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Johannes Schneider und versetzte ihm mit großer Gewalt einen Stich in die Brust, worauf er von Schneider zu Boden geworfen wurde. Der Stich hatte nicht nur das dick wattierte Wams und das Hemd des Schneider durch­bohrt, sondern war noch tief in die Brusthöhle gedrungen und hatte den linken unteren Lungenlappen verletzt. Die Verwundung hatte eine schwere und lang dauernde Erkrankung des Verletzten zur Folge; kaum hoffte man auf ein Aufkommen desselben; eine heftige Brustfellenentzündung mit massen­haftem Eitererguß ließ ihn mehrere Monate zwischen Tod unv Leben schweben. Auch jetzt noch ist der Verletzte krank, wenn auch eine nächste Gefahr für sein Leben ausgeschlossen erscheint. Dagegen erklären die Gerichtsärzte, daß eine derartige Einsenkung der linken Brusthöhle dauernd herbeigeführt sei, daß der Zustand infolge der dadurch bedingten Beeinträchtigung des Gesamt­organismus als Siechtum zu bezeichnen sei. Die Strafkammer nahm auf Grund dieses eingehend motivierten Gutachtens als erwiesen an, daß der Verletzte durch die Körperverletzung in Siechtum verfallen und deshalb die Anwendung des § 224 des St.-G.-B., auf welche die Anklage ging, begründet sei. Die Strafe lautet, da mildernde Umstände, auf deren Zulassung die Verteidigung plaidierte, ausgeschlossen wurden, auf eine in der Abteilung für jugendliche Gefangene zu verbüßende Gefängnisstrafe von 1 Jahr und 3 Mon.

Rottenburg, 20. Okt. Die seltene Feier einer diamantenen Hochzeit fand heute hier statt. Kaufmann Johann Baptist Pfrimer, gebürtig von Hechingen, wurde mit Johanna Daub von hier getraut am 18. Oktober 1827; vor 10 Jahren feierte das Ehepaar die goldene, heute die diamantene Hochzeit in der hiesigen Domkirche. Der Gatte, geistig und körperlich gut erhalten, ist 86, die Gattin 83 Jahre alt. Von 11 Kindern leben noch 4, von 11 lebenden Enkeln sind 3 Urenkel vorhanden.

Heilbronn. Am 12. Septbr. ds. Js. ließ der Maurer Gottlieb Gabler morgens in dem Laden des Metzgers Schwarz hier eine Knackwurst holen, welche nach erfolgtem Aufschnitt durch ihren ekelhaften Geruch ihm auffiel. Er übergab sie einem Schutzmann, und dieser erstattete Meldung. Auf Anordnung der K. Staatsanwaltschaft wurde sie in das städtische Unterfuchungsamt verbracht und dort als in Fäulnis übergegangen und zum Genüsse für Menschen unbrauchbar erkannt. Die Wurst war von der Ehefrau des Metzgers verkauft worden. Am Nachmittage desselben Tages holte Gabler einen Schweinsknochen bei demselben Metzger, und als er diesen aufschnitt, fand er wiederum den ekelerregenden Geruch wie an der Wurst vor. Die Untersuchung des Knochens ergab auch dessen Verdorbenheit. Den Knochen hatte der Ehemann Schwarz verkauft. Auf Grund dieser Thatsachen wurden die beiden Eheleute je eines Vergehens gegen das Nah­rungsmittelgesetz angeklagt, und zwar dahin, daß sie wissentlich verdorbene, die menschliche Gesundheit schädigende Nahrungsmittel unter Verschweig­ung dieses Umstandes verkauft haben. Die am 17. Oktober vor der Straf­kammer stattgehabte Hauptverhandlnrg, bei welcher der städtische Chemiker und der Oberamtsarzt als Sachverständige vernommen wurden, bestätigte vollständig das erstgesagte, es konnte den Angeklagten aber nicht nachgewiesen werden, daß sie beim Verkaufe der Waren deren Verdorbenheit gekannt hatten. Bei der Ehefrau wurde auch die Fahrlässigkeit ihrer Handlungs­weise verneint und sie daher freigesprochen; der Ehemann wurde wegen fahrlässigen Verkaufs eines verdorbenen Nahrungsmittels zu der Geldstrafe von 5 ^ und in die Hälfte der Kosten verurteilt.

Weingarten, 21. Oktbr. Vergangene Nacht wurde hier ein Wohnhaus durch Feuer zerstört; ein Ojähriger Knabe ist verbrannt.

