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Amts- und Intelligertz-Waü flir den Oberamts-Bezirk Nagold.

Erscheint Montag, Mittwoch, Donnerstag und LamStag. Preis vierteljährlich hier mit Lrägerloh» SO m dem Bezirk 1 ^ außerhalb deS BezjxtS 1 .<L 20 ^ Monats-Abonnements nach Verhältnis. Insertions-Gebühr für die Ispaltige Zeile auS gewöhnlicher Schrift bei einmaliger Einrückung S bei mehrmaliger je « -s.

103.

Nagold, Montag den 5. Juli

1SS7.

Die Schulstelle in Oberje singen. Bez. Herrenberg, wurde dem Schullehrer Gehr in Frutenhof, Bez. Freuden- stadt-Pfalzgrafemveiler übertragen. _

Orkan im württ. Unterland.

Neckarsulm. 2. Juli. In Ergänzung unseres Berichts in letzter Nummer wird uns noch folgendes mitgeteilt: Das gestrige schwere Gewitter mit starkem Hagelschlag vernichtete unfern ganzen Weinbau, die Feld- und Gartengewächse, wie über­haupt die gesamte Ernte. Der Jammer ist ent­setzlich. Der Schaden an der Fahrradfabrik beläuft sich auf ca. 35,000 Ganze Scheuern wurden in Trümmerhaufen verwandelt. Der Schaden ist enorm.

Erlenbach, O.-A. Neckarsulm, 2. Juli. Die vorletzte Nacht vernichtete unsere Herbstaussichten vollständig. Der Schaden beträgt ca. 500 000 Es herrschte große Wassersgefahr, indem die Sulm 3 Fuß hoch durch den Ort strömte. Die Feuerwehr wurde alarmiert. Weingärtner Biehl wäre beinahe im Stalle samt seinem Vieh, welches er flüchten wollte, ertrunken. Die Wasserflut drückte die Mauer des Stalles hinein, so daß er bis an den Mund im Wasser stand, bis endlich seine Hilferufe gehört wurden und er gerettet werden konnte. Viele Obst­bäume sind entwurzelt oder sonst schwer durch den Hagel beschädigt. Die Feldfrüchte sind vernichtet.

.'. Ebersladt, 2. Juli. Eine Schreckens­nacht, wie sie noch niemand erlebte, liegt hinter uns und vor uns Elend und Not. Um ^l Uhr brach ein Hagelsiurm über unsere Fluren herein, der alles verheerte. Die Bäume liegen zu Boden, was steht ist entblättert und der Früchte beraubt, die Halmfrüchte sind zerhackt, Kartoffeln und Wurzel­gewächse aus dem Boden gerissen, die Weinberge zerstört, Dächer und Häuser durchlöchert, und abge­deckt, alle westlich gelegenen Fenster zertrümmert. Jammer und Elend überall. Die Schloffen fielen in der Größe von Hühnereiern. Man glaubte im Wüten des Sturmes, und im Prasseln des Hagels, der 15 Minuten dauerte, den jüngsten Tag gekommen.

.'. Schwabbach, 2. Juli. Eine Schreckens­nacht liegt hinter uns, das die ältesten Leute hier noch nicht erlebt haben. Um 1 Uhr zog ein Gewitter von Brettach-Siebeneich kommend über unsern Ort und Markung mit Blitz und Donner und Sturm, zuerst mit Regen, dann folgte ein 20 Minuten langer Hagel in der Größe von Tauben- und Hühnereiern. Ziegel und Fensterscheiben bedecken die Straßen. Die Schlossen kamen in die Wohn- und Schlafzimmer. Das Bächlein, von Siebeneich kommend, glich einem See, Holz und was in den Weg kam mit sich führend. Im unteren Teile des Orts mußten Schweine und Vieh gerettet werden. Die Weinberge gleichen einer Winterlandschaft. Die Feldfrüchte sind total zu­sammengeschlagen, Bäume liegen zu Dutzenden auf

Straßen und Feldern, der Schaden ist nicht zu über­sehen. Tote Hasen wurden hieher gebracht. Die Kiesel liegen noch haufenweise zusammengeschoben.

