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62. Jahrgang

Amts- und

Intelkigeazökatt für äen Oezirü.

Erscheint Dienstag, Donneratag L Kamatag.

Die Einrückungsgebühr beträgt 9 H p. Zeile im Bezirk, sonst 12 H.

§am8tag, äen 27. August 1887.

Abonnementspreis halbjährlich 1 ^ 80 durch die Post bezogen im Bezirk 2 90 H, sonst in

ganz Württemberg 2 70 H.

Amtliche Wekcrrrntmcrchimgerr.

Calw.

Die Schnttheißeuamter

werden hiemit angewiesen, energisch darauf zu dringen, daß die Erledigung der pro 1887 erhobenen Kaminfeger« und Oberfeuerschaudefekte rechtzeitig stattfindet. Die Nichteinhaltung der zur Erledigung der Defekte gegebenen Termine wird Ungehorsamsstrafen im Gefolge haben.

Den 24. August 1887. K. Oberamt.

Supper.

Wochenschau.

L6. Die politische Ruhe ist auch in der abgelaufenen Woche ungestört geblieben. Besorgnisse, welche durch ein Unwohlsein des Kaisers wach­gerufen worden, zerstreuten sich bald und haben jetzt durch die Nachricht, daß der greise Monarch in gutem Wohlsein an demAdlerschießen" der Pots« damer Gardeoffiziere teilnahm, ja selbst den Adler traf, glücklicher Weise allen Boden verloren. Auch die ärztlichen Mitteilungen über den Gesund« heitszustand des Kronprinzen widerlegten die aufgetauchten Zweifel an der Genesung des hohen Herrn. Deprimierend wirkten dagegen die Nach­richten aus manchen Gegenden Deutschlands über eine, durch die lange Dürre arg beeinträchtigte Ernte und über das Entdecken verschiedener Reblaus« Herde, wobei sich als ein Hauptausgangspunkt des Uebels die herzogliche Hofgärtnerei in Biebrich herausstellte. Energische Maßregeln sind zur Be­kämpfung des für das Rheingau schwer bedrohlichen Uebels notwendig und, nach einigem Zögern, auch begriffen worden. Auch in Sachsen war es ein königlicher Weingarten (bei Lößnitz), wo die Reblaus eingeführt war.

Zahlreiche Artikel aller Blätter waren die ganze Woche über der Spiritusbrenner. Coalition gewidmet, wider welche sich schon eine so umfangreiche Gegnerschaft herausgebildet hat, daß von dem Zustande­kommen einer solchenSchnapsbank", die einP r i v a t m o n o p o l" des Branntweinverkaufs übernimmt, schon nicht mehr die Rede sein kann. Alle Nordhäuser Brenner verweigern den Beitritt und der Verein deutscher Liqueurfabrikanten will nichts von der Sache wissen. Es stellt sich also der Branntweinring" falls er dennoch zu Stande kommt, als ein ziemlich ris« kantes Unternehmen dar, welchem scharfe Concurrenz gegenüber treten wird.

Die Ausweisung russischer Unterthanen aus Preußen dauert fort, während Rußland dem Ukas über Erwerb des Staatsbürgertums durch

Ausländer eine immer mildere Deutung giebt. Man ist gespannt auf die Anwendung der neuen Bestimmungen über Grundbesitz der Ausländer auf den Erbschaftsfall, der jetzt durch den Tod des russischen General-Adjutanten Fürsten Wittgenstein eingetreten ist.

Die am 28. August bevorstehende Familienzusammenkunft des Hauses Orleans in Spaa wird nicht ohne Rückwirkung auf den mit dem französischen Königshause dreifach verwandten Prinzen von Ko bürg (nicht anerkanntenFürsten des unabhängigen Bulgariens") bleiben. Auch die Ankunft des russischen Kaiserpaares in Kopenhagen, wo eine Prinzessin von Orleans als Mitglied der däni­schen Königsfamilie weilt, mag mit dem koburgischen Abenteuer, und der französischen Herrschaftsfrage in Beziehung gebracht werden. Die Orleans sind sicher bereit, eine russische Allianz unter schweren Bedingungen einzugehen, wenn der Czar ihnen auf den französischen Thron verhilft und ihren Vetter Koburg, den keine Macht so sehr anfeindet, wie Rußland, in Gnaden als Bulgarenfürsten duldet. Daß aber eine solche Verständigung für die deutsche Diplomatie ein Grund mehr wäre, den Durchbrecher des Berliner Vertrags nicht als legitimen Herrscher Bulgariens und OstrumelienS anzuerkennen, liegt auf der Hand. Die Abberufung des deutschen General­konsuls Herrn v. Thielemann aus Sofia, die mit dem Abbruch aller Geschäftsbeziehungen zwischen Deutschland und Bulgarien identisch ist, spricht deutlich genug für die Anschauungen des Fürsten Bismarck, zu denen über­dies die Nordd. Allg. Ztg. mehrere, dem Koburger ungünstige Kommentare lieferte.

