7«. Jahrgang
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Schwäb. Landwirt.
182
Nagold, Mittwoch den 12. November
1908.
WoMsche HlebevficHt.
Der Vorstoß gegen die Geschäftsordnung des Reichstags dürfte zu heftigen Kämpfen führen. Die Mehrheitsparteien, deren Vorgehen vermuten läßt, daß sie mit größerer Sicherheit, als bisher öffentlich erkennbar war, auf eine Einigung über den Zolltarif und auf eine Verstands-' gung rechnen, scheinen entschlossen, nicht nur eine etwaige Obstruktion, sondern auch den sachlichen Widerstand niederzukämpfen. Der Antrag auf Ersetzung der bisherigen namentlichen Abstimmung durch Zettelabstimmung ist nur der erste Schritt. Als Hauptschlag steht bevor, den Antrag auf namentliche Abstimmung von einer Unterstützung durch 100 anwesende Mitglieder abhängig zu machen. Wenn das durchginge, würde allerdings die Linke den kürzeren ziehen. Die Nationalliberalen haben den Antrag auf Aen- derung der Geschäftsordnung nicht unterschrieben. Ueber die Haltung der Partei schreibt die Nat.-Lib. Korr.: „Die nationalliberale Fraktion des Reichstags hat sich bereit erklärt, bei der Vereinfachung des nach der jetzigen Geschäftsordnung des Reichstags recht umständlichen und langwierigen Verfahrens der namentlichen Abstimmungen mitzuwirken. Es bedarf wohl kaum der Hervorhebung, daß es sich nicht darum handeln kann, ein Recht zum Schutze der Minderheit irgendwie zu beschränken, sondern lediglich darum, ein umständliches Verfahren abzukürzen. Das Recht der Minderheit, durch namentliche Abstimmungen vor dem Lande zu konstatieren, wie die einzelnen Abgeordneten gestimmt haben, bleibt unangetastet, aber die Minderheit hat kein Recht darauf, daß diese Feststellung 40 Minuten dauert. Läßt sich ein gangbarer Weg finden, diese Konstatierung abzukürzen, so muß dies im Interesse einer Beschleunigung der Erledigung der Geschäfte des Reichstags allseitig freudig begrüßt werden. Die Fraktion würde auch zu jeder anderen Zeit einer solchen Anregung auf Abkürzung des Verfahrens bei namentlichen Abstimmungen näher getreten sein."
An den Ausschuß des „deutschen Sparkassenverbandes" hat der preußische Minister des Innern folgende, für die preußischen kommunalen Sparkassen bedeutsame Verfügungen ergehen lassen: In der Angelegenheit betreffend die Mitteilung der Protokolle über die von den Verbandsrevisoren ausgesührten Revisionen kommunaler Sparkassen an die Staatsaufsichtsbehördcn benachrichtige ich den Ausschuß des deutschen Sparkaffen-Verbandes ergebenst, daß ich mich nach eingehender Prüfung der Anträge vom 9. März ds. Js. nicht in der Lage sehe, die in dem Vorschlag des Ausschusses erwähnten Anweisungen an die Sraatsaufstchts- Behörden zu erlassen, da eine Einschränkung der staatlichen Aufsichtsbefugnis nicht angängig ist. Ich habe jedoch den Herren Oberpräsidenten durch einen Runderlaß anheimgestellt, die Vorschläge des Ausschusses insoweit zu berücksichtigen, als dies nach Lage der Sache in den einzelnen Provinzen angängig erscheint, und sie ersucht, die Herren Regierungspräsidenten mit entsprechender Anweisung zu versehen.
Aus der Ostmark ertönt wieder einmal das alte Lied vom Mangel an deutschem Nationalgefühl. Es wird von dort geschrieben: „Von zuverlässiger Seite werden wir aus die erstaunliche Thatsache aufmerksam gemacht, daß es in den Ostmarken Deutsche giebt, welche ihren Grundbesitz oder ihr Geschäft Polen gegenüber zu geringeren Preisen ausbieten, als an deutsche Stammesgenoffen. Sie glauben gleichsam eine Prämie fordern zu dürfen für die Beobachtung der in der nationalen Presse gestellten Forderung, nur an Deutsche zu verkaufen. Auf diese Weise soll öfter deutscher Besitz in polnische Hände gelangt sein. Gegenüber dieser, jeden Vaterlandsfreund tief beschämenden Thatsache giebt es unseres Erachtens kein anderes Mittel, als die Namen solcher Persönlichkeiten möglichst tief zu hängen."