.'. Hohl enstein OA. Neresheim, 4. Juli. Vorgestern nachmittag wurde unsere Ortschaft durch ein schweres Gewitter heimgesucht. Der Blitz schlug in das Wohnhaus des Bauern Schrezenmaier ein und entzündete dasselbe. Der Sturm begünstigte das Feuer und verursuchte das Umsichgreifen des­selben bei weiteren 3 Gebäuden. Sämtliche vier Gebäude sind nun auch in kurzer Zeit vollständig eingeäschert worden.

Wiirttembergischer Ka«d1ag.

Stuttgart, 1. Juli. In der gestrigen Sitzung der Kammer der Abgeordneten wurde die Beratung des Steuer­gesetzes fortgesetzt und in der heutigen Sitzung vollends beendigt. Beim letzten Artikel (71) gaben Vizepräsident Dr. Kiene, Haußmann-Balingen und v. Geß namenS ihrer Fraktionen die Erklärung ab, daß sie dem Gesetz nur zustimmen werden unter der schon bei der Generaldebatte angenommenen Voraussetzung, daß die staatlichen Ertrags­steuern nur noch wenige Jahre bestehen bleiben. Eine Debatte erhob sich sodann noch über den Schlußantrag der Kommission, die Voraussetzung auszusprechen, daß mit dem Inkrafttreten des staatlichen Einkommenssteuergesetzes die bestehende Wohnsteuer im Weg der Reform der Komunalsteuergesetzgebung entweder abgeschafft oder min­destens auf den Betrag von 1 ^ ermäßigt werde. Der Staatsminister des Innern von Pischrk erhob Widerspruch dagegen, daß der Entscheid über diese wichtige Frage der Kommunalbesteuerung so kurzer Hand vorgegriffen werde. Bei der Abstimmung wurden zunächst die Wortemindestens auf den Betrag von 1 gestrichen. Dann wurde die Resolution mit 42 gegen 34 Stimmen angenommen. Die verneinenden Stimmen gingen, wie Frhr. von Ow zuvor ohne Wider­spruch erklärt hatte, davon aus, daß die Frage in diesem Stadium nicht entschieden werden, sondern der künftigen Beratung des Kummalsteuergesetzes Vorbehalten werden sollte. Nachdem noch die zum Einkommensteuergesetz eingelaufenen Eingaben für erledigt erklärt waren, sprach Präsident Payer den Berichterstattern und der Kommission den ausdrücklichen Dank des Hauses aus für ihre außer­ordentliche Mühewaltung. Es folgte die Beratung des Antrags v. Hermann und Genoffen betr. die Revision der Musterschätzungen zur Grundsteuerveranlagung, der Antrag wurde mit einigen von Gröber vorgeschlagenen Aenderungen angenommen. Morgen erfolgt Schluß der Tagung, nachdem noch die Endabstimmung über das Ein­kommensteuergesetz und die Wahl einer lögliedrigen Ver­fassungskommission vorgenommen sein wird.

Tages-Weuigkeiten.

Deutsches Reich.

^Vlä. Nagold, 4. Juli. Ein Volksfest auf demKühlenberg". Ein solches feierte in der That die Versammlung, zu welcher der hiesige Schwarzwald-Bezirksverein Gäste aus Nah und Fern auf heute Nachmittag auf diesen Aussichtsplatz der Markung Emmingen eingeladen hatte. Ueber Sonnen­hitze und Schwüle hatte man heute nicht zu klagen, aber ebensowenig über Regen. Eine frische Luft machte dem Namen dieses Platzes alle Ehre. Wem

