sei ja wahr, daß mancher Mensch kein Wasser trinke, aber er genieße es eben doch im Wein, Bier rc. 2/10 vom Bier z. B. sei Wasser. Die Biertrinker schädigen ihre Gesundheit durch unsinnige Flüsfig- keitsaufnahme; sie bekommen in den besten Jahren alle möglichen Krankheiten (z. B. Herzschwäche, Nieren­leiden, Wassersucht rc.). In Deutschland werden jährlich 2600 Mill. ^ für geistige Getränke ausge­geben ; hiedurch werde Gesundheit, Kraft und Leben geopfert. In England verlange man im Wirtshaus nicht Schnaps. Auch die Nordpolfahrer wollen vom Schnaps nichts wissen. Nansen habe s. Zt. auf seine Reise nur so viel davon mitgenommen, daß es kaum der Mühe Wert sei, darüber zu sprechen; er sage auch, der Schnaps sei absolut schädlich, die Schnapstrinker würden zuerst erfrieren; gute Nahrung und Getränke seien besser. Er wolle nicht bestreiten, daß das Bier nahrhaft sei, aber den Nährwert des­selben müßten die Leute teuer bezahlen. Der Alkohol sei kein Nahrungsmittel, und es seien Versuche, einen Menschen damit zu erhalten, das verkehrteste Mittel. Dem Genüsse folgt bald eine Erschlaffung. Unsere Bergsteiger haben auch bereits eingesehen, daß es praktischer ist, anstatt des Cognacs Zucker mitzu- nehmen. Wenn man sich das Trinken einmal ange­wöhnt habe, dann gehöre eine große Willenskraft dazu, sich davon wieder frei zu machen. Wir Deutsche seien ein tapferes Volk, wenn eS aber gelte, den Kampf gegen die Trunksucht aufzunehmen, da seien viele Feiglinge; es haben allerdings auch viele ein Interesse daran, daß viele Getränke konsumiert werden. Wenn man im Wirtshaus etwas essen oder ausruhen wolle, so sei man gezwungen, auch etwas zu trinken zu bestellen. In England gebe es Städtchen mit 4000 Einwohnern, in denen überhaupt keine geistigen Ge­tränke zu haben seien. In Norwegen trinken die Arbeiter auch keine geistigen Getränke, weil sie ihnen zu teuer find; dort gebe es überhaupt keine Wirt­schaften in deutschem Sinne; Branntwein dürfe über­haupt nur in Städten verschenkt werden; auch in 16 Städten sei der Branntweinverkauf verboten und doch seien die Norweger eines der freiesten und gesündesten Völker. DaS Uebel werde sich stets mit dem Uebel häufen. Der Wein sei kein Sorgenbrecher, er betäube nur vorübergehend die Unlustgefühle. Das Trinken sei eine Krankheit, woraus alle mög­lichen üblen Folgen entstehen, wie z. B. Geistes­krankheit, Nervenleiden, Selbstentleibung, unsittlicher Lebenswandel, Zuchthaus, Elend, schiffbrüchige Exi­stenz rc. Vererbung spiele dabei auch eine große Rolle. Kinder brauchen keine geistigen Getränke. Leider werde es unterlassen, die Abiturienten vor dem Abgang zur Universität auf die Gefahren des Trinkensausmerksamzu machen. Der Trinker dürfe nicht verachtet oder verspottet werden, er bedürfe vielmehr des Mitleids. Redner schloß mit der Er­mahnung, es sei unsere Pflicht, unseren Kindern das Dasein zu verschönern, und ihnen ihre Existenz mög­lichst zu erleichtern.

