VK. Jahrgang.

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Gksellslhkstkr.

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Gratisbeilagen: Das Plauderstübchen und

Schwäb. Landwirt.

!ft4

Nagold, Montag den 8. Juli

Ml.

Ämtlichks.

De« Schultheisteuämtern

geht mit Bezugnahme auf die Bekanntmachung vom 20. v. Mts., Gesellschafter Nr. 95, betr. die Zustellung der Mit­teilungen für württ. Polizeiorgane mit nächster Post die Nummer 4 dieser Mitteilungen zu.

Nagold, den 6. Juli 1901.

K. Oberamt. Ritter.

HUmdfchau.

Mehrausgaben für militärische Zwecke.

Von verschiedenen Seiten ist die Vermutung ausgesprochen worden, daß die im Anschluß an die Zollkonferenz ge­zogene Ministerberatung über Finanzfragen des Reiches ich auch auf die Frage der Deckung der Mehrausgaben ür Ergänzung der zu 2 Bataillonen formierten 41 Jn- anterieregimenter auf 3 Bataillone bezogen haben. Ebenso­wenig wie man s. Zt. bei Errichtung der vierten Bataillone daran gezweifelt hat, daß diese Einrichtung-nur ein Ueber- gangsstadium zur Bildung neuer Regimenter sein könne, ebenso fest ist man in militärischen Kreisen davon überzeugt, daß die zu 2 Bataillonen bestehenden Jnfanterie- regimenter auf 3 Vollbataillone gebracht werden müssen. Indessen in ein akutes Stadium ist diese Frage noch nicht getreten, und eine Beunruhigung der Gemüter ist noch un­zeitgemäß. Wenn auch Artikel 60 der Reichsverfassung, wonach die Friedenspräsenzstärke 1 Prozent der Bevölkerung betragen soll, der Verwirklichung eines etwaigen Antrages nicht im Wege steht, weil selbst mit jener Heeresvermehrung dieses eine Prozent bei der enormen Bevölkerungszunahme im Deutschen Reiche noch nicht erreicht würde, so sprechen doch andere Gründe gegen eine solche Vorlage in abseh­barer Zeit. Der Ausban der Marine, die Neubildung anderer sehr wichtiger Formationen, der Pioniere, der Ver­kehrstruppen, der Maschinengewehrabteilungen und besonders die Verstärkung der lange stiefmütterlich behandelten Kavallerie durch Errichtung der Jäger zu Pferde, die bevorstehende sehr kostspielige Umbewaffnung der Infanterie und vielleicht die Umänderung der deutschen Feldgeschütz-Lafette zu einer Oel- oder Luftdruckrücklaufs-Lafette und die Anbringung von Panzerschilden für die Bedienungsmannschaften erfordern bedeutende einmalige und laufende Mehrausgaben. Man wagt auch in optimistischen Kreisen nicht zu hoffen, daß ein Antrag auf Vermehrung der Infanterie auf große Sympathien stoßen wird, wohl aber hofft man, daß das Publikum einer Verbesserung des Verkehrswesens (Ein­stellung von Automobilen) großes Interesse entgegenbringen wird.

Es ist ja möglich, daß diese oder jene einflußreiche oder Maßgebende Persönlichkeit die Errichtung von dritten Bataillonen für notwendig hält, um die zurückkehrenden Chinakrieger unterzubringen und um das Avancement bei der Infanterie vor dem Stocken zu retten, allein bereits nach Entlassung der Reserven im Herbst 1901 lassen sich kaum Verlegenheiten konstruieren, um eine solche noch nicht dringliche Vorlage genügend zu rechtfertigen. Das Stocken im Avancement freilich muß in den Kauf genommen werden,

dafür hat aber die Armee eine recht erfrischende Beschleunigung

im Avancement soeben nach Errichtung des Expeditioncorps genossen. Auch rechnet man in wirklich maßgebenden Kreisen sehr mit der Stimmung des Volkes, und es ist nicht unbemerkt geblieben, daß die ostasiatische Expedition, so begeistert sie vom größten Teile des Volkes ausgenommen wurde, doch ein bedeutendes Sättigungsgefühl, was mili­tärische Lorbeern anbetrifft, hinterlassen hat.Zunächst wollen wir den Erfolg sehen in einem Wiederaufschwung unserer Industrie und unseres Exports." Jetzt schaffen die bedenklichen Krisen, in welchen Industrie, Handel und Wandel stehen, eine vollkommen gerechtfertigte Scheu vor nicht durchaus erforderlichen Mehrausgaben für militärische Zweck e.