solche zu scharf war, der konnte sich in die geräu« mige, sehr praktisch erbaute, Schutzhütte zurückziehen. Viele Festbesucher hatten den Weg ganz zu Fuß gemacht. Immerhin waren es aber wohl 200 Natur­freunde nur aus Nagold, die, durch zahlreiche weib­liche Jugend geschmückt, zunächst auf der Eisenbahn nach Emmingen fuhren, und dann, unsre städtische Musik voran, in stattlichem Zuge durch den hübsch und sinnig von Herrn Werkmeister Vogt (der den dortigen Pfarrhausbau zu leiten hat) und den Herrn Lehrern Vogel und Walz dekorierten Ort, und, noch überrascht durch eine Begrüßungsansprache des Herrn Vogel, von dort durch den neuen bequemen Fußweg im Emmjnger Gemeindewald dem Fest­platze zuzogen. Auf dem in solcher Masse eher zu riskierenden Weg der Selbsthilfe bewegte sich der Zug vom Walde aus auf einem direkt dem Ziele zuführenden, leider noch nicht berechtigten, aber schon bisher benützten und durch Pachtzins noch zu erwerbenden, Fußweg vollends auf den Festplatz. Dort luden 4 Emminger Gastwirte, mit guten Ge­tränken und Eßwaren, Tischen und Bänken ausgerüstet, zum Ausruhen und Durstlöschen ein. Doch mußten von den auf mindestens 1200 Köpfe geschätzten Fest­teilnehmern viele sich wenigstens zeitweise mit Steh­schoppen begnügen. Zu der bald herrschenden Feststimmung haben die zwei Liederkränze von Nagold und Emmingen durch paffende Lieder, die Nagolder Musik, die Tänze der Jugend von Stadt und Land, und besonders auch die zündende Festrede unseres verdienten Vereinsvorstands, des Hrn. Stadtschultheiß Brodbeck von Nagold beigetragen. Derselbe dankte in erster Linie der Gemeinde Emmingen für ihre Opfer an Holz. Platz und Geld zur Ausführung dieser Anlage, und denjenigen, welchen die Ausführung derselben oblag. Das Meiste leisteten hiebei Herr Werkmeister Vogt, Herr Stadtbaumeister Schell und Herr Fabrikant Finckh von Nagold, welch letzterer besonders auch die weithin sichtbare deutsche Fahne für diesen Aussichtsplatz stiftete. Der Festredner betonte dann noch besonders den hohen Wert solcher Anlagen für die Pflege der Liebe zur Heimat, der Naturfreude und der Geselligkeit, stellte noch weitere ähnliche Anlagen für unsre Gegend in Aus­sicht und bat um allseitige Unterstützung unsrer Vereinsbestrebungen. Zwei Sammler aber, dis man nicht besser hätte auswählen können, verstanden es meisterhaft, die Festgenoffen zu bewegen, die Bitte des Festredners sofort in That umzusetzen. Haben sie doch inkurz. Zeit 150°^, vorläufigzu einem Aussichts­turm für den Kühlenberg, zusammengefochten! Akro­batenkünste und Aufführungen eines Casperlestheaters vervollständigten das Bild eines Volksfestes. Der Haupt­wert dieser Anlage besteht aber in den für die Dauer dort aufgestellten Orientierungstafeln, mittelst deren man fast alle wichtigeren Berge der Alb und des Schwarz­walds leicht aufzufinden vermag. Die Befriedigung

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Der eingeschriebene Brief.

Erzählung von Gustav Höcker.

S) (Fortsetzung.) (Nachdr. verb.)

Oswald stand einige Minuten wie niedergeschmet­tert. Vor Allem beschäftigte ihn die Frage: wie kam jener Brief in den Besitz des Fremden, jener Brief, den einst Oswalds Vater an seine Schwester geschrieben hatte? Er beschloß, sofort nach der Haupt­stadt zu reisen und die Tante darüber zu befragen, ob sie den Brief freiwillig aus der Hand gegeben hatte, oder ob er ihr gestohlen worden war. Seiner Frau teilte er nur mit, daß er eiligst nach der Hauptstadt reisen müsse.

Solltest Du etwa zu Deiner Tante Mosevius wollen ?" riet Mary unter einem beklommenem Seufzer. Ich bitte Dich, setze Dich keiner neuen Demütigung aus. Schon bei Deiner Rückkehr von Amerika nahm sie Deinen Besuch nicht an."