Stuttgart, 30. Okt. Am morgigen Tage begeht General der Jnfantrie z. D. v. Wölckern mit der Feier seines 68. Geburtstages zugleich sein LOjähriges Dienstjubiläum. Geboren zu Ulm am 31. Okt. 1829 als Angehöriger einer alten Nürnberger und dann Ulmer Patrizierfamilie, trat Wilhelm v. Wölckern am 30. Sept. 1845 in die Offiziers­bildungsanstalt zu Ludwigsburg ein und wurde am 9. Okt. 1848 zum Lieutenant im 6. Jnf.-Reg. befördert. Dabei berechnet sich die Dienstzeit des Generals auf Grund einer Bestimmung, wornach den durch die Off.-Bild.-An statt gegangenen Offizieren die Dienstzeit erst vom vollendeten 18. Lebensjahre ab gerechnet wird. In weiten Kreisen der Bevöl­kerung, vor allem bei seinen früheren Kriegskameraden und den zahlreichen alten Soldaten, die einst unter ihm gedient, wird man an diesem Ehrentage mit besonderer Hochachtung des verdienten Generals gedenken, der einst im französischen Feldzug seine Truppen am Berge Mesch zu glorreichem Siege geführt hat und dann, als Abschluß seiner thaten- reichen Dienstlaufbahn, als erster u- bisher einziger württembergischer General an ds> Spitze deS Armee­korps seines engeren Heimatlands gestanden ist. Mit Genuglhuung empfand man d>. ..al im Herbste 1890, in dieser Berufung des io 2 Feldzügen er­probten und in einer langen Reibe von Friedens­jahren bewährten Führers eine Ehr mg des württ. Offizierskorps, und allgemein w-n das Bedauern, als sich der beliebte General, de- ruhiges Urteil stets mit energischem Entschluß, gerechte Strenge mit freundlichem Wohlwollen, m litänsche Gesinnung mit Entgegenkommen für die Ansu^m .mgen des bürgerl. Lebens glücklich zu verbinden wußte, schon im Jahre 1895 unter Berufung auf sein vorgeschrittenes Lebens­alter von seiner verantwortungsvollen Stellung ent­heben ließ. Die Sympathien Aller, die mit ihm in Berührung gekommen, sind ihm in den wohlverdienten Ruhestand nachgefolgt, und so werden ihm auch am morgigen Tage, an dem er auf ei»c 50jährige, mit Erfolgen reich gesegnete Thätigkett zurückblicken darf, zahlreiche Glückwünsche aus nah und fern zugehen.

Eßlingen, 29. Okt. In einer Mitteilung im M.-Bl. vom 23. ds. Mts. war zu der geplanten Einführung der unentgeldlichen Beerdigung gesagt

worden, daß die Mehrzahl der Kollegialmitglieder dem Plane prinzipiell günstig gestimmt seien. Dabei ist immerhin zu beachten, daß die Angelegenheit noch gar nicht vor die Kollegien gekommen ist und deshalb auch noch keinerlei Stellungnahme seitens der Kollegialmitglieder erfolgen konnte.

Heubach, 27. Okt. (Korresp.) Wie gestern bekannt gegeben wurde, beabsichtigt Frl. Bertha Schurr aus Plüderhausen hier am 1. Nov. d. I. eine Privat-Arbeitsschule ins Leben zu rufen. Dieses Unternehmen, das von den Spitzen hiesiger Gemeinde warm befürwortet wird, sowie von allen, die ein Interesse für häusliche und künstliche Frauenhandarbeit haben, mit Freuden begrüßt wird, ist für unsere hiesigen Mädchen von großem Wert. Da es allen Mädchen durch Geben von Abendstunden, auch den Fabrikarbeiterinnen ermöglicht ist. den Kurs zu besuchen und das Honorar für den Monats-Tageskurs nur auf 5 >«, dagegen für die Abendstunden auf eine ganz geringe Entschädigung festgesetzt ist, so ist dem Unternehmen durch recht zahlreichen Besuch ein guter Erfolg zu wünschen.

Weinsberg, 29. Okt. (Korresp.) Die gestern mittag im Ratssaal stattgefundene Weinmost-Ver- steigerung der Weingärtnergesellschaft hier war im Vergleiche gegen frühere Jahre sehr schwach besucht. Der Grund liegt wohl in dem geringen Quantum, welches Heuer feilgeboten werden konnte, nämlich nur 150 dl gegen fernd 830 dl und 1895 1270 Iil. Die Ursache dieses Minus ist der in die hiesige Markung schwer eingefallene Hagelschlag vom 1. Juli. Die Steigerungslust war sehr flau, weshalb über die Hälfte dieses Quantums infolge zu niedrigen Angebots unverkauft blieb. Clevner und Trollinger (Auslese) kosteten per dl 59 weiß Rießling mit Weiß (Aulese) per dl 5051 Rot gemischt nur ein Kauf zu 50 ^ per ttl, schwarz Rißling gemischt zwei Käufe L ttl zu 40

Neckarsulm, 28. Okt. Ein Gang durch die Weinberge hiesiger Markung bietet einen trost­losen Anblick. In einzelnen Distrikten, wie z. B. am Stiftsberg, Schleiferberg, den sog. Gottesäckern und dem Taubenloch stehen die Stöcke wie abge­storben da, so daß dieselben wohl zum größten Teil ausgehauen werden müssen. Die Vermutung, daß auf Jahre hinaus auf einen Ertrag nicht zu hoffen sei, wird leider Wahrheit werden. Während unsere gleichfalls vom Hagelwetter betroffenen Nachbarstädte Heilbronn und Weinsberg doch noch einen geringen Herbstertrag hatten, konnte in Neckarsulm nicht ein­mal die städtische Kelter geöffnet werden. Die Not wird bei beginnendem Winter sehr groß werden.

