Aber den von Anfang bis zum Schluß ungestörten Verlauf des Festes konnte man auf allen Gesichtern lesen. Aber man hörte auch da und dort eine Unterhaltung über das schreckliche Unglück, das unsere Mitbürger im Unterlande betroffen. Die Festgenoffen werden gelegentlich der Sammlung für diese Leute beweisen, daß sie nicht blos fröhlich mit den Fröhlichen, sondern auch mitleidig mit den Unglücklichen sind. Ein nachhaltiger sozialer Hauptwerk solcher Feste aber liegt in der Verbreitung der allgemeinen Volksbildung einer- und in der versöhnenden und aufklärenden Vermischung der verschiedenen Stände und Erwerbszweige andererseits.
* Calw, 5. Juli. Gestern kam von Zavelstein her ein großer Zug Herren mit Fahne und Musik hier an und begab sich in den „Bad. Hof" zum Festessen. Wie man erfährt, waren es die Mitglieder des Stuttgarter Buchhandlungs-Gehilfenvereins „Ulk" der sein 30. Stiftungsfest beging. Es waren der Reichstagsabg. Galler als Mitgründer des Vereins, sowie viele Gäste aus Karlsruhe, Tübingen, Reutlingen und Nagold anwesend; nach dem mit ernsten und heiteren Toasten und von Mitgliedern gedichteten Festliedern gewürzten Essen, während welchem hübsche Erinnerungsgaben zur Verteilung gelangten, begaben sich die Teilnehmer nach Hirsau. Der Buchhändler- Verein hat alle 10 Jahre sein Stiftungsfest hier im „Bad. Hof."
Calw, 3. Juli. Mit dem gestrigen Tage ist ein verdienter städtischer Beamter in den Ruhestand getreten. In einer langen Reihe von Jahren hat Hr. Stadtpfleger Hayd das oft schwierige Amt der städtischen Finanzen verwaltet und hiebei eine rege Umsicht, reiche Erfahrung und praktischen Blick gezeigt. Die Interessen der Stadt wurden von ihm jederzeit aufs pünktlichste wahrgenommen und selbstlos besorgt. Dazu kam, daß der treue Beamte in freundlichster Weise mit der Bürgerschaft verkehrte und jedermann mit Rat und That an die Hand ging und daher auch allgemeiner Beliebtheit sich erfreute. Möge dem pflichttreuen Beamten noch eine lange Reihe schöner Jahre im Pensionsstande vergönnt sein.
Vollmaringen, 1. Juli. Seit Wochen erhalten die umliegenden Gemeinden reichen Gewitterregen, nur unsere Markung wurde davon nicht beglückt. Auch die folgenden Gewitter gingen fast spurlos an uns vorüber und große Trockenheit beängstigte die Gemüter. Der gestrige Tag und die letzte Nacht brachten uns endlich etwas notwendigen Regen und damit neue Hoffnung. Möge sich diese Hoffnung in einer reichlichen und glücklichen Ernte ^füllen.
Vaihingen a. F., 2. Juli. Gestern Nachm, stattete eine größere Anzahl von Abgeordneten der Leicht'schen Brauerei einen Besuch ab. Denselben hatte sich auch Oberst von Münzenmaier vom k. Kriegsministerium angeschloffen. Auch die ritter- schaftlichen Abgeordneten Frhr. v. Wöllwarth und v. Breitschwert hatten sich beteiligt. Präs. Payer war verhindert. Der Besuch galt nicht nur der Besichtigung der Brauereieinrichtungen, sondern auch der Pferde, die kürzlich Leicht aus Amerika mitbrachte. H. Leicht übernahm sofort in liebenswürdiger Weise die Führung durch sämtliche Brauereiräumlichkeiten. Zwei Stunden waren notwendig, um die nach allen Richtungen den gegenwärtigen Bedürf- niffen angepaßten Einrichtungen zu sehen. 350 Dampfpferdekräfte sind notwendig und vorhanden, um die maschinellen Betriebe in Gang zu halten. Nachher wurden die amerik. Pferde vorgesührt. Die Formen derselben sind jenen der Belgier ähnlich. Besonders den Pferden widmete Oberst v. Münzenmaier große Aufmerksamkeit. Schließlich lud Leicht seine Gäste zu einem Jmbis in seinen Privatgarten ein. Eine reich gedeckte Tafel erwartete die Herren. Verschiedene Trinksprüche wurden bei Bier und Wein ausgebracht. In höchst anziehender Weise führte Leicht seine Reike bilder aus Amerika vor. Er war des Lobes voll über das in Amerika Gesehene und Erlernte. Auch die Zuhörer nahmen aus den Erzählungen manches Nützliche mit nach Haus. Um 9 Uhr Abends wurde Vaihingen wieder verlassen.
