Mo. ISS.
62 . Jahrgang
Amts- um! JatestigenMatt Air äea Aezirü.
Erscheint Z>te«»ta- , Aa»«r»ta- L Kamst«-.
Die EinrückungSgrbühr beträgt 9 ^ p. Zeile im Bezirk, sonst 12 H.
Dienstag, äea 2Z. Oktober 1887.
AbonnementSpreiS halbjährlich 1 80 durch
die Post bezogen im Bezirk 2 X. 90 H, sonst in ganz Württemberg 2 70
Amtliche Wekcmntmcrchurrgen.
Die Grlspolizeibehör-en -es Bezirks
erhalten hiedurch die Weisung, in allen Fällen, in welchen strafbare Hand» lungen beim Oberamt zur Anzeige gebracht werden, insbesondere auch in den mit vorläufiger Festnahme verbundenen Fällen, für jeden einzelnen Beschuldigten ein abgesondertes Protokoll aufzunehmen und hieher vorzulegen. Calw, den 21. Oktober 1887. K. Oberamt.
Supper.
Die Ortsvorsteher -es Bezirks
werden angewiesen, in denjenigen Fällen, in welchen dieselben mit der Vernehmung von Beschuldigten beauftragt werden, Namen, Wohnort, Tag, Jahr und Ort der Geburt des Beschuldigten, sowie den Namen der Eltern desselben zu erheben und festzustellen.
Calw, den 21. Oktober 1887. K. Oberamt.
Supper.
politische Wachvichten.
Deutsches Reich.
Berlin, 20. Okt. Wie der Reichsanzeiger aus Baden-Baden meldet, bat Prinz Wilhelm von Bavcno befriedigende Nachrichten über das Befinden seines Vaters gebracht.
Berlin, 21. Okt. Der Kaiser ist heute vormittag 8 Uhr 15 Min. wohlbehalten hieher zurückgekehrt.
— An erster Stelle ihrer Tagesübersicht schreibt die Berliner „Post": Die meisten deutschen Blätter fahren fort, den Wert zu erörtern, den es für unsere politischen Beziehungen zu Rußland haben würde, falls der Zar sich noch entschließen sollte, seine Rückreise von Kopenhagen nach Rußland durch Berlin zu nehmen. Dem gegenüber muß wiederholt werden, daß es durchaus mehr als zweifelhaft ist, ob ein solcher Besuch, wenn er überhaupt stattfände, für die erwähnten Beziehungen von Nutzen sein würde. Angesichts der systematischen Feindlichkeit der russischen Blätter gegen Deutschland muß es als sicher angenommen werden, daß es seitens der Panslavisten und ihres Preßanhanges dem Zaren verdacht werden wird, wenn er dem deutschen Kaiser einen Besuch abstattet. Es liegt
deshalb die Vermutung nahe, daß die russische Politik, um ihre Deutschfreundlichkeit in den Augen der Panslavisten auszugleichen und Nachsicht für dieselbe zu erhalten, in ernsteren Dingen, als es Besuchsfragen sind, nur um so antideutscher aufzutreten sich veranlaßt sehen würde.
Gcrges-Weuigkeiten.
Stuttgart, 20. Okt. (Landgericht.) In heutiger Sitzung verhandelte die Strafkammer I des Landgerichts gegen vier ledige Bursche aus Möhringen, den zurzeit mit unbekanntem Aufenthalt abwesenden Schuhmacher Gottlob Eckhardt und die Korsettweber Abraham Neef, Wilhelm Krauß und David Krämer, welche beschuldigt waren, an einem Diebstahl von ca. 20 Pfund Pferdefleisch beteiligt gewesen zu sein, welche im September d. I. aus der verschlossenen Hütte des Abdeckers Wolf auf Möhringer Markung in Abwesenheit des letzteren geholt wurden. Wie die Verhandlung ergab, öffneten Eckhardt und der Angeklagte Neef die leicht zu öffnende, weil schadhafte verschlossene Thür der Hütte und nahmen das Pferdefleisch mit, welches sie sodann mit Krauß und Krämer teilten. Das Gericht nahm jedoch an, daß ein Diebstahl nicht vorliege, da die Angeklagten nach früheren Vorgängen haben annehmen dürfen, daß Wolf ihnen das Pferdefleisch gegen Vergütung oder umsonst überlaffen würde; dagegen fand es in der widerrechtlichen Betretung fremden Eigentums ein Vergehen des Hausfriedensbruches und verurteilte Neef zu 10 Tagen Gefängnis, sein Ge« noffe Eckhard fehlte, wie oben bemerkt; die beiden andern wurden eines Vergehens der Hehlerei nicht schuldig befunden und freigesprochen.
Rottweil, 18. Okt. Vor der Strafkammer des K. Landgerichts dahier kam heute der seltene Fall zur Verhandlung, daß ein erst 13 Jahre alter Knabe unter der Anklage eines Verbrechens der schweren Körperverletzung stand. Es ist dies der am 5. Juli 1874 geborene Julius Hengstler, Sohn des Taglöhners Vincenz Hengstler in Deißlingen, OA. Rottweil. Derselbe saß am Fronleichnamsfeste, 9. Juni d. I.. abends 8 Uhr, mit dem 12 Jahre alten Johs. Schneider und 4 weiteren Kameraden in diesem Alter auf einer Bank vor dem Kreuzwirtshause in Deißlingen; es gab eine Drückerei auf der Bank, die den Angeklagten veranlaßte, mit einem Prügel die andern auf den Kopf zu schlagen. In Folge davon gingen Schneider und die andern 4 Knaben fort, um nach Hause zu gehen. Der Angeklagte folgte ihnen und drohte, sie können heute noch mehr Schläge haben. Trodtzem ließen ihn die übrigen Knaben ganz unbehelligt. Plötzlich aber wandte sich der Angeklagte mit einem offenen Messer in der Hand gegen
Feuilleton. «Nachdruck verboten..
