V8. Jahrgang.
Erscheint
Montag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag und SamStag.
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Nagold, Samstag den 19. November
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«rattsbeilagen: DaS Plauderstübchen und
Lchwäb. Landwirt,
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UoMische Meöerficht.
Der deutsche Handelstag veranstaltet gegenwärtig eine Erhebung, die sich aus die Eiseubahntarifierung der für Proviantämter zu befördernden Güter bezieht. In der zu diesem Zweck den Handelskammern zugestellten Mitteilung weist der deutsche Handelstag darauf hin, daß seitens der Proviantämter der Gebrauch bestehe, landwirtschaftliche Produkte direkt bei den Produzenten einzukaufen und diese Produkte dann zum billigen Militärlarif zu befördern, während der Handel den gewöhnlichen Tarif bezahlen müsse. Der Handelslag steht hierin eine Schädigung des Handels »nd will Material sammeln, um zu der Frage Stellung nehmen zu können.
Die Forderung eines selbständige» Kolouial-
amts mit einem Staalssekretär au der Spitze wird in den Etat des Reichs ausgenommen werden. Die Forderung wird zweifellos vom Bundesrat genehmigt werben. Die Legationskasse soll zwei Abteilungen erhalten, ciue für die Zwecke der Kolonien und eine für die übrigen Bedürfnisse des auswärtigen Dienstes. Die Annahme der Forderung auch durch den Reichstag ist sicher.
Die Kaualkommission des preußische« Abgeordnetenhauses hat mit der Kanalisierung der gesamten Lippe den ganzen jRhcin-Hannover-Kanal angenommen und den Antrag aus Kanalisierung von Mosel, Saar und Lahn abgelehnr. Die durch die Beschlüsse der Kommission um- gemoldete Vorlage erfordert nach dem Kostenanschlag einen Aufwand von 245 750000 ^ gegen 197 500000 der ursprünglichen Vorlage.
Eine große Niederlage habe« die Sozialdemokraten in Italien bei den jüngsten Wahlen erlitten; der freisinnige Frank. Kurier sagt: „Der 13. November, an dem die 79 Stichwahlen zum Parlament ausgefochten wurden, ist ein richtiger und rabenschwarzer Unglückstag für die Sozialdemokratie Jlaliens geworden. Sie stand mit einer großen Schar ihrer besten Leute im Stichwahlkampf um den Besitz von 30 Wahlkreisen; sie behauptete Mailand 6 für den revolutionären Professor Cabrini, eroberte Poxjomaggiore bei Ferrara für E. Ferri, der damit doppelt gewählt ist, und endlich Man;na mit nur 4 Stimmen Mehrheit für den jugendlichen Revolutionär Dugoni; aber diesem Unglücksmenschen fehlen zwei Monate zum wahlfähigen Alter. In 28 Wahlkreisen unterlag die mit der größten Zuversicht auftretende Partei von „Italiens Zukunft"; alte Stammburgen von schier uneinnehmbarer Stärke gingen mit ärmlichen Minderheiten verloren, so drs Haferqnartier von Genua, Sampierdarena, Verona, ganz Florenz. Turin 5, Ich, Venedig 2 und andere Orte; neue, mit größter Zuversicht prophezeite Eroberungen wurden nicht gemacht, so in Vigevano, Rom 2, Comacchio. In Summa: das große Schlagwort vom „bewußten Klaffenkampf des Proletariats" schwamm tiberabwärts, dem „eher
nen Lohngesetz" Laffalles und der marxistischen Theorie nach." — Wann wird man im Deutschen Reich endlich einmal von einer solchen Niederlage der Umsturzpartei berichten können? Es wird Zeit, daß der Michel munter wird.
Der Generalgonvernenr von Niederländisch- Ostindien hat dem holländischen Kolonialamt telegraphier:, daß ein Beamter mit Truppen nach der Landschaft Sigi auf der Insel Klebes entsandt worden ist, um die Auslieferung der in Sigi beheimateten Anführer einer Bande durchzusetzen, die im Juni den Laden eines niederländischen Untertans geplündert und zwei Personen getötet hat. Von der Landschaft Sigi, die bisher der Aufforderung zur Auslieferung nicht Folge geleistet hat, wird ferner Schadenersatz gefordert.