Stuttgart, 29. Juni. Deutsche Fachausstellung für das Hotel- und Wirtschaftswesen, Kochkunst und verwandte Gewerbe, vom 15. bis 31. August. Die Zahl der Aussteller beträgt bis jetzt ca. 300, der verfügbare Raum in der Halle ist annähernd besetzt. Da jedoch der ganze freie Raum außerhalb der Gewerbehalle ebenfalls zur Verfügung steht und viele angemeldete Gegenstände sich mehr fürs Freie als den bedeckten Raum eignen, so kann in der Halle noch Platz geschaffen werden. — Der VerbandStag des Landesverbands der Wirte Württembergs wird am Montag 16. und Dienstag 17. August, der Bundestag Deutscher Gastwirte am 18. und die Generalversammlung der Bundrssterbekaffe am IS. August stattfinden. Di« Eröffnung der 4—6 Tag« währenden Kochkunstausstellungen soll gleich mit Eröffnung der Hauptausstellung am Samstag 14. August erfolgen.
Neuenbürg, 2. Juli. Heute vormittag fand auf dem Turnplatz chie jährliche staatlich« Bezirks- Rindviehschau statt, zu welcher 7 Farren und 18 Kühe, durchaus Rot- und Fleckvieh, zugrführt wurd«,.
Als Preisrichter fungierten die Herren Oekonomierat Fecht-Stuttgart, Landw.-Jnsp. Hornberger-Rott- weil, Gutsbesitzer Walter-Aach und Rößleswirt Ruosf-Spielberg. Das Ergebnis der Schau blieb hinter demjenigen des Vorjahrs zurück, ist aber immer noch befriedigend. Der Vorsitzende des Preisgerichts ermahnte die anwesenden Landwirte beim Einkauf mehr auf Rasse-Reinheit zu sehen und den Hauptwerk auf die Nachzucht zu legen.
Neuenbürg, 2. Juli. Während eines in vergangener Nacht ausgebrochenen Gewitters in dem benachbarten badischen Orte Dillstein wurden durch Blitzschlag 2 Gebäude eingeäschert.
Ludwigsburg, 1. Juli. Auf den unter dem 14. d. Mts. vom hies. Gemeinderat erlassenen Aufruf um Bewerbung für die in Erledigung gekommene Stadtschultheißenstelle, hat sich bei dem 14tägigen Meldetermin nur ein einziger Kandidat und zwar Herr Rechtsanwalt Dr. Hartenstein aus Cannstatt gemeldet.
.'. Balingen, 2. Juli. Außer den bereits berichteten Gemeinden sind noch schwer betroffen die Markungen Bronnhaupten und Streichen. Auf der ersteren Markung sind namentlich Roggen, Dinkel und Reps, auch ein Teil Ackerbohnen vernichtet worden.
Obertürkheim, 2. Juli. Gestern Nachm, zwifchen 2 und 3 Uhr ging hier und in Ulbach, ja bis über die Höhe der Katharinenlinde ein Gewitter mit wolkenbruchartigen Entleerungen nieder. Der kleine Ortsbach, von Ulbach kommend, glich bald einem reißenden Strom. In der Kleemann'schen Fabrik soll bedeutender Schaden entstanden sein. In den Weinbergen hatte das Wasser eine Menge Erde abgeflößt ; auch an den Häusern, Obstbäumen rc. zeigten sich die Spuren des Unwetters. In der Richtung gegen Mettingen soll nach Aussage von Augenzeugen noch nach mehreren Stunden ganze Abschnitte von Bohnen, Kartoffeln, Klee rc. unter Wasser gestanden sein.
.'. Ehingen, 3. Juli. Seit 40 Minuten werden wir von einem furchtbaren Hagelwetter heimgesucht. Viele Hundert Scheiben find eingeschlagen, die Gartengewächse total zerstört, mehrere Straßen in reißende Bäche verwandelt. Der Schaden an Bäumen und auf den Feldern läßt sich noch nicht übersehen, doch ist derselbe groß. Da die Schmiech über ihre Ufer getreten und das sonst klare Wasser wie dicker Kaffeesatz daherkommt, läßt sich vermuten, daß auch auf den Markungen Allmendingen, Schmiechen-Hütten und Gundershofen das Unwetter zerstörend gewirkt hat.
