588

Müller, eröffaete dieselbe mit einem Vortrag, in welchem er zunächst den Ansichten solcher, die d.e neue Sprache nicht für notwendig oder die Ein­führung einer allgemeinen Weltsprache für unmöglich halten, gegenübertrat und in treffender Weise widerlegte. Hr. Rektor Dr. Müller hat bekannt­lich hier schon 2 zahlreich besuchte Vorträge über volspük gehalten, in welchen er die Konstruktion der Schleyer'schen Weltsprache genau definierte und können wir deshalb von einem ins Detail gehenden Bericht heute absehen. Eines neuen G-sichtspunkts jedoch, den der Redner klarlegte, haben wir zu erwähnen: er bezeichnete nemlich die Einführung einer Sprache gleichsam als einen Friedensboten für die ganze Welt, diese Anschauung sei zwar eine ideale, jedoch dürfe diese Hoffnung wohl gehegt werden. Hr. H. Ansel jun. brachte hierauf einen Bericht von den Resultaten der Münchener Versammlung zur Vorlesung, woselbst einige der Vereinfachung dienende Aenderungen in der neuen Sprache beschlossen wurden. Es war bedauerlich, daß die Versamm­lung keine größere Beteiligung gefunden hatte, dennoch aber war das Resul­tat ein erfreuliches, indem der größte Teil der Anwesenden als Mitglieder des Vereins der in pekuniärer Beziehung nur geringe Ansprüche an den einzelnen stellt ausgenommen werden konnte. Die Anhänger von vola- pük streben an, daß mit der Zeit die neue Sprache in den Schulen ge­lehrt werde, denn ohne dies wird das vorgesteckte Zrel nicht erreicht und bleibt die Erlernung nur ein Sport einzelner Vereine, der eines festen Bodens entbehrt. Hinsichtlich der bisher gemachten Fortschritte und der lobens­werten Rührigkeit ihrer Verbreiter dürste dieses Ziel auch erreicht werden.

Calw, 7. Dez. Der heutige Vieh mar kt war ziemlich stark befahren. Zugeführt waren 605 Stück Rindvieh und 36 Pferde. In Fett­vieh wurde bei herabgedrückten Preisen viel gehandelt. Dem Schwememarkt waren 68 Körbe Milchschweine und 54 Läufer zugeführt. Preis der elfteren 612 pr. Paar.

Vom Cannstatter Bezirk, 4. Dez. Der Kandidat der Arbeiter­partei, Menrad Glaser, bezw. seine Gesinnungsgenossen, werden heute in den meisten Bezirksorten Wahlversammlungen halten. Ein Flugblatt, das heute Überall verbreitet wurde, enthält dessen Programm. Er verlangt: Gleichheit Aller vor dem Gesetz, deshalb eine einzige, reine Volkskammer; unentgeltlichen Unterricht an allen Bildungsanstalten; Einführung eines ge­rechten Steuersystems in Form einer progressiven Einkommensteuer und Ab­schaffung der Veibrauchsteuern; Sparsamkeit in allen Zweigen der Staats­verwaltung, namentlich in Bezug auf hohe Gehälter und Pensionen; Ab­schaffung der Lebenslänglichkeit der Ortsvorsteher; Erlangung größerer Selbständigkeit der Gemeinden. Außerdem verlangt der Kandidat eine Statistik über die Lohnverhältnisse der Arbeiter Württembergs; er schließt mit den Worten:Wähler, bezeigt aufs Neue, daß ihr den Geist des letzten Viertels des neunzehnten Jahrhunderts auch in politischer Beziehung erfaßt habt!" Gottlob, daß unsere Wähler des Bezirks nicht von einem Geist er­füllt sind, wie ihn die Sozialdemokratie verlangt, sondern daß mit Ausnahme weniger Unzufriedenen der nationale Geist und die Vaterlandsliebe überall zu finden ist.

Aalen, 5. Dez. Heute früh brannte das dem pens. Heizer Stütz gehörige Wohnhaus mit angebauter Scheuer in der Wöhrstraße voll­ständig ab. Das Anwesen war verkauft und sollte in den nächsten Tagen eingeschrieben werden. Bei dem Kauf war ein Reugeld von 500 be­dungen. Es ist dies innerhalb 4 Wochen der 3. Brand hier.

Tuttlingen, 4. Dez. In der Landgemeinde Thuningen herrscht die Halsbräune unter der Kinderwelt. Mehrere Kinder im Alter bis zu 8 Jahren sind gestorben. Da die Krankheit immer mehr um sich greift, so mußte die Schule geschloffen werden.

