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ein Vergnügen daraus zu machen, die Radfahrer durch Steinwürfe rc> zu be­lästigen. Wie leicht aber daraus ein Unglück entstehen kann', liegt auf der Hand. Wir möchten deshalb die Eltern darauf aufmerksam machen, ihren Kindern einzuschärfen, solche Unarten zu unterlassen, da bereits gerichtliche Entscheidungen vorliegen, nach welchen eine derartige Belästigung, welche zum Sturze des Velozipedfahrers geführt hatte, mit Gefängnis geahndet worden ist. (Auch hier in Calw ist es angezeigt auf vorstehendes aufmerksam zu machen, umsomehr als erst neulich ein Radfahrer, dem ein Stecken ins Rad geworfen wurde, sich nur noch durch einen glücklichen Zufall vor den schlimmen Folgen eines Sturzes bewahren konnte. Die Red.)

Heilbronn, 22. Aug. Gestern vvrm. erfolgte dis Investitur des neu ernannten Dekans Berg durch Prälat v. Raiffeisen in der Kirche zu St. Kilian, wobei derselbe eine ergreifende Ansprache hielt. Der neue Dekan war längere Zeit Geistlicher der deutsch-evangelischen Gemeinde in Paris und nach seiner Zurückkehr 11 Jahre (7) lang Dekan in Calw. Möge es ihm auch in Heilbronn wohl gefallen und sein Wirken ein gedeihliches sein.

'Schw. Merk.

Reutlingen, 20. August. Eine pomolo gische Merk­würdigkeit ist laut Schw. Krsztg. in dem Garten des Herrn Buch­händlers A. Fleischhauer zu sehen. Es steht dort ein rotblühender Weißdorn, auf welchen vor drei Jahren Birnen (Gaishirtlen) gepfropft wurden. Die Veredlung ist so gelungen, daß der Baum bereits 24 sehr schöne, große Früchte trägt. Es ist ein eigentümlicher Anblick, diese Früchte neben den als Saug-Aeste stehengebliebenen Zweigen des Weißdornes zu sehen.

Ebingen, 22. Aug. Seit einigen Tagen erfreuen wir uns billigerer Fleischpreise; namentlich bieten unsere Metzger das Kalbfleisch, das bis vor einiger Zeit 56 Pf. und seitdem 50 Pf. kostete, jetzt um 40 Pf., bezw. 35 Pf. das Pfd., Rindfleisch, bis zum Viehabschlag auf 60 Pf. stehend, kostet 50 Pf. und bei den Landmetzgern 40 Pf. das Pfd., Schweinefleisch mit und ohne Speck 50 Pf., Ochsenfleisch sucht man vergeblich auf den Preistafeln in unseren zum Teil sehr primitiven Fleischerläden. Den minderbemittelten und arbeitenden Klaffen ist der billigere Fleischgenuß wohl zu gönnen, ob er aber wirtschaftlich im Allgemeinen dem Vorteil entspricht, ist fraglich, denn der Rückgang der Viehpreise legt die Kaufkraft des Landes sichtlich lahm; das wird man erst später, zu Martini und gegen den Frühling hin, recht empfin­den müssen. An eine Besserung ist vorerst auch wohl nicht zu denken, denn wenn auch die Regenzeit der letzten Woche für das Hsrbstfutter noch günstige Aussichten eröffnet, so haben andererseits starke Nachtfröste denselben wieder Abbruch gethan und strichweise sind sogar die Kartoffeln schon erfroren. Vorerst scheint indes das Bedenklichste für den Landmann der große Ausfall an Stroh: auf manchen Aeckern ist Hafer und Gerste so kurz, daß man sie gar nicht in Garben binden kann, sondern in Büscheln zusammenthut, und Ackerbohnen sah ich dieser Tage mit eigenen Augen gleich vom Halme zupfen, Dies erklärt es, daß Stroh nachgerade teurer ist als Futter; elfteres wird bereits mit 2.50 pr. Ztr. bezahlt, während man gut eingebrachtes Heu noch immer für 2 bekommt.

Giengen a. Br., 21. August. In den schönen Fabrikanlagen der vereinigten Filzfabriken wurden von ruchloser Hand 42 schöne junge Obst­bäu m e a b g e s ch n i t t e n. Die Besitzer haben eine Belohnung von 100 auf die Entdeckung des Thäters ausgesetzt.