Zum Zusammenbruch der Leipziger Diskonto-Ge­sellschaft. Aus Leipzig, 21. Oktober, wird der Franks. Ztg. ge­schrieben: Das Wechel-Portefeuile der Leipziger Diskonto-Gesellschaft ist ebenso intakt wie die Depots und die Kasse; dasselbe ergab einen Bestand von circa 4 Millionen Mark. Daß die fingierten Conten dem Aufsichtsrat

gewesen, und so blieb er sich vollständig im Unklaren über ihre Gefühle. Er beschloß deshalb, zuerst mit dem Marquis zu sprechen. Dieser hörte ihm so ernst zu, als ob er nicht längst gewußt, wie die Sachen standen, und riet ihm dann, sich Laura nicht jetzt zu erklären, scndern sie später in Fernholm zu besuchen. Dort, wo sie mehr sich selbst überlassen war, könne er ihre Gefühle besser beobachten und seine Ent­schlüsse danach richten. Lord Ellerton nahm die freundliche Einladung des alten

.Herrn an, von der dieser seiner Nichte kein Wort mitteilte.

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Die Saison war vorüber und Alles, was Anspruch darauf machte, zu den fashionablen Kreisen zu gehören, hatte die heiße, drückende Atmosphäre der Stadt verlassen, um sich hinaus zu flüchten auf einen jener prächtigen, mit Recht berühmten englischen Landsitze, wenn auch nicht als glückliche Besitzer, so doch wenigstens als Gast; denn in keinem Lande der Erde ist ja wohl die Gastfreundschaft ausgedehnter als dort.

Auch der Marquis von Bourdon mit seiner gefeierten Nichte hatte London verlassen und sich auf sein schönes altes Fernholm zurückgezogen. Sie hatten anfäng­lich keine Gäste bei sich gesehen, da der alte Herr der Ruhe bedurfte nnd dieselbe auch für Laura wünschenswert hielt.

Diese Ruhepause war von ihr und Pattie benutzt worden, um ihren Plan be­treffs des Kindes auszuführen und derselbe war über Erwarten gelungen. Pattie hatte erklärt, ihre verwitwete Schwester sei gestorben, und sie müsse Lady Lauras Dienste verlassen, um dem verwaisten Kinde derselben einem zweijährigen Knaben, Mutter zu sein, sie halte dies für eine heilige Pflicht. Darauf hatte Laura ihrem Onkel geklagt, wie leid es ihr sei, das Mädchen zu verlieren, an die sie sich so ge­wöhnt und die so gut ihren Geschmack verstünde, lind siehe da, der Marquis hatte selbst den Vorschlag gemacht, Pattie könnte ja das Kind holen und einer Pächtersstau in Pflege geben, er sei gerne bereit, zu diesem Zwecke ihren Gehalt zu erhöhen. Wer beschreibt die Freude der jungen Mutter bei diesem außerordentlich günstigen Ausgang?

So war denn der Knabe geholt worden und befand sich nun schon seit ein paar Tagen bei Frau Parker, einer noch jungen Witwe, die auf einem kleinen, hübsch

verborgen bleiben konnten, wird in den Kreisen damit erklärt, daß die Direktion dem Aufsichtsrat auch gefälschte Debitoren-AuSrüge vorlegte. Die Spekulationen erstreckten sich hauptsächlich auf Kreditaktien, in denen ein Engagement von 20,000 Stück geschwebt haben soll, sowie auf Diskonto- Kommandit-Anteile und russische Noten. Die gesamten Spekulationsverluste werden auf circa 5 Millionen Mark veranschlagt. Die Maschinenfabrik Vogel u. Co. schuldet der Diskonto-Gesellschaft 3 Millionen Mark, da anders Gläubiger nur ca. 300,000 Mark an Vogel u. Co. zu fordern haben. Im übrigen läßt sich der Status gegenwärtig noch nicht annährend übersehen und ist darin nach Aussage des Konkursverwalters noch gar manches dunkel. Im allgemeinen hält man hier auch jetzt noch Aktienkapital und Reservefonds für so gut wie verloren; man glaubt aber, daß die Buchgläubiger größten­teils befriedigt werden, vorausgesetzt, daß sich die Situation nicht durch unvorherzusehende Zwischenfälle noch verschlimmert. (Eine an beachtens­werter Stelle in Wien eingelaufene Depesche meldet, daß die Aussicht auf volle Befriedigung der Gläubiger der Leipziger Diskonto-Gesellschaft ge­schwunden sei.) Wie es den Direktoren gelingen konnte, die Unregelmäßig­keiten, welche sie sich haben zu Schulden kommen lassen, Jahre hindurch zu verheimlichen, ohne daß die Aufsichtsorgane und ohne daß das Personal irgend welchen Verdacht schöpfte, muß die eingeleitete Untersuchung lehren. Vorerst ist das noch ein Rätsel, zumal der Vorsitzende des Aufsichtsrates regelmäßig in der Bank gearbeitet hat. Erschwert war die Entdeckung aller­dings dadurch, daß die beiden Direktoren unter einer Decke steckten und die Fälschungen mit vielem Raffinement ausführten.

Wevnrischtes.

