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* Calw, 15. Aug. Am letzten Sonntage beteiligte sich derCalwer Liederkranz an einem Konzert, das die Liedertafel Pforzheim anläßlich ihres 25jährigen Bestehens im Stadtgarten in Pforzheim veranstaltete. Eingeladen waren außer den Vereinen der Feststadt die Gesangvereine „Erheiterung" und „Gutenbergverein" Stuttgart und „Bürgergesangverein" Eßlingen. Die in engerem Rahmen gehaltene und dadurch wesentlich gelungene und durchaus schöne, edle Feier hatte schon am Samstag mit der Einweihung einer neuen Fahne begonnen, die von den Frauen und Jungfrauen der Gesellschaft gestiftet und in Berlin angefertigt wurde. Das aus 18 Nummern bestehende Programm wurde präzis und in jeder Weise fein durchgeführt, die einzelnen Vorträge der Vereine sowie der aus 40 Mann bestehenden Feuerwehrkapelle kamen vortrefflich zur Geltung und zeugten von tüchtiger Schulung. Der Calwer Liederkranz sang den Chor „Es steht eine Weide am Ammersee" von F. Langer, ein Lied, das wegen seiner schönen Komposition und seines ansprechendem Textes allgemeinen Beifall fand.
— Das am Montag abend im Thudium'schen Garten, von dem Zapf'schen Quartett gegebene Konzert hatte sich eines zahlreichen Besuches zu erfreuen. Die Leistungen der 5 Herren, welche sich selbstbewußt auf dem Programm als Musterquartett bezeichnen, waren durchaus gut. Jbr Gesang zeichnete sich durch harmonische Reinheit, guten Vortrag und genaue Beachtung der vorgeschriebenen Tonstärke aus, besonders gut gelang ihnen das Piano und Pianissimo, dagegen schienen uns die Tempos bei fast allen Nummern zu schleppend und auch die Auffassung bei einigen Liedern zu pedantisch. Besonderen Beifall spendeten die Zuhörer den beiden Volksliedern „Wohin mit der Freud" von Silcher und „Verlassen bin i" von Koschat wie auch dem „Zillerthal" von Fittig.
Stuttgart, 15. Aug. Die am Freitag abend von hier nach Luxemburg gesandten 40 Brieftauben sind heute früh daselbst um 6 Uhr nach eingetroffener Depesche bei schöner Witterung ausgelassen worden. Die eingetroffenen Tauben mußten wieder in der Weinwirtschaft von Kober vorgezeigt werden. Es geschah dies mit der ersten von Wörnle um 9 Uhr 43 Min., die zweite und dritte von Nathanael Löbstein wurden um 9 Uhr 48 und 9 Uhr 54 Min. vorgezeigt. Da Löbstein aber eine Wegvergütung von 20 Minuten hat, erhält derselbe auch dieses Mal die beiden ersten Preise, Wörnle den dritten. Die vierte Taube von Hutmacher Au wärt er wurde um 10 Uhr 10 Minuten vorgezeigt, die fünfte und sechste von Mahle um 10 Uhr 40 Minuten. Zur Verteilung gelangen s. Z. fünf Preise. Die Luftlinie beträgt ca. 460 Kilometer. — Wie mitge- teill wird, waren bei Herrn Löbstein bereits 9 Uhr 15 Min. die beiden ersten Tauben auf dem Dach, kamen aber nicht in den Schlag. Eine dieser beiden Tauben, welche den ersten Preis bei dem Metzer Wettflug davontrug, hat sich, wie es scheint, durch Anstiegen den Flügel verletzt. Wie Ulmer Blätter melden, sind am Sonntag früh 6 Uhr in Ulm 11 Regensburger Brieftauben aufgelassen worden, die erste derselben traf um 9 Uhr in Regensburg ein.
— Tiermaler Hch. Zügel in München, ein geborener Murrhardter, hat auf der internationalen Kunstausstellung die goldene Medaille 1. Klaffe erhalten. Eines seiner ausgestellten Bilder wurde für 7000 nach Warschau verkauft. Der bekannte Kunst- und Handelsgärtner A. Schmidt in Aalen hat für das schönste und reichste Sortiment Nelken auf der internationalen Gartenbauausstellung in München einen ersten Preis davongetragsn.
Heidenheim, 12. Aug. Mit der morgigen Emte-Betstunde beginnt auch der Schnitt von Roggen und Dinkel, 14 Tage später als sonst. Die genannten Früchte liefern kaum eine Mittelernte, da sie einen sehr dünnen Stand zeigen. Die Sommerfrüchte stehen recht gut, und bei anhaltendem guten Wetter werden sie einen reichen Ertrag liefern; ebenso günstig sind die Ausfichten auf den zweiten Schnitt von Rotklee und Esparsette und auf
das Oehmd, da wo zeitig geheuet werden konnte. Den Hackfrüchten hat das lange Regenwetter nicht geschadet, wenn die Kartoffeln nicht krank werden. Auch Obst giebt es sehr viel. Einer ganz vorzüglichen Futterpflanze, dem Pferdezahnmais, wird in unserer Gegend leider zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, dieses ist Heuer noch etwas zurück.
