ten, ob nicht ein evangelischer Landesbischof gewählt werden solle. Die Frage findet rasch in bejahendem Sinn auch in weiteren Kreisen Anklang und das Organ der Konservativen bespricht die Angelegen­heit bereits ernsthaft. Der Bischof soll in der Aus­übung seiner Macht konstitutionell beschränkt sein, in Verwaltungsangelegenheiten an sein Domkapitel und in der Gesetzgebung an die evangelische Landes­synode gebunden sein. (Schw. B.)

Ebingen, 27. Mai. Heute nachmittag tagte hier imSaalbau" der 11. Verbandstag des Landes­verbands der Wirte Württembergs. Stadtschultheiß Hartmann begrüßte die zahlreiche Versammlung. Rummetsch-Stuttgart gab einen Ueberblick über die Entwicklung des Vereins, der sich im Lauf von 10 Jahren von 7 auf 67 Ortsvereine mit 3600 Mit­gliedern vermehrte. Schriftführer Schramm-Stutt- gart berichtet über die Thätigkeit des Ausschusses im abgelaufenen Geschäftsjahr. Der von Betting- Stuttgart erstattete Kassenbericht wies ein Vermögen von rund 4000 ^ auf, in das sich Verbandskasse und Umgeldsagitationskasse teilen. Mit Rücksicht auf diesen günstigen Stand wurde der jährliche Bei­trag von 1 ^ auf 50 -g herabgesetzt. Den wich­tigsten Punkt der Tagesordnung bildete die Um gelds­frage, worüber Bossert-Cannstatt sprach. Sein Vortrag gipfelte lautSchw. M." in einer von der Versammlung einstimmig angenommenen Erklärung, wonach die Wirte erwarten, daß das Umgeld mit der geplanten Steuerreform abgeschafft werde. Das bisherige Verlangen der Wirte nach allgemeiner Besteuerung des Weins wurde grundsätzlich fallen gelaffen. Zürndorfer-Rexingen sprach im allge­meinen über die Lage, Wünsche und Beschwerden der Wirte und die Wichtigkeit der Organisation. Als Ort für den nächsten Verbandstag wurde ein­stimmig Stuttgart gewählt. An die Verhandlungen schloß sich ein gemeinschaftliches Mahl im Gasthof zur Post."

Göppingen, 28. Mai. Die hiesigen bürgerl. Kollegien haben gestern in gemeinschaftlicher Sitzung die Gehälter der Lehrer an den Volksschulen neu festgesetzt. Danach wird künftighin der Anfangsge­halt eines endgiltig angestellten Lehrers ohne die staatl. Alterszulage und die Wohnungsgeldentschädi­gung 1300 c/tl betragen. Dieser Gehalt steigt vom 32. Lebensjahre an alle 4 Jahre um 100 und erreicht mit dem 56. Lebensjahr den Höchstbetrag mit 2000 Die Fruchtbesoldungen kommen in Wegfall. Am Schluffe der Verhandlung wurde der Wunsch ausgesprochen, daß dieses Vorgehen ander­wärts Nachahmung finden möge.

Von der hohenzollernschen Grenze, 23. Mai. In Sigmaringen wurde bei der gestrigen Wahl eines Bür­germeisters für die Stadtgemeinde Sigmaringen Hof­buchhändler Karl Liehner gewählt.

Der meiningensche Landtag hatte dem Herzog zu seinem 70. Geburtstage eine Summe von 50000 Mark zur Verfügung gestellt. Der Herzog spricht in einem Schreiben an den Landtag seinenherzlichen warmen Dank" aus und fügt hinzu:Die mir zur Verfügung gestellte Summe habe ich zur Errichtung eines Lehrergebäudes für das herzogliche Lehrer­seminar in Hildburghausen bestimmt. Ich will da­mit bekunden, welch hohen Wert ich den Veran­staltungen beilege, die auf gediegene Bildung unserer Volksschullehrer abzielen. Dem Landtag spreche ich wiederholt die Versicherung meiner be­sonderen Wertschätzung und treuwohlwollenden Ge­sinnung aus."

Berlin, 28. Mai. Dem Hamb. Korresp. zufolge wurde der Dreibund bis 1903 verlängert, nach- dem am 6. d. M. keinerseits eine Kündigung erfolgt ist.