Ueber Vorgänge in Lissabon berichtet der Jmparcial folgendes: Die portugiesische Armee ist unzufrieden über den Gang der Staatsgeschäfte, und gewisse sehr hervorragende Offiziere sind entschlossen, zum öffentlichen Wohl, wie sie sagen, eine militärische Kundgebung zu veranstalten, um dadurch die Politiker zu nötigen, gerechter zu handeln. Der portugiesische Kriegsminister hat Maßnahmen getroffen, um die Kundgebung zu verhindern, aber diese Maßregeln dürften unwirksam sein. Drei Generale sollen, wie es in Lissabon heißt, die Initiative ergriffen haben, ihre Kameraden aufzusordern, daß man den König wissen lasse, die Beibehaltung des gegenwärtigen Kabinetts sei unmöglich.
Die neuen Wehrvorlagen der ungarischen Regierung finden selbst bei der regierungsfreundlichen Presse eine laue Aufnahme, weil sie allzuviel verlangen, während die oppositionelle Presse sie als direkt ungesetzlich erklärt und prophezeit, daß sie Szell zu Fall bringen werden.
Die Bedeutung des Besuchs des Königs von Rumänien am bulgarischen Fürstenhof wird von den offiziösen bulgarischen Blättern lebhaft betont. König Karol werde vom bulgarischen Volk, das nie vergessen habe, daß der König für die Befreiung Bulgariens gekämpft habe, freudig empfangen. Die Hoffnung sei gerechtfertigt, daß dieser Besuch die freundschaftlichen Beziehungen Rumäniens und Bulgariens noch enger gestalten und eine lange Periode herzlichen Verhältnisses zwischen den beiden Ländern anbahnen werde.
Parlamentarische Nachrichten.
Stuttgart, 8. Nov. (Fortsetzung der gestrigen Bolksschul- kommissiou.) Bei der Abstimmung über die Beschlüsse der ersten Lesung zu Art. 2 und 3 ergab sich Stimmengleichheit. Zu Art. 4 wurde der Beschluß erster Lesung aufrecht erhalten. Bei Art. 6 blieb es bei den Beschlüssen der ersten Lesung. Der Schlußabsatz in Art. k> über die Leitung des Religionsunterrichts wurde mit 14 gegen 1 Stimme in folgender Fassung angenommen: Die Leitung des Religionsunterrichts in den Volksschulen und den Lehrerbildungsanstalten einschließlich der Bestimmung der Katechismen und Religionshandbücher kommt unbeschadet des dem Staate zustehenden Oberaufsichtsrechtes den Oberkirchenbehörden zu, insbesondere steht es den Oberkirchenbehörden zu für die Visitationen ves Religionsunterrichts in den Volksschulen besondere Anordnung zu treffen. Mit 9 gegen 6 Stimmen wurde die Einführung des Gesetzes am 1. Oktober 1903 beschlossen (Art. tt). Eine Schlußsitzung zur Feststellung des Berichts wurde Vorbehalten.
Gcrges-Neuigkeiten.
Aus Stadt Md Land.
Nagold 12. November.