Werrnrifchtes.
Den Ammendienst bei dem neugeborenen kaiserlichen Prinzen wird höchst wahrscheinlich die junge Frau eines Maurers bei Malchow übernehmen. Frau Oberst v. Tiele, geb. Gräfin v. d. Schulenburg, hat den Auftrag übernommen, eine Amme für den Prinzen in Mecklenburg zu suchen und, den „Mecklenburger Nachrichten" zufolge, diese Frau dazu gewählt. Frau Oberst v. Tiele war früher Hofdame in Berlin.
— Ueber die Entfernung von fremden Körpern aus dem Auge teilt ein amerikanischer Arzt Folgendes mit: Derselbe befand sich auf einer Lokomotive, als ihm ein Stückchen Asche ins Auge flog, welches sogleich den heftigsten Schmerz verursachte. Durch Reiben mit der Hand versuchte er dasselbe zu entfernen, als ihm der Führer der Lokomotive den Rat gab, nicht das betroffene Auge, sondern vielmehr das andere Auge zu reiben. Der Arzt befolgte nun den Rat, und nach minutenlangem Reiben bewegte sich das Aschenkorn nach dem inneren Augenwinkel zu, wo es leicht entfernt werden konnte. Der betreffende Arzt hat diese einfache Weise nachher oft angewendet und versichert, niemals einen Mißerfolg gehabt zu haben, wenn nicht der fremde Körper zu scharf war, daß er den Augapfel geritzt hatte und nur mittelst Operation entfernt werden konnte.
Ueber Dr. Mackenzie schreibt man dem „Prager Abendblatt" aus London: „Da von der Herzogin bis zum Küchenmädchen herab alles Nerven hat und an „Indigestionen" leidet, haben die Apotheker hier gute Zeiten, und besonders die Quacksalber unter ihnen, die mit ihren Pillen die Menschheit anschmieren und Millionen einstecken ä la Mr. Holloway. Auch die Reclame machenden Aerzte gewinnen große Vermögen, und einer, der dies am besten versteht, ist Sir Morell Mackenzie. In seinem eleganten Hause gibt er große Festgelage, zu denen er Journalisten, Künstler, litterarische Größen und Schauspieler einladet. Nur seine eigenen Kollegen fehlen an seiner Tafel, und wie groß ihr Haß gegen ihn ist, das haben sie ganz kürzlich bewiesen, als er sich seit seiner Rückkunft aus Berlin als Mitglied der ersten Gesellschaft der Aerzte und Wundärzte Englands zur Aufnahme meldete; er fiel nämlich bei der Wahl glänzend durch, und als Grund wurde angegeben, daß er seine Patienten zu lange behalte und ihnen zu große Honorare abnehme. Vor einigen Wochen berief ihn die Königin nach Windsor. Nach durch die Zeit geheiligter, strenger Hofetikette bedeutet dies, daß sie ihn zum Lord erheben will; man war allgemein darauf gespannt; doch bis heute schwieg der „Staatsanzeiger"; sollte die Erhebung sich noch lange verzögern, so dürfte die sensationsbedürftige Welt sich auf neue „Enthüllungen" gefaßt machen."'
Spanische Etikette. Wohin die strenge Befolgung der Hossitte führt, zeigt neuerdings wieder eine Geschichte aus Madrid, der klassischen Hauptstadt der „Etikette." Die Zeit rückt heran, in welcher die Amme des Königs Alfonso XII. zurücktreten muß, um einer Bonne und einer Kinderwärterin aus vornehmer Familie Platz zu machen. Die Amme, welche an ihrem Pflegling mit großer Liebe hängt, sieht diesem Augenblick aber mit Schrecken entgegen, und trotzdem ihr die Königin-Regentin vorstellte, daß sie ja jetzt zu ihrem Gatten und ihrem Kinde zurückkehren werde, will sie sich nicht beruhigen. Da ihre Bitten nichts nützten, verfiel sie auf einen Ausweg. Sie lehrte den kleinen König die Worte: „Die Amme muß dableiben, ich will sie bei mir haben," und Alfonso wiederholte dies mehrmals vor dem gesummten Hofstaate. Einem direkt geäußerten Wunsche des Königs muß sich aber in Spanien Alles unterordnen, und so bleibt die Amme bis auf Weiteres in der unmittelbaren Umgebung der kleinen Majestät. Didask.
Hand mit Georges hier auf- und abgewandelt; wie oft hatte sie, das Haupt an seine Schulter gelehnt, dem Gesang der Vögel gelauscht; wie oft hatte ihr hier Georges zärtliche Worte zugeflüstert; Alles freilich einst, in einer lange vergangenen Zeit, ober damals verstanden sie sich, redeten sie Beide die Sprache der Liebe, jene ewige Sprache, die nur Verständnis findet bei Jenen, welche in ihre Laute eingeweiht sind. Äch, würden die beseligenden Stunden, welche gewesen, nimmer wiederkehren?