Aus dem Oberamt Gerabronn, 4. Juli. In Reichertswiesen bei Bartenstein brannte gestern Nacht infolge Blitzschlags eine Scheuer ab.
Der Verein württ. Körperschaftsbeamten IM seine Landesversammlung am 19. Juli in Heilbronn ab. Auf der Tagesordnung stehen außer dem allgemein geschäftlichen Teile drei Referate: 1. Das Besteuerungsrecht der Gemeinden. 2. Die Grund- Imchführung in Württemberg nach Einführung des lürgerl. Gesetzbuchs. 3. Die periodischen Ortsvorsteherwahlen.
Pforzheim, 30.Juni. Die aufs Aeußerste gesteigerte Bauthätigkeit im vergangenen und in diesem Jahr macht sich in ihren Konsequenzen bereits bemerkbar. Während vor einem halben Jahre noch Neubauten auf Grund des Bauplanes vermietet worden waren, giebt es jetzt manche fertiggestellte Bauten, namentlich in entlegeneren Stadtteilen, die noch gar nicht, oder erst teilweise vermietet sind. Wenn erst im Laufe des Sommers die vielen in Angriff genommenen Gebäude beziehbar geworden sind, so werden verschiedene Bauunternehmer sich in ihren Erwartungen getäuscht sehen.
Nürnberg, 1. Juli. Die Stadt rüstet sich zum Empfang der Festgäste für das deutsche Schützenfest. Schon werden an manchen Häusern die Dekorationsgegenstände angebracht und es ist nicht zu zweifeln, daß die alte Noris in reichem Festgewande erscheinen wird. Sammler von Postkarten machen wir darauf aufmerksam, daß die bayrische Postbehörde Postkarten für das Schützenfest anfertigen ließ, die nicht mit den auf Privatweg hergestellten Postkarten zu verwechseln sind.
Halle. Wie die „Kreuzz." hört, besteht die Absicht, an den preuß. Universitäten in weiterem Umfange als bisher Schulpädagogik durch Dozenten lehren zu lassen, die selbst im praktischen Schuldienst gestanden haben. Zunächst soll in Halle eine außerordentliche Honorarproseffur dafür errichtet werden. Es ist wohl anzunehmen, schreibt da- Blatt, daß der Direktor der Francke'schen Stiftungen, der um das höhere Schulwesen praktisch wie litterarisch verdiente Dr. Fries, für diese Stell« in Aussicht genommen ist.
Köln, 3. Juli. Wie der „Köln. Ztg." aus Konstantinopel gemeldet wird, drückte der Sultan dem deutschen Botschafter wegen des Untergänge- des deutschen Schiffes Reindrck sein Beileid aus. Der Marineminister wurde angewiesen, eine etwaige Hebung des Schiffes mit allen Mitteln zu unterstützen.
Dr«iGeistlichederhännöversch.Landeskirche sind dieser Tage ihrer Armter entsetzt worden. Dom
Konsistorium in Hannover wurde anläßlich des hundertjährigen Geburtstages Kaiser Wilhelm I. Läuten der Glocken und Gebet angeordnet. Eine Anzahl evangelischer Geistlicher der Provinz gehorchte in welfischem Fanatismus dem Gebot des Konsistoriums nicht. Das Konsistorium hat nun die drei Geistlichen, welche der Anordnung nicht Folge geleistet und erklärt hatten, für einen König, der 1866 das Hannoverland annektiert habe, kein Gebet leisten zu können und auch keine Geläute anordnen zu wollen, vor ein aus Mitgliedern des Konsistoriums gebildetes Gericht gestellt. Es waren das die Geistlichen Pastor Wendebourg in Kl.-Mahner, Pastor Wendebourg in Gr.-Elbe und Pastor Schlömer in Grasdorf. Gegen diese drei renitenten Geistlichen, die auch nicht die geringste Garantie geben wollten, daß sie in Zukunft bei patriotischen Anlässen den Anordnungen der Vorgesetzten Behörde Nachkommen würden, hat letztere nunmehr die erwähnte Strafe ausgesprochen.
Berlin, 1. Juli. Wie das „Volk" meldet, weigerte sich Reichskanzler Fürst Hohenlohe, die Ernennung des Herrn v. Podbielsky zum Staatssekretär des Reichspostamts zu unterzeichnen.
