Lrschsinnngsweise: Täglich mit Ausnahme der Sonn- und Festtage

Anzeigenpreis: g) im Anzeigenteil: die Zeile 15 Soldpfennig« b) im kleklameteil: die Teile SO Soldpfennige

Auf Sammelanzeigen kommen SO«/« Anschlag

Für Platzvorschriften kann keine Sewähr übernommen werden

Serichtislanä für beKI« c»tl« ist Calw.

Nr. 303

Amts- unck Anzeigeblatl für äen vberamtrbezirk Lalw.

MM

Bezugspreis:

In der Stdal40 Soldpiennige wöchentlich mit Oägerlohn Pott - Bezugspreis 40 Sold- pfennige ohne Bestellgeld

Schluß der Anzeigen­annahme 8 Uhr vormittags

In Zöllen höherer Se»»al1 besteht kein Anspruch auf Lieferung äer Kettung oäer auf Aöidzahlung 6er vezugrpretsrs

Fernsprecher Nr S

verantwort!. Lchriftleitung: Friedrich Han» Scheele Druck und Verlag der A Oelschlägsr'schen Buchdruckerei.

Mittwoch, den 28. Dezember 1927

101. Jahrgang

Das Schicksal

Noch kein Termin für die Neuwahlen

Berlin, 28. Dez. In parlamentarischen Kreisen stellt man sich auf Frühjahrswahlen ein und beruft sich dabei auf An» -eutungen, die offenbar aus. französischen Quellen stammen, wonach Briand und Stresemann In Genf sich über das Thema unterhalten haben und dabei zu dem Ergebnis gekommen sind, daß es wünschenswert wäre,

unmittelbar nach den französischen Wahlen auch die Neuwahlen znm deutschen Reichstag

vorzunehmen, damit dann zwet Regierungen verhandeln könnten, die auf eine lange Sicht Politik zu machen im­stande wären

Daran wird wohl schon ein richtiger Kern sein. Die fran­zösischen Wahlen sind etwa am 1v. Mat auch in ihrer Stich­wahl zu Ende, und vermutlich hat Briand darauf aufmerk­sam gemacht, daß es dann für ihn schwer sei, mit einer deut- schen Negierung z» verhandeln, die unmittelbar vor den Neuwahlen steht. Aber das ist vorläufig nur eine Anregung. Letzten Endes wird der Wahltermin zum Reichstag durch innere Erwägungen und Notwendigkeiten bestimmt. Für den Augenblick steht nur fest, - eine Neu­wahl vor dem Monat April unter allen Umständen vermieden werden soll, um die rechtzeitige Erledigung des Etats nicht zu gefährden. Daran schließt sich die Osterpause, so daß das Schicksal des Reichstages sich frühestens im Mai entscheiden müßte, falls nicht bereits vor Ostern bei allen Parteien die Ueberzeugung entstehen sollte, baß ein weiteres Zusammen­arbeiten mit der gegenwärtigen Regierung unfruchtbar bleibt und eine neue Koalition nicht zu schaffen ist.

Soweit find wir aber noch lange nicht. Es ist nach wie vor sehr gut möglich, daß bas Kabinett Marx seine Aufgabe erfüllt und dann sogar bis in den Herbst am Ruder bleibt, um die Neuwahlen möglichst lange bis zum ordnungsmäßigen Ablauf der Mandatsdaner des Reichstages hinauszuschieben.

Dr. Scholz gegen vorzeitige Neuwahlen.

Der FraktionssÜhrer der Deutschen Volkspartei, Dr. Scholz, veröffentlicht in denBerliner Stimmen", dem Organ der volksparteilichen Berliner Arbeitsgemeinschaft, eine Erklärung, die auf den Wunsch abgestellt ist, daß das kommende Jahr uns mit Neuwahlen möglichst lange ver­schont. Er macht mit Recht darauf aufmerksam, daß die vierjährige Legislaturperiode für die praktische Arbeit schon

des Reichstags

reichlich kurz bemessen ist und daß es jedem staatSpoliiischen Interesse widerspricht, sie durch vorzeitige Vorbereitungen von Neuwahlen künstlich zu verkürzen, weist aber darauf hin, daß cs außenpolitisch gesehen zweckmäßig ist, mindestens die Neuwahlen im Reich erst nach den französischen Wahlen stattftnden zu lassen. Gleichzeitig deutet dieDeutsche Tagesztg." an, daß im Kabinett die Meinungen noch sehr verschieden sind. Der Reichskanzler verfolge die Ten­denz, Neuwahlen nicht vor dem regulären Termin vornehmen zu lasten, während Dr. Stresemann eine innere Verbindung der deutschen Wahlen mit de« französische« Wahlen Herstellen wolle. Zwischen den Zeilen steht aber zu lesen, daß die dentschnationalen Minister, was schon im Interesse der po­litischen Selbsterhaltung liegt, vorläufig von Wahlen nichts wissen wollen und mehr der Mahnung des Reichskanzlers zuneigen.