Hages-Wenigkeiten.

Aus Ziadt und Land..

Nagold, 8. Kuli.

Kinderfest. Ein wichtiges Ereignis für unsere Kinder­welt bildet das alljährlich ihr gewidmete Fest. Wohl fehlt diesem seit es von der Sedanfeier getrennt abgehalten wird, der Impuls, der ein patriotisches Fest belebt und erhebt, aber auf der andern Seite hat die Trennung doch das Gute im Gefolge gehabt, daß nunmehr die ganze Festes­freude der Jugend gewidmet werden kann. Und so soll es sein bei einem Kinderfest. Auch bietet die Verlegung in den Sommer doch immer mehr Gewähr für einen vom Wetter begünstigten Verlauf als im Herbst, wenn schon der rauhe Nordwind über die Stoppelfelder fegt. Zwar wer am letzten Freitag von solchen Vergleichen beseelt war, dem konnten doch Zweifel an deren Richtigkeit aufsteigen, wenn er sich den Himmel betrachtete. Dunkles Gewölk zog in rascher Folge über unser Thal dahin und mit einer ge­wissen Unsicherheit schickte man sich an, nach dem Festplatz zu pilgern. Vorsichtige Gemüter, und solche gabs bet dieser Sachlage viele, hatten sich mit Regenschirmen bewaffnet. Aber wenn auch der Wind dichte Staubwolken durch die Straßen jagte kurz ehe der Festzug von seinem Sammel­ort abging, er vermochte auch nicht im geringsten die er­wartungsvolle Freude zu dämpfen, die den Hunderten fest­lich gekleideter Kindern, großen wie kleinen, aus den froh­blickenden Augen leuchtete. Unter den Klängen einer Musikkapelle trat der lange Zug, Mädchen und Knaben, nach Schulen geordnet, unter Vorantritt von Fahnen, Tambours, und in Begleitung der Lehrer mitten durch die Stadt den Weg zum Stadtgarten an, wo alle zum Fest nötigen Vorbereitungen aufs beste getroffen worden waren. Unter dem schützenden Blätterdach der mächtigen Kastanienbäume standen lange Reihen improvisierter Tische und Bänke, eine tannenreis­geschmückte Musik- und Rednertribüne, ein mit Preisen wohlversorgter Kletterbaum und im Hintergrund bei der Turnhalle waren einige Zelte aufgeschlagen, die für eine von Lateinschülern geplante Aufführung von Wallensteins Lager bestimmt waren. Rings um das Rednerpodium, auf dem die hübschen Fahnen der Latein- und Realschule auf­gepflanzt wurden, gruppierte sich zunächst die Kinderschar mit der erwachsenen Festgemeinde, unter der sich auch zahl­

Mer lange lebt, wird alt.

Vor uns liegt ein soeben erschienenes Buch:Die Philo­sophie der Langlebigkeit" von Jean Finot, autorisierte deutsche Übersetzung von Alfred H. Fried. Berlin, Hermann Walther. Vom französischen Original sind in kurzer Zeit zehn Auf­lagen erschienen und in der That wird nicht so leicht der Gegenstand einer populär-wissenschaftlichen Darstellung so sehr in breiten Massen des Publikums Teilnahme erwecken. Wie eine Erörterung über die Kunst, die Kraft langen Lebens und rüstigen Alters.

Wer lange lebt, wird alt.

