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'Diebsgesellschaft rissen die Plomben von den Waggonthüren und entnahmen den Wagen sämtliche wertvolle Waren, die auf bereitstehenden Wagen sortgesührt wurden. Die Aufregung über das freche Attentat ist eine sehr große. Die Gendarmerie fahndet nach den Verbrechern, die Bauern aus den umliegenden Dörfern sein sollen.
New - Dork, 10. Jan. Ein schweres Unglück ereignete sich heute auf der Boston-Maine-Eisenbahn. Ein von Boston nach Portland gehender Schnellzug entgleiste, während er bei Haverhill, Massachusetts, über eine Brücke fuhr. 8 Reisende wurden auf der Stelle getötet, und viele trugen Verletzungen davon. — Auf der Union-Pacific-Eisenbahn unweit Cheyenne in Wyoming stieß am Montag ein Güterzug mit einem Personenzug zusammen, wodurch einige Wagen des letzteren in Brand gerieten. Zwei Auswanderer« wagen wurden zerstört; 2 Kinder kamen in den Flammen um und 10 Per« sonen trugen Brandwunden davon. Viele Reisende litten uuter dem starken Frost; das Thermometer stand 20 Grad unter Null. Den Schaffner des Luges machte der entsetzliche Anblick wahnsinnig und er floh in das Gebirge, wo er erfror. — Ein Umstand, der wahrscheinlich selbst in der Geschichte der Vereinigten Staaten ohne Beispiel dasteht, wird aus Ashland, im Territorium Wisconsin, gemeldet: die Zerstörung der Stadt Wakefield durch Feuer, und zwar durch das unheilvolle Gebühren eines Affen. Das Tier wurde im Vaudeville-Theater gehalten, wo es sich frei bewegen konnte. Während des Abends am 25. Dez. kam dem Tiere ein Behälter mit Kereo- sene in die Quere und es beschmierte sich über und über mit dem Oele. Darauf geriet es in Brand durch eine in dem Zimmer brennende Lampe und erschien dann an einem Fenster des Theaters, wo seine Bewegungen das auf der Straße stehende Publikum ergötzten. Plötzlich stand das Gebäude in Flammen und der vor Schmerz wütend gewordene Affe steckte andere Häuser in Brand. Die Gebäude waren aus Holz und die Feuersbrunst verbreitete sich von Ort zu Ort, bis die Stadt ein Trümmerhaufen war. Der Pöbel Plünderte während des Brandes die Kaufmannsläden, und zwischen deren Eigentümern und den Räubern wurden viele Pistolenschüsse gewechselt. Der angerichtete Schaden ist sehr groß. (! ?)
Wevmifchtes.
* Stenographie. Die große Bedeutung, welche die deutsche Stenographie sich heutzutage errungen hat, zeigt sich am deutlichsten ausgeprägt in der vom K. stenographischen Institut in Dresden veröffentlichten Statistik, nach welcher in der Zeit vom 1. Juli 1886 bis 30. Juni 1887 in der Gabelsbergerschen Stenographie 36,701 Personen neu unterrichtet wurden, 2086 mehr als im vorangegangenen Jahre. An dieser Zahl ist jedoch unser engeres Vaterland Württemberg verhältnismäßig am schwächsten beteiligt, und um hierin eine Wendung zum Bessern herbeizusühren, traten am 8. Januar d. I. die Vertreter der Stenographenvereine zu Cannstatt, -Eßlingen. Göppingen, Hall, Oehringen, Stuttgart, Tübingen und Ulm im Museum zu Stuttgart zu einer Beratung zusammen und gründeten für sich und die einzelstehenden Stenographen Württembergs einen Verband württ. Stenographen, System Gabelsberger. Zum Verbandsorgan wurde die in M.-Gladbach erscheinende Deutsche Stenographenzeitung bestimmt, Verbandsvorort ist Stuttgart, Schriftführer Herr Paul Belz, Herzogstr. 13. Der neue Verband hat sich unter anderm die Aufgabe gestellt, durch brieflichen Unterricht nach Orten-, in denen sich kein Stenographielehrer befindet, die für viele Berufskreise so außerordentlich nützliche Fertigkeit der Stenographie zu verbreiten, und es ist der Wunsch gerechtfertigt, daß alle in Württemberg lebenden Gabelsberger Stenographen durch Anschluß an den Verband dessen gemeinnützige Bestrebungen unterstützen werden.
Die Blinden der Erde. Man hat, wie die „Deutsche Med. Z." mitteilt, berechnet, daß auf der Erde rund 1,000,000 blinde Personen leben. Kairo ist bei dieser Zahl am stärksten beteiligt, denn daselbst kommt auf je 20 Einwohner ein Blinder.