Prinz Ferdinand selbst läßt sich die Indifferenz der Mehrzahl der Mächte und durch die Gegnerschaft der zwei politisch einflußreichsten Männer Europas nicht abhalten, in der Freudigkeit über enthusiastische Volkskundgebungen zu seinen Gunsten zu schwelgen; auch hat er endlich Stambulow und Tonischem bereit gefunden, ein neues Kabinet zu bilden; aber das russophile Kirchenhaupt Clement fährt fort, ihm von Dankespflicht gegen Rußland vorzupredigen, die russische Botschaft in Konstansinopel hetzt fortwährend an der Türkei, sie solle in Bulgarien einschreiten und Ost« rumelien besetzen, und russische Wühlereien bringen schon wieder den Geist der Meuterei in bulgarische Truppenteile. Ein russischer Agitator, Oberst Kiffakow, ist nach Bulgarien abgereist. Der Prätendent auf den serbischen Thron, Karageorgewitsch, wurde vor der Abreise des Zaren von diesem in Petersburg empfangen. In Cettinje spricht man laut von einem bevor­stehenden serbischen Aufstand gegen den in Oesterreich-Ungarn weilenden König Milan und aus Macedonien kommenFührer" zum Prinzen Ferdinand, um ihn ihrer Sympatie zu versichern. Trotzdem jetzt die Pforte gerade in Mace­donien ihre Truppen stark reduziert, stehen offenbar unruhige Szenen auf der Balkanhalbinsel zu gewärtigen.

Feuilleton. «Nachdruck verboten..

Am Rang «rr- Reichlnm.

Dem Englischen frei nacherzählt von Leo Sonntag.

(Fortsetzung.)

Es war ein so leidenschaftlicher Ausbruch, der so plötzlich die starre Ruhe der jungen Frau durchbrach, daß er seine Wirkung selbst auf den älteren Zuhörer nicht verfehlte. Aber es war ein Ausdruck der Sorge, beinahe des Erschreckens, der sich in den Blicken malte, mit denen er in das fieberhaft gerötete Antlitz der jungen Dame vor ihm hinaufsah und mit dem unsicheren Tone der ängstlichen Abwehr, als wollte er sich gegen eine wider ihn geschleuderte schwere Anklage verteidigen, sagte er:

Ich kann nicht recht begreifen, worüber Sie sich so furchtbar aufregen, ob­gleich es ja wohl nur natürlich ist, daß so merkwürdige Enthüllungen, wie die meinigen, nicht eindruckslos an Ihnen vorüber gehen. Aber wenn Sie sich die ganze Angelegen­heit nur mit etwas mehr Ueberlegung betrachten wollten, so würden Sie dieselbe un­zweifelhaft auch bald richtig auffassen. Es kann keine Rede davon sein, daß ich Sie in Versuchung führen will; ich erzähle Ihnen lediglich nur eine klare, einfache Ge­schichte, wie sich solche nicht gerade selten ereignen. Jede französische Revolution hat ihre Emigranten, die sich, wie überall hin, auch nach England flüchten und dort ihr Leben in Not und Sorge durch ihrer Hände Arbeit kümmerlich fristen müssen. Viele davon nehmen sich Frauen aus dem Volke, die Meisten allerdings gehen unter im ungewohnten Kampfe mit dem Dasein, und ihre hochklingenden Namen erlöschen spur­los. Ihrem Onkel war das Glück günstiger; er hatte Gelegenheit, dem damaligen Machthaber von Frankreich, dessen Anhänger er war, einen bedeutenden Dienst zu

leisten und zum Danke dafür wurden ihm die konfiszierten Familiengüter zurückgegeben. Er war jedoch zu klug, um seinen neuerworbenen Besitz einem Staate anzuvertrauen, in welchem die Regierungsformen so häufig wechseln, wie bei uns die Jahreszeiten. Ties Alles scheint mir sehr einfach und leicht verständlich und deswegen auch ist es auch mir nicht recht klar, wie Sie davon sprechen können, daß ich Sie in Versuch­ung führe!"

Es vergingen einige Augenblicke, ehe sie antwortete; die hohe Röte bedeckte noch immer ihre Wangen, die Hand mit dem bedeutungsschweren Ring war ängstlich zwischen den Falten des Kleides versteckt und ihre Augen hasteten krampfhaft an einem von der Sonne grell beleuchteten Fleck des Fußbodens. Ihre Frage klang ausweichend:

Weshalb kann wohl mein Onkel so viel Gewicht darauf legen, ob ich ver­heiratet bin oder nicht?"

Der Herr Marquis hegt in dieser Hinsicht eine ganz eigene Besorgnis. Ihr Großvater hat ein Bauernmädchen geheiratet, Ihre Mutter war mit einem armen Teufel von niederer Herkunft vermählt, und Ihr Onkel hat nun deswegen ganz ehr­lich die feste Ueberzeugung, daß es nur noch einiger solcher Heiraten unter dem Stande bedürfe, um das edle Blut Derer de Bourdon vollständig entarten zu machen. So sagte er mir wenigstens und mehr kann ich Ihnen daher auch nicht mitteilen; allein das muß ich Ihnen wiederholen, er gab mir zu verschiedenen Malen und auf das Energischste den Befehl, die ganze Angelegenheit sofern fallen zu lassen, wenn ich Sie verheiratet finden sollte. Falls Sie jedoch noch ledig wären, solle ich Sie ihm ohne Zeitverlust zuführen."

Es scheint mir Alles zu wunderbar zu märchenhaft, um daran glauben zu können. Es ist so überwältigend über mich gekommen. Oh! Wenn wir es nu* früher erfahren hätten, als meine Mutter noch lebte, als ich"