart.
Die Einführung schwerer Lokomotiven im Personen- und Güterzugverkchr macht die Verstärkung und Auswechslung von Brücken notwendig. Die planmäßige Verstärkung von Brücken un Bezirk der RBD. Stuttgart wurde im Jahr 1920 in Angriff genommen. Seitdem sind 250 Brücken verstärkt oder umgebaut worben, mit einem Aufwand au Flußstahl von 7500 Tonnen. An Mauerwerk wurden erneuert und neu anfgesührt 40 MIO Kubikmeter. A» Geldmitteln war- den aufgewenöet 6,5 Millionen Reichsmark. Heute sind die Brücke» folgender Strecken für den schweren Verkehr her« gerichtet: Brette»-Stuttgart-Ulm, Ulm - Frtedrichshasen, Osterburken - Stuttgart - Jmmeudingen, Stuttgart - Aalen- Crailsheim, Stuttgart - Hessental - Crailsheim, Plochtngen- Nentlingcn-Horb, Zuffenhausen -Calw. Für das Geschäftsjahr 1928 sind Verstärkungsarbeitcn im bisherigen jährlichen Umfange vorgesehen.
WeihuachtSkonzert im Surhotel Kloster Hirsau.
Man schreibt uns: Für den zweiten Weihnachtsfeiertag hatre die Direktion deö Kurhotelv zu einem Wethnachts- kouzert etngeladen. Ueberraschend viele, hauptsächlich aus- wärtige Gäste, folgten der Einladung, sodaß viele in dem stimmungsvoll, weihnachtlich geschmückten Saale keinen Platz fanden. Das sorgfältig von Musikdirektor Frank ausgestellte und meisterhaft vorgetragene Programm fand allgemein herzlichen Beifall, sodaß die Kapelle mehrere Zugaben freundlichst spenden mußte. Mit dieser Veranstaltung hat sich die Direktion des Kurhotels sicher neue Freunde erworben, diese werden mit den Stammgästen einer, wie wir hören, geplanten Einladung der Direktion an Sylvester zu einem Sylvesterbalte mit Ueberraschungen sicher gerne Folge leisten.
Vom Krastwagenverkehr der Reichspost km Gchwarzwald.
Vom 1. Januar 1928 an werden die bisher von den Kraftmagengesellschaften Ncuenbürg-Herrenalb-Wtldbab und
Bad Ltebenzell-Schömberg-Höfen betriebenen Kraftwagen- fahrten auf den Strecken Neuenbürg - Marxzell - Herrenalb, Neuenbürg-Dobel, Neuenbürg-Schömberg, Bad Liebcnzeü- Schömberg, Höfen-Schömberg und Wtldbad-Enzklösterle von der Deutschen Reichspost als Kraftposten zu den bisherigen, im Taschenfahrplan der NeichSbahndirektion Stuttgart veröffentlichten Zetten ausgeführt.
Schwere Bluttat in Lotzburg.
