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Ein bedauerlicher Zwischenfall an der deusch - fran­zösischen Grenze, der sich bei Raon sur Plaine (in der Nähe von Nancy) am vorigen Samstag ereignet hat, setzt in Paris die Gemüter in gewaltige Aufregung. Die Jäger vom 8. Bataillon in Zabern, welche zum Forstjagdschutz nach Schirmeck kommandiert waren, wurden am 24. d. M. benachrichtigt, daß auf dem Hochrein (deutsches Gebiet) gejagt werde. Es eilten zwei Mann, Kaufmann und Lin ho ff, um die Wilderer zu vertreiben, an die Grenze auf den Hochrein, Kaufmann, gedeckt postiert, mit dem Ueberblick auf das deutsche Gebiet, um den Wilderern den Rückweg abzuschneiden. Etwa 12 Bewaffnete überschritten jagend die Grenze im An» schlage gegen Kaufmann auf 150 Meter. Als sie die Grenze überschritten, rief sie Kaufmann dreimal mitHalt!" an. Die andern drangen jagend auf deutschem Gebiete vor, Kaufmann gab 3 Schöffe -aus dem Magazin­gewehr ab und verwundete auf deutschem Gebiete, ungefähr 40 Meter von der Grenze, den Taglöhner Brignon schwer, den Kavallerie­offizier de Wangen mit zwei Kugeln leicht. Sämtliche Jagende flüchteten auf französisches Gebiet. Brignon ist einige Stunden später in Naon - les - Leau (Frankreich) gestorben. Der Jäger Linhoff war zur Umgehung aus dem deutschen Walde auf die Waldblöße getreten. Als Zeuge des Vorfalls, sieht er die Jagenden auf das deutsche Gebiet im Anschläge Vordringen und nach den Schüssen seitwärts über die Grenze zurücklaufen. Er enthält sich des Schießens weil die Franzosen nunmehr nach Frankreich zurück­kehren, bemerkt jedoch keine Verwundung. Am Thatort überzeugt er sich, daß der Jäger Kaufmann ungefähr 120 Meter von der Grenze entfernt, nur auf deutschem Gebiete postiert sein konnte, daß die Kugeln nur deutsches Gebiet bestreichen konnten und die Verwundungen nur auf deutschem Gebiete vorgefallen sein können. Die erste Blutspur zeigt sich vier Meter über der Grenze auf französischem Gebiete, wo Brignon nach erhaltenem Schüsse sich niedergelegt und jedenfalls den Schuß im Unterleib untersucht hat. Ein Jägerkommando in der Oberförsterei Schirmeck ist seit mehreren Jahren not­wendig wegen des ständigen Wildfrevels, welchen die Franzosen auf den gut gepflegten Jagdgründen verüben. Die militärische Untersuchung ist ein­geleitet. Kaufmann glaubte sich in berechiigter Ausführung des ihm gewor­denen Auftrages und mußte nach der Lage der dortigen Verhältnisse den Einbruch von Wilderern auf deutsches Gebiet annehmen. Jeder Uebergriff der deutschen Zivil- und Militärbehörde und die Vermutung einer Demon­stration sind ausgeschlossen.

Gages-WeuigkeiLen.

* C a l w, 27. Sept. (Jubiläum des Liederkranzes und Fahnenweihe.) An unserem Berichte in voriger Nummer fortfahrend, bemerken wir, daß an 3 sehr hübsch arrangierten Tafeln imBadischen Hof" über 100 Festteilnehmer Platz nahmen. Nach den ersten Gängen des frugalen Mahles hielt der Vorstand desCalwer Liederkranzes", Hr. Kollaborator Baeuchle, seine Begrüßungsrede, in welcher er alle Anwesenden unter bestem Dank für ihre Teilnahme willkommen hieß mit einem Hoch auf den Schwab. Sängerbundausschuß schloß. Nach wenigen Minuten Pause erhob sich Hr. Musikdirektor Burkhardt von Nürtingen als Abgesandter des Schwäb. Sängerbundes zur Erwiderung, indem er dem Liederkranze auch fernerhin gute Wegfahrt wünschte und namentlich sämtliche Vereine zum innigen, unentwegten Anschluß an den Schwäb. Sängerbund ermahnte. Hr. Oberpostmeister Steidle, der Vorstand des Stuttgarter Liederkranzes, überbrachte die Grüße seines Vereins und toastierte gleichfalls auf den Calwer Liederkranz mit den besten Wünschen zu dessen fernerem Gedeihen, ebenso der Vorstand desGutenbergvereins", Hr. Sulz, welcher damit in herzlichen Worten die Einladung zum demnächstigen Jubiläum seines Vereins verband. Weitere Toaste wurden ausgebracht von Hrn. Musikober­lehrer Hegele und Hrn. Verwaltungsaktuar Ziegler. Nach Beendi- gung der Tafel war es die Aufgabe der dazu Berufenen, den Festzug zusammen­zustellen, was auch dank der umsichtigen Leitung in ganz kurzer Zeit be­endigt war. Die Ordnung, in welcher sich der Zug durch die Straßen