Die Richtigkeit dieser Behauptung hat noch niemaud be­stritten. Die Frage ist nur: Wie stellt man es an, daß man lange lebe? Die heilige Schrift sagt: Unser Leben währt 60, und wenn es hoch kommt, 70 Jahre. Die über­wiegende Mehrzahl der Menschen stirbt, bevor sie das 60. Lebensjahr erreicht hat. Aber die Zahl der Menschen, die Las 70. Lebensjahr überschreiten und 80, 90, selbst hundert Jahre und darüber alt werden, ist weitaus erheblicher, als man im allgemeinen glaubt. In katholischen Ländern, wo am Gründonnerstag die Zeremonie der Fußwaschung an Greisen und Greisinnen vorgenommen wird, tritt diese tröst­liche Thatsache alljährlich in die Erscheinung. Das Alter der Greise, an denen der Kaiser von Oesterreich die Fuß­waschung vornimmt, variiert zwischen 97 und wenigstens 84 Jahren, und dabei kommt in Betracht, daß nur Greise in bescheidenster Lebenslage und unbescholtene Männer aus­gesucht werden, und zwar in jedem Jahre andere. Die

moderne Naturforschung tritt auch dem biblischen Spruch über das Lebensalter der Menschen entgegen und behauptet, das natürliche Lebensalter der Menschen betrage 90100 Jahre. Wenn die meisten Menschen dieses Lebensalter nicht erreichen, so liegt die Ursache nur in den üblen Gewohn­heiten, dem Ueberfluß an Ernährung und Genuß der Reichen, den seelischen Depressionen der Armen, den Lastern und an­steckenden Krankheiten.

Der berühmte französische Physiologe Dr. Flourens hat für das Lebensalter der Menschen den Maßstab ihres Wachs­tums aufgestellt. Flourens behauptet mit großem Anschein des Rechts, das natürliche Lebensalter der Säugetiere wie des Menschen betrage die fünffache Zeitdauer ihres Wachs­tums. Das Wachstum wird erst als vollendet angesehen mit der Vereinigung der Knochen und des Knochenansatzes. Das Wachstum des Rindes dauert vier Jahre, des Pferdes fünf Jahre, des Kameels acht Jahre, und das natürliche Lebensalter beim Rind 20 Jahre, beim Pferd 25 Jahre, beim Kameel 40 Jahre. Das Wachstum des Menschen braucht 20 Jahre, somit beträgt sein natürliches Lebens­alter, soweit es nicht durch erbliche Belastung gemindert ist, soweit der Mensch nicht alles thut, um sein Leben zu ver­kürzen, 100 Jahre.

Im allgemeinen sind die Frauen den Männern an Lang­lebigkeit über. In den Vereinigten Staaten befanden sich nach der Volkszählung von 1890 im ganzen 3981 Personen im Alter von 100 Jahren und darüber. Es waren 2583 Frauen und nur 1398 Männer. In Frankreich zählt die amtliche Statistik auf 10 Menschen von 100 Jahren 7 Frauen