Biber ach, 2. Dez. Jedes Jahr seit 1870 feierten unter großer Beteiligung aller Stände unsere Veteranen die Gedenktage von Cham- pigny. Dieses Jahr unterblieb das Fest, weil Deutschlands Kaisersohn, oer Führer der Württemberger in dem ruhmvollen Kriege, krank im fernen

Lande weilt. Aber gemäß einem seiner Zeit vom hiesigen Gemeinderat ge­faßten Beschluß wird das Andenken an die Opfer, welche jene Siege forderten, dadurch auch Heuer wachgehalten, daß die Schillerhöhe eine schwarze Trauer­flagge zeigt und vom Gigelturm Trauerchoräle, aber auch dieWacht am Rhein" erklingen. Ein Brauch, der für ewige Zeiten erhalten bleiben soll.

Ravensburg, 4. Dez. In der Nähe des Bahnhofs verhaftete letzten Freitag ein Landjäger eine ihm verdächtig erscheinende Weibsperson. Als er sie ins Gefängnis abführen wollte, wurde er plötzlich von zwei Burschen, welche die Dirne befreien wollten, überfallen und einer derselben drang mit einem scharfgeschliffenen Beil auf ihn ein. Doch gelang es dem Landjäger, seinen Gegner zu entwaffnen und ihn zu verhaften. Während des Handgemenges war die Dirne mit dem anderen der Burschen entkommen, doch gelang es schon gestern, beider habhaft zu werden.

Die Generalversammlung des landm. Kesirksvereins

am 3V. November.

(Fortsetzung.)

II. An den Rechenschaftsbericht reihte sich der von Hrn. Kassier

Ansel erstattete Kassenbericht an, aus dem hervorgeht, daß inkl. eines Saldo von 682 ^ 81 H im Rechnungsjahr 1886/87 die Einnahmen 5654 86 L, die Ausgaben 5063 72 -9, betrugen, so daß die Rech­nung mit einem Kassenvorrath von 591 14 schloß und mit dem Gut­

haben des Staatsbeitrags von 300 sich das Vereinsvermögen auf 891 14 L berechnete.

III. Anschließend an diesen Kassenbericht theilte der Vorsitzende den Etat pro 1887/88 mit, der vom Ausschuß vorberathen und der Versamm­lung zur Genehmigung vorzulegen war. Nach dem Anträge des Ausschusses sollten vorgesehen werden:

1) für Viehzucht ....... 100

Feldweganlagen.200

2) Feldweganlagen.200

3) Obstbau (insbes. Prämien für Obstbaumpflanzungen) 200

4) den künstlichen Futterban .... 50

5) das Fortbildungswesen ..... 50

6) Gauverbandskosten.100

7) die HaushaltungSschule ..... 25

8) Bienenzucht.100

9) Schweinezucht.100

10) Verwaltungskosten ...... 150

11) Gründungskosten des landw. Consumvereins (auf

Wiederersatz). 150

zus. 1225

Die Berathung ergab an diesen Voranschlägen insofern eine Aenderung, als die Versammlung beschloß, den Posten für Viehzucht auf 150-^6 zu erhöhen und dafür denjenigen für Bienenzucht auf 50 herabzusetzen, auf den Wiederersatz der Gründungskosten des landw. Consumvereins aus dessen späterem Reservefonds aber gänzlich zu verzichten.

IV. Hierauf kamen folgende Vereinsbeiträge zur Vertheilung:

1) dem Oekonomen Fr. Nüßle von Simmozheim für die Ausstellung von einer Kuh mit Kalb in Crailsheim 20

2) Dem Schmied Leonh. Kömpf in Althengstett für die Theilnahms seines Sohnes Jakob Kömpf an dem Hufbeschlag-Lehrkurs in Stuttgart 25 ^

3) Dem Bienenzuchtverein 30M

Für letztere Gabe sprach der Vorstand dieses Vereines, Schult. Wolf in Althengstett, in warmen Worten seinen Dank aus und bat zugleich um Aussetzung von Prämien für die Waldseite des Bezirks, um dort, wo die Korbzucht noch allzusehr verbreitet sei, die Anschaffung von Kästen zu befördern.

V. Die nunmehr auf der Tagesordnung stehende Neuwahl des Vereins­vorstandes, die durch vie Versetzung des bisherigen Vorstandes, Hrn. Ober-

SchaffnerSachsenhausen" rief. Zugleich ertönte auch bereits, wie wenn dies von dem Ausrufen der Station durch die Schaffner unzertrennlich gewesen, eine Stimme:

Hauptmann von Esebeck!"