bewegte, war folgende: Eine Abteilung Feuerwehr, die Calwer Stadtmusik, die Festdamen, der Ausschuß des Schwäb. Sängerbundes und die Deputationen (Stuttgart, Pforzheim und Leonberg), Liederkranz Altensteig, Gechingen, Gesangverein Gültlingen, die Vereine von Herrenberg, Hirsau, Lieben­zell, Möttlingen, Nagold, Neuenbürg, Ostelsheim (Gesangverein und Liederkranz), Simmozheim, Sindelfingen, Stammheim,Freya" Stuttgart,Gutenbergverein" Stuttgart, die von Weilderstadt und Weißen stein; nach diesen folgten im Zuge die bürgerl. Kollegien, die hiesigen Vereine Concordia", der Turnverein, Veteranenverein, Mili­tärverein, zum Schlüsse derCalwer Liederkranz" und eine Abteilung Feuerwehr. Ueberall sah man reichen Flaggenschmuck und namentlich waren die Häuser in den Straßen, durch welche der Festzug sich bewegte, größtenteils mit Tännchen. Guirlanden und Inschriften zum Willkomm geziert, galt es doch, an diesem Tage beizutragen, daß der für den Liederkranz so bedeutungsvolle Zeitabschnitt wiederum zu einem Lichtpunkt in seiner Vergangenheit und eine freundliche Erinnerung für die Zukunft werden möge. Auf dem Festplatz, dem Brühl, sang, der Liederkranz auf der ge­räumig angelegten, stattlichen Festtribüne den Begrüßungschor von Becker und nachdem Hr. Stadtschultheiß Haffner die Gäste herzlich begrüßt und den Verein beglückwünscht hatte, hielt Hr. Kollaborator Baeuchle in weithin vernehmbarer Stimme folgende Festrede:

Teure Sangesbrüder, hochverehrte Versammlung!

Im Schatten deutscher Eichen erklangen schon vor 2 Jahrtausenden der Barden Lieder zum Ruhme der Heldenthaten der Vorfahren; sie überlieferten die Kunde derselben von Geschlecht zu Geschlecht und weckten mächtig das Frei­heitsgefühl der Germanen. Und in der Blütezeit des Mittelalters, als der Höhe­punkt deutscher Herrlichkeit unter den kräftigen Kaisergeschlechtern erreicht war, da erscholl auf den Burgen der Edlen Lied und Harfenklang, die Ritter widmeten sich dem holden Minnegesang:

Sie sangen von Lenz und Liebe, von sel'ger goldner Zeit, von Freiheit, Männerwürde, von Treu und Heiligkeit.

Wenn ich aber die frohbewegte Schar der Sänger vor mir sehe, die heute sich hier zusammengefunden, um, einem echt deutschen volkstümlichen Zuge fol­gend, an den Festfreuden unseres Vereins, der auf eine 50jährige Zeit des Be­stehens zurückblicken kann, teilzunehmen, dann ist in vollem Maße der Spruch bestätigt: Noch blüht im Schwabenlande heut das Lied wie einst zur Staufenzelt. Die angestammte Sangeslust des Schwabenvolkes hat alle Stürme, die in früheren Jahrhunderten über das deutsche Vaterland dahingegangen sind, siegreich über­standen, mächtig rauschten die Freiheits- und Vaterlandslieder durch die deutschen Gauen und zündeten die schlummernden Gefühle zu helllodernder Flamme. Ueberall entstanden von dem Jahr 1825 an schwäbische Liederkränze und Lieder­feste. Auch in unserer Stadt that sich im Jahre 1834 zu einer Vereinigung eine kleine Anzahl Männer zusammen, um herauszutreten aus den engen Schranken des Berufs, frei von des Lebens Müh und Bürde. Der kleine Bund gedieh und konnte im Jahr 1837 am Jakobifeiertag unter großer Beteiligung von Stadt und Land die Weihe seiner jetzt nach viel erlebten Stürmen in den Ruhestand tretenden Fahne feiern. Mit Schwierigkeiten aller Art hatte der junge Verein zu kämpfen, aber unentwegt scharten sich die Glieder um den aufwärts strebenden Engel des Vereinsbanners mit dem Gelübde: Wie auch die Zeiten sich, die wechselnden, gestalten, Wir wollen treu und fest an unserem Liederkranze halten. Neues Leben wurde unserem Verein vor 5 Jahren durch die Vereinigung des Singvereins init dem Liederkranz eingehaucht. Mit frischem Mut und heitrem Sinn wurde nun der edle Gesang gepflegt und 2mal schon hat der Verein seine volle Kraft eingesetzt, um einen Preis zu erringen und endlos war der Jubel, als das vorgesteckte Ziel im vorigen Jahr erreicht war. Aber immer weiter strebt der Verein in seiner Vervollkommnung und Pflege des Volksgesangs. Und fürwahr! eine schöne, hohe und ideale Sache ist es um den Gesang. Wen durch­schauert es nicht wie ein erfrischendes Frühlingsgewitter, wem schlägt das Herz nicht höher, wenn aus freier Männerbrust gewaltige, ungekünstelte Töne erschallen?

hatte, und man konnte nun nicht wissen, ob Du der aristokratischen oder der bürger­lichen Seite der Familie nachgeschlagen. Jetzt bin ich beruhigt, denn meine schöne Nichte könnte eine Prinzessin sein. Und namentlich bin ich glücklich über einen Punkt, nämlich, daß Du nicht verheiratet bist."