reiche Familien aus den Nachbarorten befanden, zu einem

allgemeinen Gesang und zur Anhörung der von Schullehrer Ietter gehaltenen warmempfundenen und trefflich auf die Bedeutung des Festes und das Empfinden der Jugend ge­stimmten Rede, die durch lebhaften Beifall die Anerkennung der Anwesenden fand. Gesänge und Deklamationen folgten nun in bunter Reibe und jedes der Kinder, wenn sie auch oft mit zagendem Mut, der aus hochgeröteten Wangen sprach, vor die Menge traten, fand sich in dem Bestreben, seine Sache gut durchzuführen, und das Erkennen dieser Absicht genügte allein schon, um die Herzen der Kinder­freunde für ein gerne gespendetes Lob empfänglich zu machen. Mehr noch aber erfreuten die Spiele, die hierauf begannen und denen die Kleinen eifrig huldigten. Um den Kletter­baum hatte sich indessen die reifere männliche Schuljugend geschart, um die hoch oben winkenden Siegespreise zu er­ringen, die bereits mit lüsternen Blicken ausgemustert wurden. Mit keckem Mut, wie sie das Los bestimmt hatte, traten die jugendlichen Kämpfer in den Wettstreit, dem auch die Alten reges Interesse zollten. Eine anerkennenswerte Kraftleistung war es für jeden, der seines Strebens Ziel erreichte, und Bewunderung verdienende zähe Ausdauer ver­haft oft allein noch zum Sieg. Manchen aber verließen zu früh Kraft und Mut und in banger Ohnmacht hing er nahe dem Ziel und sah mit begehrlichen Blicken hinauf zu den kaum aus Meterlänge noch von ihm entfernten stattlichen Würsten, zu den Riesenbretzeln und den bunten blumigen Taschen­tüchern, deren glücklich machender Besitz ihm verschlossen blieb. Mit geteilten Gefühlen wurde eine solche Meder­lage von den Umstehenden entgegengenommen. Während die nachfolgenden Kämpfer mit unverhohlener Genugthuung den ergebnislosen Rückzugs ihres Genossen harrten, stieg in den Herzen der Unparteiischen immer ein leises Mitleid auf, denn oft gar zu traurig malte sich die Enttäuschung aus den noch kurz zuvor so siegesfrohen jugendlichen Zügen des Unterlegenen. Ein Stück des großen Kampfes ums mensch­liche Dasein spiegelte sich hier in engem Raume wider: wer fällt, bleibt, andere treten in die Lücke und beginnen den Siegeslauf. So auch hier. Zur Ehre der Nagolder Jugend sei es aber gesagt, daß sie die kleine Probe trefflich bestand, denn sie ruhte nicht, bis von all den schönen Gaben auch die letzte heruntergeholt war. Neben den körperliche Kräfte erfordernden Spielen war als Gleichgewicht auch eine geistige Fähigkeiten bedingende Nummer vorgesehen, nämlich die bereits erwähnte Aufführung von Wallensteins Lager, an dessen kriegerischen Scenen unsere Jugend sich gerne begeistert. Fehlte auch das Kostüm, das erst den Bildern malerischen Zauber verleiht, so hatte doch ein Teil der Mitwirkenden mit echt jugendlicher Erfindungsgabe über diesen Mangel sich hinwegzutäuschen vermocht. So sah man Wallensteins tapfere Krieger in der nüchternen modernen Tracht um die Zelte gelagert; da und dort wurde aber eine Schärpe, ein aufgekrempter Hut mit wallender Feder oder ein deutscher Jnfanteriesäbel als stolzer Schmuck getragen. Es genügte aber, um die Phantasie der Zuschauer zu wecken, und wen diese Stimmung nicht überkam, konnte wenigstens aus dem Spiel herausfühlen, daß die jungen Helden mit Leib und Seele bei der Sache waren. Das Fest ging zur

und nur 3 Männer. In Schottland befanden sich im Jahre 1896 unter 21 Hundertjährigen 16 Frauen und 5 Männer. Dasselbe Verhältnis bestand in London.

Man braucht garnicht an das Alter der biblischen Stammväter zu denken, an Methusalem und Noah,der trank, seitdem die Sintflut war, dreihundert noch und fünfzig Jahr". Die historisch und wissenschaftlich beglaubigten Fälle von Langlebigkeit bieten Erscheinungen, die nach all­gemeiner Auffassung an das Märchenhafte grenzen. Gewiß erhält die Natur nur wenige Auserlesene bis über 90 Jahre. Aber diese körperlich besonders befähigten Organismen be­ginnen dann, wie Bäume, ein neues Leben, eine Herbst­blüte. Der Gelehrte Blandin berichtet die von vielen anderen Aerzten bestätigte Thatsache, daß bei Greisen, die das 80. Lebensjahr überschritten hatten eine dritte Zahnung bemerkt wurde. In seinen I^on ck« Olinigus möckioal« erzählt der Arzt Graves von der 110jährigen Greisin Mary Hern, daß sie in diesem Alter neue Zähne bekam und daß ihre weiße Haare ihre ursprüngliche Farbe wiedererhielten. Ein gewisser Peter Bryan, eine Frau Angölique Demangieux bekamen, er mit 117 Jahren, sie schon mit 90 Jahren neue Zähne. Bei Männern erhalten sich oft alle Körperkräste bis über das hundertjährige Alter. Ein französischer Guts­herr Franyois Naill« hatte mit hundert Jahren ein Liebes­verhältnis mit einer Bäuerin, dem ein Sohn entsprang. Naillä erlebte noch den 19. Geburtstag seines Spätkindes. Ein Baron de Capelli starb im Alter von 107 Jahren, als seine vierte Frau der Niederkunft mit dem achten Kinde aus dieser Ehe entgegensah. Noch vor kurzem lebte in

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