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'AokiLiftHe Wachrrichten.
Deutsches Reich.
Berlin, 23. August. Die Besserung in dem Befinden des Kaisers schreitet in erfreulicher Weise fort. Ende dieser Woche findet sodann auf der Rennbahn zu Sperlinlust bei Neubabelsberg das Wettrennen des Potsdamer Reitervereins statt, zu welchem die zur Zeit in Berlin und in Potsdam anwesenden Mitglieder des königlichen Hauses anwesend zu sein gedenken.
— Dr. Mackenzie hat in einem an die Frau Kronprinzessin gerichteten Schreiben vom 18. d. M. derselben auf Grund der neuesten Untersuchungen die feite Ueberzeugung von der Gutartigkeit des Hals- leidens des Kronprinzen ausgesprochen und dabei versichert, daß, soweit das menschliche Ermessen reiche, dessen gänzliche Wiederherstellung in absehbarer Zeit mit Sicherheit zu erwarten sei. Der Kronprinz hat dem Professor Virchow schriftlich über sein Befinden Bericht erstattet und daran den Dank gefügt für Virchows Untersuchungen, „die für die Kurmethode bestimmend, für meinen Gemütszustand maßgebend" gewesen sind. Der Kronprinz besuchte am Samstag Balmoral. Am Sonntag wohnte er morgens und abends dem Gottesdienste bei und nachmittags machte er dem Earl von Fife in Mar Lodge einen Gegenbesuch. Dr. Morell Mackenzie traf gestern (Montag) in Braemar ein, um den Kronprinzen zu besuchen. Die Kronprinzessin stattete heute mit den Prinzessinnen Viktoria, Sophie und Margarete dem Matrosenheim in Portsmouth einen Besuch ab.
Bulgarien.
— Nach einem Privattelegramm der „Kreuzzeitung" aus Sofia fordert die Pforte den Prinzen vonKoburgauf, Bulgarien zu verla ssen. Der Ministerrat in Sofia beschloß, dies nicht zu berücksichtigen.
Hcrges-Weuigkeiten.
— Bei der am 24. Aug. d. I. in Eßlingen stattgefundenen freiwilligen Gehilfenprüfung hat das Zeugnis „recht gut" erhalten: Gustav Schäfer, Stadtschultheißenamtsgehilfe in Calw.
Stuttgart, 21. August. (Schöffengericht.) Die erst 16jährige Karoline Baisch von Malmsheim hatte sich am Samstag wegen eines ihr zur Last gelegten Diebstahls zum Nachteil des Kaufmanns Sp. zu verantworten. Demselben hatte sie aus einem Pulte 30—40 ^ entwendet, die sie zu Schleckereien und Putzsachen verwendet hatte. Die jugendliche Diebin hatte sich bereits einen eigenen Schlüssel zu dem Pulte anfertigen lassen, als der erste Diebstahl entdeckt wurde und ihre sofortige Entlassung weitere un- möglich machte. Auf Anzeige wurde sie in der folgenden Nacht bei einem Soldaten gefunden und festgenommen. Sie gab jedoch an, bei Kaufmann M. in der Tübingerstraße im Dienst zu sein und verlangte, dahin zurückkehren zu dürfen; Kaufmann M., geweckt, erklärte, das Mädchen nicht zu kennen. Die Staatsanwaltschaft beantragte bei der großen Verdorbenheit der Angeklagten in solchem Alter eine Gefängnisstrafe von 3 Monaten, das Gericht erkannte auf eine solche von 2 Monaten, die im Arbeitshause zu Gotteszell zu verbüßen ist.
— Die „Tüb. Chr." schreibt: „Wie uns von verschiedenen Seiten bestätigt wird, macht sich an den Neben eine neue Krankheit des Laubes bemerk- lich. Die Blätter werden auf der Rückseite von einem Pilze spinngewebeartig überzogen, rollen sich zusammen und sterben ab. Die Krankheit verbreitet sich mit merkwürdiger Schnelligkeit. In den Rebgeländen des Neckar- thales sind bereits eine Masse kranker und absterbender Pilze zu sehen. Der Fortschritt der Trauben hat infolge dessen bedeutend nachgelassen." — Aehn- liches wurde dieser Tage dem „D. V." aus der Seegegend berichtet.
Heidenheim, 24. Aug. Die K. Staatsanwaltschaft in Ellwangen erläßt im heutigen Amtsblatt doch noch eine Mordanzeige bezüglich des in Sontheim a./Br. aufgesundenen Leichnams des Silberarbeiters Clauß aus Gmünd, indem sich noch herausgestellt hat, daß Clauß tags zuvor gesagt habe, er sei von einem Mitreisenden Handwerksburschen mit einem stilettartigen Messer in Kopf und Hals gestochen worden.
