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Hlctges-Weuigkeiterr.

Ccrlw. Nach einer uns heute gewordenen Mitteilung haben sich am letzten Donnerstag die beiden Gemeinden Alt- und Neubulach dahin geeinigt, eine gemeinschaftliche Wasserleitung herzustellen. 'Das Betriebswasser und das Förderwasser erhält das oberhalb Seitzenthal aufzustellende Pump­werk aus einer starken Quelle im Ziegelbachthal durch eine Rohrleitung unter dem Drucke des natürlichen Gefälls und wird das nötige Wasserquantum in das auf 200 m Höhe über der Quelle anzulegende Hochreservoir gehoben. Das Werk selbst soll aus einem Wassermotor nach dem System Kröber (pa­tentierte Wassersäulenpumpe) bestehen, welche wegen ihrer sehr einfachen Konstruktion überall angewendet wird. Die Anlage wird die erste Wasser­versorgung mit Pumpstation im Oberamtsbezirk Calw werden und können sich die weiteren wasserarmen Gemeinden ein gutes Beispiel daran nehmen.

(:) Liebenzell, 20. Jan. Gestern abend hielt im Saal des Gasthofs zum Ochsen Herr Professor Haug aus Calw für die Mitglieder des hiesigen Bildungsvereins einen sehr eingehenden klar gehaltenen Vortrag übereiniges aus der Wetterkunde und über Witterungsvorherfagungen." Redner begann damit, über die Lufthülle zu sprechen, welche die Erde im Gegensatz zum Mond in beträchtlicher Höhe umgebe, erklärte dann die Instrumente zur Messung der Temperatur, des Luftdrucks und des Feuchtigkeitsgehalts der Luft, wobei er die einzelnen Jahrestemperaturen von verschiedenen Orten, besonders von Calw angab; dann beschrieb er die Wolken, ihre Entstehung durch die Sätti­gung der Luft mit Wasserdampf, ihre Gestaltungen, gab Zahlen über die Regenmengen einzelner Orte und besprach die schwierige Frage, wie der Hagel voraussichtlich entstehe. Nachdem auf diese Weise der Boden für das Ver­ständnis des folgenden bereitet war, ging der Vortrag auf die Darstellung der wissenschaftlichen Wettervorhersagung näher ein. Es würde zu weit führen, des genaueren auseinanderzusetzen, wie mit Hilfe von kartographischen Dar­stellungen die Ausdrücke barometrisches Minimum und Maximum, die Wind­richtung in denselben und zwischen den Isobaren, d. h. den durch eine Linie miteinander verbundenen Orten gleichen Luftdrucks erklärt wurden. Schließ­lich gab der geehrte Redner zu, daß es um die Prognosen insofern ein eigen Ding sei, als man nie mit Bestimmtheit Voraussagen könne, nach welcher Richtung ein barometrisches Minimum wandere, daher ein sicherer Schluß über die kommende Witterung vorerst von der Wissenschaft noch nicht gegeben werden könne. Mit großer Aufmerksamkeit lauschten die zahlreich Versam­melten den Worten des Herrn Redners, der es verstanden hatte, das schwie­rige Thema auf klare und einfache Weise verständlich zu machen.

Stuttgart, 18. Jan. Im Schützenhofe trat gestern zum 2. Male der Gesangsimprovisator und Stegreifdichter Guido Steinitz auf und erwies sich als vollendeter Künstler auf seinem Gebiete. Nicht nur verbindet er ihm zugerufene Worte zu hübschen, humoristischen Gedichten, sondern auch Verse, Sprichwörter u. dgl. versteht er, ohne langes Nachdenken, in poetische Form zu bringen und in stilvolle, kleine Gedichte zu verwandeln, die er sofort mit Musikbegleitung in melodramatischer Art selbst vorträgt. Daß diese Begleitung dem Dichter eine weitere Schwierigkeit in der Vers- bildung auferlegt, leuchtet ein. Der Beifall des zahlreich versammelten Publikums war ein lebhafter.

Neckargröningen, 16. Jan. Auf eigentümliche Art treibt gegenwärtig eine Gesellschaft in unserer Gegend Schwindel. In einem zwei- spännigen geschlossenen Gefährt kommt sie angefahren. Ein jungerHerr" stellt sich als Vertreter eines großen Handlungshauses vor, das durch ver­schiedene Umstände genötigt sei, billigst Kleidungsstücke absetzen zu müssen. Es werden auch Muster von Stoffen zu erstaunlich billigen Preisen vorgezeigt und Bestellungen wollen ausgenommen werden. Gerechte Bedenken werden eingewandt, aber auf eigentümliche Art (Familiennot, Wechselmalheur u. s. w.) zerstreut. Bald zeigt sich, daß der Herr auch ähnlich billige Waren zu so­fortigem Absatz gegen bar bei sich führte. Das Gefährt fährt vor. Ein

Lakai schleppt Pakete herbei Tuche zu verschiedenerlei: Herrenanzügen, Mänteln u. s. w.. die früher 300 bis 400 gekostet haben, werden jetzt

zur Zeit der Not um 180 ja um 100 abgesetzt. Redekünste werden

in allen Tonarten ins Feuer geführt! Wir warnen ernstlich, denn wir sind überzeugt, daß der Käufer nur Ware haben wird, welche den Macherlohn kaum wert ist. Die nach Muster bestellten Waren werden natürlich nie eintreffen!

