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63. Jahrgang

Amts- unä InLeüigenMaLL für äen Kezirkr.

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Die EinrückungsgeLühr beträgt d L, p. Zeile im Mz-rk, sonst 12 H.

Aumstag, äen 21. Januar 1888.

AbonnementspreiS halbjährlich 1 »L 8V.Z,, durch die Post bezogen im Bezirk 2 30 H, sonst in

^ganz Württemberg 2 70 H.

AmtUche Bekanntmachung^

öetrr. Mcrßvege^n wiöev öie ScHcrfrräuöe.

Die Ortsvorstrher werden angewiesen bis 27. ds. Mts. spätestens ein Verzeichnis der L-chasbestände ihrer Gemeindebezirke unter Angabe der Stückzahl derselben und Bezeichnung derjenigen Herden, welche zur Sommer- weide auf eine andere Markung gebracht werden, vorzulegen, eventuell Fehlanzeige zu erstatten. Die Schäfbesitzer sind gemäß Ziffer 11 des Mini­sterialerlasses vom 9. Januar 1888, betreffend Maßregeln wider die Schafräude (Min.-Amtsbl. S. 7), darauf aufmerksam zu machen, daß die Herden, bei welchen anläßlich der in nächster Zeit vom Oberamtstierarzt vorzunehmenden Untersuchung der Schafbestände die Räude festgestellt wird, vor Beendigung des Heilverfahrens nicht auf die Sommerweide abgehen dürfen.

Calw, 19. Januar 1888. K. Oberamt.

Supper.

Wochenschau.

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L6. Die europäische Lage hat durch die Kundgebungen des deutschen Kaisers und des Zaren eine weitere Klärung erfahren und die Hoffnungen auf Erhaltung des europäischen Friedens sind durch dieselben neu ) « belebt worden. Man wird es gerne mit Genugthuung begrüßen, wenn die

j Mo narchen, besonders der russische, auf welchen mau mit Besorgnis zu schauen

gewöhnt ist, der Hoffnung auf die friedliche Entwicklung Europas Ausdruck geben und damit das aussprechen, was die Völker jederzeit instinktiv empfinden.

Durch die Wiedereröffnung der Sitzungen des deutschen Reichs­tags ist die Parteipolitik wieder in ihre Rechte eingetrcten und die Erörte­rungen über die Novelle zum Sozialistengesetz füllen die Spalten der Tagespreffe. Soweit wir die bis jetzt vorliegenden Urteile derselben zu über­blicken vermögen, ist es mehr als fraglich, ob der Entwurf in der Fassung der Regierung angenommen werden wird. Und das ist gut so, denn die Regierungsvorlage birgt der Härten so viele in sich, daß die Wirkung der­selben, wenn sie Gesetzeskraft erlangen sollte, nur neue Erbitterung erzeugen und die von der Regierung selbst angestrebte Versöhnung des arbeitenden Volkes hintanhalten würde. Aus den Verhandlungen des Reichstags greifen wir als bemerkenswertestes Symptom die von dem Chef der Admiralität mit dankenswerter Offenheit gegebene kateaorische Dementierung der Zeitungs­nachricht, daß ein Nachtrag zum Marine-Etat für den Bau von

schweren Panzerschiffen zu erwarten sei, heraus. Herr von Caprivi erklärte nicht nur für seine Person, daß er sich von dem Verdacht frei wisse, den Artikel derKöln. Ztg." inspiriert zu haben, und daß er noch ganz auf dem Standpunkt der Denkschrift von 1884 stehe, also von den großen Schlacht­schiffen wenig halte, sondern er fügte hinzu, daß auch der Reichskanzler mit ihm in dieser Angelegenheit vollständig gleicher Meinung sei. Aus den Beratungen der Kommission nimmt diejenige für die neue Wehrvorlage das meiste Interesse in Anspruch. Wie der Kriegsminister erklärte, würden die einmaligen Ausgaben für Bekleidung, Gewehre und Munition etwa 230 Mark pro Mann betragen. Die Paragraphen 1 und 3 der Vorlage, Teilung der Landwehr in zwei Aufgebote, wurden einstimmig, Paragraph 3 mit dem Zusatz angenommen, daß die Verpflichtung zum Dienst im zweiten Aufgebot für vie vor dem 20. Lebensjahr in die Armee Getretenen nach siebenjähriger Dienstzeit endigt. Zu Paragraph 4 erklärte der Kriegsminister die Bestimmung, daß die Landwehr des zweiten Aufgebots im Frieden zu den Hebungen und Kontrollversammlungen nicht herangezogen werden dürfe, beziehe sich auch auf die Landwehrosfiziere des zweiten Aufgebots.