Der Krieg zwischen Rußland und Japan.
Die Lage in der Mandschurei.
Mukden, 17. Nov. Es verlautet: 30000 Japaner landeten in Niutschwang und 30000 in Pttsewo. Man erwartet, daß die Japaner die rechte russische Flanke zu umzingeln suchen, um die russische Armee von Tieling abzuschneiden. Das Gerücht vom Tode General Kurokts tritt fortgesetzt von neuem auf.
Der Kampf «m Port Arthur.
Berlin, 17. Nov. Wie der Lokal.-Anz. aus Petersburg meldet, lauten die letzten Nachrichten: „Port Arthur fest." Nach den reichen MumtionsVorräten zu urteilen, könne sich Port Arthur bis zur Ankunft der Ostseeflotte halten.
Berlin, 18. Nov. Aus London meldet die Voss. Ztg.: Die Morgenblätter veröffentlichen eine Petersburger Meldung, wonach General Stöffel durch einen unter dem Vorfitz des Zaren abgehattenen außerordentlichen Staatsrat ermächtigt wurde, sich mit 5«v« Manu «ach der Liauteschau-Halbinsel zurückzuziehe«, vorher aber alle Forts, Magazine und Kriegsschiffe zu zerstören. (?)!
London, 18. Nov. Nach einer Meldung der Central News sollen bis jetzt 70,000 Japaner vor Port Arthur geopfert worden sein.
Tokio, 18. Nov. Ein Telegramm aus Moji meldet die Zerstörung eines weitere» ruffischen Arsenals und Magazins in Port Arthur. Die Japaner hatten die Lage des Arsenals entdecke, konzentrierten ihr Feuer darauf und erreichten die Zerstörung des Arsenals, nachdem sie 200 Granaten dahin abgeschoffen. Die Japaner erweitern ihre Sappen und benutzen sie zum Heranbriugen ihrer Geschütze. Die Russen fahren fort, herzhaft Ausfälle gegen die Sappen zu machen, wobei sie Handgranaten zur Anwendung bringen.
Petersburg, 18. Nov. Nach hier eingegangenen Informationen ist General Stössel tatsächlich verwundet.
jedoch hat er das Kommando der Garnison von Port Arthur weiter behalten.
Washington, 17. Nov. Der amerikanische Konsul in Tichtfu meldet: Die Lage vor Port Arthur sei außerordentlich kritisch. Eine Anzahl Forts fiele» in die Hände der Japaner. Der Konsul teilt ferner mit, daß drei japantjche Zerstörer außerhalb des Hafens von Tschifu liegen. Die Mannschaft des Rastoropuy habe Waffen und Vorräte auf den chinesischen Kreuzer gebracht, welcher vor dem russischen Konsulat liege.
London, 18. Novbr. Daily Telegraph melden aus Tschifu von gestern: Abteilungen von 50 Mann wachen allnächtlich Ausfälle u. werfen Handgranaten in die Gräben der Japaner. Die Verluste der Russen betragen durchschnittlich täglich 70 Mann, die der Japaner sind höher. Die schweren Geschütze aus betllen Seiten sind verbraucht und schießen nicht mehr gut. Die Stärke der Japaner wird auf 80000 Mann, die der Russen auf etwa die Hälfte angegeben.
Parlamentarische Nachrichten.
Württerubergischer Landtag.