Gochsen, 16. Jan. Ein schweres Unglück traf heute nach der H. N.-Ztg." den Ziegler Karl Grötzinger. Derselbe probierte sein Jagdgewehr und schoß in der Nähe seiner Ziegelhütte auf eine Scheibe. Während er den Schuß abfeuerte, sprang sein fünfjähriges Söhnlein hinter einem Ziegelstoß hervor in die Schußlinie, wobei dem Kind 56 Schrote in den Kopf eindrangen. Der Zustand desselben ist hoffnungslos.

Plochingen, 16. Jan. In der Nacht vom Sonntag auf Montag wurden einem hiesigen fleißigen Bürger ca. 140 ^ unter Anwendung falscher Schlüssel aus einem Kasten entwendet; der allgemeine Wunsch ist, des Diebes habhaft zu werden und daß der betreffende Bürger wieder in den Besitz seines Geldes kommen möge.

Ebingen, 17. Jan. Nun soll auch in dem benachbarten Pfeffingen ein Anfang in der Trikotfabrikation gemacht werden. Kürzlich begab sich ein Stuttgarter Maschinenfabrikant in Begleitüng zweier Thailfinger Trikot- waxenfabrikanten dorthin, behufs Lieferung von Rundmaschinen. Fabrikant Kreß daselbst bestellte vorerst 6 und Schultheiß Bitzer 3 solcher Maschinen. Die Einführung dieses neuen Erwerbszweiges wird von der nicht wohlhaben­den Gemeinde mit Freuden begrüßt.

Der Bodensee bei Friedrichshafen hat jenseits der Aachmündung bis Langenargen spiegelglattes Eis von genügender Tragfähigkeit. Am schweizerischen Ufer bei Horn haben zwei Fischer in einem Zuge 150 Zentner Brachsmen" gefangen. Die Fische wurden zu 20 Cts. per Pfund verkauft, macht 3000 Frcs. oder 2400 Ein oberschwäb. Blatt berichtet aus

Hauerz: Bei einem in den Gemeindejagden abgehaltenen Treibjagen stürzte sich ein kräftiger, aus seinem Lager aufgejagter Rehbock einem ^jäh­rigen Treiber geradewegs auf die Brust. Der Knabe, seine Geistesgegenwart behaltend, schloß den unsanften Ankömmling in seine Arme und beide stürzten auf den Boden, der Knabe mit dem Ausrufi hon' en!" Zwei andere Knaben im Alter von etwa 11 Jahren eilten herbei und es gelang den drei, den Rehbock so lange festzuhalten, bis ein kräftiger Mann das Ent­fliehen unmöglich machte. Durch die herzugekommenen Jäger mußte der Bock ohne Schuß sein Leben enden.

Kassel, 18. Jan. Die Kasseler Hofjagd fand gestern und vor­gestern in den Gemarkungen von Bettenhausen, Ochshausen, Waldau, Krum- bach und Heiligenrode, sowie dem Eichwäldchen statt. Das Ergebnis des ersten Tages war ein besonders ungünstiges, es wurden nur etwa 80 Hasen erlegt. Gestern ging es besser, es wurden 308 Hasen zur Strecke gebracht, außerdem erfolgte in der Fasanerie im Eichwäldchen der Abschuß von 163 Fasanen. Bei einer vorgestern abgehaltenen Treibjagd im Revier der Freiherren von Buttlar-Ziegenberg bei Witzenhausen wurden außer Hasen und Rehwild drei kapitale Wildschweine zur Strecke gebracht. Nach einer amtlichen Zusammenstellung wurden in der Provinz Hessen-Nassau in der Zeit vom 1. April 1885/86 erlegt: 768 Stück Rotwild, 129 Stück Damwild, 9493 Rehe, 956 Wildschweine. 50,077 Hasen, 7657 Füchse, 482 Dachse, 238 Fischottern, 151 Wildkatzen, 427 Baummarder, 422 Steinmarder, 501 Iltisse, 466 Wiesel, 104 Auerhähne, 36 Birkhähne, 480 Fasanen, 291 Fischreiher, 35,236 Rebhühner.

Wien, 18. Jan. Zwei Selbstmordfälle erregen hier großes Aufsehen. Ein höherer Offizier der k. k. Marine, Fregattenkapitän Hugo Djes chauer, Abteilungsvorstand bei der k. k. Marinesektion im Reichskriegsministerium, wurde gestern nachmittag im Prater mit durchschossener Brust tot aufgefunden.