Heidenheim, 21. Aug. Gestern war das Gericht in Sontheim a. d. Br., um wegen eines dort im Walde zwischen Sontheim und dem bayr. Riethausen aufgefundenen Leichnams das Nähere festzustellen. Der Leich­nam war bis aufs Hemd entkleidet. Die Nachforschungen ergaben, daß etwa 100 Schritte von der Leiche entfernt die Kleider lagen. Im Rock wurde ein Heimatschein vorgefunden, laut welchem der Tote der 42 Jahre alte Goldarbeiter A. Klauß von Gmünd ist. Am Kopfe hatte die Leiche ver­schiedene schwere Verletzungen. Die Sektion ergab, daß es tiefe Messer­

stiche waren, welche den Tod hsrbeiführen mußten. Nun wurde aber Klauß am 18. in Riethausen mit blutigem Kopfe gesehen, und es wäre somit an­zunehmen, daß er bei Schlägereien die Stiche erhalten hat, trotz derselben aber weiter gereist ist, bis er im Walde sich halb bewußtlos selbst entkleidete, noch einige Schritte weiter ging und dann bewußtlos wurde und starb. Man fahndet nun eifrig in den umliegenden Ortschaften darnach, ob nicht Händel stattgefunden haben, und glaubt auf diese Weise diejenigen, welche die töd­lichen Verletzungen beigebracht haben, zu ermitteln.

Heidenheim, 22. Aug. Am letzten Samstag verunglückte zu Dettingen der 56 Jahrs alte Bauer Joh. Stängle. Er wollte mit seinem mutigen Pferde Futter nach Hause führen. Das Pferd ging aber mit dem Wagen durch und Stängle stürzte vom Wagen. Dadurch erlitt er einen Schädelbruch, der nach 18 Stunden den Tod herbeiführte. Frau und drei erwachsene Kinder weinen dem so rasch aus dem Leben geschiedenen Manne nach.

Aus dem Oberamt Gerabronn, 21. Aug. In Ober­stetten wurde heute ein in den besten Jahren stehender Familienvater beerdigt, welcher auf eine sehr unglückliche Weise sein Leben einbüßte. Der­selbe hatte vor einigen Tagen Oehmd gemäht, war daselbst beim Ausholen mit der Sense an eine Distel geraten, welch letztere ihm einen starken Schnitt in die Hand beibrachte. Kaum nach Hause gekommen, schwoll die Hand, der Arm und auch der unverletzte Arm an. Der herbeigerufene Arzt konstatierte Blutvergiftung, an deren Folgen der Bedauernswerte sterben mußte. Dis schwergeprüfte Familie wird allgemein bedauert.

Waldsee, 20. Aug. Gestern abend wurden laut O. A. während eines Gewitters zwischen Gaisbeuren und Reute zwei Personen, welche bei einem Bildstöckle unter hohen Pappelbäumen Schutz suchten, vom Blitz getroffen. Merkwürdigerweise schlug der Blitz nicht in die Bäume, son­dern traf den Kopf des Knechtes, fuhr an ihm hinunter und zu den Stiefeln hinaus; die Tochter des Bauern wurde weniger heftig getroffen und eins weitere dabeistehende Frau kam mit dem Schrecken davon. Der Knecht liegt heute noch besinnungslos darnieder, dagegen hat sich die Bauerntochter so ziemlich erholt. Die Kleider und der Hut des Knechtes sind völlig zerrissen.

Friedrichshafen, 20. Aug. Ein Teil des aus Bordeaux gemeldeten Zyklons ist offenbar zu uns herüber gekommen; gestern und namentlich vorgestern hatten wir hier, so schreibt der O. A., heftigen Süd­weststurm mit starken Niederschlägen; im Gebirg ist sogar viel Schnee gefallen und es ist der Säntis weit herunter weiß; man sieht das gerne in dieser Jahreszeit und schließt daraus auf einen guten Nachsommer. An den zwei stürmischen Tagen wurden hier Vögel beobachtet, die man sonst nicht hier sieht und die jetzt auch wieder verschwunden sind; dem Flug nach waren es Schwalben, die aber oben nicht bläulichschwarz, sondern graubraun sind und auch die langen, gabelförmigen Schwänze nicht haben. Vielleicht war es die Gibraltar- oder spanische Schwalbe, die im südlichen Europa und in Afrika lebt. Ob es möglich ist, daß der Sturm diesen Vogel so weit fortgetrieben hat, wäre interessant zu erfahren. Das Peitschen der Wasserwogen hat zur Folge, daß der Seetang, eine Algenart, die massenhaft im See wächst, los­gerissen wird und auf den Grund geht; damit wird ein wesentliches Hinder­nis für die Angelfischerei beseitigt und es ist deshalb der Fischfang nach zurückgekehrter Ruhe in den Wassern immer ergiebig.

Wiesbaden, 20. August. (Reblaus.) Nachdem in Biebrich eine große Anzahl von Reblausherden entdeckt worden ist, haben die Auszüge aus den Büchern der Hofgärtnerei notwendig gemacht, daß auch einige Gärten hier untersucht wurden. Gestern mittag ist nun gleich im ersten Garten an der Walkmühlestraße hier leider die Reblaus entdeckt worden. Es versteht sich von selbst, daß sogleich alle gesetzlichen Vorschrifts­maßregeln getroffen worden sind. In der nächsten Woche wird eine Reben-

um Sie sobald als möglich zu ihm bringen zu können. Er will Sie vollständig an Kindesstatt annehmen, so daß Sie sogar mit der Adoption Ihren Namen Knowles aufgeben und denjenigen einer Marquise de Bourdon annehmen sollen!"

