410
und „Jver Hvitfeld", sieben Kanonenbooten und 6 Torpedobooten herangekommen und schloß sich als Eskorde an. Etwas vor 1 Uhr warf der „Danebrog" auf der inneren Rhede Anker. Die dänische Königsschaluppe brachte die russischen Herrschaften unter dem Salut der Geschütze und unter dem donnerndem Hurrah der Zuschauer bei der Zollbrücke ans Land. Der Kaiser von Rußland trug seine Uniform als Ehrenoberst der dänischen Garde. Die Königin, das Kronprinzenpaar, die Prinzessin von Wales und eine ganze Reihe von Prinzen und Prinzessinnen befanden sich an der Brücke. Von hier begaben sich die Herrschaften sofort nach dem Bahnhofe. Es saßen im ersten Wagen der Kaiser von Rußland, der König von Dänemark, der Großfürst-Thronfolger und der Kronprinz von Dänemark; im zweiten Wagen hatten die Kaiserin in hellgrünem Seidenkleide, die Königin von Dänemark. König Georg von Griechenland und der Herzog von Sparta Platz genommen; im dritten Wagen saßen die Königin von Griechenland in olivenfarbigem Kleide mit Kleeblättern, die Prinzessin von Wales mit zwei englischen Prin^ zessinnen; in dem vierten Wagen die Kronprinzessin von Dänemark, Pri»-^ zessin Marie, Prinz Waldemar und Prinz Georg von Griechenland. Alle Straßen, welche der Zug passierte, Amaliegade, St. Annäplatz, Store Strandsträde, Köngens Nytorv und Oestergade, waren reich beflaggt und mit ungeheuren Menschenmassen bedeckt. Der Empfang war ein sehr warmer. Der Zar, sichtlich angenehm berührt, dankte freundlich nach allen Seiten. Um 1^ Uhr erfolgte die Abfahrt des Extrazuges nach dem von Christian lV. erbauten Schlosse Fredensborg, das prächtig an einem Binnensee, etwa vier Meilen nördlich von Kopenhagen, liegt."
Bulgarien.
Bulgarien soll jetzt doch einen russischen Gouverneur und Prinz Ferdinand von Koburg einen Gegenregenten erhalten und zwar in der Person des früheren bulgarischen Kriegsministers, des Generals Ern- roth. Wenigstens hat Rußland diesen Vorschlag zunächst der Pforte gemacht. Die letztere bringt denselben aber, wie ein Reuter'sches Telegramm meldet, in einem Rundschreiben zur Kenntnis der Mächte, um dieselben zu einer Meinungsäußerung zu veranlassen. Nach Rußlands Absicht soll General Ernroth nach Bulgarien gehen in der Eigenschaft eines einzigen Regenten und als Generalgouverneur von Ostrumelien, wie dies durch die Konferenz festgestellt worden sei. Er soll dieselben Befugnisse wie der Fürst haben. Sobald er in Bulgarien eingetroffen ist, soll er ein neues Ministerium ernennen und zur Wahl einer neuen Sobranje schreiten, welche einen Fürsten erwählen wird. Die rumeliotischen Deputierten sollen bei der Wahl des Fürsten durch die Sobranje nicht zugelassen werden. Einer solchen Sendung eines Kommissars nach Bulgarien würde die Abordnung eines türkischen Bevollmächtigten nach Bulgarien entsprechen. Vorläufig scheint die Pforte aber auf die russische Anregung nicht einzugehen, da sie erklärt hat, keinerlei weitere Schritte bezüglich Bulgariens zu thun, bevor sie nicht die Ansichten der Mächte eingeholt habe. Daß die Ausführung des russischen Planes keineswegs ohne Gewaltmittel würde bewerkstelligt werden können, ist wohl sicher (die „Ag. Hav." läßt sich aus Sofia schon melden, daß man in dortigen offiziellen Kreisen fest entschlossen sei, dem russischen wie dem türkischen Kommissar den Eintritt ins Land zu verwehren), und dieser Umstand tritt der Lösung der bulgarischen Frage auf diese Weise entgegen, da Oesterreich, England und Italien von Zwangsmaßregeln nichts wissen wollen. Italien soll erklärt haben, daß es zwar die Uebernahme der Regierung durch den Prinzen Ferdinand für ungesetzlich, seine Wahl durch die Sobranje aber für vollkommen giltig halte. Diese Auffassung soll auch die österreichische sein, während Rußland und mit ihm Deutschland und Frankreich die Wahl selbst für null und nichtig ansehen. Frankreich hat nunmehr gleichfalls seinen Vertreter aus Sofia abberufen. Einen eigentlichen Protest hat jedoch keine einzige Macht erhoben, auch die Pforte nicht, und zwar deshalb nicht, weil ein Protest, welchem kein Nachdruck gegeben wird, keine Bedeutung hätte, ein Protest also auch von dem Entschlüsse hätte begleitet sein müssen, ihn eventuell
mit bewaffneter Macht zur Geltung zu bringen. Aus alle dem schöpft man in Sofia wieder einige Zuversicht, denn man glaubt, daß das Ergebnis aller diplomatischen Verhandlungen die Aufrechterhaltung des 8tstus guo sein werde. Indes gesteht man dort ein, daß Aufstände zu befürchten seien; man macht sich auf Erhebungen der bulgarischen Flüchtlinge gefaßt, obgleich man denselben jede Möglichkeit eines Erfolges abspricht. Die inneren Schwierigkeiten treten bei der Kabinetsbildung scharf hervor, die noch immer nicht zum Abschluß gelangt ist.
