63. Jahrgang.
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Deutsches Reich.
Berlin, 14. Aug. Bei dem gestern zu Ehren des Königs von Portugal in Potsdam stattgehabten Galadiner gab der Kaiser seiner Freude über den Besuch des Königs sehr herzlichen Ausdruck und betonte in seinem Trinkspruch die Hoffnung, daß die freundschaftlichen Gesinnungen, welche König Ludwig gegenüber den Kaiser Wilhelm l. und Friedrich III. gehegt, auch in Zukunft andauern werden. Der König von Portugal sprach seine Genugthuung, wieder in Deutschland und an dessen Kaiserhof zu verweilen, in überaus warmen und sympatischen Worten aus, gedachte des Hinscheidens der beiden ihm so eng befreundeten Kaiser und erinnerte an dis Tage der Krönung in Königsberg, wo er zum ersten Male Kaiser Wilhelm gesehen und hochschätzen und lieben gelernt. Ferner sprach er den Wunsch aus, daß die Freundschaft zwischen beiden Herrscherhäusern weiter bestehe und schloß mit einem Hoch auf den Kaiser, die Kaiserin und die kaiserliche Familie. Beide Monarchen bedienten sich der deutschen Sprache. Die.Abreise des Königs erfolgt am Mittwoch Vormittag.
Berlin, 13. Aug. Dem Vernehmen nach ist der Generalfeldmarschall Graf v. Moltke auf sein Ansuchen mittelst eines äußerst huldvollen Allerhöchsten Handschreibens von den Funktionen des Chefs des Generalstabs der Armee entbunden und zum Präses der Landesverteidigungs-Kommission ernannt, welche Stellung zuletzt Kaiser Friedrich inne hatte. Graf Waldersee ist zum Chef des Generalstabs der Armee ernannt.
Berlin, 14. Aug. Die „Nordd. Allq. Ztg." kommt auf die Mißhandlung deutscher Studenten in Belfort zurück und sagt, dieselbe habe noch ein Nachspiel, welches mehr noch als jene rohen Exceffe selbst geeignet ist, ein charakteristisches Licht auf die Zustände Frankreichs zu werfen. Die „Norddeutsche" erinnert dann an die schwere Verletzung der deutschen Studenten durch Steinwürfe, wobei namentlich der Student Mußmann (Hannover) zu längerer Unterbrechung seiner Studien und zum Gebrauch einer Badekur genötigt war, und fährt fort, die Studenten beschlossen daher, von der Gemeinde Belfort auf Grund zweifelloser Bestimmungen des Gesetzes vom 10. Vendemiaire des Jahres 4 eine Entschädigung zu fordern. Ein zur Führung des Prozesses angerufener Advokat in Belfort lehnte indessen für sich und seineColleqen die Annahme des Mandats ab; ebenso wurde die Bestellung eines Offizialanwalts von dem Präsidenten des Belforter Gerichts abgelehnt. Endlich wurde, um kein
Mittel unversucht zu lassen, eine Reihe von Pariser Advokaten wegen Uebernahme des Mandats angegangen, aber alle fanden einen Grund, weshalb sie den mißhandelten Deutschen den Beistand versagten, den Letzteren war es sonach trotz ihres klaren Rechts unmöglich, ihre Ansprüche zu Geltung zu bringen. Damit ist konstatiert, daß der Deutsche in Frankreich kein Recht findet und in Frankreich für Vergehen gegen Deutsche keine Sühne zu finden ist. Dem Auslande beweisen solche Vorgänge in Frankreich, daß sogar die Justiz, die früher guten Ruf gehabt, im Verfall begriffen ist, und daß die Zustände des westlichen Nachbarreiches der Verwilderung immer mehr entgegengehen.
— Nach einem Telegramm der „Post" hat die Kaiserin Fried- r i ch heute eine Reise nach Gotha angetreten.
— Der Großherzog von Hessen ist heute zu längerem Besuche des englischen Hofes nach London abgereist.
Frankreich.
Paris, 14. Aug. Ministerpräsident Floquet empfing im Laufe des heutigen Vormittags eine Delegation der streikenden Erdarbeiter, welche die von den Erdarbeitern erhobenen Forderungen darlegte, welche ihrer Ansicht nach zum Ziel geführt haben würden, wenn nicht die Arbeitgeber von der Verwaltung und der Polizei unterstützt würden. Floquet antwortete, daß die Republik den Arbeitern das Recht gewähre, frei über die Arbeitsbedingungen zu verhandeln, aber daß die Regierung nicht gestatten könne, daß die Ausübung des Arbeitsrechtes beeinträchtigt werde. Die Regierung müsse die Arbeiter gegen alle Gewaltthätigkeiten schützen und habe die Schließung der Arbeiterbörse angeordnet, um allen Provokationen ein Ende zu machen.
Petersburgs dessen Chef Kaiser
Rußland.