Uw Bang rm- Reichtum.
Dem Englischen frei nacherzählt von <Leo Sonntag.
(Fortsetzung.)
„Nun, das kann er ja machen, wie er will", wiederholte Laura. Dennoch fühlte sie sich etwas gereizt und beschloß, sobald sie Lord Ellerton kennen gelernt, ihm zu zeigen, daß es Frauen gäbe, in^ deren Gesellschaft es wohl wert sei, seine Zeit zu verbringen. >
Unterdessen gratulierte sich der Marquis zu seinem diplomatischen Talente. In der ganzen Welt wäre kein Mann ihm als Gemahl seiner schönen Nichte lieber gewesen, als gerade Lord Ellerton, einer der vornehmsten, reichsten und stolzesten Edelleute des Landes. Aber er war fest überzeugt, hätte er ihr gesagt: „Sieh, Laura, das ist der Mann, den ich für Dich bestimmt", so hätte sie von vornherein eine erklärte Abneigung gegen ihn gefaßt. Jetzt aber war sie gereizt und würde sich gewiß Mühe geben, dem Lord zu gefallen, ihn zu fesseln, um ihm eine bessere Lehre von den Frauen beizubringen. Und in dieser Annahme hatte sich der Marquis nicht geirrt.
Wenige Tage später teilte er Laura mit, daß Lord Ellerton am Abend nebst einigen Freunden zum Essen kommen werde, und Pattie fand, daß die junge Dame, die sonst die Sorgfalt für ihre Toilette fast gänzlich ihr überließ, heute sehr schwer zu befriedigen war. Dies und das wurde probiert, bis Lady Laura endlich einen Anzug gefunden, der ihr gefiel. Und sie sah wirklich reizend aus in dem langschleppenden Kleide von schwerem Brokat, von dessen mattweißem Grunde blaßblaue Blumen sich reliefartig abhoben, und dessen Schnitt den schönen Hals und die weißen Arme freiließ. In den goldbraunen Haarwellen lag ein Bouquet frischer, weißer Blüten und den einzigen Schmuck bildete ein Collier von köstlichen, mattschimmernden Perlen.
Als der Marquis Lord Ellerton seine Nichte vorstellte, war er von ihrem Benehmen ihm gegenüber ganz entzückt. Einen Augenblick ruhten ihre glänzenden Augen
auf ihm, sie erwiderte seine Anrede mit einigen höflichen Worten, wie die Etikette sie vorschrieb, dann wandte sie sich mit einer graziösen und liebenswürdigen Verbeugung von ihm ab zu dem nächsten Ankömmling.
Lord Ellerton war einigermaßen frappiert. Er war gewöhnt, daß die Damen, denen er vorgestellt wurde, ihn, den Repräsentanten eines alten Namens und eines ungeheuren Reichtums mit leuchtenden Blicken und süßem Lächeln begrüßten. Und hier war eine Ausnahme, ein junges Mädchen, das es nicht der Mühe wert zu finden schien, sich um seine Gunst zu bewerben.
Er führte sie zu Tisch, und wie er vorher schon ihre Schönheit bewundert, so bewunderte er jetzt ihren Geist, ihren Witz, ihre glänzende Unterhaltungsgabe. Und das Unglaubliche geschah; der kalte, stolze, als Weiberfeind verschrieene Lord Ellerton verliebte sich wie ein Jüngling in das schöne Weib an seiner Seite. Er wollte es sich selbst nicht eingcstehen, er war ärgerlich darüber, hatte er doch geglaubt, sein Herz sei fest verschanzt gegen solche Thorheit. Er gelobte sich, sie nicht wiederzusehen; aber merkwürdigerweise sah er sie jeden Tag. Immer traf es sich, daß er dem Marquis einen notwendigen Besuch zu machen hatte, und jedesmal, wenn er sich mit Lady Laura unterhalten, hatte er ihr etwas zu schicken. Bald war es ein Buch, das sie im Laufe des Gesprächs erwähnt, bald ein Gedicht oder ein Lied, das er ihr empfohlen. Und jeder Tag fand ihn im Park, zu der Stunde, wenn Lady Laura an der Seite ihres Onkels, umgeben von Verehrern, ihren täglichen Spazierritt machte, trotzdem er sich immer und immer wieder vornahm, den Ort zu meiden.
Zoll für Zoll versuchte er, sein Herz dem siegreichen Gotte streitig zu machen, der dort Einzug gehalten, aber es war zu spät, und eines Morgens erwachte er mit der Gewißheit, daß er ohne Laura nicht leben könne, und daß jeder Versuch, sich diese Thatsache zu verhehlen, nur ein vergeblicher sein müsse. Aber durste er es denn wagen, Lady Laura seine Liebe zu gestehen? Er hatte keine Ahnung, wie sie ihm gegenüber gesinnt war, sie war sich stets gleich geblieben, kalt und stolz. Das mochte seine Schuld sein, weil er immer so zurückhaltend geblieben; war es ihm doch manchmal gewesen, als ob der Ausdruck ihres lieblichen Gesichtes ihm gegenüber freundlicher geworden, ihr Ton zutraulicher. Doch das war immer nur vorübergehend ge-