322

an Huldigungen nicht fehlen: aus allen Bahnstationen wurden von den mit der Patriotenliga verbundenen Vereinen Kundgebungen für ihn gemacht.

Gages-Weirigkeiten.

Calw, 11. Juli. Am gestrigen Sonntag machte die Museums­gesellschaft einen Ausflug auf die Ruine Waldeck, wohin man von der Station Teinach in einer schwachen halben Stunde gelangen kann. Da der Himmel sich ziemlich bedeckt hielt, so war man beim Aufstieg von wenig Hitze belästigt und der zeitweilig in recht reservierter Weise niedergehende Regen konnte die heitere Stimmung der Gesellschaft durchaus nicht stören; das wenige legte den Staub und diente überall zur Erfrischung. Für die Restauration war durch Hrn. Stotz zur Thalmühle vortrefflich gesorgt; nicht nur gutes Bier war in genügendem Quantum vorhanden, auch der mit Eis kühl gehaltene Wein, weißer und roter, ließ nichts zu wünschen übrig, dazu noch vortrefflicher Schinken und auch Erdbeerbowle gab es. War dies schon geeignet die vergnügliche Stimmung zu erhöhen, so sorgte noch die Calwer Stadtmusik, daß auch getanzt werden konnte, welche Ge­legenheit trotz des unebenen Bodens nicht unbenützt gelaffen wurde. Wie wir hören, wird am nächsten Sonntag die Bürgergesellschaft ebenfalls die Ruine Waldeck zum Ziel ihres Ausflugs machen.

* Hirsau, 10. Juli. Heute wurde hier das Gauturnfest des Nagoldgaues unter großer Beteiligung gefeiert. Böllerschüsse kündigten am frühen Morgen die Bedeutung des Tages an. Im Verlauf des Vormittags trafen einige Hundert dem Gau angehörige Turner ein, und ebenso durften wir eine stattliche Anzahl von nicht dem Gau angehörigen Turnern, besonders Pforzheimer, begrüßen. Um halb zwei Uhr bewegte sich der für unsere Verhältnisse großartige Festzug mit Musik durch die im Fest­gewand prangenden Straßen Hirsaus, um in den Gärten unmittelbar neben den Klosterruinen Halt zu machen und dort alsdann die Turnübungen vorzunehmen. Zum Anfang wurde das Lied: Brüder, reicht die Hand zum Bunde! gemeinschaftlich gesungen. Hierauf folgte die Begrüßungs­rede des Vorstandes des Hirsauer Turnvereins, Th. Ferb er; in der­selben betonte er, daß ein Jammer, von welchem unsere Klosterruinen jetzt noch zeugen, nie mehr über uns kommen könne, wenn die edle Turnersache nie mehr über uns kommen könne, wenn die edle Turnersache auch in Zukunft mit Eifer gepflegt werde; denn die gutgeschulten Turner werden zu jeder Zeit einen starken Schutzwall bilden um das liebe deutsche Vaterland. Hierauf begannen die Uebungen mit Stabturnen einer hiesigen Schüler­abteilung ; jeder Zuschauer mußte die Raschheit und Pünktlichkeit, mit der die Bewegungen ausgeführt wurden, bewundern, und reicher Beifall wurde der jugendlichen Schar und ihrem Lehrer gezollt. Nach ihnen rüsteten sich die Preisturner zum Wettkampfe; die Produktionen am Barren und Reck, beim Hochsprung und Steinstoßen rissen jedermann zur Bewunderung hin, und folgende Sieger konnten mit Preisen bedacht werden: 1) Georgii von Calw, 2) Fischer von Nagold, 3) Bauer von Neuenbürg, 4) Koch von Calw, 5) Pfrommer von Calw, 6) Schneider von Alten­steig, 7) Ruckgab er von Nagold, 8) Ammer von Nagold und d) Hon old von Calw. Jeder dieser Sieger wurde von den Fest­jungfrauen mit einer paffenden Ansprache und mit einem Ehrenkranz erfreut. Auch 8 Turnerzöglingen konnten Diplome überreicht werden, und ebenso wurden 6 nicht dem Gau angehörige Turner, sämtlich aus Pforzheim, mit Diplomen und Kränzen beglückt. Zum Schluß ermahnte des Vorstand des Gauturnbundes, E. Georgii von Calw, in beredter Weise die mit Auszeichnung bedachten Turner zu weiterem Eifer in der Sache, und denen, bei welchen es noch zu keinem Preise gereicht hatte, gab er den Trost:Es ist keine Krone zu fest und hoch, der mutige Springer erreicht sie doch." Zur Verherrlichung des Tages trugen die vortrefflichen Leistungen der Tüb­inger Militärkapelle vieles bei. Möchten einige kleinere Unfälle, die den gar zu eifrigen Turnern passierten, keine bleibenden Nachteile haben und möchten die durchlebten Feststunden allen Teilnehmern in freundlicher Erinnerung bleiben!

