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— Fürst und Fürstin Bismarck sowie Graf Rantzau find heute (22.) nachmittag um 5>/z Uhr nach FriedrichSruh abgereist. Fürst Bismarck empfing vorher noch den Besuch des Prinzen Wilhelm.
Stuttgart, 21. Nov. (Schw. M.) Aus Anlaß der Einbringung eines Gesetzentwurfs im Bundesrat, betr. die Errichtung öffentlicher Darlehenskassen in Elsaß-Lothringen, veranstaltet das württembergische Ministerium des Innern eine Erhebung darüber, ob und inwieweit es nach dem dermaligen Stand des kleingewerblichen Kredits in Württemberg etwa angezeigt wäre, auch in Württem«. berg auf ähnlichem gesetzgeberischem Wege auf die Hebung des Personals- Kredits der Kleingewerbetreibenden hinzuwirken. Nach dem Gesetzentwurf für Elsaß-Lothringen sollen für die Verbesserung des Kreditwesens auf dem klein,'
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Wernrifchles.
— Dem „Lindauer Tagbl." zufolge fuhr am Mittwoch mittag in Friedrichshafen der österreichische Salondampfer „Elisabeth" in ein im dortigen Hafen stehendes Trajektschleppschiff und versetzte demselben einen sehr bedeutenden Leck. — Nach dem gleichen Blatte haben die Hebungsarbeiten an der „Stadt Lindau" durch die heftigen Stürme der letzten Tage wieder eine Störung erfahren. In der Nacht vom Montag auf Dienstag soll der Sturm drei unter dem Schiff durchlaufende Ketten abgerissen haben, sodaß dasselbe vorerst wieder auf dem Grund aufsitzt.
Gemeinde Darlehenskaffen mit selbstständiger juristischer Persönlichkeit und be sonderen Vermögen als öffentliche Anstalten geschaffen werden, welche sich unter Staatsaufsicht selbst verwalten sollen. Das württembergische Ministerium des Innern leitet nun darüber eine Erhebung ein, 1) ob die in Württemberg bestehenden Einrichtungen für den Kredit der Kleingewerbetreibenden den auf diesem Gebiete bestehenden Bedürfnissen im Wesentlichen genügen. Im Falle der Verneinung dieser Frage: 2) in welchen einzelnen Punkten jene Einrichtungen sich als ungenügend erwiesen haben, und 3) welche Maßregeln sich zur Beseitigung der hervorgetretenen Mängel empfehlen, insbesondere ob es angezeigt erscheint, in ähnlicher Weise, wie in Elsaß-Lothringen, auf dem Gesetzgebungswege zur Hebung des Kredits der Kleingewerbetreibenden vorzugehen.
England.
— Die Befürchtung einer Wiederholung der Scenen des vorigen Sonntags auf dem Trafalgar-Square, welche man für gestern hegte, hat sich als unbegründet erwiesen. Der gestrige Sonntag ist in London ohne Unruhen verlaufen.
Küsse per Postanweisung. In der Expedition einer kleinen ^t,uy.Loiyimgen zouen zur me Aervezzerung oes Kreouwezens aus dem Uetn<>Landpoststation des Znaimer Bezirkes sitzt der Postexpedient und hantiert bäuerlichen und kleingewerblichen Gebiete unter Beihilfe des Staats und der j mit seinen R>-iessckiast-n Da kinnke - ' ' -
mit seinen Briefschaften. Da klopft es leise an die Thüre und herein tritt ein junges, hübsches Bauernmädchen und nähert sich dem Postbeamten schüchtern, mit verlegenem Lächeln ihm eine Postanweisung darreichend. Dieser prüft das Poststück mehrmals, findet es in Ordnung und bezahlt dem Mädchen den entfallenden Betrag aus. Dabei fragte er, warum sie den Coupon von der Anweisung nicht abgeschnitten habe, da der Absender doch eine Mitteilung für sie darauf geschrieben habe. „So", sagte das Mädchen, „ja wissen S', ich kann nicht lesen, sei'n S' daher so gut und lesen Sie mir's vor." Der Expedient nimmt den Coupon und liest: „Ich sende Dir hiemit 3 Gulden nebst tausend Küssen und Grüßen." Nochmals besieht sich der Expedient das junge Mädchen und sagt hierauf mit vollkommen postalischem Ernste: „Das Geld haben Sie nun und die Küsse werde ich Ihnen sogleich verabfolgen", worauf das Mädchen ihm seelenvergnügt um den Hals fällt und sich fröhlich Müssen läßt. Zu Hause angekommen, sagt sie zu ihren Leuten: Na, wie's jetzt schon auf der Post eingerichtet ist — die Busseln kriegt ma a schon mittels der Anweisung!"
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Der Kirchengesangverein
Gcrges-Weuigkeiten.
