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Haupthetzer vor der Hauptwache und im Schützenhaus wie auch bei anderer Gelegenheit riet er zur Anwendung von Dynamit, wovon er stets Patronen (aus einer deutschen Fabrik geliefert) bei sich zu tragen behauptete. Schröder hat schriftlich die Freiwilligkeit seiner Geständnisse bezeugt. Bei ihm mußte auf Denunziation hin Haussuchung gehalten werden des Dynamits wegen. Die Polizei fand trotz haufenweise verbrannter Briefe noch Beweise genug, daß er einerseits mit der Berliner Polizei, andererseits mit Anarchisten wie Kaufmann verkehrte. Haupt ist nicht auf deutsches Gebiet abgeschoben worden. Er verließ die Schweiz in südlicher Richtung."

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Calw, 1. Febr. Am letzten Montag abend fand die jährl. General« Versammlung des hiesigen Handels- und Gewerbevereins statt. Der Vorstand, Hr. Handelsschuldirektor Spöhrer, erstattete eingehenden übersichtlichen Bericht über die Wanderversammlung in Hall und die Thätig- keit des Vereinsausschusses im verflossenen Jahre. Der Vereinskasse floß vom Kohlenkonsumverein Calw in Liquid, der ansehnliche Betrag von 280. im letzten Jahre zu, wodurch das Vereinsvermögen auf über 2000 gestiegen ist. Der Vereinsausschuß beschäftigte sich auch mit der Frage über Prüfung der Lehrlinge aus dem Kaufmannsstande. Das bestehende hemmende Hindernis glaubt derselbe künftig übersehen zu können; ferner plant der Ausschuß in allernächster Zeit eine Eingabe, welche für den Sommer die Verlegung des um 7 Uhr abends von Stuttgart abgehenden Zuges aus 9 Uhr anstrebt. Hr. Spöhrer wurde durch Zuruf als Vorstand wiedergewählt und 5 Ersatzmänner für die austretenden Ausschußmitglieder durch Abstimmung. In den nächsten Tagen verläßt uns nach nahezu 4jährigem Hiersein Hr. Baumeister Ratsch, welchem eine ehrende Anstellung als Baumeister am Dom zu Metz geworden ist. Der Scheidende, welcher unsere Kirche nun nahezu fertiggestellt hat, kann mit Befriedigung auf sein mit außerordentlichem Fleiß und großer Gewissenhaftigkeit geschaffenes Werk zurückblicken. An seine Stelle wird nach Ostern Regierungsbaumeister Holch treten. Die zunehmende Kälte läßt die Befürchtung des Eintritts eines Hochwassers etwas zurücktreten, da der Schnee schon federleicht ist. In vergangener Nacht, Dienstag auf Mittwoch, hatten wir15».

Stuttgart, 31. Jan. Nach dem an der Ständekammer er Bericht betrug auf Grund einer am 16. Jan. dieses Jahres vorgenommenen Kassenrevision an diesem Tage die Staatsschuld 424,070,018 74 H.

Bei der Umwandlung des 4V?prozentigen Anlehens im Jahre 1876/77 im Betrag von 19,209,500 in ein 4proz. wurde ein Koursgewinn von 278,142 erzielt. W. Ldsztg.

Solitude, 28. Jan. Heute nacht brachte uns ein orkanartiger Schneesturm eine solche Masse Schnee, daß jetzt unsere Hochebene von einer 50 Centimeter tiefen Schneeschichte bedeckt ist. Ueberall in unserer Umgegend muß Bahn geschleift worden, damit Fuhrwerke und Fußgänger auf den Land­straßen durchzukommen vermögen. Es schneit immer noch anhaltend stark fort. Schaden durch Schneedruck ist vorläufig noch nicht zu befürchten, da der Schnee durch den herrschenden Wind immer wieder von den Bäumen abgeweht wird.

Ludwigsburg, 29. Jan. In der Nacht vom 3. auf den 4. d. Mts., wurden, nach derH. N.-Ztg.", in Asperg in der Nähe des Wald­horns zwei große Scheuern vermutlich durch Brandstiftung eingeäschert. Gestern früh 12^ Uhr brach in nächster Nähe derselben Stelle wieder in einer Scheuer Feuer aus, welche den Brüdern Wilh. und Jos. Pfister an­gehörte. Das jedenfalls wieder durch Brandstiftung angefachte Element zer- störte bei dem ziemlich starken Sturms nicht blos vollständig die Scheuer, sondern beschädigte auch das anstoßende, dem Maler Neff angehörende Wohn­haus derart, daß es vollständig niedergeriffen werden muß. Der Feuerwehr der Stadt gelang es, ohne fremde Hilfe die Wut des Feuers zu bemeistern. Die Bevölkerung befindet sich in der größten Aufregung.