r. Stuttgart, 18. Nov. Kammer der Abgeordneten. 10. Stzg. Ueber den Art. 20 s, der Gemeindeordnung berichtet, vorläufig noch vor leeren Bänken, Abgeordneter Schick. Durch diesen Artikel können die bürgerlichen Kollegien die Vornahme der Gemeinderatswahl in mehreren Räumlichkeiten anordnen. Für diesen Fall ist dann eine besondere Distriktswahlkommisston zu bilden. Ferner enthält der Artikel Bestimmungen über den Wahlakt selbst. Zu diesem Artikel liegt ein Aenderungsantrag Gröbers und Genossen vor, bei dessen Besprechung etwas mehr Leben und mehr Abgeordnete ins Haus kommen. Für den Kommisfionsanlrag tritt der Abg. Liesching, ferner Gröber für seinen Antrag ein, der den Wahlvorständen der einzelnen Distrikte weitgehende Kompetenzen — namentlich die Entscheidung über die Gültigkeit der abgegebenen Stimmzettel — gesichert wissen will. Der Minister des Innern findet in beiden Anträgen Vorzüge, doch ist ihm der Kommisstonsantrag lieber. Kloß wünscht, daß der in Stuttgart bei Gemeinderatswahlen geübte Usus eingeführt werde, nach dem die Distriktswahlkommisstonen abgegebene Zettel wohl beanstanden, sie zur Entscheidung aber der Zentralwahlkommisston übergeben. Dieser Usus wird vom Abg. Liesching, der ihn aus eigener Erfahrung kennt, als bewährt geschildert. Nach einigen kurzen Bemerkungen der Abg. Schick und Nieder, sowie des Staatsministers des Innern läuft ein Antrag auf Schluß der Debatte ein, das Resultat der Abstimmung hierüber ist, daß in der Debatte fortgefahren wird. Glücklicherweise ist aber die Schar der Redelustigen zu Ende und man kommt zur Abstimmung. Der Antrag Gröber und Genossen wird abgelehnt, der Kommisstonsantrag mit einigen redaktionellen Aenderungen angenommen. Es wird sodann der Art. 21, der die Bestimmungen darüber enthält, wer als gewählt zu betrachten ist, angenommen. Nachdem der Berichterstatter Abg. Haußmann-Balingen den Art. 22 begründet, wird dieser Art., der Bestimmungen über Wahlungültigkeitserklärungen enthält, nach einigen unbedeutenden Aenderungen nach dem Kommisstonsantrag angenommen, ebenso der Art. 23 (über Wahlanfechtungen), nachdem sein Abs. 3 nach einigen Aenderungen als selbständiger Art 23 a gegeben wird. Als Art. 24 zur Beratung kam, war eine ziemlich allgemeine Teilnahmlosigkeit eingetreten und die Herren Haußmann- Balingen, Maier-Rottweil und Pischek predigen tauben Ohren. Der Artikel, welcher bestimmt, daß nahe Verwandte des Ortsvorstehers
Der: Kcrusierer:.
Von Otto Ruppius.
36) (Fortsetzung)
„'s ist alles recht, Gottes Hand ist überall," sagte Elliot mit einem Anfluge von Ungeduld, „damit allein aber ist der ensetzliche Vorfall nicht abgetan, und auch der Untersuchungsrichter nicht befriedigt. Wir dürfen keine Zeit verlieren, um das gräßliche Geheimnis auszuklären. Bleiben Sie mit Dick hier, Herr Helmstedt, bis ich andere Leute zur Wache hergeschickt habe, und sehen Sie darauf, daß alles in dem Zustand verbleibt, wie wir es gefunden — ich will sogleich den Untersuchungsrichter aus der Stadt holen lasten. Kommt mit mir, Isaak, Ihr werdet den notwendigsten Zeugen abgeben müssen."
Er ging, von Cäsar und dem Hausierer gefolgt, davon, und Helmstedt begann, sich die Stirne reibend, auf und ab zu schreiten. Die ungewohnten Ereignisse waren während der letzten zwölf Stunden so rasch auf einander gefolgt, daß ihm der ganze Kopf anfing wirre zu werden. Des Hausierers Erzählung summte durch sein Gehirn, u. wenn er einen Blick auf das Gesicht und die stieren Augen der Leiche richtete, schien ihm der jetzige Mord ein so notwendiger Schlußabschnitt dazu zu bilden, daß er gar nicht hätte ausbleiben können. Bald erschien ihm die Leiche nur noch wie ein Teil von dem Bilde, das sich in seinem Kopfe zusammenstellte, er trat heran und betrachtete die verzerrten Züge, ohne mehr als bei dem Betrachten eines Gemäldes dabei zu fühlen, und erst Dicks Stimme rief ihn wieder zum klaren Bewußtsein.