Aus dem Oberamt Leonberg, 21. Nov. Letzten Freitag veranstaltete Gutsbesitzer Nick von Hirschlanden auf der dortigen Feldmarkung eine Treibjagd, wobei 128 Hasen zur Strecke gebracht wurden. Es waren bei der Jagd im ganzen nur 15 Jäger beteiligt.
Stuttgart, 22. Novbr. Auf dem Lebensmittelmarkt macht sich eine eigentlich neue Erscheinung nicht geltend, man müßte etwa die so nahe dem Dezember noch gezogenen Radieschen dazu rechnen wollen. Allein eine Wahrnehmung ist auffallend. Allem Anscheine nach ist der Obstmangel im Lande groß gewesen, aber keineswegs so groß, wie der Verkehr in einheimischen Mostobst zu verraten schien. Die Landleute zogen es offenbar vor, das gewonnene Obst als Keller- und Tafelobst und damit sehr erheblich wertvoller zu verkaufen. Im Uebrigen ist das sehr schöne und schmackhafte, prächtig ausgereifte Obst keineswegs unpreiswürdig; für 18 ^ bekommt man z. B. vorzügliche Rosenäpfel. Bergamotbirnen werden je nach Beschaffenheit zu 20—30 H angeboten. Heute ist eine große Auswahl schöner lebender Gänse zu Markte gebracht worden.
Rottweil, 20. Nov. In Zimmern unter der Burg ist neulich ein seltener Fund gemacht worden, sofern in einem römischen Grabe, das durch einen Zufall von einem Bauern aufgedeckt wurde, zwei sogenannte „Saufedern" zum Vorschein kamen. Daß man ein römisches Grab vor sich habe, ergaben unzweifelhaft die in demselben gefundenen Topfscherben. Die genannten Waffen, von welchen nur der Eisenteil erhalten ist, sind 90 cm lang und gegen 12 Pfund schwer. Genau eine solche Waffe führt auf einem hier gefundenen Sigillatascherben ein Jäger gegen ein Wildschwein. Der Altertumsverein hat den Fund erworben. Auch dürfte manchem von Wert sein, zu erfahren, daß man im römischen Lager hier auf Grundmauer eines Gebäudes gestoßen ist. Zu gelegener Zeit sollen dort weitere Nachforschungen angestellt werden.
beabsichtigt am 1. Adventssonntag ein sogenanntes „historisches" Konzert zu veranstalten, zu welchem Jedermann freien Zutritt hat. Diese „historische Aufführung" umfaßt die Entwicklung der kirchlichen Musik von den ersten Anfängen kunstgerechter mehrstimmiger Tongestaltungen an, bis auf die Gegenwart. Bei aller Unvollständigkeit in der Auswahl und Zusammenstellung der verschiedenen Kompositionen wird man doch in der Aneinanderreihung von gegen 20 Tonstücken den stetigen Fortschritt durch 4 Jahrhunderte dargestellt finden. Das kurze Präludium „krae- Lwblllum" giebt in seiner Zusammensetzung aus langgehaltenen Accorden, untermischt mit zwischenspielartigen, einstimmigen Passagen, ein interessantes Zeugnis der Orgelspielkunst am Ende des 15. Jahrhunderts, der ältesten Zeit, aus der uns Orgelstücke überliefert sind. — Nach einem alten liturgischen Gesang über die Einsetzungsworte des heil. Abendmahls, folgt ein Tonsatz ? als 8trino.'s — des „Fürsten" der altitalienischen Musik. Ein Schüler des in der Bartholomäusnacht 1572 ermordeten Goudimel, hat er trotz der treuen Dienste, die er seiner (kathol.) Kirche leistete, lange Jahre hindurch wenig Dank erhalten. Aus Tagen bitterer Not stammen die schönen „Improp eri s.", d. h. Vorwürfe, nämlich Gottes gegen sein Volk, welche an jedem Charfreitag in Rom gesungen werden. Seine Werke durchzieht ein wunderbarer tiefergreifender Hauch frommer andächtiger Feier. — Farraut- Organist an der königl. Kapelle in London und zugleich Geistlicher, stand als Kirchenkomponist bei seinen Zeitgenossen in hohem Ansehen. — Nun tritt der Choral der deutschen Reformation auf. Nachdem der Kirchengesang nur Sache der Geistlichen und eines geschulten Chores gewesen war, führte Luther den Gemeindegesang ein; erkannte er doch der Musik eine erbauende und erhebende Kraft zu. „Die Musik ist der besten Künste eine; die Noten machen den Text lebendig." Luther schuf den Choral. Doch die Musikmeister nach ihm hätten beinahe durch künstliche harmonische Bearbeitung das Lied der Gemeinde entfremdet und dem Chor zugewandt. Die Melodie, welche im Tenor lag, stand in Gefahr, durch die sie umrankende Harmonie erstickt zu werden. Dem wurde dadurch abgeholfen, daß die Melodie in die Oberstimme (Diskant, Sopran) verlegt wurde und die übrigen Stimmen blose Begleitungsstimmen wurden, welche die Melodie zu stützen hatten. Dieser Grundsatz wurde 1586 erstmals von dem württ.