Fellbach, 7. Juli. Gestern von Abends 6 Uhr an war unser Ort und der Umkreis von einer halben Stunde der Schauplatz militärischer Uebungen. Es wurden nemlich von einer Compagnie Infanterie vom 7.

Regiment und einer Eskadron Ulanen auf den Land- und Ortsstraßen wie in den verschiedenen Feldwegen Patrouillendienst abgehalten, wobei mehrmals Zusammenstöße stattfanden, die sich durch Einzel- und Schnellfeuer kundgaben. Nachts gegen 10 Uhr waren die Uebungen, welche eine große Zuschauer­menge angelockt hatten, zu Ende, worauf die Mannschaften in ihre Garnison zurückkehrten.

Tuttlingen, 7. Juli. Dieser Tage kamen hier einige Unglücks­fälle vor. Vorgestern fielen zwei an einem Hause beschäftigte Arbeiter, ein Maurer und ein Zimmermann, von dem Gerüste herab. Der Maurer erlitt am Rückenmark eine schwere Verletzung, während der Zimmerman gelinder davonkam. Gestern wurde ein Fuhrknecht von einem mit Holz beladenen Wagen so unglücklich überfahren, daß ein Fuß zweimal gebrochen und noch bedeutend zersplittert wurde, was wohl eine Ampution herbeiführen wird. Endlich fiel gestern eine Frau, die mit Fensterabreiben beschäftigt war, so unglücklich, daß sie einen Armbruch erlitt.

Welzheim, 7. Juli. Der Bauschenbauer Georg Bareiß fuhr letzten Sonntag abend mit seiner Schwägerin und einigen Kindern von hier aus auf einem sog. Bernerwägele nach Hause. Seine Gewohnheit, rascher als sonst üblich zu fahren, sollte ihm verderblich werden. Die sehr an­gefeuerten Pferde warfen das Gefährt um und sämtliche Insassen zu Boden, wobei Bareiß schwer verletzt wurde. Heute früh ist der 42jährige lebens­frohe Mann zum großen Kummer der Seinigen verschieden.

Vom Rhein, 4. Juli. Die Traubenblüte nähert sich jetzt im Rhein­gau und in den rheinhessischen Weinorten allgemein ihrem Ende. Durch kühle Nächte ist in manchen Lagen, auch im Rüdesheimer Berg und von da auf­wärts bis in die Geisenheimer Gemarken, der Sauerwurm schädlich auf­getreten. Im ganzen hat aber der Umschlag im Wetter der Ausbreitung des Ungeziefers Schranken gesetzt und die Hoffnung der Winzer auf einen guten, wenn auch nicht vollen Herbst belebt. Die Gescheine, mäßig an Zahl, aber groß und stark, entwickeln sich täglich schöner.

Frankfurt a. M., 7. Juli. Das Schützenfest hat sich dies­mal wesentlich als ein Fest gestaltet, das Frankfurt und Umgebung sich selbst giebt. Die fremden Schützen waren, besonders aus dem Norden, in geringerer Anzahl erschienen, als 1862, während die Bevölkerung von Stadt und Gegend sich seitdem fast verdoppelt hat. Besonders die Schweizer waren durch das eigene Schützenfest (Ende Juli) abgehalten, von den fremden Schützen haben seit vorgestern viele die Stadt schon wieder verlassen. Schon eine Woche vor dein eigentlichen Beginn des Festes war, begünstigt durch das herrliche Wetter, das Jahrmarktstreiben mit Musik, Sehenswürdigkeiten, Trinkhallen rc. in vollem Gang. Das Wetter ist seitdem, bis auf den Kün­digen Regenguß am Dienstag nachmittag, günstig geblieben, die übermäßige Hitze, welche den Festzug am Sonntag so sehr beeinträchtigte, ist abgekühlt und so bleibt in den Abendstunden der Zudrang gleich kolossal. Der Gaben­tempel mit den reichen Preisen und der Aussichtsturm können nur in den Vormittagsstunden bequem besichtigt werden, ohne zu großes Gedränge. Mit dem Aussichtsturm hat es eine eigene Bewandtnis. Zur Aufstellung der Halle hatte man das Gerüst benützt, welches bei dem Bau des Zentralbahn­hofes gebraucht worden war. Da das Gerüst auch beim Abbruch der Fest­lichkeiten wieder benützt werden sollte, so blieb es stehen und zwar an einer Stelle, wo es die Aussicht verdeckte, die man von der Galerie der Festhalle auf die Stadt hat. Deshalb hat man das Gerüst selbst durch Anbringung einer Treppe zum Aussichtspunkt umgeschaffen. Man sieht nach Süden, hinter den Baumgruppen des v. Holzhausen'schen Parks, die Stadt mit ihren Türmen, der Börse, dem Opernhaus und dem Zentralbahnhof, im Norden den Taunus in seiner ganzen Ausdehnung. Aber wenn es auch in den Vormittagsstunden verhältnismäßig leer ist auf dem Festplatz, eins bleibt, Dauer im Wechsel: das ist der Zuspruch in der bayrischen Gebirgs- schenke. Hier ist zu keiner Tageszeit in der Halle Platz zu finden und zu jeder Stunde werden zu dem BierKraut mit Würstl" genossen. Merkwürdig ist, wie Frankfurt sichvermünchert", um ein neues Wort zu bilden. Der Kunst, des Bieres und der Gegend wegen war Jedermann einmal in München, alle berühmten MünchnerBräue" haben ihre Vertretung hier und so reißt z. B. die Veränderung des in unserem Dialekt liegendenbrauen" inbräuen" allgemein ein. Bereits liest man auf der Bierhalle der großen