Winnenden, 30. Jan. Gestern abend wurde hier eine eigentüm­

liche Nebenerscheinung am Monde beobachtet. Es gingen nämlich bei ziemlich klarem Himmel von dem Mond in östlicher und westlicher Richtung 2 Strahlen aus, welche genau die Breite des Mondes hatten, jedoch etwa lOmal so lang waren und sich nach außen allmählich verjüngten und zuspitzten. Die Er­scheinung dauerte etwa von 6^/4 bis 7>/s Uhr, war zuerst wie bei einem Regenbogen schwach, wurde stärker und ließ dann allmählich wieder nach, d. h. die Strahlen wurden langsam kürzer, bis sie zuletzt erbleichten.

In Obersontheim starb Samstag abend 7 Uhr nach 10« tägigem Kranksein an einer Lungenentzündung Graf Kurt Friedrich Karl Ludwig v. Pückler-Limpurg. Er war Standesherr und Mitglied der ersten Kammer Württembergs, Ritter des Johanniterordens. Seinem Vater succedierte er in der Standeshsrrschaft Limpurg-Sontheim-Gaildorf durch Abtretungsvertrag vom 10. November 1852, in den übrigen Fidei- kommißgütern 1 . Juli 1867. Am 29. Januar 1853 vermählte er sich mit Gräfin Agnes Ferdinande Friederike Louise Karoline, Tochter des »erst. Grasen Karl zu Waldeck-Pyrmont und Limpurg. Aus dieser Ehe, welche am 16. Juli 1858 durch den Tod der Gattin getrennt wurde, entsproß ein Sohn, Erbgraf Karl Friedrich Franz Albrecht, geb. 30. Novbr. 1855.

Bietigheim, 27. Jan. Bei den Grabarbeiten zu einem Neubau in der Besigheimerstraße stieß man dieser Tage in einer Tiefe von circa zwei Meter auf zwei noch gut erhaltene menschliche Skelette, von denen das eine einem großen, robusten Manne, das andere einem Menschen von zarter Konstitution angehört zu haben schien. Besonders gut erhalten war das Gebiß des ecsteren, das sich noch vollständig vorfand. Leider fielen diese Funde der Zerstörung zum Opfer, ehe dieselben einer sachkundigen Besich­tigung und Beurteilung unterworfen werden konnten. Ferner fand man ver­schiedene Ueberbleibsel eiserner Waffen und Geräte, die wohl lange an dieser Stätte gelegen haben mögen, sowie eine gut erhaltene Silbermünze von der Größe eines Zehnpfennigstücks, mit der Jahreszahl 1674, dem Wertbetrag 3 und dem Bildnis und der Umschrift eines KaisersLeopoldus". Man vermutet, daß diese Funde dem 30jährigen Krieg oder dem im Jahr 1693 gegen Frankreich geführten Reichskrieg entstammen.

Heidenheim, 28. Jan. Vorgestern hatten wir in unserer Gegend Sturm wie selten. Diesem folgte nun gestern mittag starker Schneefall, auch heute noch andauert. Der Schnee liegt bereits einen halben bis einen Meter tief und die Bahnschlitten sind in voller Thätigkeit, um den Verkehr zu ermöglichen. Die Bahnschlitten hatten heute infolge des vielen Schnees Verspätung. Man befürchtet in den Waldungen Schaden durch Schneedruck.

B 0 pfingen, 29. Jan. Viel Aussehen erregt die Verhaftung eines Arztes aus einer benachbarten Stadt, vormaligen Oberamtsarztes daselbst, und dessen Einlieferung in das Landgerichtsgefängnis zu Ellwangen. Er hat sich, wie schon voriges Jahr, wegen Sittlichk-itsverbrechen zu verantworten. Das Schwurgericht hat ihn damals freigesprochen.

Urach, 27. Jan. Um dem Handwerksburschenbettel, der in diesem Winter, besonders aber in den letzten Wochen, sich zur schönsten Blüte entwickelt hatte, einigermaßen Einhalt zu lhun, wurde mit Gutheißen der bürgerl. Kollegien wie schon in früheren Jahren, so auch Heuer wieder mit Hilfe von freiw. Beiträgen hiesiger Einwohner eine Unterstützungskasse in Verbindung mit einer Arbeitsvermittlungsstelle ins Leben gerufen. Die Hauptgesichtspunkte und Erfordernisse, nach welchen eine Unterstützung ge­währt wird, und zwar für Durchreisende je 10 für Uebernachtende 20 H und in besonderen Not« und Krankheitsfällen bis zu 60 H, jedoch nur 2mal im Jahr einem und demselben Reisenden, sind in erster Linie der Nachweis von Reisepapieren, sowie bei vorliegendem Arbeitsgesuch von Seiten der Ge­hilfen, welchen die Selbstumschau nach Arbeit hierorts untersagt ist, die so­fortige Anmeldung zur Uebernahme einer Arbeitsstelle bei einem vorgemerkten Meister durch Vermittlung der Arbeitsnachweisstelle. Um allen Unzuträglich­keiten und Mißbräuchen vorzubeugen, wird die Unterstützung der Reisenden, welche durch Anschlagzettel von der hier bestehenden Einrichtung in Kenntnis gesetzt werden und bei ihrem Geschenknachsuchen auf dem Rathause eine Blech-

Feuilleton.