Er bemerkte nicht, wie sie bis auf die Lippen erblaßte, wie sie hastig die Augen niederschlug. Er hielt das für natürliche Schüchternheit.

Wärest Du verheiratet gewesen", sprach er weiter,so hätten wir uns nie ge­sehen, denn ich hatte Rodway beauftragt, in diesem Falle die Sache fallen zu lassen."

Sie wagte es, die Augen aufzuschlagen und fragte leise:Warum?"

Weil schon genug plebejische Elemente in unsere Familie eingedrungen sind. Unsere stolze Race würde sinken, wenn noch mehr Bürgerblut sich mit ihr vermischte. Deshalb hatte ich meinem Agenten den Auftrag gegeben. Alles fallen zu lassen, wenn Du verheiratet feiest. Um so glücklicher bin ich jetzt, daß er Dich frei gefunden. Du bist doch ganz frei, Kind, verzeihe mir die Frage hast auch keinen Anbeter oder dergleichen in Deiner ländlichen Heimat zurückgelassen?"

Sie sah in sein edles gütiges Antlitz.

Einen Anbeter, Onkel? Nein, den habe ich nicht."

Das ist gut. Es wäre mir auch nicht angenehm gewesen, zu denken, Du hättest irgend welchen Herzenskummer. Jetzt aber, da ich weiß, daß Du frei bist, prophezeie ich Dir eine glänzende Zukunft."

Nachdem er noch ein paar freundliche Worte mit ihr gewechselt, zog er sich zurück, und Laura ging wieder in ihre prächtigen Zimmer, um auch die Ruhe zu suchen.

Der nächste Morgen war hell und schön, und Laura erwachte mit der Sonne. Sie lächelte, wenn sie daran dachte, wie elegant und großartig sie das Hotelzimmer in Westborn gefunden, wie ganz, ganz anders war es doch hier! Dann fiel ihr wieder die kleine weiße Kammer ein, in der die Vögel sie des Morgens geweckt, und die Rosen ihr den ersten Gruß gebracht hatten.

Ich muß das vergessen," dachte sie,wenn ich an die Vergangenheit denke, dann wird mein ganzes Leben elend sein."

Und doch flogen ihre Gedanken an diesem Morgen noch oft zurück, zurück nach jener männlichen Gestalt, zu jenem schönen, guten, ehrlichen Antlitz.

Die Zofe, die ihr beim Ankleiden behilflich war, fand sie sehr ruhig und zurück­haltend. Sie legte ihr Morgenkleid von weißem Muslin und Spitzen mit blaßblauen Schleifen garniert, an, das reiche Haar war einfach mit einer ebensolchen Schleife zurückgebunden. Nichts hätte ihre Schönheit effektvoller hervorheben können, als diese einfache Eleganz. Der Marquis war entzückt, als er sie sah.

Du hast einen ganz außerordentlich guten Geschmack", rief er aus,diese Einfachheit kleidet Dich ausgezeichnet und ist außerdem gerade das richtige für eine Morgentoilette."

Das Frühstück war in einem reizenden kleinen sonnigen Zimmer serviert, das glänzende Silber, der feine Damast der Gedecke, die Blumen, die den Tisch schmückten, die ausgesuchten Fleisch- und Eierspeisen, das alles gefiel Laura ausgezeichnet. Der Marquis saß ihr gegenüber, und während er eine ganz leichte Unterhaltung mit seiner jungen Nichte zu führen schien, beobachtete er genau, wie sie sich benahm. Er be­merkte sofort, daß sie den richtigen Instinkt, den Takt einer Dame besaß, aber ihre Manieren ließen in seinen Augen noch gar Vieles zu wünschen übrig. Dennoch war er überzeugt, daß sie sich sehr bald eingewöhnen werde, denn sie schien eine von jenen glücklichen Personen, die sich mit Leichtigkeit die Gebräuche und Sitten der Menschen aneignen, mit denen sie gerade Zusammenleben.

Nach dem Frühstück bat er sie, mit ihm einen Spaziergang durch den Park z« machen. Sie wanderten eine Zeit lang unter den Bäumen umher, dis der Marquis müde schien und Laura aufforderte, auf einer schattigen Bank auszuruhen; er wollte ihr unterdessen seine Pläne entwickeln.

(Fortsetzung folgt.)