Damals ließ ich mich leicht abweisen, weil es sich um einen Höflichkeitsbesuch handelte," antwortete der Gatte, 8er bereits mit seinen kleinen Reisevor­bereitungen beschäftigt war,diesmal liegt die Sache anders und ich werde mir nötigenfalls den Zutritt zu ihr erzwingen. Sie muß mich anhören!"

Oswald.war so aufgeregt, daß Mary ihn nicht mit Fragen zu bestürmen wagte. Nach wenigen Minuten eilte er zum Bahnhofe, die Gattin in tiefer Bekümmernis zurücklafsend.

3. Kapitel.

Frau Mosevius, die Schwester von Oswalds Vater, hatte von ihrem Gatten, der schon seit zwanzig Jahren tot war, ein bedeutendes Vermögen geerbt. Sie war eine sehr strenge und geizige Frau.

Im Vorzimmer dieser alten Dame finden wir unsern Zahnarzt wartend, nachdem er sich durch eine Dienerin hatte anmelden lassen. Sie kehrte zurück mit der Botschaft, Frau Mosevius besitze keinen Neffen des Namens Oswald Brandt und sei nicht zu sprechen. Oswald hatte diese Antwort, die er früher schon einmal in demselben Vorzimmer erhalten, vorher gewußt. Entschlossen klopfte er jetzt an die verbotene Thür, die Dienerin bei Seite schiebend, und da keinHerein!" erfolgte, so trat er ohne Weiteres ein. Frau Mosevius erhob sich erzürnt von dem Sopha und deutete gebieterisch nach der Thür.

Verzeihung, Tante, aber ich muß mit Ihnen sprechen," begann Oswald.Ich bin nicht mehr der Alte; die Reue hat mich längst auf bessere Wege geführt, und der Einfluß eines sehr edlen Mädchens, das meine Gattin geworden ist, hat weine Besser­ung vollendet."

So, so," Sntgegnete Frau Mosevius spöttisch, ein edles Mädchen ist Ihre Gattin geworden? Natürlich ahnt sie nichts von Ihrer Vergangenheit und ist also von Ihnen hintergangen worden."

Noch ehe. ich um ihre Hand warb, bekannte ich ihr aufrichtig meine Schuld."

Ein Mädchen, welches einem Verbrecher wissent­lich die Hand reicht, kann selbst nicht viel besser sein, als dieser," versetzte in strengem Tone die alte Dame.

Tante," rief Oswald zusammenzuckend.

Ja ich sage es noch einmal: Sie sind ein Ver­brecher. Wenn Sie als solcher nicht vor der Welt entlarvt und vor Gericht gezogen wurden, so haben Sie das nur mir zu verdanken. Was ich gethan habe, that ich freilich nicht um Ihretwillen, sondern nur, um Ihren Vater, meinen armen Bruder, vor der Schande des Sohnes zu bewahren. Ich knüpfte meine Hilfe an die Bedingung, daß Ihr Vater Sie sofort nach Amerika schicke und Ihnen niemals ge­statte, wieder zurückzukehren. Er versprach es mir hoch und heilig. Daß Sie dennoch wieder hier sind und das Wort eines teueren Toten so wenig ehren, ist wahrlich kein Beweis von Ihrer Besserung!"

Es zog mich in die Heimat zurück, die ich als einer, welcher sein Jugendverbrechen bereut, dafür gebüßt und sich gebessert hat, wohl betreten durste."

Ohne diese Rechtfertigung zu beachten, fuhr die alte Dame in ihren Vorwürfen fort:Sie haben sich in Amerika beeilt, eine eigene Familie zu gründen, anstatt ihr Leben der Aufgabe zu widmen, Ihrem Vater die Last abzunehmen, welche Sie ihm aufgebürdel haben."

Ich habe ihm wiederholt Geld geschickt, aber er wies es stets freundlich zurück."

(Fortsetzung folgt.)