Der Hanptmann schnellte empor. Hatte er geträumt oder sich verhört - Nein, der erneute Nuf verschaffte ihm Gewißheit, klang cs doch wieder ganz deutlichHaupt­mann von Esebeck!" Geisterbleich erhob er sich und schwankte zur Thür und dem Fenster. Hier wartete schon der Stations-Assistent, ein noch junger Mann, am ihn.

Herr Hauptman, ich habe die Ehre, Ihnen die Grüße Ihres Freundes, des Herrn Rittmeister von Berneck, zu überbringen; der Herr Rittmeister läßt sich Ihnen bestens empfehlen und hofft, Sie in Kürze in der Heimat persönlich zu begrüßen. Bei der Kürze der Zeit war es dem Herrn Rittmeister von Berneck nicht möglich, Sie in Mainz persönlich aufzusuchen. Es war mir ein besonderes Vergnügen, Ihnen Herr Hauptmann, den Auftrag auszurichten."

Ter Hauptmann stand regungslos am Fenster; er ließ den Kopf wie eine ge­knickte Lilie hängen und ein tonlosesIch danke, ich danke, Herr Assistent", war alles, was er sagte. Langsam trat er in das Schlaf-Koupee, als sich der Zug in Beweg­ung setzte, schlich an seine Lagerstätte und stützte den Kopf in die Hand. Bange, düstere Ahnungen zogen durch sein Gemüt, Gedanken, die er in ihrer ganzen Ent­setzlichkeit kaum auszudenken wagte. Und im Hintergründe der Perspektive, die sich dem ahnungsvollen Blick eröffnete, da lächelte gar freundlich das Gesicht des Freundes, dessen Grüße er eben mm vierten Male erhalten, und dieses Lächeln war ganz ge­eignet, den Hauptmann zur Verzweiflung zu bringen.

Es wäre zu schrecklich, zu entsetzlich, er wird doch nicht so grausam gewesen sein", murmelte der Hauptmann, dann barg er sein müdes Haupt in den Kissen.

Station Offenbach'." Die rücksichtsvollen Schaffner ließen den Ruf der An­kunfts-Station in die Stille der Nacht nun weniger laut erschallen, so daß der arme Hauptmann eine halbe Almute länger den Schlaf des Gerechten schlafen konnte. Da draußen ließen sich halblaute Stimmen vernehmen, die Koupeethüre wurde geöffnet,

I eine Gestalt mit der Dienstmütze erschien an der Thür des Schlaf-Koupees, und in ! sonorem Tone klang es, halb fragend, halb rufend:

!Herr Hauptmann von Esebeck!"

Ein Alarmsignal hätte nicht ermunternder auf den Hauptmann wirken können. Mit weit geöffneten Augen starrte er den Fragenden an, und mit einen: Blicke die entsetzliche Wahrheit erkennend, seufzte er üef auf, während auch schon die ominösen Worte an sein Ohr klangen:

Herr Hauptmann, ich soll Ihnen einen Gruß von"

Ich danke, ich danke, unterbrach ihn der Hauptmann, und jedes Wort war von einem Seufzer begleitet;die Grüße sind mir bereits anderweitig ausgerichtet worden, ich danke, ich danke."

Damit neigte er sein Haupt und entschlief. Der Beamte, ob des kühlen Em­pfanges seiner Gruß-Botschaft wenig erbaut, verließ kopfschüttelnd das Koupee.

Hören Sie, Wiedenbrück, ich glaube, der Alte fängt diesmal nicht Feuer", sagte der Oberst-Wachmeister.

Warten wir ab", erwiderte der Premierlieutenant,er wird schon warm werden; da müßte ich Berneck nicht kennen, der läßt ihn nun nicht mehr locker."

Jedenfalls wollen wir genau Buch führen", meinte Zelten und machte auf der Tafelrunde eifrig seine Notizen, was bei dem Halbdunkel allerdings keine leichte Arbeit war. Der Zug lief nach einer Fahrt von kaum 20 Minuten in Hanau ein.

Der Hauptmann von Esebeck ist also in diesem Schlafwagen", hörte man draußen die Stimme des Inspektors, der bald darauf in der geöffneten Thür erschien. Der Hauptmann schlief nun recht fest, aber die Stimme des Inspektors, der selbst früher Soldat gewesen, drang so kräftig durch den kleinen Raum, daß sie allenfalls sogar Tote erwecken konnte. Mit einem Ruck war der Hauptmann in die Höhe ge­fahren und sah die Gestalt seines Peinigers vor sich.

(Fortsetzung folgt.)