Er machte eine Pause, offenbar, um den Eindruck seiner Worte auf die Zu­hörerin zu beobachten, allein sie ließ ihm keine Zeit dazu, sondern sich nach ihm um­wendend, sagte sie hastig:

Weiter! Was weiter!?"

Dadurch werden Sie zu gleicher Zeit Erbin von Fernholm und eines der größten Vermögen von England; eine Aussicht, wie sie nur sehr wenigen vom Glücke bevorzugten Menschen zu Teil wird. Es wird sodann nur an Ihnen liegen, die ganze Welt zu Ihren Füßen zu sehen und selbst die stolzeste Adelsfamilie Alt-Englands wird es sich zur größten Ehre rechnen, wenn Sie einen ihrer Söhne sich zum Ge­mähte erwählen wollten!"

Ihr soeben noch so erregtes Gesicht war bei den letzten Worten des Advokats plötzlich wieder zu seiner früheren Regungslosigkeit erstarrt, während eine Marmor­blässe es überzog; jedes Zeichen von Leben schien daraus entschwunden. Ein scheuer Blick streifte den glatten Goldreif an ihrem Finger und die Hand verschwand wieder zwischen den Falten des Kleides.

Und wenn wenn ich nun gar nicht heiraten wollte?" kam es zögernd, wie widerstrebend von ihren Lippen.

Deswegen blieben Sie dennoch Erbin von Fernholm und hätten die Wahl, wem Sie es späterhin einmal vermachen wollten!

Wie alt ist mein Onkel?" Die Frage kam schon rascher; ein neuer Gedanke, der sie ganz beschäftigte, schien sich ihrer bemächtigt zu haben.

Beinahe siebzig Jahre! Er war gut zwanzig Jahre älter als Ihre Mutter und bereits selbständig und von Hause sott, als sie zur Welt kam. Ihre Mutter war in Armut und Elend groß geworden und ließ sich schließlich von einem Schreib­lehrer, der in derselben Familie wie sie Unterricht gab, entführen."

Dann hat er also meine Mutter auch gar nicht gekannt!"

Kaum! denn er erinnert sich ihrer nur als kleines Kind. Später ging er

nach Frankreich und als er endlich wieder in den Besitz seines Vermögens gekommen, war jede Spur von ihr verloren."

Sie betrachtete ihn forschend, als sie ruhig, aber jede Silbe schwer betonend fragte:

Und sind Sie ganz sicher, daß Sie sich nicht in der Person geirrt haben? daß gerade ich die Gesuchte bin?"

Er hatte seine Fassung so vollständig wieder gewonnen, daß er sogar wieder lächeln konnte; es war ein überlegenes zuversichtliches Lächeln.

Ich bin meiner Sache vollkommen sicher und habe mir alle nötigen Doku­mente zu verschaffen gewußt, die selbst den größten Zweifler zufrieden zu stellen im Stande wären. Erstens die Trau- und Todesscheine Ihres Großvaters, sowie des emigrierten Marquis, femer den Geburts- und Trauschein Ihrer Mutter und schließ­lich den Geburts- und Todesschein Ihres Vaters. Außerdem habe ich die Spur Ihrer Mutter auf's Genaneste verfolgt durch alle Orte, die sie auf ihren Irrfahrten berührt, bis sie sich endlich hier in Rosendorf in einem kleinen Häuschen niedergelassen hat. Darf ich mir die Frage erlauben, wovon Sie hier gelebt haben?"

Schwere Thränentropfen verdunkelten Laura's Augen und rannen langsam über ihre bleichen Wangen.

Gelebt? Ich weiß nicht, ob man diesen Ausdruck anwenden darf für die Existenz, die wir führten", sagte sie mit einem tiefen Seufzer, beide Hände auf das Herz pressend.Manchesmal hatten wir Brot, aber noch viel häufiger hatten wir selbst nicht einmal das; denn meine Mutter hielt eine Art Dorfschule und nähte für die Leute. Wir hungerten und froren und wer weiß, was für ein Ende es noch ge­nommen hätte, wenn Gott uns nicht einen Freund zu Hilfe gesandt hätte, einen Freund, der"

Einen Freund?" wiederholte er gedehnt.

Ja, einen Freund! Einen achten, wahren Freund; der Besten Einen! O, wohl denen, die einen solchen Freund haben! O Gott! Und doch und doch! Nein, nein, führen Sie mich nicht in Versuchung; führen Sie mich nicht in Versuchung, sage ich Ihnen! Ich flehe Sie an, um Gottes Barmherzigkeit willen, führen Sie mich nicht in Versuchung!"

(Fortsetzung folgt.)