auch er sich an Robert geklammert. Es war eine rührende Gruppe — der sterbende Vater, die weinende Frau und das erschrockene Kind. Beim Anblick der drei, die sich da so eng aneinanderschloffen, kam plötzlich ein neuer Ausdruck in Lord Eller- Ions Gesicht.
„Was heißt das, Mitchell?" fragte er nochmals. „Was sind Ihnen die Beiden?"
Aber Robert war seines Versprechens eingedenk.
„Ich kann die Frage nicht beantworten, gnädiger Herr."
„Was ist Ihnen Lady Ellerton? Warum küßt sie Sie? Sprechen Sie!"
Aber kein Wort kam über die bleichen Lippen. Liebkosend glitt die Hand des Sterbenden über den Kopf Lauras, der an seiner Brust lag und „Ich sterbe stumm, mein Lieb", flüsterte er.
Sie aber hob den Kopf und wandte das totblaffe Antlitz dem erzürnten Manne zu.
„Ich müßte es ihm ja doch später sagen Robert, ich will es gleich thun, so lange Du noch bei mir bist."
Und neben dem Bette knieend, Roberts Hand in der ihren, erzählte sie zum zweiten Mal die Geschichte ihrer Schuld.
Lord Ellerton hatte sie mit keinem Wort unterbrochen, und als sie jetzt zu Ende war und ihm sagte:
„Ich bin eine Verworfene, Rudolf, die auf Deine Vergebung nicht zu hoffen wagt", da entgegnete er in hartem, kaltem Ton:
„Du hast Recht, das kann ich nicht vergeben. Ich hatte meine Ehre vertrauensvoll in Deine Hände gelegt. Du hast sie gebrandmarkt, mein Kind zum Bastard gemacht. Weiß der Marquis um diese schändliche Geschichte?"
„Kein Wort, und Du wirst es ihm nicht sagen! Du kannst Dich weigern mir zu vergeben, ich habe kein Recht auf Deine Verzeihung, aber Du darfst dem alten Manne nichts sagen, er liebt mich und vertraut mir, es würde ihm das Herz brechen."
„Ich weiß nicht, was ich thun soll, es wäre mir lieber, wenn Du gestorben.
ehe Du mir das erzähltest. Denn der Tod ist der Sünde vorzuziehen. Dem Himmel sei Dank, daß Du mir keinen Sohn geboren!"
Laura hatte ihr Gesicht wieder an Roberts Brust verborgen. Das Schlimmste war für sie vorüber, nachdem sie ihre Geschichte erzählt. Jetzt streckte Robert die Hand nach Lord Ellerton aus und dieser trat näher und ergriff sie, er konnte der Majestät des Todes nicht wiederstehen.
„Gnädiger Herr", flehte der Sterbende, „vergeben sie ihr, sie war so jung und so schön!"
„Aber sie kannte die Gesetze Gottes und der Menschen; sie hat sie gebrochen und weder ihre Jugend, noch ihre Schönheit können das entschuldigen."
„O vergebm Sie ihr", bat Robert wieder, „sie war jung und gedankenlos und sie hat auch schon schwer gelitten."
„Ich kann nicht, sie hat mich verraten und betrogen."
„Mich auch, und doch vergebe ich ihr von ganzem Herzen. Thun Sie es auch, gnädiger Herr, Sie sind ein Edelmann, seien Sie nicht weniger großmütig, als ich, der Plebejer. Haben Sie Mitleid mit ihr, was sollte aus ihr werden, wenn Sie sie verstoßen?"
„Sie bitten für sie, Mitchell, und sind doch fast noch schwerer gekränkt als ich."
„Aber ich liebe sie, gnädiger Herr, und Sie auch. O vergeben Sie ihr, die Liebe soll ja alles vergeben; und wenn ich tot bin, dann erlösen Sie sie von der Sünde und gehen eine neue Ehe mit ihr ein."
„Nie, niemals!"
„Ich kann nicht sterben", klagte Robert, „meine Stunde ist gekommen, „aber ich kann nicht sterben, ehe Sie ihr vergeben haben; denn wenn ich gegangen bin, ist Niemand da, der für sie bittet. O, gnädiger Herr, Sie hoffen doch auch einst Vergebung Ihrer Sünden zu finden, seien Sie nicht zu hart!"
(Schluß folgt.)