8. August. Im Wyborgschen Infanterie-Regiment, ilhelm ist, hat man zur Erinnerung an den Besuch des deutschen Kaisers photographische Augenblicksaufnahmen anfertigen lassen, welche einige Scenen darstellen, in denen Kaiser Wilhelm mit dem Regiment in Berührung kam, wie der Besuch im Lager, die Parade u. s. w. Wahrscheinlich werden diese Bilder in Form eines Albums bei Gelegenheit dem Kaiser Wilhelm überreicht werden. Man ist in dem Regiment noch immer voll von dem Eindruck, den der kaiserliche Chef dort hinterlassen; der Becher, aus welchem er die Gesundheit des Regiments getrunken, ist mit einer Ecinnerungsschrift versehen worden; für die Regimentsgeschichte wird eine besondere Schilderung des Besuchs verfaßt werden. Sehr erfreut war man über die dem Regiment durch Kaiser Wilhelm zugesagten Fahnenbänder.
Feuilleton.
Lieben und Leiden.
Roman aus der Pariser Gesellschaft von K. du Aoisgobcy. (Autorisierte deutsche Uebersetzung.)
lNachdNick verboten.)
(Fortsetzung.)
„Ich werde es versuchen," murmelte Moulieres kopfschüttelnd, dachte aber für sich: „Ja ich werde ihn aufsuchen, aber nur, um ihm zu verbieten, daß er die Wechsel einlöse; dieselben müssen der Gräfin präsentiert werden, damit sie uns sage, ob die Unterschrift echt oder falsch ist!"
In diesem Augenblick lösten sich d'Artige und Chantal aus einer sie umgebenden Gruppe von Herren. Als der Graf seines Rivalen ansichtig wurde, erbleichte er, beherrschte sich jedoch noch rechtzeitig. Der Ort wäre zu Auseinandersetzungen nicht geeignet gewesen. So begnügten sich die beiden Gegner damit, einander zornige Blicke zuzuwerfen.
„Es hat den Anschein, als ob Ihr Beide Euch nicht absonderlich liebet," sprach leise Chantal zu Albert d'Artige.
Dieser antwortete keine Silbe; er dachte einzig an die Gräfin und deren Unglück.
„Ich werde ihr schreiben," sagte er sich. „Trotz ihres Verbotes muß ich sie sehen. Sie soll wissen, was der Mann wert ist, für welchen sie sich opfert!"
II.
Einige Tage, nachdem d'Artige Andrea im Garten der Tuilerien angesprochen, schritt Frau von Listrac gedankenvoll in dem Treibhause, welches zu ihrem Pala is gehörte, auf und ab. Es war dies ein kleiner Wintergarten, wie man ihn sich nicht herrlicher träumen konnte, dessen Arrangement die Dame des Hauses selbst geleitet hatte. Sie hatte alle tropischen Pflanzen in diesem ihrem reizenden Tuskulum vereint und man hätte meinen können, unter südlichem Himmelsstrich sich zu befinden,
so üppig wuchs und gedieh Alles; und doch war dies nur das Resultat kunstver ständiger Pflege. Die Wege, mit feinem Kies bestreut, erinnerten an den großen Garten in der Natur draußen und die lauschigsten Plätze boten sich da zu seligen Träumen. Aus weißem Marmorbrunnen quoll ein mächtiger Wasserstrahl und mitten in der grünenden, üppigen Pracht des Gewächshauses war eine große, von einer Unzahl Vögel bevölkerte Voliere angebracht.
In diesem Wintergarten träumte Bianka am liebsten von den Zeiten, in denen Georges sie unbegrenzt geliebt hatte.
Heute schien die Sonne hell, die Blumen dufteten, doch das Herz der armen Bianka fühlte sich schwer bedrückt. Ihren: Gesicht stand ein Zug von Schmerz ausgeprägt, welcher dessen Schönheit nur noch erhöhte. Ihr Teint war noch eben so blendend weiß, ihre Augen glänzten immer noch wie einst; bei Abendbeleuchtung und auf der Bühne mußte sie gradezu bezaubernd gewesen sein.
Georges schien sein Unrecht eingesehen zu haben, schien sich alle Mühe geben zu wollen, ihre Verzeihung zu verdienen, denn er war die personificierte Aufmerksamkeit und Zärtlichkeit gegen seine Gemahlin. Seine financiellen Mißhelligkeiten, so behauptete er wenigstens, würden rasch völlig beseitigt sein, um so mehr, als das Palais der Gräfin unter sehr günstigen Bedingungen verkauft worden war. Die Gräfin hatte von ihrem Notar ein Billet bekommen, worin er ihr müteilte, daß der Verkauf um fünfhundertachtzigtausend Franks, zahlbar in acht Tagen, abgeschlossen sei, wobei die einzige Bedingung gestellt wäre, das Palais auch nach Ablauf dieser acht Tage thatsächlich beziehen zu können.
Herr Jouin nannte den Käufer nicht, aber er garantierte für dessen Solidität und sandte gleichzeitig den Kaufkontrakt, welchen Bianka Monti, Gräfin von Listrac, nur zu unterzeichnen brauchte, damit die Sache abgeschlossen sei.
Und Bianka hatte unterzeichnet, wenn auch mit schwerem Herzen. Sollte sie doch damit das Haus hingeben, in welchem sie die ersten Tage glücklicher Liebe zugebracht hatte.
In dem prächtigen Wintergarten befand sich auch nicht einzige Pflanze, die nicht von besonderem Andenken für sie gewesen wäre. Wie oft war die Hand in