Pforzheim, 28.Okt. (Korresp.) Unter zahlreicher Wahlbeteiligung fanden heute die Wahlmännerwahlen zum Landtage statt. Für die nat.-lib. Liste wurden 2039 und für die sozialdemokratische 1873 Stimmen abgegeben. Die Nationalliberalen (Wittum) haben 90 Wahlmänner, die Sozialdemokraten (Geck) 73. Sonach ist von der Wahl des seitherigen Abgeordneten, der auch von nicht-nationalliberalen Wählern dem Offenburger Sozialdemokraten vorgezogen wurde, am 10. Nov. nicht zu zweifeln.

Karlsruhe, 29. Okt. Nach den letzten Wahl­nachrichten haben die Nationalliberalen Lörrach-Land behauptet, Heidelberg-Land hat dagegen antisemitisch gewählt. Nach dem nunmehr vorliegenden Gesamt­ergebnis der Wahlen wird die Zweite Kammer sich folgendermaßen zusammensetzen: 27 Nationalliberale, 21 Zentrumsmitglieder, 5 Sozialdemokraten, 5 Demo­kraten, 2 Konservative, 2 Antisemiten und 1 Frei­sinniger.

Boxberg-Adelsheim, 29. Okt. In unserem Bezirk ist' die Wahl von Klein (nat.-lib.) zum Landtag sicher.

-j- Die Frageder Militärstrasprozeßreform erfährt bei den gegenwärtigen Verhandlungen der bayerischen Abgeordnetenkammer über den Militär­etat eine eingehende Besprechung. Von allen Seiten wird hierbei betont, daß Bayern seinen eigenen Militärgerichtshof nicht aufgeben dürfe. Dies ist offenbar auch die Auffassung der bayerischen Re­gierung selbst, denn im Verlaufe der Dienstagsde­batte erklärte u. A. Kriegsminister v. Asch, die bayerische Regierung sehe die Institution des obersten Militärgerichtshofes für Bayern als ein Reseroatrecht an. Was die Zeitungsnachricht anbelangt, außer der preußischen Regierung habe noch eine andere Bundesregierung ernste Bedenken gegen die Oeffent- lichkeit des militärischen Strafprozeßverfahrens ge­äußert, so will jetzt diePost" wissen, daß dies die sächsische Regierung sei.

Darmstadt, 29. Okt. Der Kaiser und die Kaiserin von Rußland reisten um 10 Uhr von hier ab. Der Großherzog und die Großherzogin gaben ihnen das Geleit bis zum Bahnhof, wo die übrigen fürstlichen Personen bereits sämtlich eingetroffen waren. Der Kaiser trug die Uniform seines hessischen Dragoner-Regiments.

Braunschweig, 28. Okt. Der Staatssekretär des Reichspostamts v. Podbielsky sagt in einem Schreiben an die hiesige Handelskammer:Ich beab­sichtige eine planmäßige Prüfung aller Einrichtungen auf dem Gebiete des Fernsprechwesens, auch der­

jenigen des Nachtdienstes vorzunehmen und, wo not­wendig, eine durchgreifende Regelung eintreten zu lassen. Einzelne Fragen aus dem Rahmen des Ganze» herauszugreifen und vorweg zu behandeln, erscheint mir nicht ratsam."

Berlin, 29. Okt. Wie dieNat.-Ztg." mitteilt, sind alle Telegramme in der Karlsruher Angelegen­heit, die an russische Blätter gerichtet waren, darunter auch das ursprüngliche Telegramm, das den Wort­laut des Karlsruher Hofberichts wiedergab, in Ruß­land angehalten und den Zeitungen nicht mitgeteilt worden.

Berlin, 29. Okt. Zu dem Darmstädter Zwischen­fall bemerkt die National-Zeitung: Im Hinblick auf die neueren beschwichtigenden Mitteilungen werde von einem erfolgten Ausgleiche doch wohl nur ge­sprochen werden können, wenn dieser eine ebenfalls öffentliche Form erhalte. Die Ernennung deS Frhrn. v. Marschall zum Botschafter in Konstanti­nopel findet in der dortigen Presse die günstigste Aufnahme. Die hies. Deutsche Tageszeitung und die Germania erwähnen, daß Herrn v. Marschall eine andere Auszeichnung als die übliche Belastung des Titels und Rangs eines Staatsministers nicht zu teil geworden sei.