0. Bienenzüchter-Verein. Derselbe hielt am Sonntag mittag seine trotz des schlechten Wetters gut besuchte Herbstversammlung im Gasth z. Schiff hier ab. Die Versammlung nahm einen anregenden Verlauf. Der Vorsitzende, Hirschwirt Klein hier, der nunmehr 22 Jahre die Leitung des Vereins in den Händen hat, behandelte in einem kürzeren Vortrag das Thema: „Die Wanderung der Bienen in die Heide", allerlei praktische Ratschläge erteilend. Hiebei kam auch die Frage zur Sprache, ob es einhp Nachteil für den einzelnen Imker bringe, wenn auf einer Markung, bezw. „in der Heide" so viele Völker beisammen sind. Die Versammlung lauschte den Worten des Redners aufmersam, auch als „Bienenvater" Vollmer über „die beste Verpackung der Völker über den Winter" seine reichen Erfahrungen in humoristischer Fassung erzählte. Ferner wurde die Frage, ob ein- oder doppeletagig cingewintert werden soll, gründlich erörtert. Hieran reihte sich zum Schluß noch eine kurze Debatte über „die Verbesserung der Bienenweide". Die nächste Frühjahrsversammlung soll in Effringen abgehalten werden. Die schönen Hoffnungen auf ein gutes, honigreiches Frühjahr sind leider aussichtslos geworden. Jedoch waren die Erfolge bei der Wanderung in die Heidenblüte sehr gut, was wir den bctr. „Wanderern" von Herzen gönnen. Mit dem Wunsche auf „gute Ueberwinterung" und frohes „Wiedersehen" im Frühjahr trennte sich die Versammlung.
Kartenbriefe. Gegenüber der auch in unserem Blatt gebrachten Nachricht, daß wegen des andauernden Rückgangs im Absatz der Kartenbriese das Ende derselben bevorstehe, hebt die reichspostoffiziöse Deutsche Verkehrszeitung hervor, daß vorläufig nicht die Absicht bestehe, den Kartenbrief ein- gehen zu lassen.
Gehilfinnen im Postdienst. Zu Beginn des Jahres 1903 findet die Annahme von Anwärterinnen für den Dienst bei der Post- und Telegraphenverwaltung statt. Voraussetzungen für die Annahme sind: paffendes Lebensalter (zwischen 18 und 30 Jahren), körperliche Tauglichkeit, insbesondere normales Hör- und Sehvermögen, guter Leumund, gute Schulbildung und die Erstehung einer Aufnahmeprüfung. Näheres enthält die Nr. 262 des Staats- Anzeigers.
Rentenanlehen auf Gebäude. Ueber den letzten Sommer in der Abgeordnetenkammer verhandelten Antrag Haug und Genossen, betr. die Errichtung einer Landeszentralkasse zur Gewährung von Rentenanlehen auf Gebäude an die Landbevölkerung, äußert sich Bankdirektor Landauer-Gerabronn im Landwirtschaftlichen Wochenblatt unter ausführlicher Begründung dahingehend, daß eine Annahme dieses Antrags höchst bedenkliche Folgen zeitigen könnte. Dagegen ist Herr Landauer der Ansicht, daß ohne Gründung einer Landesanstalt und ohne eine Geldunterstützung des Staates die Wünsche des Antrages zu erfüllen find, wenn der Staat
seinen Einfluß dahin geltend macht, daß 1) eine Ausgleichstelle der Sparkassen, die sich an die Württ. Sparkasse oder an den Kreditverein anschließen kann, geschaffen wird; 2) die in ihrer Organisation zurückgebliebenen Sparkaffen sich verbessern, durch ein Agenturennetz ihre Einlagen vermehren und auch gegen doppelte Sicherheit auf Wohngebäude Geld abgeben, und 3) keine Einnahmequelle aus der Einführung einer Bczirkssparkaffe für die Amtskorporation geschaffen und die Aufgabe dieser vielmehr darin erblickt werden soll, daß sie außer ihrem Sparzweck und der Bildung des erforderlichen Reservefonds ihre Thätigkeit in der Ausgleichung der Zinsverhältniffe zwischen dem Geldgeber und dem Geldnehmer zu finden suchen. Dies hält Herr Landauer um so mehr für möglich, als, wie er anführt, der größere Teil unserer Sparkassen schon jetzt die ihnen zur Verfügung stehenden Gelder innerhalb ihres Bezirks auf Pfandscheine nicht unterbringen kann und daher versuchen muß, sie anzulegen.
