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Schmoller von Ellwangen eine vorgenommene Verhaftung wegen Verdachts der Brandstiftung an dem am 27. Dez. abgebrannten Wohn- und Oekonomie- gebäude in der Gmünder Vorstadt und die Wahrscheinlichkeit, daß auch der Anstifter des Brandes in der Helfergaffe ermittelt werde.
Heilbronn. Am Sonntag, den 27. Nov., abends, wurden vor dem Eisenbahngasthofe hier drei Bursche wahrgenommen, welche in verdächtiger Weise sich in der Nähe des Gasthofes Herumtrieben und die Insassen durch die Fenster beobachteten. Als man nach den Burschen sah, waren dieselben verschwunden. Der Hausknecht des Gasthofes bemerkte noch am gleichen Abend, daß ein in der Hausflur ausgestellt gewesener Koffer eines Reisenden fehlte,' konnte aber über dessen Verbleib an diesem Abend keine sichere Auskunft mehr erhalten, da der Eigentümer ortsabwesend war. Am andern Morgen stellte sich heraus, daß der Koffer nicht von dem Reisenden mitgenommen worden war, sondern daß er gestohlen worden sein müsse. Sofort angestellte Nachforschungen ergaben, daß drei Bursche am vorangegangenen Abend in Böckmgen eine Anzabl Kleidungsstücke in einer Wirtschaft verkauft hatten; auch wurde der vermißte Koffer aufgebrochen im Neckar stehend gesunden. Derselbe hatte Kleidermuster im Wert von ca. 300 enthalten; jetzt war er leer. Zwei der Kleiderverkäufer wurden alsbald aufgebracht und festgenommen; der dritte entkam, ist aber neuerdings in Heidelberg ebenfalls aufgegriffln worden. Es sind: der Dienstknecht August Greiner aus Stocken, der Taglöhner Christian Aufrecht aus Jlsfeld und der Taglöhner Gottlob Grüner aus Bückingen, die beiden letzteren vielfach, auch wegen Diebstahls schon bestrafte Subjekte. Dieselben hatten an dem fraglichen Abend, nachdem sie gemeinschaftlich aus einer Wirtschaft hinausgeworfen worden waren, behufs zweckmäßiger Verwendung des übrigen Teils des Tages zur Begehung eines Diebstahls sich vereinigt und hiezu den genannten Gasthof ausersehen, aus welchem zwei von ihnen den Koffer bei einer zeitweiligen Abwesenheit der Dienerschaft heraustrugen, während der dritte vor dem Hause Wache stand. In der Sitzung der Strafkammer vom 12. ds. Mts. wurde Greiner zu 8 Monaten Gefängnis und 5jährigem Ehrverlust, Aufrecht zu 1 Jahr 8 Monaten Zuchthaus und lOjährigem Ehrverlust verurteilt; der in Heidelberg verhaftete Grüner sieht seiner Aburteilung noch entgegen.
Gerabronn, 12. Jan. Die gestrige Generalversammlung der Molkerei Gerabronn (E. G.) war sehr zahlreich besucht. Dem Berichte war zu entnehmen, daß im abgelaufenen Jahre 1,091,054 Liter (voriges Jahr 854,078 Liter) Milch eingeliefert wurden, welche 87,96002 Pfd. Butter ergaben. Diese Butter wurde in 6646 Postkistchen und in 775 Bahnkisten versandt. An Käse wurden erzeugt: 42,279 Pfd. Backsteinkäse und 242,513 Handkäse. Aus dem Schweinestall sind 549 Stück abgesetzt worden. An Kraftfuttermehl wurden 600 Ztr. Erdnußkuchen, 400 Ztr. Mohn- und Sesamkuchen und 1000 Ztr. Reisfuttermehl (Rickmers) angeschafft. — Die Mitgliederzahl ist von 58 auf 79 gestiegen. — Eine Nachzahlung (Dividende) ist nicht erfolgt, dagegen ist zum Zwecke größerer Schuldentilgung der Reinertrag von 7200 am Immobilien- und Mobilienkonto abgeschrieben. Dieser Reinertrag ist gegenüber dem vorjährigen durch den allgemeinen flauen Geschäftsgang wesentlich zurückgeblieben. Miigx das kommende Jahr ein besseres Resultat bringen.
Ravensburg, 12. Jan. In dem zur Stadtgemeinde Ravensburg gehörigen Weiler Hintzistabel wurde gestern nachmittag ein ganz frecher Diebstahl verübt. Während der Bauer Georg Fuchs mit seinen Leuten an der der Straße abgekehrten Seite seines Hauses mit Dreschen beschäftigt war, schlich sich ein Dieb in eine Kammer und stahl aus der Tasche einer dort hängenden Hose einige Mark; mit dieser Beute nicht zufrieden, schlich der Eindringling in den obern Stock, erbrach daselbst in der Stube einen Kasten, aus welchem er sich etwa 250 aneignete. Von dem Dieb, den Kinder aus dem Hause gehen sahen, hat man bis jetzt keine Spur.