Georges bereute offenbar, sie vernachlässigt zu haben; man konnte ihm nichts Anderes vorwerfen, als eine allzugroße Dosis leichten Sinnes. Georges war tadellos in ihren Augen, seit er, wie sie wähnte, ihr die Wahrheit rückhaltslos offenbart hatte; trotzdem verhehlte sie es sich nicht, daß er anders sei, als er einst gewesen war. Es lag in seiner ganzen Art etwas Gezwungenes, in seiner Zärtlichkeit sogar eine Art Uebertreibung, die zu verbergen ihm nicht immer gelingen wollte und die unwillkürlich den Eindruck hervorrief, als ob er dabei an eine Andere denke. So blind sie auch war, vollständig beruhigt fühlte Bianka sich nicht; sie hatte zeitweise eigentümliche Visionen, und oftmals gerade in dem Moment, in welchem die Lippen Georges' die ihren berühren wollten, war es ihr, als ob ein Schatten zwischen sie Beide trete und dieser Schatten nahm seltsamerweise immer die Gestalt der Baronin Benserrade an.
Auch im gegenwärtigen Augenblick dachte die Gräfin von Listrac an jene Frau oder, richtiger gesagt, an einen kürzlich erhaltenen Besuch der Marquise von Marvejols, die darauf beharrte mit dem ganzen Eigensinn einer alten Frau, ihren Kousin Georges de Listrac der Untreue zu zeihen.
„Hüte Dich, meine Liebe," so sprach sie zu Bianka, „hüte Dich! Die Listracs haben immer noch ihre Frauen betrogen und sehr oft sie auch zu Grunde gerichtet: es liegt dies in ihrem Blute und Georges wird von den Traditionen seines Geschlechts nicht abweichen."
Bianka hörte die Worte wohl, aber sie wollte nicht an dieselben glauben. Sie gab sich vielmehr alle Mühe, nicht an dieselben zu denken, und sann nur unaufhörlich darüber nach, wie sie ihm so viel als möglich die Unannehmlichkeiten ersparen könne, wOche der Verkauf des Palais nach sich ziehen mußte. Der reiche, verwöhnte Graf
von Listrac sollte, mit einem Male weniger glänzend leben, als er es bisher gewöhnt war; er sollte sich auf eine Revenue von dreißigtausend Franks beschränken, während er früher mit der vierfachen Summe kaum ausgekommen war. War es da nicht vernünftiger, sich aufs Land zurückzuziehen? Bianka hatte diesen Vorschlag bereits ihrem Gatten gemacht, aber sie redete vor tauben Ohren. Sie beschloß deshalb als kluge Frau, sich in das Unvermeidliche zu fügen; ergab sie sich doch in Alles und zwar willig, nur in den Gedanken nicht, daß sie eine Rivalin haben könne. Auch jetzt eben ertappte sie sich plötzlich wi^er bei diesem Gedanken und Unwille über sich selbst wallte in ihr auf. Hielt sie so ihren Vorsatz, Georges nicht mehr zu mißtrauen? Hatte er nicht Recht, wenn er sie verurteilte, daß sie dem Gerede Fremder mehr glaubte, als ihm? O, wie wollte sie zur Sühne ihm Alles, was sie gedacht, gestehen, wenn er heimkehrte; dieser Gedanke elektrisierte sie gleichsam; sie beschloß, ihm alle Lieblingsarien zu singen, die er besonders gern hatte und mit welchem sie als Künstlerin einst auf der Bühne so große Triumphe gefeiert hatte.
Die Träume, welchen sie sich hingab, wurden durch den Eintrit des Kammerdieners unterbrochen, welcher gewiß Außerordentliches zu melden hatte, denn befand sie sich im Wintergarten, so wagte man nur selten, die Gräfin zu stören. Auch jetzt näherte er sich mit äußerster Reserve seiner Gebieterin.
„Eine Dame wünscht das Palais zu besehen; ich habe ihr entgegnet, daß ich der Frau Gräfin erst die Bitte vortragen müsse," meldete er.
Einigermaßen befremdet, entsann sich Frau von Listrac, daß ihr Notar während ihres neulichen Besuchs davon gesprochen hatte, daß es eine fremde Dame sei, für welche ein von derselben Beauftragter das Palais kaufen wolle, und sie sagte sich sofort, daß diese Käuferin es zweifellos sei, welche ihren künftigen Besitz in Augenschein zu nehmen wünsche, freilich zu spät, um den Verkauf noch rückgängig zu machen, da derselbe seit gestern bereits abgeschlossen war.
„Hat die Dame keinen Namen angegeben?" fragte Bianka.
„Im Gegenteil, gnädige Gräfin, sie wiederholte mir zweimal mit großer Deutlichkeit, daß sie die Baronin von Benserrade sei."
(Fortsetzung folgt.)