Welch außerordentliche Lebenszähigkeit ein ... Huhn besitzt, spricht eine Thatsache, die dem „Berl. Tagebl." von dem Molkereibefitzer Herrn I. Menz in Berlin in folgender Zuschrift mitgeteilt wird: „Ein eigentümlicher Vorfall, der meines Erachtens nach wohl einzig in seiner Art dasteht, hat sich in letzter Zeit bei mir ereignet: Ungefähr am 18. Dezember, es war eine gute Woche vor Weihnachten, ist mir auf meinem Gehöfte plötzlich ein Huhn abhanden gekommen. Da ich dasselbe mehrere Tage trotz eifrigen Suchens nicht finden konnte, so nahm ich an, es sei mir gestohlen oder habe sich verlaufen. — Wie erstaunte ich aber, als am vergangenen Freitage, also am 6. Januar, bei Abfuhr aus meiner Müllg'-ube, das besagte Huhn aus der Grube und zwar lebend zu Tage gefördert wurde. Das arme Tier hat nun mindestens achtzehn volle Tage in der scheußlichen Luft der Senkgrube zugebracht, und es ist auch nicht anzunehmen, daß es dort Nahrung gefunden, zumal es in einer Ecke von Müll fast vergraben vorgefunden wurde. Am Freitag befand sich das arme Tierchen allerdings in einem sehr geschwächten Zustande und repräsentierte ein Gewicht von kaum 200 Gramm; heute, am 9. Januar, also nach 3 Tagen, tummelt es sich schon munter auf dem Hofe umher, und es scheint, daß die unfreiwillige und sehr traurige Gefangenschaft an dem Tierchen spurlos vorübergehen wird. Als Landwirt ist mir ein solcher Fall während meiner 30jährigen Praxis noch nicht vorgekommen und bitte ich die geschätzte Redaktion, da dieselbe den Ereignissen solcher Art stets mit Interesse begegnet, um gefällige Veröffentlichung, schon aus dem Grunde, weil nach meiner Ansicht dieser Vorfall seines Gleichen kaum finden dürfte." Didaskalia.
Barnum und Hagenbeck. Der große Schausteller Barnum und der Hamburger Drei Händler Hagenbeck stehen seit 1872 in Geschäftsverbindung. In dieser Zeit lieferte Hagenbeck dreiundvierzig Elephanten, sechsundreißig Giraffen, siebenundzwanzig Kameele, achtunddreißig große Strauße, und Hunderte verschiedener anderer Tiere, als Löwen, Panther rc., außerdem aber auch alles, was Barnum an Pferden und anderen Tieren benötigte. Da nun kürzlich, wie bekannt, Barnums Unternehmen niederbrannte, hat es Hagenbeck unternommen, Barnum durch gewaltige Zusendungen die Wiederbelebung des Unternehmens in großartigstem Maßstabe zu ermöglichen. Mit dem Dampfer „Werra" geht in diesen Tagen die erste große Tiersendung ab. Hagenbeck arbeitet auch daran, sein eigenes Zirkusunternehmen zu vergrößern. Zehn Abrichter, Tierbändiger und Tierbändigerinnen sind gegenwärtig von ihm angestellt, um alle möglichen Tiere vorzubereiten; vier Reisende sind überdies von Ceylon, Birma, Nordost-Afrika und Amerika unterwegs, um neue Tierwaren herbeizuschaffen. Ende Januar trifft in Hamburg von Ceylon eine Herde Elephanten ein. Im Laufe des Februar kommt eine Tiersendung an, bei welcher sich zwölf zusammen geschulte, ganz gleich große Elephanten befinden.
Eine totale Mondfinsternis haben die Herren Astronomen für den 28. d. M. angesagt. Die Verfinsterung beginnt um 10 Uhr 10 Min., die totale Finsternis erst um 12 Uhr 49 Min. nachts. Hoffentlich werden nicht wieder neidische Wolken wie bei der vorjährigen Sonnen- und Mondfinsternis uns um das interessante Schauspiel bringen. Die Mondfinsternis dauert im ganzen 3 Stunden, erreicht also ihr Ende um 1 Uhr 50 Min.
Neues in der Bibliothek.
1) Geschichte der Stadt Calw von vr. P. Stälin, Archivrat.
2) Das Buch der Erfindungen, Gewerbe und Jndustrieen. Einführung in die Geschichte der Erfindungen. Bildungsgang und BildungSmittcl der Menschheit. 8. Auflage. Herausgegeben von Prof. F. Reuleaux.
3) Die Kräfte der Natur und ihre Benützung. Physikalische Technologie von I. Zöllner.
(2 und 3 enthalten über 1000 in den Text gedruckte Illustrationen.)