Vom Stubenthal, 24. August. Zwei angesehene Elternpaare von Söhnstetten wurden gestern durch ihre beiden 16jährigen Jungen in großes Leid versetzt. Beide Bürschchen sind in Gmünd in der Lehre, der eine wird ein Dreher, der andere ein Sattler, und durften von da aus einige Tage in ihre Heimat auf Besuch. Den gestrigen letzten Tag ihres Urlaubs benutzten sie dazu, in Abwesenheit der Hausbewohner in zwei Gebäude einzudringen und dort 20 an Geld zu rauben. Die Sache wurde ruchbar, und als die beiden Hoffnungsvollen sich heute früh nach Hsidenheim auf die Bahn begeben wollten, wurden sie von einem Landjäger bei Sontheim, eine Stunde von hier, verhaftet und eingeliefert. Das gestohlene Geld fand sich noch bei ihnen vor.
Ulm, 23. Aug. In vergangener Nacht kurz vor Vs 11 Uhr ertönten die Sturmglocken vom Münster. In dem Hause des Wichsefabrikanten Glöckler, Ecke des Hafenbads und der Kohlgasse, war ein Brand im Dachstock, den der Lederhändler Altmann bewohnte, ausgebrochen, der mit solcher Schnelligkeit um sich griff, daß die Familie Altmann, nachdem sie von der Polizei geweckt worden, kaum das nackte Leben retten konnte. Die Frau, seit letzten Sonntag Wöchnerin, wurde von ihrem Mann in den unteren Stock und von da durch die inzwischen angekommene Rettungskom- pagnie der Feuerwehr auf einer Tragbahre in ein benachbartes Haus getragen. Die Gefahr war groß, da das Viertel, in welchem sich das Glöcklerfche Haus befindet, dicht aneinander gebaut, ist. Die Feuerwehr griff aber so rasch und präzise ein, daß eine Weiterverbreitung des Feuers bald nicht mehr zu befürchten war. Die Entstehung des Brandes ist auf eine Fahrlässigkeit der Magd, in deren Kammer das Feuer auskam, zurückzuführen.
Wolkenbruch im Salzkammergut. Von Salzburg, Laufen und Simbach sind im Laufe des Montag Nachmittag telegraphische Nachrichten in Nassau eingetroffen, welche bedeutendes Hochwasser auf dem Inn in Aussicht stellten. Das Wasser ist seitdem dort beständig gestiegen und zeigte gestern früh 6 Uhr einen Stand von 3,70 Meter. Die schmutziggelben Fluten, welche Scheitholz, Baumstümpfe, Gestrüpp rc. re. mit sich führten, drohen jeden Augenblick das Ufer zu überschreiten. Das Hochwasser rührt von einem Wolkenbruch her, der im Salzkammergut niedergegangen ist und dort große Verwüstungen angerichtet hat. Die Züge der k. k. österreichischen Westbahn trafen gestern sämtlich mit Verspätung ein, da zwischen Gmunden und Ischl der Verkehr vollständig unterbrochen ist. Die Station Ebensee wurde teils aus durch die angeschwollene Traun, teils durch den aus seinen Ufern tretenden Traunsee überschwemmt; das Heizhaus konnte nur mit Kähnen erreicht werden. In Ischl haben sich die Traun und die Ischl in reißende Wildbäche verwandelt, die Traun trat aus den Ufern und überschwemmte den Gries und den Rudolf-Kai. — In Salzburg strömte seit Sonntag nachmittag ein wolkenbruchartiger Regen; die Salzach schwoll zu ungewöhnlicher Höhe; zwischen den Haltestellen Aigen und Els- bethen auf der Giselabahn wurde die Eisenbahnbrücke über den Glasenbach gänzlich weggerissen und auch Teile des Bahnkörpers weggeschwemmt. Der Verkehr nach und von Arlberg ist bis auf Weiteres nur über die Route Salzburg-Rosenheim-Kufstein möglich. Auch in Berchtesgaden und St. Johann sind vorgestern Wolkenbrüche niedergegangen. Doch war der Verkehr zwischen Salzburg und Bischofshofen durch Umsteigen am Abend wieder ermöglicht, auch die Unterbrechung bei Eben behoben. — Die Steyr ist ebenfalls rapid gestiegen, in Steyrdorf mußten an einigen Stellen die ebenerdig wohnenden Parteien ihre Wohnung räumen. — Spätere Nachrichten, von gestern vormittag, lauten übrigens von allen Seiten beruhigend. Die Wasser haben sich verlaufen. An der Wiederherstellung des Verkehrs wird rastlos gearbeitet.
Aus der Reichshauptstadt. Ueber einen großen Unglücksfall auf dem städtischen Hospital-Neubau an der Prenzlauer Allee bringt das B. Fr. Bl. folgende nähere Mitteilungen: Auf dem Neubau war am Montag eine Anzahl Arbeiter unter Führung des Architekten Dalm und des Maurerpoliers Porst auf einem abgesteiften Gerüst beschäftigt, einen Terrakotta-Sims anzubringen. Plötzlich stürzte ein wohl 15 Meter langes
Sie brach jäh ab, preßte die Lippen fest aufeinander, als wolle sie jedem Worte den Ausgang wehren und starrte lautlos vor sich hin.