Das Schicksal des Reichstages bleibt also von der inner- politischen Entwicklung abhängig. Deshalb kann mau vor­läufig den ganzen Streit ao acta legen, da in den nächsten Monaten ohnehin eine Entscheidung nicht zu erwarten ist.

Die Belastung der deutschen Landwirtschaft

TU Berlin, 28. Dez. DerVorwärts" hat in einem ArtikelSchiele blufft" die kürzlich im Rundfunk verbrei­tete Rede des NeichsernährnngSministers kritisiert. Der Ar­tikel desVorwärts" geht, wie vom Reichsernährungsmint- ster erklärt wird, von falschen Voraussetzungen aus. Der Minister habe nicht behauptet, daß die Einnahmen der Landwirtschaft nicht einmal den Lebensunterhalt ermöglich­ten, sondern er habe kollektiv gesagt, daß Lebensunterhalt, Betriebskosten, soziale Lasten, Zinsendienst und Steuern zu­sammen durch die Einnahmen nicht gedeckt würden. Es handle sich in der Rede des Ministers auch nicht um reine Einnahmen, sondern um Roheinnahmen, und zwar stützten sich die Ausführungen Schleies auf die Untersuchungen der Enquete.

In diesem Zusammenhang werden bisher noch unbe­kannte Zahlen veröffentlicht. Die Höhe und Verteilung des Nohetnkommens pro Hektar beträgt in de» Jahren 1924 bis 1928 für ganz Deutschland gerechnet: die Einnahmen 8S ^t, Lebenshaltung und Lohnauteil SV abzugsähige Steuern 27 persönliche Steuern 11 .4s. Zur Deckung der Zinsen verbleibt demnach ein Minus von 3 .4l.

Tages-Spiegel

Kür -ie Reichstagsneuwahlen im kommenden Jahr ist noch kein Termin festgesetzt worden, jedoch soll zwischen Strese­mann und Briand in Gens eine dahiugchende Einigung zustandegekommen fein, -atz die Neuwahlen in Deutschland gleich nach den französische« Parlameutswahle« stattsinde«.

»

In Kreisen der Dentschnationalen «nd der Deutsche» BolkS- partei wünscht man ein Hinansschieben der Reichstags- ncnwahlen bis znm Herbst.

»

Von amtlicher Seite ne« veröffentlichtes statistisches Ma­terial ergibt ein erschreckendes Bild von der nngehenre« tifrrschnibnng der dentsche« Landwirtschaft.

Poincares Milliardenforderunge» an Deutschland werden von der französische« Linkspresse in richtiger Erkenntnis ihrer Unhaltbarkeit -«rückgewiesen.

-»

Der Kongretz der französische« Sozialisten behandelte gestern vorwiegend die finanzielle« Problem« Krankreichs

*

Woldemaras äutzerte sich dahin, -atz -ie Ansgleichsverhand- lnnge« mit Pole« «nr Erfolg versprechen, wenn gleich­zeitig die Wilnafrage geregelt werde.

*

Eine SchiffSkatastrophe im Marmara-Mcer hat 70 Todes­opfer gefordert.

eine Revision der Verträge müsse mit Vorsicht herangegan­gen werden. Der Abg. Grumbach erklärte gegenüber Zq- romski, die Politik Frankreichs sei kein Hindernis für die Entwicklung des Völkerbundes. Der Redner wieS ferner auf die Kriegsgefahr hin, die die elsässtsche Autonomiebewe- gung darstelle und erklärte zum Schluß, der Friede der Welt hänge von dem Ausgang der französischen Wahlen ab.

Spanischer Verzicht auf Tanger?

TU. Paris, 28.Dez. In deuBerhanblungen zwischenFrank- reich und Spanien über eine Abänderung des Tangerstatuts, die in den letzten Monaten auf diplomatischem Wege geführt wurden, ist «ine prinzipielle Einigung erzielt worden. Wie verlautet, hat Spanien auf seine Forderung nach Einverlei­bung Tangers in die spanische Zone verzichtet und sich mit der Leitung der Polizei und der Beteiligung an der Hafen, dtrcktion von Tanger begnügt. Das Abkommen zwischen Frankreich nnd Spanien über Tanger soll demnächst in sei­nen Einzelheiten feftgelegt und im Laufe des Januar unter, zeichnet werden. Die erzielte Einigung wird England nnd Italien mitgetetlt werden, wobei Italien aufgefordert wer­den soll, sich an der Verwaltung -er Stabt und der A«re von Tanger zu beteiligen.

Slurmverheerungen in Nordfrankrelch

Der Dampfervcrlchr zwischen Frankreich «nd England eingestellt.