Berlin, 28. Mai. DerReichsanzeiger bringt einen hochersreulichen Erlaß des preußischen Mini­sters an die Regierungspräsidenten, womit dem ver­alteten und undeutschen Formenkrame im büreäu- kratischen Dienste ein Ende bereitet, der Geschäfts­gang vereinfacht und das Schreibwerk vermindert werden soll. Wir entnehmen den neuen Bestimm­ungen folgende:In den Berichten und in den Er­widerungen selbst unterbleibt die bisher übliche Ein­gangsformel, die Wiederholung der im Rubrum ent­haltenen Angaben, die Anwendung der Kurialien gehorsamst, ergebenst, geneigtest, gefälligst u. s. w." die Anrede mitEuer Hoch-, Hochwohl- und Wohl­geboren", der Submissionsstrich und bei der Unter­schrift die Wiederholung der am Eingänge des

Schriftstücks bereits erfolgten Bezeichnung der Be­hörde. Soweit irgend angängig, ist die urschriftliche Form der Geschäftserledigung zu wählen, und wo dabei die Zurückbehaltung einer Abschrift angezeigt erscheint, deren Herstellung durch eine Copierpresse in Erwägung zu nehmen. Der Geschäftsverkehr zwischen verschiedenen Abteilungen derselben Behörde ist möglichst durch mündliche und allenfalls telepho­nische Besprechung der beteiligten Beamten zu fördern."

Ausland.

Das Pariser JournalLibre Parole", das einzige französische Blatt, welches den Mut hat, gegen den russisch-französischen Allianzrummel auf­zutreten, schreibt: Wir haben niemals gewagt, etwas von Rußland zu verlangen. Frankreich hat die Haltung eines armen Mädchens, welches ganz glücklich ist, in Gesellschaft einer großen Dame in die Welt zu gehen, und welches vor Vergnügen errötet, wenn man ihm sagt:Setzen Sie sich doch, mein Kind, ich erlaube es."

Paris, 28. Mai. Der Kaiser von Rußland sandte dem Präsidenten Faure folgende Depesche; Die Kaiserin und Ich sind freudig berührt von den Glückwünschen, die Sie Uns übersandt haben. Ich war der lebhaften Sympathie in Frankreich sicher und es berührt Mich besonders angenehm, Frank­reich mit Uns einig zu wissen in diesem feierlichen Augenblick. Ich danke aufrichtig für dieses neue Zeichen, welches Sie Mir hiefür gegeben haben und für die Gesinnungen, welche Sie Mir persönlich aus­drückten. Nikolaus."

Paris, 29. Mai. Emil Zola erhielt aus An­laß seines RomansRom" von einem Prälaten, der im Vatikan eine hohe Stellung einnimmt, einen Brief, der die interessante Mitteilung enthält, daß Papst Leo XIII. den Kardinal Gotti bereits als seinen Nachfolger bezeichnet und sich für die Siche­rung der Wahl Göttis sehr thatkräftig eingesetzt habe.

Paris, 30. Mai. Im Ministerium des Innern sind bedeutende Unterschlagungen entdeckt worden. Seit 1886 wird nämlich jedes Jahr ein Kredit von 400 000 Francs im Haushalt für Subvention eines Kabels nach der südafrikanischen Küste verzeichnet, welches bis heute noch nicht gelegt ist. Eine strenge Untersuchung ist eingeleitet.

Madrid, 30. Mai. Die Regierung ermächtigte die Marinekommission, in Genua 2 bereits fertig­gestellte Panzerschiffe anzukaufen, deren Preis je 18 Mill. Fr. beträgt. Die Vereinigten Staaten von Nordamerika treffen ebenfalls Anstalten zum Ankauf von Panzerschiffen.

Athen, 25. Mai. Nach einer Depesche des Blattes Asty sollen 3000 bewaffnete Christen vor Kanea erschienen sein, um ihre Brüder zu beschützen. Bei der Beerdigung der Opfer der Metzeleien wagten die Verwandten nicht, dem Leichenzuge zu folgen. In Retymo sollen weitere Ausschreitungen, aber keine Mordthaten vorgekommen sein. Vor dem Finanz­ministerium hatten sich Kretenser angesammelt. Einige Verhaftungen wurden vorgenommen.

Athen, 29. Mai. Eine Note der griechischen Regierung an die Mächte erklärt, daß Griechenland jede Verantwortung für die Vorgänge auf Kreta ablehne, da die Pforte sich als unfähig erweisen dürfte, eine Erneuerung der Wirren zu verhindern.

London, 29. Mai. Times meldet aus Athen: 2500 türkische Truppen, die aus Kanea, Retymo und Heraklioa zusammengezogen wurden, machen verzweifelte Anstrengungen, um tausend Kretenser, welche in Tsioara sich verschanzt haben, zu vertreiben, doch ohne Erfolg, trotz fortgesetzter Beschießung vom Fort Jzzedin aus. Auf die Bitten T u r h a n P as ch a s begaben sich die Konsuln nach Vamos und drangen in die Belagerten, abzuziehen, indem sie versprachen, die Truppen würden aus der Nachbarschaft zurück­gezogen. Die Aufständischen ließen sich auf nichts ein. Die in Griechenland lebenden Kretenser treffen Vorbereitungen, um nach Kreta zu gehen und sich thätig an der Bewegung zu beteiligen.