„Bin froh, daß es Heller Tag ist, Herr, mir grants
vor dem loten Menschen dort, u. ich möchte ihm nicht so in die verdrehten Augen sehen, wie Sie!" Helmstedt wandte sich um; der SLwarze batte sich bis an die Umzäununfl zurückgezogen und saß dort mu verlegenem Grinsen aus einem Baumstümpfe.
„Warum nicht, Dick? 's ist eben nur ein toter Mensch, der niemand mehr etwas zuleide tun wird," erwiderte der Deutsche; als er aber den Blick jetzt wieder auf die Leiche fallen ließ, war es ihm, als wolle ihm selbst ein Grauen ankommen; die gläsernen Augen stierten ihn mit demselben finstern Blicke an, wie damals, als er mit dem lebenden Manne den ersten ernsthaften Streit gehabt.
„'s ist freilich nur ein toter Mensch," sagte der Schwarze, als sei er froh, sprechen zu können, „aber ich möchte ihn doch nicht herausfordern, ob er mir etwas zuleide tun könne, es soll eine sondexbare Sache mit Ermordeten sein."
Helmstedt begann wieder schweigend auf und ab zu schreiten, er ließ den Blick über die Gegend schweifen, sah in den Himmel über sich, der, blau wie Azur, selbst der abgestorbenen Landschaft einen freundlichen Charakter verlieh; aber so oft er an dem daliegenden Körper vorbeikam, wurde sein Blick wie magnetisch wieder danach hingezogen und traf den drohenden Ausdruck in den toten Augen; er drehte sich endlich ganz weg und trat an die Umzäunung, aber je mehr er an etwas anderes denken wollte, um so deutlicher stand das Gesicht des Ermord'eten vor seiner Seele. „Ich habe die Nacht nicht geschlafen, und meine Nerven find aufgeregt wie noch nie!" sagte er, „'s ist alles natürlich!" aber er fühlte dennoch eine Art Erleichterung, als er zwei Schwarze zu seiner und DickS Ablösung über die Felder kommen sah.
Elliot stand in der Hintertür, als Helmstedt herankam, und obgleich aus des letzteren Seele beim Erblicken von Ellens Fenster alle dunkeln Bilder wie Schatten vor der aussteigeilüen Sonne wichen, so wagte er jetzt doch nicht hinaufzuspähen. „Ich habe nach dem Richter geschickt," sagte Elliot, „aber es kann manche Stunde nehmen, ehe er ankommt,»und eS ist am besten, wir benutzen die Zeit zum Schlafen, damit wir nachher klaren Kopf haben; wir werden es alle brauchen können. 'S ist Neujahrstag heute," fuhr er, die Augen in die Hand drückend fort, „ein schöner Anfang des Jahres!"
„Sind die Damen schon unterrichtet," fragte Helmstedt, der sich Ellens Sestchtsausdrvck beim Empfang der Nachricht zu vergegenwärtigen suchte.
„Ich ging diese Nacht weg, Herr, und wußte nicht, ob ich nach dem, was Isaak gemeldet, nicht selbst das Leben dieses Menschen nehmen mußte — meine Frau wußte das, und dies war ihre bitterste Stunde: jetzt ist die Nachricht von seinem Morde durch eine andere Hand nicht daS Schlimmste, was ich beimbringen konnte, — steht eS doch eigentlich noch gar nicht fest, ob wir die Betrogenen waren, oder ob sich Isaak nicht selbst betrog. Es wird hoffentlich alles klar werden — gehen Sie jetzt zu Bette, wie ich eS tun werde; sobald die Totenschau beginnt, werden wir geweckt."
Helmstedt ging notgedrungen nach seinem Zimmer; zweimal noch verließ er eS, als Elliot unsichtbar geworden war, um vorsichtig umher zu spähen — einen einzigen Blick nur hätte er mögen mit in seine Träume nehmen, aber er mußte sein Bett suchen, ohne seine Sehnsvcht gestillt zu sehen.
(Fortsetzung folgt.)