SCB. Frcu-ensta-t, 27. Dczbr. Am Werhnachtssonntag machten etwa 25 Männer von Betzweiler in einem Gesellschaftsauto einen Ausflug nach Lotzburg, wo sie im Gasthaus zum „Bären" einkehrten. Nach gemütlichem Beisammensein brachen sie nach 8 Uhr auf und stiegen mit Gesang und Gejohle wieder in ihr Auto. Hiebei wurden sie von dem Loß- burger Polizeidtener darauf aufmerksam gemacht, daß ihr Benehmen ruhestörend sei und er dringend um Ruhe bitte. Die Insassen schenkten jedoch der Verwarnung des Polizei- dienerS keine Beachtung, setzten ihren Lärm fort und als der Wagenlenker anfuhr, bewarf die Loßburger Jugend den Wagen mit Steinen. Hierauf stoppte der Wagenlenker sofort ab, begab sich zum Polizeidtener und protestierte gegen das Verhalten der jungen Leute. Unterdessen stiegen einige der Betzweiler Ausflügler auch ans dem Wagen und schlugen, ohne zu frage», wer eigentlich mit Steinen geworfen habe, aus die zunächst Stehenden ein. Da hiebet auch der Polizeidtener bedroht worden sein soll, schrie einer der Umstehenden, daß derjenige, der den Polizeidiener anrühre, von ihm erschossen werde. Einer der Mitfahrenden wandte sich gegen den Revolverbesitzer. Dieser fühlte sich nun angeblich angegriffen und brückte seine Waffe auf ersteren ab. Der Schuß traf ihn in die Herzgegend und führte seinen sofortigen Tod herbei. Ein zweiter Schuß verletzte einen wetteren Betzweiler am linken Oberschenkel: dessen Verletzung ist bis jetzt nicht besonders gefährlich. Drei weitere Schüsse gingen fehl. Der Täter konnte in der allgemeinen Aufregung unerkannt entkommen. Infolge sofort mit allem Eifer aus- gcnommener Nachforschung der Landjägerbeamten lenkte sich der Verdacht auf den 28jährigen Schreiner Karl Dölkcr aus Dietersweiler, der am Montag früh in Dleteröwciler ver- haftet wurde und auch nach ansäugltchem Leugnen die Tat etngestand. Der Erschossene, Wilhelm Ziegler, Ztmmermann, von Betzweiler, ist 21 Jahre alt und war die einzige Stütze seiner betagten Mutter. Der am Oberschenkel Verletzte ist der ledige Taglöhner Wilhelm Eisele von Betzweiler.
wp. Freudeustadt, 27. Dez. Der Sturm der letzten Woche knickte in der Nacht ans Samstag bet der Tannenhütte am Teuchelweg eine starke Tanne und eine Fichte ab. — Die großen Hotels waren über die Feiertage voll besetzt und die Anmeldungen auf Neujahr lassen einen Fremdenverkehr erwarten, der hinter demjenigen der besten Jahre, mit den schönsten Schneeverhältnissen nicht zurückstehen wird.
SCB Pforzheim, 27. Dez. Am Sonntag abend kam der verheiratete 51 I. a. Goldarbeiter Jakob Llndenmann von einem Besuch von seinen in Pflege stehenden Kindern mit dem 10.30 Uhr in Pforzheim abgehrnöen Zug in Nieser» an. Ltndenmann muß anscheinend im Zuge elngeschla- rn sein und erwachte etwas spät, als der Zug sich in Niefern schon wieder in Bewegung befand. Er sprang kurzerhand vom Zug ab, zum Unglück noch aus der verkehrten Sette, sodaß er von dem längs dem GletS laufenden Geländer weg unter den Wagen geschleudert wurde, wobei ihm beide Füße unterhalb des Knies abgefahren wurden. L. wurde noch am gleichen Abend mit dem SanttätSauto ins Krankenhaus nach Pforzheim eingeltefert, wo beide Füße ampuUert werde» mußten.
SCB Pforzheim, 27. Dez. Um die in Pforzheim durch den Weggang Dr. BührerS fretgewordene Stelle eines zweiten Bürgermeisters haben sich in der vorgeschriebenen Zeit nicht weniger als 100 Personen beworben. Die Bewerber wohnen in den verschiedensten Gegenden des Reiches. Für die ebenfalls ausgeschriebene Stelle des Direktors der St. Elektrizitätswerke haben sich 98 Bewerber gemeldet.
SCB Pfäffingen OA. Herrenberg, 27. Dez. Unser Mitbürger Rall, der vor einigen Wochen alS Ortsvorsteher ge
wählt wurde, hat aus familiären Gründen das Amt abge» lehnt. Nun steht die Bürgerschaft schon wieder vor einer Schultheißenwahl.
SCB. Stuttgart, 28. Dez. Generalleutnant a. D. Gotthold von Erpf ist hier am Weihnachtötag im Alter von beinahe 08 Jahren gestorben. Bei Kriegsausbruch befehligte er das Grenadierregimcnt 121 in Ulm. Von 1917 an war er zunächst Kominandcur der 53. Landwehr-Jnsanterie-Brt- gade und später Kommandeur der 252. Jnsanlerie-Divtston, mit der er in hervorragender Weise an den Kämpfen im Westen tetlnahm.