Die Bulgarische Frage ist in der abgelaufenen Berichtsperiode in keine neue Phase eingetreten. Die säbelraffelnde Neujahrs-Erklärung des Fürsten Ferdinand hat allseitig nur erheiternd gewirkt. Größeres Interesse erregt zur Zeit der italienisch-französische Zwischenfall, der neuerdings an Schärfe gewann, als verlautete, der italienische Prätor Tossini habe den Erben Hussein Paschas, El Melik, aufgefordert, sich am 20. ds. Mts. mit ihm vor das französische Konsulat in Florenz zu begeben; er wolle dann die von ihm am 22. Dezember angelegten Siegel abnehmen, mit Gewalt in das Archiv des französischen Konsulates eindringen, falls der Konsul nicht freiwillig die Thür öffne. Die Drohung der französischen Regierung, falls ein solcher neuer Gewaltakt stattfinde, ihren Botschafter in Rom abzu­berufen, hat denn auch bewirkt, daß die italienische Regierung ihrem alten pflichteifrigen Richter untersagte, vorläufig weitere Schritte in der Angelegen­heit zu unternehmen. Wie die italienische Regierung die Angelegenheit auf­faßt, geht aus dem Gutachten des diplomatischen Gerichtshofs hervor, welches dahin lautet. daß die italienische Behörde zufolge der Convention zwischen Tunis, das jetzt bekanntlich unter französischem Protektorat steht, und Italien vom Jahre 1868 die Kompetenz besessen hätte, den Nachlaß Husseins zu ordnen. Wir bezweifeln übrigens nicht, daß es der Nachgiebigkeit CrispiS, in dessen Haltung die französischen Revancheblätter natürlich wiederdie Hand Bismarcks" sehen, und der Weisheit und dem bewährten Takt Flourens ge­lingen werde, diesen über Gebühr aufgebauschlen Zwischenfall bald aus der Welt zu schaffen.

Atltslltlptt Machdruckverboten.)

WesiegL!

Novelle von Fred. Vincent.

(Fortsetzung.)

Ich fürchte, Kind, dazu ist es zu spät; so wie ich Gustav kenne, wird er Dich nie wieder um eine Gefälligkeit bitten. Du müßtest Dich denn entschließen können, ihn um Verzeihung zu bitten"

Ich ihn um Verzeihung bitten!"

Ach Else, das klang fast trotzig und ich glaube doch. Du hast Dein Unrecht eingesehen."

Das junge Mädchen antwortete nicht sogleich. Bei ihren letzten Worten, die sie in ziemlich heftigem Tone gesprochen, hatte sie sich von der Bank erhoben und drehte der Geheimrätin den Rücken zu. Nach wenigen Sekunden wandte sie sich wieder um.

Tantchen", sprach sie sanft. Du sollst Dir keine Vorwurfe machen, ich gehe hin, um dem Herrn Doktor Abbitte zu thun."-

Dr. Arnold saß indessen drinnen im Zimmer, wo seine Tante ihn verlassen, rauchte und las die Zeitung. Da hörte er hinter sich leise Schritte; er wandte sich um und erblickte Else.

Ach, mein Fräulein", redete er sie an,Sie bereuen wohl ihr unliebens­würdiges Wesen und kommen, sich bei dem Herm Schulmeister zu entschuldigen?"

Das war zu viel. Der Schritt, der das junge Mädchen so viel Ueberwindung gekostet hatte, er wurde von ihm als etwas ganz Natürliches, Selbstverständliches Eingenommen! Nein, den Triumph konnte sie ihm nicht gönnen!

Sie irren, Herr Doktor, ich bereue gar nichts. Aber Tante Rätin hat mich gebeten, Ihr Lied zu begleiten, und da ich ihr nie etwas abschlage, so bin ich ge­kommen, es zu thun."

Ich danke, mein Fräulein, doch bin ich augenblicklich nicht in der Stimmung^ zu singen." Und mit diesen Worten wandte er Else den Rücken und vertiefte sich, wieder in seine Zeitung.

Else aber eilte hinaus zu ihrer Tante.

Tante", rief sie,ich kann ihn nicht um Verzeihung bitten! weißt, ich bin hineingegangen, um es zu thun; aber ich kann nicht, ich kann nicht; denn erbehandelt mich immer wie ein ungezogenes Kind." Und schluchzend warf sie sich der Geheim­rätin in die Arme.

Erschrocken sah diese auf das erregte Mädchen.Was hat er Dir denn wieder gethan, mein Herz?" fragte sie sanft.

Er hat mich beleidigt", entgegnete das junge Mädchen unter Thränen.

Die alte Dame zog ihre Pflegetochter zu sich auf die Bank.Kind", bat sie freundlich,erzähle mir ganz genau, was zwischen Euch vorgefallen."

Gewiß, Tante, Du sollst es erfahren. Als ich hineinkam, da wandte er sich um und fragte mich, ob ich ihn um Entschuldigung bitten wolle. Denke nur, mich das zu fragen!"

Ja nun, wolltest Du denn das nicht, Else?"

Ja gewiß wollte ich das, Tantchen; aber, aber"

Aber es beleidigte Fräulein Else's Stolz, daß der Herr Doktor das voraus­setzte", meinte die alte Dame lächelnd,nicht wahr, das war das ganze Verbrechen?"

Ich weiß nicht, was es ist! Er sah mich so spöttisch an und schien anzu­nehmen, es verstünde sich ganz von selbst, daß ich käme, mich zu entschuldigen, und das ärgerte mich und da antwortete ich ihm, ich wollte mich gar nicht entschuldigen!"

Aber Else, war das recht? Hattest Du es mir nicht versprochen?"

Ja, Tantchen, aber ich konnte wirklich nicht. Wenn ich mit dem besten Vor­satz in seine Nähe komme, dann hat er stets das Talent, mich denselben bereuen zu machen, noch ehe ich ihn ausgeführt. Ich weiß wirklich selbst nicht, was es ist, aber ich glaube, ich habe noch nie einen Menschen so gehaßt, wie ihn!"

O Else!"