Feuilleton. «Nachdruck »rrd-tm.,

tzin Experiment.

Aach dem Französischen des Grafen Villiers de l'Jsle-Adam mitgeteilt von Hermann Sprecher.

(Fortsetzung.)

Ich glaube das nicht, erwiederte Velpeau; vielmehr bin ich der festen Ueber- zeugung, welche sich mehr als Hundert Experimente und auch auf allgemeine Gründe stützt, daß eine Enthauptung augenblicklich bei dem betreffenden Jndividium die abso­luteste Empfindungslosigkeit zur Folge hat. Schon die Ohnmacht, welche bei dem plötzlichen Ausströmen von vier bis fünf Liter Blut unfehlbar sofort eintreten muß, sollte genügen, um auch das ängstlichste Gemüt in dieser Beziehung zu beruhigen. Und was die bekannten Zuckungen des Kadavers betrifft, so lassen dieselben ebenso­wenig auf das Vorhandensein eines Schmerzgefühls schließen, als zum Beispiel das Zucken eines amputierten Beins, dessen Muskeln und Nerven sich ebenfalls zusammen­ziehen, ohne daß dabei irgend Etwas empfunden wird. Wie! So mancher heftige Schlag auf den Kopf wird nicht nur gar nicht gespürt, sondern läßt nicht einmal eine Erinnerung daran zurück eine einfache Verletzung des Rückenwirbels kann völlige Unempfindlichkeit bewirken und die gänzliche Trennung des Kopfes vom Rumps, die Durchschneidung des Rückenmarks, die radikale Aufhebung der organischen Beziehungen zwischen dem Gehirn und dem Herzen, das Alles sollte nicht hinreichen,

um im Innersten des menschlichen Seins jedes, auch noch so unbestimmte Schmerz­gefühl aufzuheben? Unmöglich sage ich! Und sie wissen das so gut wie ich.

Ich hoffe es wenigstens und wohl noch mehr als Sie, antwortete der Ge­fangene. Auch ist es eigentlich nicht die Angst vor einem, jedenfalls kurzen, physi­schen Weh, was mich beschäftigt. Es ist ... . etwas Anderes.

Wollen Sie sich näher ausdrücken, sagte Velpeau.

Hören Sie, Doktor, murmelte La Pommerais zögernd, genau genommen werden die Organe des Gedächtnisses und des Willens wenn anders dieselben beim Menschen ihren Sitz in den nämlichen Gehirnlappen haben, wie zum Beispiel beim Hunde diese Organe, sage ich, werden durch das Fallbeil nicht verletzt! . . . Es sind in dieser Beziehung zu viele unheimliche als rätselhafte Erscheinungen beob­achtet worden, als daß ich mich so leicht von der sofortigen Bewußtlosigkeit eines Enthaupteten überzeugen lassen könnte. Wie oft hat man von Köpfen erzählen ge­hört, welche, wenn sie beim Namen gerufen wurden, den Blick nach dem Rufenden hinwandten! Gedächtnis der Nerven .... Reflexbewegungen, sagte man. Allein das sind leere Worte. Denken Sie nur an den Kopf jenes Matrosen, der auf der Brester Klinik, anderthalb Stunden nach der Hinrichtung, durch eine, vielleicht bewußte und gewollte, Bewegung seiner Kinnladen einen Bleistift entzwei biß, den man ihm zwischen die Zähne schob .... Um mich nur an dieses eine Beispiel zu halten, so wäre die eigentliche Frage die: War es, ja oder nein, das Ich, der bewußte Wille dieses Menschen, was die Muskeln seine» blutlosen Kopfes in Bewegung setzte? Das Alles werde ich, ehe noch acht Tage um sind, erfahren .... und wieder ver­gessen haben .... auf ewig!

Velpeau hatte während dieser Worte seine Augen unverwandt auf den Sprech-

->

1

4 -