Berlin, 2. Juli. Heute vormittag verabschiedete sich der bisherige Staatssekretär v. Bötticher im Festsaale des Reichsamts des Innern von den Reffort- beamten in einer längeren, warmen Ansprache, worin er betonte, wie schwer ihm der Abschied aus dem Staatsdienst und von seinen Mitarbeitern falle und stellte Graf Posadowsky vor. Darauf verabschiedete sich v. Bötticher in der Bundesratsitzung.
Berlin, 2. Juli. Der „Reichsanzeiger" meldetr Der Kaiser richtete aus Kiel vom 1. ds. Mts. ein Handschreiben an den früheren Staatssekretär ». Bötticher, worin er seinen besonderen Dank für die hingebende Treue ausdrückte, womit Bötticher seine verantwortungsvollen Aemter so erfolgreich verwaltete. Das Schreiben fährt fort: Ich beabsichtige, Ihre bewährte Kraft im Staatsdienst zu verwerten und hoffe, daß sie mir und dem Vaterland noch lange Ihre hervorragenden Dienste widmen.
Berlin. Die Auflösung des Zirkus Renz soll nach dem „Lok.-Anz." beschlossen sein. Franz Renz teilte am Mittwoch in Hamburg dem Zirkuspersonal mit, daß die Auflösung des Zirkus im Spätsommer erfolgen werde, am 31. Juli, zu welchem Tage dem gesamten Personal gekündigt worden ist. Franz Renz beabsichtigt, sich ins Privatleben zurückzuziehen.
Berlin. Der Norddeutsche Lloyd in Bremen wird neben seiner vorjährigen Verbindung nach Norderney in diesem Jahre auch seine früher unterhaltene Linie zwischen Bremerhaven und Helgoland wieder aufnehmen. Der Norddeutsche Lloyd hat für seine Helgoländer Fahrt einen neuen Doppelschraubendampfer „Seeadler" bauen lassen. Die Linie des Norddeutschen Lloyd nach Helgoland gehörte zu einer der beliebtesten Verbindungen mit unserem jungen Eilande und dürfte auch in dieser Saison durch die Einstellung des neuen Dampfers sich rasch wieder neue Freunde gewinnen. Der „Seeadler", 50 m lang, 8 m breit und 4,6 m tief, ist ein selbst für das schwerste Wetter gebauter Seedampfer I. Ranges. Das Schiff ist in gleicher Weise wie die in der Fahrt nach Norderney beschäftigten Dampfer „Najade,, und „Lachs" mit allen Bequemlichkeiten, großen Promenadendeck, oberen und unteren Salons u. s. w. ausgestattet und besitzt ungewöhnlich kräftige Maschinen von zusammen etwa 1000 Pferdekräften, womit das Schiff eine Geschwindigkeit von ca. 15 Meilen pro Stunde erreichen soll. Ganz hervorragend sind die Sicherheitseinrichtungen des Schiffes, außer einem Doppelboden sind 9 wasserdichte Querschotte vorhanden, sodaß bei diesem Dampfer in jeder Weise die denkbar größte Sicherheit geboten ist. Der Dampfer „Seeadler" hat mit Beginn der Saison nach den Nordseebädern am 1. Juli seine täglichen Fahrten von Bremerhaven nach und von Helgoland ausgenommen.
Kiel, 2. Juli. Das Kaiserpaar nahm gestern abend den Thee auf der „Hohenzollern" ein, wobei der König der Belgier erstmalig in deutscher Admiralsuniform, ferner Prinz Heinrich und zahlreiche Fürstlichkeiten und Notabilitäten anwesend waren. Abends 9'/ü Uhr verabschiedete sich der König der Belgier und verließ auf der Dampfyacht „Clemine" unter Flottensalut und Hurahs den Hafen.
Ausland.
ff Die Polizeibehörden in Böhmen gehen fortgesetzt „stramm" gegen das Deutschtum in diesem Kronlande vor, wie erst zunächst wieder das Verbot des in Aussig geplant gewesenen Bundesfester des Bundes der Deutschböhmen und der Auflösung des deutsch-nationalen Parteitages in Asch beweisen. Auch den Sympathie-Kundgebungen von reich-deutscher Seite für die deutschen Stamme-aenoffen in Böhmen suchen dir k. k. Behörde« nach Kräften «ntgegenzu-
Entziehungdes Postdebitsfür diein Berlin «rscheinende« „Alldeutschen Blätt«" für ga«, Oesterreich. Offenbar