Wages-Werrigkeiten.
(Amtliches.) Die erste theologische Dienstprüfung hat mit Erfolg bestanden und ist zur Versehung von Pfarrgehilfendiensten für befähigt erklärt worden: Friedrich Würz von Calw.
'Nagold, 28. Aug. Eine Nacht des Schreckens liegt hinter uns. ^urz nach Vz12 Uhr ertönte der Feuerruf. Es brannte in der Scheunen, reihe der Schmiedgasse (Schmied Finkenbeiner); das Feuer entwickelte sich in fast unglaublicher Schnelligkeit, so daß die Schmiedgasse vollständig bis zu alt Bäcker Moser eingeäschert wurde. Bald stand auch die Stahl'sche Wirtschaft zum Posthörnle, sowie das Jakob Häußler'sche, Stricker Gottlieb Schuon'sche und Messerschmied Weber'sche Anwesen in Hellen Flammen; der rasch sich sammelnden Feuerwehr wurde es schwer, sofort zu erkennen, wo Hilfe am nötigsten sei. Die enggebaute Schmiedgasse mußte sofort aufgegeben werden, da die Hitze den Löschmannschaften jede Annäherung unmöglich machte, so daß die Thätigkeit der Feuerwehr hauptsächlich auf den Schutz der angrenzenden Gebäude und Straßen gerichtet war. Die Apotheke und das Zaiser'sche Haus, sowie die Zuckerwarenfabrik von Louis Sautter waren es hauptsächlich, auf die sich die Aufmerksamkeit der leitenden Organe richteten. Wie wir heute hören, sind es 15 Wohnhäuser und 7 Scheunen, die dem verheerenden Elemente zum Opfer gefallen sind; 28 Familien wurden dadurch ihres Obdachs beraubt. Nur der größten Anstrengung und That- kraft der hiesigen und fremden Feuerwehren und Löschmannschaften ist es nächst Gottes Hilfe zu danken, daß der Brand nicht noch weitere Ausdehnung gewonnen hat. Anerkennung verdient auch der weibliche Teil der hiesigen Bevölkerung, der durch rastloses Wasserherbeitragen das Löschgeschäft wesentlich förderte. Der Gebäudeschaden wird auf ca. 70,000 beziffert.
Nagolder Ges^^""
Stuttgart, 29. Aug. Die Königin hat dem ihren Namen tragenden Institut der Krankenpflegerinnen (Schwestern vom Olgahaus) in Heilbronn einen einmaligen Beitrag von 1000 ^ gespendet.
Stuttgart, 30. Aug. Eine schmerzliche Ueberraschung haben wir unseren Lesern mitzuteilen: Seine Exzellenz der Herr Staatsminister des Innern v. Hölder ist heute vormittag Vzio Uhr unerwartet rasch verschieden. Wohl war man seit lange besorgt um das Leben des allverehrten Mannes, den ein schweres Leiden seit Monaten von seiner amtlichen Thätigkeit ferngehalten hatte, aber man hatte die Hoffnung nicht völlig aufgegeben, daß dem erst an der Schwelle des Greisenalters stehenden noch eine Reihe von Jahren vergönnt sein möge, seine dem Lande so segensreiche Wirksamkeit fortzusetzen. Vor kurzem erst war Se. Exzellenz von einem längeren Kur-Aufenthalt in Bad Stachelberg in der Schweiz zurückgekehrt, in welchem er Heilung seiner Leiden gesucht hatte. St.-Anz.
Wangen, OA. Cannstatt, 27. Aug. In den Hopfengärten ist seit dem Regen der vor. Woche der Stand der Pflanzen ein weit günstigerer geworden. Die Dolden gelangen bei der jetzigen guten Witterung täglich zu größerer Vollkommenheit, so daß die Ernte hinsichtlich der Menge die Erwartungen übertreffen wird, wenn das günstige Wetter anhält; die Qualität kann unter diesen Umständen eine recht gute werden, da die Pflanzen gesund sind.
Kirchheim, 29. Aug. Heute vormittag zwischen 11 und 12 Uhr
zu werden, oder einen Ton Deiner lieben Stimme zu erlauschen! Aber jetzt erst wo ich Dich so ganz mein eigen nennen darf, bin ich zu der Erkenntnis gekommen, wie unsagbar glücklich man sein kann!"