Der Ausschuß des Vereins für Arbeiterkolonien in Württemberg veröffentlicht folgenden Aufruf: Es sind jetzt nahezu 4 Jahre, daß die erste württembergische Arbeiterkolonie auf dem Dornahofe bei Altshausen OA. Saulgau eröffnet worden ist. Damals waren noch große Bedenken gegen das Unternehmen vorhanden, sowohl hin­sichtlich seiner Lebensfähigkeit, als auch seines Bedürfnisses. Beide Bedenken sind aber durch die Erfahrung beseitigt. Vom 15. November 1883 bis 31. März 1887 haben 1148 Mann Aufnahme dort gesucht und gefunden, Dieselben konnten immer vollständig beschäftigt werden, die Kolonie ist im Wachsen und Gedeihen, Mißstände sind nicht eingetreten. Im letzten Winter haben die verfügbaren Räume kaum ausgereicht; und nach dem Zudrange, der auch in den Sommermonaten nur vorübergehend nachgelassen hat, ist die Befürchtung nicht unbegründet, daß schon im kommenden Winter trotz der Abgelegenheit unseres Dornahofes manche, die um Aufnahme nachsuchen, wegen Mangel an Raum abgewiesen werden müssen. Gerade diese Abgelegen­heit hat aber auch den Uebelstand im Gefolge, daß die um Aufnahme Nach­suchenden vorher eine mehrtägige Fußreise dorthin machen müssen, was namentlich im Winter und bei den Lücken, welche in letzter Zeit in dem Netze der Verpflegungsstationen in verschiedenen Landesteilen entstanden sind, sehr zu beklagen ist. Diese Gründe haben den Gedanken der Errichtung einer zweiten Arbeiterkolonie in dem nördlichen Teile unseres Landes, im Neckar­oder Jagstkreise, wachgerufen. Durch das Entgegenkommen des Vereins für entlassene Strafgefangene, von dessen Pfleglingen fortwährend eine Anzahl nicht ohne guten Erfolg Aufnahme auf dem Dornahof gefunden hat, ist es uns wenigstens ermöglicht worden, seiner Verwirklichung näher zu treten. Es sind uns bereits verschiedene Güter zum Ankauf angeboten, darunter eines, das sich durch günstige Lage und umfassende Räumlichkeiten so aus­zeichnet, daß wir ohne erheblichen Aufwand 100 Kolonisten sofort aufnehmen könnten. Ehe wir jedoch hierin Vorgehen können, ist es unerläßlich, eine wenn auch nur annähernde Sicherheit für Aufbringung des zu bezahlenden Angeldes und der ersten Einrichtungskosten zu gewinnen. Hiefür fehlen uns noch mindestens 20,000 <M Im Vertrauen auf den oft schon erprobten

gelegenen zu Fernholm gehörigen Vorwerk wohnte, und bei der der Kleine sehr gut aufgehoben war und sich sehr wohl zu fühlen schien. Nur eines bildete noch ein Hindernis für den ungehinderten Verkehr mit seiner Pflegerin: der kleine Hans sprach nur Französisch und die gute Pächtersfrau verstand davon natürlich kein Wort. Lady Laura hatte jeden Tag Gelegenheit, das Kind zu sehen, entweder wurde - es nach Fernholm gebracht, um Vattie zu begrüßen, oder sie richtete ihre Spaziergänge nach der Gegend, wo Frau Parkers Vorwerk lag, und dann holte Pattie den Kleinen heraus. Nie sprach sie vor Fremden von dem Kinde, aber wenn sie mit ihm allein war, dann verschwendete sie alle Zärtlichkeit an dem kleinen Jungen, deren sie fähig war.

Eines Morgens stand Lady Laura auf dem großen Rasenplatz, der sich vor dem Hause ausdehnte und fütterte einen prächtigen Pfau, der eben sein glänzendes Rad entfaltete. Ihr Onkel war bei ihr und freute sich an den anmutigen Bewegungen des jungen Mädchens. Da kam Pattie mit dem Kinde an der Hand über den Platz daher. Beim Anblick des Marquis wollte sie einen andern Weg einschlagen, doch der alte Herr rief ihr freundlich zu:

Nun Pattie, bringen Sie Ihren kleinen Schützling einmal hierher, ich habe ihn noch gar nicht gesehen!"

Mit einer tiefen Verbeugung trat Pattie näher.

Hier ist der Kleine, gnädiger Herr!"

Ach, welch ein reizendes Kind", rief der Marquis,komm, gieb mir Dein Händchen!" Und er ergriff die kleine, rosige Hand; dann, von dem Liebreiz des Ge- sichtchens angezogen, beugte er sich hinunter und küßte den Knaben auf den Mund.

Ich habe lange, lange nicht mit einem so kleinen Kinde gesprochen", bemerkte er. Da plötzlich blickte er erstaunt auf. Der Kleine hatte ein paar Worte fran­zösisch gesprochen, und überrascht wandte sich der alte Herr an Pattie:

Das Kind spricht ja Französisch!"

Lady Laura erschrak; doch Pattie entgegnete schnell gefaßt:

Ja, gnädiger Herr, sein Vater war ein Franzose. Aber er wird sehr bald Englisch lernen."

(Fortsetzung folgt.)