Spricht Fräulein Else von mir?" fragte da plötzlich eine tiefe Männerstimme hinter den beiden Dameni die so in ihre Unterhaltung vertieft gewesen, daß sie die Schritte des herannahenden Doktors nicht gehört.Verzeihen die Damen, aber das Fräulein sprach so laut, daß ich nicht umhin konnte, ihre letzten Worte zu hören. Ich fürchte, ich bin der Unglückliche, vem sie galten!"

Ach, Gustav, binde doch nicht schon wieder mit dem Mädchen an", begann die alte Dame beschwichtigend, doch Else, die im ersten Augenblick der Ueberraschung betreten gewesen, raffte sich jetzt auf um dem Doktor voll ins Gesicht sehen, sprach sie:

»Ja, Herr Doktor, Sie vermuten recht, meine Worte galten Ihnen! Ich hasse Sie!"

Und ohne ein Wort abzuwarten, wandte sie sich ab und ging in's Haus.

Fast bewundernd blickte ihr der junge Mann nach.

Stolz ist sie, die kleine Person", meinte er;aber das gefällt mir ja eigent­lich an ihr; aber sie ist doch zu ungezogen gegen mich, als daß ich es ihr so leicht hingehen lassen sollte! Gehe nur, Tante", fuhr er fort,ich sehe ja doch, es zuckt Dir in allen Gliedern, Deinem Liebling nachzueilen und das arme Kind zu trösten. Geh nur, ich habe einen Ausgang und komme erst zum Abendessen wieder. Du hast al'o Zeit genug, Else zu verwöhnen, ohne von mir gestört zu werden."

Die alte Dame aber, die ihrem kaum gefaßten heroischen Entschluß, Else von jetzt an strenger zu halten, doch nicht so schnell wieder untreu werden wollte, blieb in der Laube sitzen und strickte mit großer Selbstüberwindung, und als der Doktor sich am Gartenthor noch einmal umwandte, sah er zu seinem großen Erstaunen, daß die Tante noch nicht seinem Rat gefolgt und zu dem Liebling geeilt war.

Und was that Else unterdessen? Sie war in ihr Zimmer gegangen und hatte versucht, sich mit gleichgültigen Dingen zu beschäftigen, aber immer wieder tauchte das Bild des Doktors vor ihr auf. Es ließ ihr keine Ruhe. Immer sah sie das spöttische Lächeln, das sie so verletzte, immer hörte sie seinen hofmeisternden Ton. Ja, sie haßte ihn, diesen Doktor Arnold, sie haßte ihn von ganzer Seele. Aber war es immer so gewesen? Sie kannte ihn erst seit wenigen Wochen. Der junge

Mann, der Lieblingsneffe ihrer Pflegemutter, war Lehrer in einer benachbarten Stadt. Von dort war er den Bitten seiner Tante folgend, auf deren Gut gekommen, um bei ihr seine Sommerferien zu verbringen. Else hatte schon Wochen vor seiner An­kunft von nichts reden hören, als von dem schönen, liebenswürdigen Neffen, auf dessen Gelehrsamkeit und Doktortitel die gute alte Dame nicht wenig stolz war. Das junge Mädchen, das in der ländlichen Einsamkeit wenig Gelegenheit hatte, Herrenbekannt­schaften zu machen, war natürlich sehr gespannt auf den Besuch des vielgepriesenen Doktors. Sie ließ es sich nicht nehmen, das Zimmer für ihn selbst einzurichten, und nachdem es schon längst fertig war, fand sie immer noch Kleinigkeiten daran zu ändern, um es wohnlicher zu machen. An dem großen Tage selbst, an dem Dr. Arnold er­wartet wurde, schlüpfte sie noch einmal hinauf und stellte einen Strauß blühender Rosen auf den Tisch, damit das Zimmer ja einen recht freundlichen Eindruck auf ihn mache.

Die Bahnstation war zu weit von dem Gute entfernt, als daß die Damen den Erwartenden dort hätten abholen können und so wurde ihm nur ein Wagen entgegengeschickt.

Doch schon lange, ehe eine Möglichkeit vorhanden war, daß derselbe zurück sein könne, saßen die Rätin und Else jede an einem Fenster, von dem man aus den ganzen Weg übersehen konnte, auf dem der Doktor kommen mußte.

Endlich, endlich sah Else eine Staubwolke, die einen herannahenden Wagen verriet; deutlicher und deutlicher sah man ihn kommen, ja, es war der Wagen, den die Tante ausgeschickt. Jetzt bog er in die Allee ein, die zum Hause führte.

Tante", rief das junge Mädchen,Tante, er kommt!"

Und Beide eilten an die Hausthür, um den Ankömmling zu empfangen.

Gustav, lieber Gustav, wie froh bin ich, daß Du kommst", rief die alte Dame und auch er gab lebhaft seiner Freude Ausdruck, die Tante, die er so lange nicht gesehen, wieder begrüßen zu dürfen.

(Fortsetzung folgt.)