„Das macht, weil Du mich liebst! Wie aber würde ein Fremder mich beurteilen, glaubst Du?"
„Er könnte auch nicht anders urteilen, wie ich, denn er würde sich ebenso gut in Dich verlieben!"
„Aber benehme ich mich, spreche ich auch wie eine große Dame?"
„Gott sei Dank, nein! Dein Benehmen ist frei von aller affektierten Unnatürlichkeit, ebenso wie Deine Sprache nicht geziert und gekünstelt ist. Aber eben diese frische Natürlichkeit ist es, warum alle Männer sich so toll und wahnsinnig in Dich verlieben müssen, wie ich!"
„Du scheinst mir trotzdem doch noch bei ganz gesunden Sinnen zu sein!" mußte sie lachend entgegnen.
„Ja, ich habe Dich gewonnen und damit das höchste Ziel meines Lebens erreicht. Aber ich bin fest davon überzeugt, daß ich von Sinnen gekommen wäre, wenn Du mich ausgeschlagen hättest. Tenn wenn meine Liebe zu Dir keine Erwiderung gefunden hätte, so hätte sie mich verzehrt. Welchen Zweck, welche Hoffnungen, welchen Grund hätte ich noch für ein Leben gehabt, das mir Nichts mehr zu bieten im Stande war, nachdem es mir Deine Liebe versagt hatte. Es hätte mich wahnsinnig gemacht!"
Sie war bleich bei seiner Erwiderung geworden. Zögernd nur antwortete sie:
„Aber Robert, ist es nicht unklug, ja sogar sündhaft, ein menschliches Wesen mit einer solchen Leidenschaft zu lieben?"
„Das weiß ich nicht, und ich habe mir auch noch nie den Kopf darüber zerbrochen, ob es unklug oder sündhaft ist! Alles, was ich weiß, ist, daß ich nicht anders kann!"
„Aber es könnte mir doch so manches zustoßen! Ich könnte zum Beispiel sterben?"
„Sterben?! Sterben, sagst Du! Du, mein Alles sterben?!"
„Ja Robert, es ist doch möglich; ich könnte doch sterben!"
„Nein! Nein! O, mein Gott, nur das nicht! Wie sollte ich leben ohne Dich! Ich würde mit Dir sterben! Niemals werde ich vergessen, daß ich einst als ein kleiner Junge dabei war, als man einen Mann tot auf dem Grabe seiner Frau fand. — Wenn Du mein Lieb, vor mir sterben solltest, so würde ich mich auf Dein Grab legen; mit den Armen würde ich mich festklammern, damit sie mich nicht von Dir wegreißen könnten, und mich auch sterben lassen müßten. Denn ich kann nicht leben ohne Dich! Ich kann es nicht!"
Es war ein heftiger Ausbruch leidenschaftlichster Liebe, der den starken, sonst so besonnenen, ruhigen Mann, erfaßt hatte; seine Stimme vibrierte in Angst und Aufregung. Er hatte beide Anne um sie geschlungen und sie an seine Brust gezogen, als wolle er sie festhalten, sie beschützen gegen jede Gefahr; aber es war fast als brauche er selbst eine Stütze, so machte der bloße Gedanke an den Verlust seines Kleinods ihn beben.
Doch auch sie zitterte, zitterte so heftig, daß sie es nicht fertig brachte, ihm ein Wort der Beruhigung zu sagen. Er beachtete es weiter nicht, sondern fuhr fort zu sprechen in jener leidenschaftlich erregten Weise, die sie so gar nicht an ihm gewöhnt war:
„Sieh' mein Herz, es wird wohl kaum Männer von gleichem Charakter geben. Bei den meisten ist die Liebe eine Art von schönem Traum, eine verschönernde poetische Ausstattung des sonst prosaisch nüchternen Lebens, ein beglückendes Zwischenspiel im Leben; bei einigen Wenigen, und ich bin einer derselben, ist sie jedoch das Leben selbst. Die Liebe ist es, die meinem Leben seine Bahn anweist, die allein im Stande ist, darüber zu entscheiden, ob es ein reiches stolzes, oder ein verfehltes sein wird, denn es geht eben vollständig auf in ihr, dieser Alles beherrschenden Leidenschaft. Deswegen durfte ich auch sagen, daß mich diese Liebe, wenn sie unerwiedert geblieben wäre, wahnsinnig gemacht hätte, und ebenso sicher ist es, daß wenn Du mir sterben solltest, auch ich nicht weiter leben könnte. Auf Dein Grab würde ich mich legen und dort den willkommenen Tod erwarten; er würde mich bald wieder mit Dir vereinigen, Du wärest mir nur für kurze Zeit vorangegangen, und ich würde Dir bald Nachfolgen, denn selbst der Tod sollte uns nicht auf lange trennen. (Forts, folgt.)