SCB Göppingen, 27. Dez. Am Sonntag abend hielt der Sängerbund hier im Dreikönigsaal seine Weihnachtsfeier ab. Kaum hatte das Theaterstück begonnen — der Saal war abgcdunkelt — stürzte an der nördlichen Leite des Saales ein Fensterflügel herab auf die darunter sitzenden Gäste. Ein Fräulein wurde am Kopf ziemlich schwer verletzt, so daß es sosort ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen mußte. Der Unfall ist verhältnismäßig gut abgelaufen, doch hat die Feier eine empfindliche Störung erfahren.
Wetter für Donnerstag und Freitag.
Die Wetterlage wird jetzt von einem Hochdruck bet Großbritannien beherrscht, der bas Barometer zum Steige» bringt. Für Donnerstag und Freitag ist wieder kälteres, mehrfach bedecktes und auch zu Schneefällen geneigtes Wet- ter zu erwarten.
Geld-, Volks- und Landwirtschaft
Berliner Briesknrfe.
100 holl. Gulden. 169.25
100 sranz. Flanken 16,48
100 schweiz. Franken 80,88
Börsenbericht.
Die Börse lag heute wieder sehr still. Die Grnndsttin, muiig war aber fest und es gab teilweise Kursaufbesserun gen.
Kündigung und Neuaufnahme von Anleihen der Stadt Stuttgart?
Zu der Anlethepolitik der Stadt Stuttgart erfährt ein Stuttgarter Blatt, daß eine ab November 1930 mögliche teilweise oder ganze Kündigung der vom Württ. Städtetag 1925 aufgenommenen 7prozrntigen Anleihe in Höhe von 8,4 Millionen Dollar, an der die Stadt Stuttgart mit ca. 5 Mtll. Dollar beteiligt ist, von der Kursentwicklung der Anleihe abhängen wird. Es ist damit zu rechnen, daß zur Befriedigung der dringendsten Bedürfnisse bet günstigem Geldmarkt und Aufnahmeberettschaft des Auslandes der Abschluß einer neuen Ausländsanleihe in Erwägung gezogen wird, wenn die Unterbringung einer Inlandsanleihe Schwierigkeiten begegnen sollte.
Prodnkteubörse und Marktberichte deS Landwirtschaftlichen Hauptvcrbandcs Württemberg und Hohenzolleru E. B.
L.C. Berliner Produktenbörse vom 27. Dezember.
Wetzen mark. 233—236: Roggen märk. 235—238: Gerste 220—265: Hafer märk. —: Mais prompt Berlin 215—217: Weizenmehl 30.75—34: Noggenmehl 31.50—84: Wcizenklete rmb Roggenklete 15: Raps 345—350: Viktortaerbsen 51—S7: kleine Speiseerbsen 32—35: Futtcrerbsen 21—22: Peluschken 20—21: Ackerbohnen 20—21: Wicken 21—24: Lupinen blaue 14—14.75,' gelbe 15.70—16.10,- Rapskuchen 19.70-19.8«: Lein- kuchen 22.40—22.60: Trockenschnttzel 12.20—12.40: Soyaschrot
21.20— 21.80: Kartoffelflocken 24—24.2«: Tendenz: ruhig.
Schmeinepreise:
Besigheim: Mtlchschwetne 15—W, Läufer 40—55 —
Herrenberg: Mtlchschwetne 15—22, Läufer 30—49 —
Vaihingen a. E.: Mtlchschwetne 14—21 baS Stück.
Frnchtpreise.
Ellwangen: Wetzen 18—14, Roggen 10—14.50, Gerstt
13.20- 13.60, Gerste 12.90—13 — Nagold: Weizen 13. Ha-
ber 9—9.50, Ackerbohnen 9.60 — Ulm: Kernen 14—14.40,
Gerste 12.>0—13, Haber 10.30—10.50 der Zentner.
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