Waldsee, 13. Jan. Zu Ehren des nach Reutlingen übergesiedelten
Regierungsrats Mayer fand gestern abend eine Zusammenkunft — der Scheidende hat einen offiziellen Abschied abgelehnt — der Schultheißen von den umliegenden Ortschaften, sowie der hiesigen Beamten statt. Dem Scheidenden wurde der Dank für seine während einer Reihe von Jahren geleisteten Dienste in unserem Bezirk abgestattet und seine pünkliche und gewissenhafte Amtsführung hervorgehoben. Regierungsrat Mayer versicherte, dem Bezirk, sowie Oberschwaben überhaupt ein gutes Andenken bewahren zu wollen. Als Andenken widmeten die Gemeindebeamten dem scheidenden Oberamtmann ein Album mit ihren Photographien.
— Aus Waldsee wird dem „U. T." berichtet: Voriges Jahr am 25. März während eines heftigen Sturmes entstand in dem Orte Gaishaus, Gmde. Wolfegg. ein bedeutendes Schadenfeuer, das 2 große Bauernhöfe einäscherte. Die Eisenbahn fährt hart an den strohbedeckten Häusern vorbei und es wurde der Brand durch Funken aus der Lokomotive verursacht. Lange war es zweifelhaft, ob die K. Generaldirektion der Eisenbahnen oder die Gebäudebrandversicherung den Schaden zu decken habe. Heute wurde nun die Sache in der Kanzlei des K. Oberamts im Beisein eines Finanzrats von Stuttgart zur allseitigen Zufriedenheit entschieden. Die K. Generaldirektion bezahlt den beiden Abgebrannten je 4000 einen anderen Teil hat schon früher die Gebäudeversicherung bezahlt.
Berlin, 13. Januar. Es liegt heute wieder ein amtliches Bulletin aus San Remo vom 13. Januar morgens vor. Dasselbe lautet: Die Krankheitserscheinungen bei Sr. Kaiserlichen Hoheit dem Kronprinzen bestanden während der letzten zwei Wochen in einer etwas stärkeren Schwellung der linken Kehlkopfhälfte und in einer von dort sich etwas allgemeiner ausbreitenden entzündlichen Reizung der Kehlkopfschleimhaut; gleichzeitig war stärkere Schleimabsonderung vorhanden, welche, wie die Entzündung, jetzt wieder im Verschwinden begriffen ist. Das Allgemeinbefinden ist recht gut. Schräder. Krause. Hovel l.
— Aus Weimar, 12. Jan. wird der „F. Z." geschrieben: Eine Explosion, die heute Mittag im Mittelpunkte der Stadt vernehmbar war, erregte einigen Schrecken. Sie hatte im Hoftheater stattgefunden. Im Kellergeschoß desselben befindet sich ein gewölbter Raum, in dem seit uralter Zeit die Feuerwerksmaterialien für die Abendvorstellung, falls folche nötig sind, hergerichtet werden. Heute war„Freischütz" angesagt. Vermutlich hat der Obermaschinist, dem die Herstellung dieser Dinge obliegt, sich mit den dazu bestimmten Feuerwerkskörpern in einer noch nicht näher aufgeklärten Weise beschäftigt und dadurch die Explosion herbeigeführt. Dieselbe hat den Raum selbst nicht erheblich, das Theater gar nicht beschädigt, dagegen hat der Obermaschinist, ein sonst sehr bewährter und vorsichtiger Mann, schwer seine Unvorsichtigkeit büßen müssen; er ist bedeutend verletzt ins Krankenhaus geschafft worden. (Nach neuerer Nachricht ist der Tod inzwischen erfolgt.)
Aus Chemnitz, 12. Jan. wird der F. Z. geschrieben: Eine auch für andere Städte interessante und scharf angefochtene Verfügung des hiesigen Stadtrats ist jetzt von der höchsten Verwaltungsbehörde bestätigt worden. In unserer fabrikreichen Stadt wurden bisher zu Beginn und Ende der Arbeit wie der Pausen in den einzelnen Werken Nebelhörner und Dampfpfeifen mit einem Nachdruck in Thätigkeit gesetzt, daß der über die Stadt hinschallende Lärm für Kranke wie für Gesunde geradezu qualvoll war. Nach mehrfachen Beschwerden der Einwohner schritt der Stadtrat ein. Sein Verbot des Gebrauchs jener Lärminstrumente wurde von den Interessenten bei der Kreishauptmannschaft in Zwickau erfolglos angefochten. Hierauf wandte man sich an das sächs. Ministerium, jedoch auch dieses hat jetzt, nach Anhörung der Gewerbeinspektion und des Bezirksarztes, die Verfügung des Stadtrates aufrecht erhalten.
Paris, 12. Jan. In dem tiefen Erdeinschnitte zwischen Narbonne und Lezignan sammelte sich gestern nachts eine Bande von bewaffneten Strolchen, welche zwei Güterzüge anhielt. Die Mitglieder der
JeuiLLeton.