TU Paris, 28. Dez. Der Sturm, der seit Samstag im Nermeikanal wütet, hat besonders in der Gegend zwischen Bonlogne und Calais schwer« Störungen in den telegraphi­schen nnd Telephonverbindungen hervorgerufen. Zahlreiche Telegraphenmaste wurden «mgertffen, sodatz die Drähte den Eisenbahnkörper bedeckten. In der Nähe des Bahn­hofes Caffiers wurde der Schnellzug Paris-Calais durch das Drahtgewirr aufgehalten, wobei die Maschine entgleiste. Ein von Bonlogne entsandter Hilsszug stietz am Bahnhof von Marquise auf einen Güterzug, da der Lokomotivführer durch den Schnee geblendet war. Der Lokomotiv- und der Zug­führer wurden dabei verletzt. Die Drahtverbindung zwi­schen Parts und Nordsrankreich sowie England ist stark-ge­stört. Ein Teil von Bonlogne ist ohne Licht. Der Danipfcr- verkehr zwischen Frankreich «nd England ist bis auf weite­res eingestellt.

Schisfskatastrophe ^im Mannara-Meer

TU Kalata, 28. Dez. Im Marmara-Meer find aue bis­her noch unaufgeklärter Ursache zwei Dampfer zusammen- gestotzen. Der Dampser Sewindsch wurde so schwer beschä­digt, datz er sank. Nach de» bisherigen Feststellungen find etwa 79 Personen ertrunken. Die Schnldfrage ist i« Augen­blick «och ungeklärt.

Poincares Milliardentaumel

Die Unhaltbarkeit

der französischen Reparationsforderungen

TU. Paris, 28. Dez. DieVolonte" setzt ihre Aufklärung über die Unhaltbarkeit der Behauptung Poincares fort, daß Deutschland nach wie vor 132 Milliarden Goldmark schulde und der Dawesplan an den alliierten Forderungen nichts geändert habe.

Theoretisch möge das wohl stimmen, aber praktisch sei eS Unsinn, denn kein vernünftiger Mensch könne glauben, daß Deutschland mehr als ein Viertel von der ursprünglichen Summe bezahlen werde. Wie wenig Franzosen anderer Meinung seien, beweise die große Ueberraschung, die sich allgemein nach der Veröffentlichung der Erklärungen Poin­cares in der Oeffentlichkeit zeigte. Die Wahrheit sei eben, daß Frankreich in dem Augenblick aus die Gesamtsumme vs« 138 Milliarde« Goldmar» verzichtete, als es de« Dawes­plan Unterzeichnete. Wenn Frankreich trotz -eg Wider­standes der Vereinigte» Staate« das alliierte Schulden- Problem mit der Frage einer Revision des DaweSplan ver­binde, so müßte eS viel weitergehen «nd z. B. die Frage einer schnelle« Kommerzialisierung der Dawcsobligationen im Zusammenhang mit den alliierte« Schulde« in Betracht ziehen, was aber ohne eine Vermindern«« der dentschen Neparationsschuld nicht z« erreichen sein dürfte.

Kongreß der französischen Sozialisten

TU Paris, 28. Dez. Der sozialistische Parteitag beschäs. ftgte sich in seinen gestrigen Sitzungen mit der Aufstellung des Wahlprogramms. Besonders eingehend wurden die finanziellen Fragen behandelt, zu denen der Deputierte Vin­cent Aurtol ausführlich Stellung nahm. Die Einführung

einer Kapitalabgabe am Vorabend von Wahlen brzeichnete er als besonders gefährlich. Nach langer Debatte wurde einstimmig ein Antrag Auriol angenommen, in dem auf die Wirkung des Versailler Vertrages »erwiesen wird, Las Re- parationkproblem lösen zu wollen, ferner darauf, baß die sozialistische Partei in Uebereinstimmung mit -er deutschen Sozialdemokratie »nd der sozialistschen Internationale von 19191924 die gegenwärtig noch ungenügende Politik der Reparationen und des Friedens vorbereitet habe. Dieser Weg müsse weiter verfolgt werden. Durch die Mobilisie­rung der deutschen Obligationen müsse die Gesamtschuld Europas bei Amerika geregelt werden. Solange bas Budget der Sonderschnldenregelnng und der isolierten Abmachun­gen bestehe »nd der Dawesplan in Kraft bleibe, sei die Sozialistische Partei nicht in der Lage, eine Regelung des Schnldenproblems anzuerkennen, die weder die Zahlungs­fähigkeit Frankreichs, die von der Liquidierung der dent- >chen Schulden abhänge, noch der Möglichkeit für Frankreich Rechnung trage, Devisen an Amerika ohne Schädigung der eigenen Währung zu transferieren. Die Sicherung Europas müsse durch die WührungSsicherheit jeder Nation ergänzt werden. Die Entschließung setzt sich weiter für die gesetzliche Stabilisierung des Franken zn einem Kurse ein, der den durch die Stabilität de facto geschaffenen wirtschaftlichen Bedingungen Rechnung trage. '

Einen breiten Raum in den Beratungen nahmen auch die außenpolitischen Fragen ein. ZyromSki verlangte die Förderung einer Politik der deutsch-französischen Annähe­rung und Widerstand gegen jede Politik des Bruchs mit de» Sowjets, sowie Revision der Friedensverträge von 1919 auf der Grundlage des Selbstbestimmnngsrechts der Völker. Abg. Fontanier wieS auf die dem Frieden durch das gegen­wärtige Paktsystew in Europa drohenden Gefahren bin. An