Rodway schien sich über das Wort „Versuchung" noch immer nicht beruhigen zu können, deswegen sagte er:
„Sie müssen mich vorhin nicht richtig verstanden haben, denn sonst konnten Sie nicht zu der Annahme konimen, daß ich beabsichtigt hätte, Sie in Versuchung zu führen. Denn, wenn Sie aus irgend welchem persönlichen Grunde vorziehen sollten, hier zu bleiben, so steht dies selbstverständlich bei Ihnen, und wird Niemanden einfallen, Ihnen darüber Vorwürfe machen zu wollen. — Sie sprachen da vorhin von einem Freunde, der sich Ihrer angenommen habe; ich kann Sie versichern, sobald der Marquis von Jemanden hört, der Ihnen oder Ihrer Mutter Güte und Gefälligkeiten erwiesen hat, so wird er sein Möglichstes thun, um dem Betreffenden auf der schwierigen Bahn des Lebens vorwärts zu helfen. Und Ihr Onkel vermag viel, sehr viel!"
„Davon kann keine Rede sein", unterbrach sie ihn hastig. „Sprechen wir nicht mehr davon. Sie konnten nicht verstehen, was ich meinte!"
„Oh! Ich kann mir wohl denken, daß Sie durch Ihren längeren Aufenthalt hier in diesem wirklich reizenden Dörfchen sich an dasselbe gefesselt fühlen, daß Sie Freunde gefunden, Verbindungen angeknüpst haben, die Sie nur mit Widerstreben aufgeben werden. Das ist nur zu natürlich! Es ist nun Ihre Sache, zu entscheiden, ob Sie glauben, daß die neue Heimat, die ich Ihnen bei Ihrem Onkel anzubieten ermächtigt bin, Sie für alles das entschädigen kann, was Sie hier aufzugeben gezwungen sein würden. Und dies könnten nur Sie, nur Sie ganz allein beutteilen. Aber Sie dürfen auch nicht unterschätzen, was sich Ihnen so ganz mühelos darbietet; es ist ein Glück, wie es nur sehr, sehr wenigen Sterblichen beschieden ist. Reich, schön, geehrt und gefeiert, wird Ihnen Alles geboten werden, was nur je ein Frauenherz zu wünschen im Stande war! Gold und Geschmeide, feine Toiletten, Pferde
und Wagen, Dienerschaft, Schloß und Park. Reisen in fremde Länder, Alles wird Ihnen gewährt werden, wonach Sie es auch nur gelüsten könnte — Alles, was das Leben herrlich, glänzend, begehrenswett macht. Und es hängt einzig und allein von Ihrer Entscheidung ab, ob Sie eine solche Stellung wünschenswert für sich halten, oder ob Sie ein Leben in der Verborgenheit, in Not und Sorge, wie Ihr bisheriges, vorziehen."
Es war kein schönes Lächeln, das ihre Lippen verzog, eher wegwerfend, verächtlich und ebenso lauteten ihre Worte:
„Sie könnten wissen, daß ich dieses Leben verabscheue!"
„Ich weiß Nichts dergleichen und es geschah mit vollster Ueberlegung, daß ich mich enthielt, irgend welche Fragen an Sie zu richten, damit ich nicht gezwungen bin, Etwas zu wissen und demzufolge zu antworten, wenn mein Auftraggeber mir eingehendere Fragen vorlegen sollte. Also darf ich Sie bitten, mir Nichts zu erzählen, wovon Kenntnis zu haben, mich ebenfalls in arge Verlegenheit bringen könnte. Soviel ich aus dem insolent herablassenden Betragen jener Dame, die soeben hier vorbeiritt, schließen kann, scheinen Sie eine untergeordnete, abhängige Stellung einzunehmen, eine Stellung, in der Jemand, mit so viel Stolz und Charakter, wie Sie, nur immer und immer wieder derartigen Kränkungen ausgesetzt sein wird, wie vorhin. Es hängt jedoch nur allein von Ihrem eigenen Entschlüsse ab, dieses Sie fortwährend demütigende Leben mit einem anderen zu vertauschen, wo Ihnen Niemand jemals anders, als mit der größten Achtung und Ehrerbietung begegnen wird. Und diesen Entschluß muß ich Ihnen, nur Ihnen ganz allein überlassen!"
„Ich kann keinen Entschluß fassen!" wie ein Aufschrei aus gequältem Herzen ein Hilferuf der Verzweiflung, schrill und schneidend durchklangen diese Worte das kleine Stübchen, und das junge Weib bedeckte in namenloser Qual ihr Gesicht mit beiden Händen.
(Fortsetzung folgt.)