Ausland.

Wien, 29. Okt. Dem Grafen Badeni und seiner Gemahlin, ist gestern ein Telegramm deS Kaisers zugegangen, in welchem derselbe dem Minister und seiner Gemahlin im eigenen Namen und im Namen der Kaiserin aus Anlaß der Vermählung der Gräfin Wanda Badeni die herzlichsten Glück­wünsche übermittelt.

Wien, 29. Okt. Die gestrige Nachtfitzung des Parlaments begann um 7 Uhr und dauerte heute früh 2 Uhr noch fort. Zunächst gaben die Führer der Opposition energische Erklärungen gegen die letzten Vorgänge ab, wobei insbesondere der Rücktritt Kathreins als Beweis dafür angeführt wurde, daß die Mehrheit nunmehr mit Umgehung der Bestim­mungen der Geschäftsordnung vorgehen werde. Der Abgeordnete Wellenhof und der polnische Sozialist Daczynski sprachen sehr wirkungsvoll gegen die Mehrheit und den Grafen Badeni. Unter stürmi­schem Widerspruche der Linken erklärte sodann der Vorsitzende Abrahamowic, das ungarische Ausgleich­provisorium in die Beratung ziehen zu müssen. Die mehrstündigen Ausführungen des ersten Kontraredners Lechler wurden von einer Parallelrede begleitet, welche der Abgeordnete Wolf teils unter der Heiter­keit und der Zustimmung seiner Genossen, teils unter fortgesetztem Widerspruche der Mehrheit hielt. Das Ganze war eine Farce auf den Parlamentarismus.

-st Der österreichisch-ungarische Minister des Aeußern Graf Goluchowski wird nach einer Meldung d er Agenzia Stefani" in der ersten November- woche in Monza zu einem Besuch beim italienischen Königspaar eintreffen. Die politische Bedeutung der angekündigten Reise des Leiters der auswärtigen Angelegenheiten Oesterreich-Ungarns an das italienische Hoflager nach Monza liegt auf der Hand.

Paris, 29. Okt. DemSoir" zufolge erzählte Senator Rane in der Kammer-Couloirs, der Senator Scheurer-Kestner erklärte ihm jüngst wiederhol!, daß er die Ueberzeugung von der Unschuld desVer­räters" Dreyfuß erlangt habe. Es verlautet: Scheurer-Kestner unterbreitete die bezüglichen Schrift­stücke dem Präsidenten Faure und beabsichtigt im Senate den Gegenstand gelegentlich einer Petition zur Sprache zu bringen.

Christiania, 29. Okt. Depeschen aus Vardö melden, daß der bekannte Eismeerfahrer Brackmo zur Führung einer Expedition nach Spitzbergen be­reit sei, um die Ursache der vernommenen Rufe zu erforschen. Für diese Expedition ist vorläufig das FahrzengSchroemann" in Aussicht genommen.

InSpanien rüsten sich die Karlisten immer offenkundiger und es hängt vielleicht nur von der Wendung ab, welche die Verhandlungen zwischen Madrid und Washington in der kubanischen Frage nehmen, ob die Karlisten einen dritten Bürgerkrieg vom Zaun brechen werden oder nicht. Auch hierin haben die Liberalen ein schlimmes Erbe aus den Händen der Konservativen übernommen. Hätte Canovas nicht Wahlgeschäfte mit den Anhängern des Prätendenten gemacht und ihnen wichtige Aemler dafür ausgeliefert, der Karlismus wäre nicht wieder so stark geworden. Jetzt ist er eifrigst am Werk, seine Oorganisationen zu vollenden. In einer Reihe von Gemeindeverwaltungen hat er bereits die Majorität. Die Klöster sind karlistische Wagenlager und Werbebureaus, manwillfahrtet" dahin, um die Mannschaften zu zählen. Domgeistliche veran­staltenKriegsspiele", wie dies in Jatavia geschehen, und bei einem Kloster in der Nähe von Benicasien Castellon) hat jüngst ein Trupp Bewaffneter Hochrufe auf Karl VII. auSgebracht.

Simla, 29. Okt. General Lockhardt ist gestern nach Gundaki vorgerückt und hat die Höhen, seitwärts der Marschroute von den Feinden gesäubert; 2 Ge­meine wurden verwundet. Von Gundaki aus wurde Rekognoszierungsmarsch nach dem Fußedes Sempagha-