„Geliebter Freund! — Ich muß wählen zwischen meiner Ehre. Die Liebe I gebot mir, zu bleiben, die Ehre, zu fliehen. Ich fliehe, denn ich darf den Namen meines Vaters nicht beflecken, — ich fliehe, denn in Deiner Nähe könnte ich der Versuchung nicht widerstehen, das Verhältnis fortzusetzen, das mich so glücklich gemacht, — und das darf nicht sein! Ich gehe mit blutendem Herzen, doch die Ehre verlangt es. Leb wohl, auf ewig! Veronika."
„Der Brief war noch von ihren Thränen naß; sie liebte mich, und ich hatte sie verloren!"
Brandau hielt ein; die Erinnerung hatte ihn so mächtig ergriffen, daß er nicht weiter zu reden vermochte; auch Felden schwieg, denn er wagte nicht, den Freund zu stören.
Endlich fuhr er fort:
„Ich setzte Alles in Bewegung, ihre Spur zu finden — umsonst. Ich reiste selbst jahrelang, wie Du weißt, doch nirgends war sie zu entdecken. Endlich — mein Urlaub war zu Ende — kehrte ich müde hierher zurück, aus dem lebenslustigen Lieutenant war ein ernster, fast mürrischer Rittmeister geworden. Einen Frauenfeind nannte man mich; doch ich war es nicht, nur hatten sie alle kein Interesse mehr für mich nach der einen Verlorenen. So vergingen Jahre. Ich nahm an den Zerstreuungen der Kameraden Teil, besuchte Theater und Gesellschaften; doch der Wurm nagte am Herzen. Da, wie ein Stern aus dunkler Nacht tauchte plötzlich die neue Primadonna auf. Niemand wußte, wer sie war, woher sie kam. „Signora Vera" stand überall in großen Lettern, ein großer Ruhm ging ihr vorher, denn sie hatte in Paris gesungen, — man erzählte sich viel von ihrer Schönheit, doch Niemand hatte ein Bild von ihr gesehen. Alles strömte ins Theater, ich mit. Das Uebrige kannst Du Dir denken. Ja, sie war's, die Verlorengeglaubte. Ich sah sie wieder, sah sie jm Glanze ihrer aufgeblühten Schönheit, hörte ihre unvergleichliche Stimme und liebte sie mehr als je. Nach der Vorstellung eilte ich zu ihr hin — und ward abgewiesen. Den nächsten Morgen versuchte ich es noch einmal und sie nahm mich an. In glühenden Worten sprach ich ihr von meiner Liebe und legte ihr meinen Namen zu Füßen. „Ich danke, Herr Graf", sprach sie stolz, nachdem sie mich
schweigend zu Ende gehört. „Ihr Antrag ehrt mich, doch kann ich ihn nicht annehmen. War Ihnen Veronika Weber, die arme Choristin, nicht gut genug, so will auch Sig- gnora Vera, die berühmte Sängerin, nicht Ihre Frau werden."
„Ich versuchte zu reden, ihr zu erklären, daß ich schon damals bereut; doch sie hatte bereits das Zimmer verlassen und ließ mir nun durch ihre Kammerfrau sagen, sie bedauere, das Vergnügen meiner Gesellschaft nicht länger genießen zu können, sie müsse sich zur Probe ankleiden. Das war das Ende."
Mit einem tiefen Seufzer sank der Graf in seinen Sessel zurück.
„Und Du hast es nicht versucht, sie noch einmal zu sprechen?"
„Wozu? Sie hätte mich ja doch nicht angenommen!"
„Weißt Du das, Alfred? Dein Stolz hat einmal Dein und ihr Glück zerstört, soll er es nochmals? Du kannst ihr die momentane Bitterkeit nicht verargen. Du mußt ihr den kleinen Triumph gönnen, den sie gefeiert. Wenn Du sie wirklich liebst, gieb sie nicht so leichten Kaufes auf. Versuche es noch einmal, sie zu sehen. Erzähle ihr, was Du eben mir erzählt, und der Sieg muß Dir gelingen."
„Ich will es versuchen", versetzte Brandau, müde lächelnd, „doch ich glaube an keinen Sieg. Gute Nacht, Arthur!"
„Gute Nacht!"
Wenige Tage später las man in den Zeitungen der Residenz folgende Notiz: „Der plötzlich aufgetauchte neue Stern am Theaterhimmel soll uns ebenso plötzlich wieder entrissen werden. Wie wir hören, hat sich Signora Vera mit einem
Offizier aus den höchsten Adelskreisen, Rittmeister Graf Br.verlobt. Derselbe
wird den Dienst quittieren und sich mit seiner Frau auf seine Güter zurückziehen. Wie verlautet, soll der Graf die Signora schon früher gekannt haben. Wir können nur bedauern, daß dem Publikum der Genuß, eine so glänzende Sängerin zu hören,
so bald entrissen werden soll."-
„Habe ich es nicht gleich gesagt", sprach Lieutenant Roden triumphierend zu seinen Kameraden, „daß zwischen Brandau und der schönen Vera geheimnisvolle Beziehungen bestehen?"