Aas Mil'chgelicht.

Erzählung von Maurus Iökai. Autorisierte Uebersetzung von Ludwig Wechsler.

Sind Sie einverstanden, junger Freund, eine echte Portoriko zu rauchen? Darf ich Ihnen eine anbieten? Sie ist nicht so süß wie Buttermilch und beißt ein wenig die Lipppen aus; doch Hab' ich es auch versucht, als ich noch ein Knabe war!"

Ich danke Ihnen, Cigarrenrauch vertrage ich nicht; doch umso besser den Rauch der Kanonen und diesen blicke ich fest in's Auge, wenn es dazu kommt."

Bei meiner Seele! Der Junge kam mit Zähnen auf die Welt!"

Dieses Gespräch fand vor Sebastopol im englischen Lager statt, wo sich der Zerstreuung halber mehrere Offiziere zusammengefunden hatten, die einen schönen Novembernachmittag benützten, um in den Wassergräben gesammelten Koth von mehreren Wochen abzuschütteln.

Der das Gespräch begonnen, war ein in den besten Jahren stehender Soldat, Oberst Egerton, ehedem Kapitän der Spahi's in Ost-Indien, ein großer Mann von mächtiger Gestalt, des nur deshalb zu Fuß gehen mußte, weil kein Pferd seine Last ertragen konnte. Die Uniform barst beinahe aus dem riesigen' Körper und die Schultern erinnerten an die deshimmeltragenden Atlas." Seine harten Gesichtszüge sind von der Sonne gebräunt und von der Kälte gerötet; doch noch röter noch härter sitzt auf denselben der Ausdruck von Stolz und Trotz, der jede seiner Bewegungen kennzeichnet und leicht herausfordernde Selbstüberhebung genannt werden könnte.

Wer ihm antwortete, war ein sehr junger Soldat mit den Epauletten und der Säbeltroddel des Offiziers und mit dem allersanstesten Gesicht von lauter Milch

und Blut und den freundlichsten blauen Augen. Sein Halstuch liegt so tadellos, als hätte die liebreich sorgende Hand der Mutter den Knoten geschlungen und auf seiner Stirne meint man den Kuß zu sehen, der sagen zu wollen scheint:Gieb Acht auf Dein Leben, mein Kind; denke an Deine Mutter, mein Kind; stirb nur nicht, mein Kind!"

Der Junge kam gerade recht! Die alten wetterhasten, kampfgestählten Soldaten fluchten und wetterten, daß die Regierung ihnen unreife Jünglinge als Offiziers­kameraden sandte, die weiter kein Verdienst haben, als das Geld, für welches sie das Offizierpatent erstanden und nun gar dieses Milchgesicht, welches allem Anscheine nach soeben erst angelangt war, denn die Uniform war noch ganz rein und der Hemdkragen weiß.

Der Junge gefällt mir!" sprach Oberst Egerton, als der Jüngling mit ge­röteten Wangen weiterschritt.Ihr werdet sehen, daß sehr bald ein alter Mann aus ihm werden wird."

Wie meinst Du das?" fragte ihn ein anderer Offizier.

Unter der Bezeichnung alter Mann verstehe ich einen Menschen, der dem Tode nahe ist. Der Grünschnabel scheint mir in die Katagorie jener zu gehören, die in den Krieg kommen, um von der erst-besten Kugel, die ihren Mann sucht, hinweg­gerafft zu werden."

Da sei unbesorgt", tröstete ihn ein baumlanger irländischer Offizier.Er wird schon zahm werden, sobald er eine Granate über seinen Kopf wird pfeifen hören und sobald er ein paar Bomben wird zerplatzen sehen, wird er zu Muttern heimgelangen."

Soviel braucht es ja gar nicht", meinte ein Pionierhauptmann, dessen Rock in allen möglichen Schattierungen von Schmutz und Koth schillerte.Er soll nur eine Nacht als Vorposten-Offizier in den Laufgräben verbringen und sobald er bis an's Knie in den Koth festfrieren und die durchnäßte Uniform starr und steif an seinem Leibe wird, daß es aussieht, als wäre er mit Zucker bestreut, da wird er schon plärrend Großvaters Kachelofen gedenken."