-r. Ebhausen, 10. Nov. Unter dem Vorsitz von Oberamtmann Ritter fand gestern nachmittag im Waldhorn hier die Generalversammlung des Fischereivereins statt, die zahlreich besucht war. Voraus ging eine Ausschußsitzung, in der zuerst der an den Württ. Fischereiverein einzusendende Jahresbericht beraten wurde. Nur einige Punkte seien aus diesem hervorgehoben. Eine Zusammenstellung der gesamten Fischwasser im Bezirk ergab, daß im ganzen ca. 60 Kur Hauptfluß und Seitenbäche vorhanden sind, die einen Pachtwert von rund 4 500 ^ haben, rechnet man den Wert derselben als das20fache, so ergeben sich 90-bis 100,000 Diese Ziffern sind ein Zeichen von der wirtschaftlichen Bedeutung der Fischerei als einem wichtigen Faktor der Volkswirtschaft. Unser Verein hat in den sechs Jahren seines Bestehens zusammen 2646 ^ 76 -Z eingenommen und ausgegeben, also einen Jahresumsatz von 441 ^ im Durchschnitts Auch im letzten Jahr wurde die erfreuliche Wahrnehmung gemacht, daß der Fischbestand ein schöner ist; wiederholt wurden auch Bachsaiblinge und Regenbogenforellen gefangen, ein Beweis, daß diese Amerikaner keine Durchgänger sind, sondern daß sie sich angewöhnt haben und vermehren. Es wurden noch einige Anträge beraten und gutgeheißen. — 1. Jedes Jahr soll aus Kosten des Vereins ein Mitglied zu der Hauptversammlung des Landesvereins entsandt werden. 2. Es soll dem Punkt nähergetreten werden, ob nicht der Landesverein eingeladen werden soll, in einem der nächsten Jahre seine Hauptversammlung in Nagold abzuhalten, es wurde 1905 oder 1906 vorgeschlagen. 3. Es soll eine Eingabe an die Amtskorporation um einen Jahresbeitrag gemacht werden. 4. In Nagold soll später aus Vereinskosten auf einer vom Staat zu pachtenden Wiese ein Weiher angelegt werden; Louis Rents chl er wird beauftragt, Versuche inderSache anzustellen. Die Hauptversammlung wurde vom Vorstand mit begrüßenden und aufmunternden Worten eröffnet und dabei des Todes von Fabrikant Louis Seeger in Rohrdors gedacht, der ein hervorragendes Mitglied war; zum ehrenden Andenken erheben sich die Anwesenden von ihren Sitzen. Schullehrer und Rentamtmann Schwarzmaier erstattete hierauf den Kassen- und Rechenschafts-Bericht. Die Einnahmen betragen 247 ^ 78 die Ausgaben 180 ^ 97 --Z, so daß ein Kassenbestand von 76 ^ 81 -Z vorhanden ist. Mitglieder sind es 76, ausgetreten sind 6 u. neu eingetreten 7. Im letzten Jahr wurden im ganzen 15,500 Stück Forellenbrut in die Gewässer des Bezirks ausgesetzt, was einen Aufwand von 124 ^ verursachte; vom Landesverein wurden an dieser Summe 50 ^ ersetzt; pro 1000 Stück wurden 8-^e bezahlt. Nun wurden die in der Ausschußsitzung beratenen Anträge der Versammlung mitgeteilt und ohne Anstand angenommen. Auch für nächstes Frühjahr wurden zum Ankauf von Fischbrut und Jährlingen 150 ^ verwilligt. Als 2. Punkt der Tagesordnung folgte ein Vortrag vom Vereinssekretär über Bachforelle, Bachsaibling und Regenbogenforelle. Er behandelte zuerst das Verhalten der drei Salmonidenarten im Bach, im Weiher, dann ihre Mastfähigkeit und ihre Aufzucht und kam zu dem Endresultat, daß durch die beiden Amerikaner unsere heimische vorzügliche Bachforelle nicht verdrängt werden soll, daß dieselben aber geeignet sind, Lücken auszufüllen. Der Bachsaibling gedeiht in den ersten I V- Jahren im Weiher gut, dann aber gehört er in den Bach, während die Regenbogenforelle ein Teichfisch ist, wie er im Buche steht, wobei aber immer zu beachten bleibt, daß er Edelfisch oder Salmonide ist. Statutengemäß sollte eine Neuwahl des Vorstandes und Vereinsausschusses vorgenommen werden; es wurden jedoch die bisherigen durch Akklamation wieder gewählt, worauf der Vorstand dankt und wünscht, daß der Verein auch ferner