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Novellette von Leo Sontag.
(Schluß.)
„Ungefähr ein halbes Jahr dauerte unser Glück. Da kam ich eines Abends zu ihr, — sie hatte am Morgen desselben Tages eine kleine selbstständige Rolle probiert und war seelig darüber gewesen, — wie groß war daher mein Erstaunen, sie in Thränen zu finden. Besorgt fragte ich nach der Ursache. Anfänglich wich sie mir aus, doch es war nicht schwer, den Grund ihrer Trauer zu entdecken. Einige ihrer Kolleginnen, namentlich eine, der ich früher etwas auffallend den Hof gemacht, hatten Veromka's Verhältnis zu mir, das — glaube mir, Arthur — so unschuldig wie möglich war, auf die gehässigste Weise in den Schmutz gezogen. Sie hatte sie gewarnt vor dem „schönen Grafen Brandau", wie man mich damals allgemein nannte, hatten ihr da gesagt, er werde sie ins Elend stürzen und sie dann verlassen. Das arme Kind war unglücklich; sie hatte zwar nicht die Hälfte verstanden, was man ihr gesagt, aber Eines hatte man ihr klar gemacht: die Ehre war verloren und konnte nur durch eine Heirat mit mir gerettet werden.
„Aber nicht wahr, Alfred, Du wirst mich heiraten?" schloß sie ihren Bericht und sah unter Thränen lächelnd zu mir auf. Ich stand starr. Heiraten? — Daran hatte ich nicht im Entferntesten gedacht. Wie konnte ich, Graf Brandau, eine Choristin heiraten! Es war undenkbar. Sie sah mein Zögern. „Alfred", rief sie angstvoll, „sage, daß Du es willst!" Ich zog sie zu mir auf das Sopha und versuchte, ihr die Unmöglichkeit ihres Verlangens klar zu machen. Schweigend hörte sie mir zu, und als ich endlich mit meinen Gründen zu Ende war, da sah sie mich mit einem todestraürigen Blick an und fragte leise: „Du liebst mich also nicht?"
„Ich versuchte, ihr zu erklären, daß wir uns dennoch lieben könnten; ich führte ihr tausend Beispiele an; sagte ihr, daß es unter ihren Kolleginnen keine gebe, die
nicht einen Freund habe, und daß die Welt dies sehr mild beurteile — doch sie antwortete nur: „Nein, Alfred, ich habe geglaubt. Du liebtest mich, und ich habe mich geirrt. Es war ein schöner Traum, und ich kann Dir nur danken, daß Du mich ihn hast träumen lassen, aber das Erwachen ist hart." In den glühendsten Worten versicherte ich Ihr meine Liebe, aber sie rang sich aus meinen Armen los und nichts konnte den traurigen Blick aus ihren Augen verbannen. Endlich ging ich.
„Schlafe, liebes Veilchen", waren meine Abschiedsworte, „schlafe, und morgen früh wirst Du die Welt mit anderen Augen ansehen." Sie aber schüttelte traurig den Kopf. Und ihr trauriger Blick verfolgte mich auf dem Wege nach Hause, verfolgte mich in mein Zimmer und ließ mich nicht schlafen. Was sollte ich thun? Ich konnte sie nicht heiraten, es hieß meine ganze Carrisre verderben. Ich hätte eben die Armee verlassen müssen und sollte eben Rittmeister werden. Und doch — war sie nicht mehr wert, als die militärische Laufbahn, konnte ich nicht mit ihr ein stilles, glückliches Leben führen? Lange, lange kämpfte ich mit mir selbst, doch endlich trug die Liebe den Sieg davon. Ich wollte den Rittmeister an den Nagel hängen und Veronika zur Gräfin Brandau machen. Sobald dieser Entschluß in mir zur Reife gediehen, schlief ich friedlich ein. Doch schon am stützen Morgen war ich wieder wach, ich wollte zu ihr eilen und ihr mitteilen, daß ich sie höher liebe als Familie und Stand, daß ich sie zu meiner teuren kleinen Frau machen wolle. Ungeduldig erwartete ich die Zeit, um zu ihr gehen zu können; der Zeiger der Uhr schien mir so langsam vorzurücken wie noch nie. Endlich schlug es elf Uhr und ich eilte fort. Die alte Frau, bei der sie wohnte, öffnete mir die Thür und sah mich erstaunt an.
„Wissen der Herr Graf nicht, daß das Fräulein fort ist?"
„Fort? Es ist doch heute keine Probe."
„Ja, das Fräulein ist auch nicht in's Theater, sie ist abgereist."
„Abgereist!" Ich stieß die Frau bei Seite und eilte in Veronikas Zimmer. Ja, hier war augenscheinlich schnell gepackt worden. Ich stürzte in das Schlafzimmer Alles leer! Sie war fort, wirklich fort! Und hatte sie keine Spur hinterlassen? Ja, dort auf dem Tische lag ein Brief; er war an mich adressiert. Hastig riß ich ihn auf.