Moskau, 30. Mai. (Privattelegramm des Gesellschafter.) Abends auf dem Gedgüskyfelde bei dem Petionskyfelde hatten sich mehrere Hunderttau­sende von Menschen gesammelt, um an der heutigen Verteilung der Gedenkkrüge und Speisen teilzunehmen. Als die Verteilung begann, entstand ein fürchterliches Gedränge, 331 Männer, Frauen und Kinder wurden erdrückt, 459 wurden verwundet. Der Kaiser läßt

1000 Rubel an jede verwaiste Familie zahlen und' übernimmt die Begräbniskosten auf seine Rechnung.

Moskau, 30. Mai. 10 Uhr abends. Nun­mehr ist amtlich festgestellt, daß die Zahl der Getö­teten oder ihren Verletzungen Erlegenen 1138 beträgt.

Moskau, 31. Mai. Aus Moskau und derr umliegenden Dorfschaften strömten schon gestern abend große Massen auf das Chodinskyfeld. Gegen 12 Uhr hatten sich bereits 200 000 Personen angesam­melt. Die Menge ließ sich wie in einem Lager nieder, zündete Feuer an und brachte die Nacht sin­gend und sich belustigend zu. Als der Morgen dämmerte, strömten immer größere Menschenmassen herbei. Die Menge wuchs von Minute zu Minute. Gegen 4 Uhr hatte sie sich nahezu verdoppelt. Die speziell anläßlich der Krönung gebildete Polizei, wel­cher die Wache oblag, verlangte Verstärkung durch die ständige Polizei. Infolge dessen trafen gegen 5 Uhr Kosaken und Polizeimannschaften ein. In­zwischen hatte die Menge einen bedrohlichen Umfang, angenommen und begann nun gegen die am Rande des Feldes errichteten Schaubuden vorzudrängen, worin die Gaben für das Volk aufgespeichert lagen. Die Menge brach gewaltsam in die Buden, ein. Um die sechste Stunde wurde beschlossen, mit der Verteilung zu beginnen. Die 100 mit der Ver­teilung beauftragten Personen konnten gegenüben der ungestüm andrängenden Menge nicht schnell ge­nug die in Bündeln vereinigten Gaben verteilen. In den engen Gassen zwischen den Buden entstand ein fürchterliches Gedränge, welches unter dem Nachdrängen der nach Hunderttausenden zählenden Menge von Augenblick zu Augenblick wuchs und eine schreckliche Anzahl von Opfern zur Folge hatte.. Herzzerreißendes Schreien und Seufzen wurde hör­bar, bis es den Kosaken gelang, einen Teil der Menge vom Platze zu drängen. Viele Tausende kehrten schon zeitig bis mittag von panischem Schrecken ergriffen in die Straßen der Stadt zurück. Durch die Straßen sah man bis spät nachmittags Feuer­wehrwagen und Arbeitswagen langsam hinziehen,, welche die Leichen nach den Hospitalhöfen und die Kranken nach den Hospitälern brachten. Die Ver­unglückten sind meistens Frauen. Auch zahlreiche Kinder sind verunglückt. Die Zahl der Schwerver­wundeten wird auf 200 geschätzt.

Die auf K r e t a ausgebrochenen Unruhen bewei­sen aufs Neue, daß unsere Mittelmeerstaation nicht hinreichend besetzt ist. Denn während die Groß­staaten Europas ihre im Mittelmeer stationierten. Kriegsschiffe auf die Rhede von Kanea zusammen­ziehen, würde unsere Marineverwaltung garnicht in der Lage sein, auch das deutsche Reich in angemes­sener Weise durch ein größeres Kriegsfahrzeug ver­treten zu lassen. Daß wir das nicht brauchen, da Oesterreich die Deutschen auf Kreta vertritt, thut nichts zur Sache.

Massaua, 28. Mai. Eine Kolonne von 200' Mann Genietruppen ging nach dem Schlachtfelds von Adua ab, um daselbst die Toten zu beerdigen; 2 Kapuziner-Mönche begleiten die Kolonne.

Kleinere Mitteilnngen.

Metzingen, 27. Mai. Der verheiratete Weingärtner Ferd. Schmid von hier holte gestern Klee auf dem Wipp­berg. Auf dem Heimweg scheuten die Ochsen seines Fuhr­werks, dem Schmid kamen die Kleider in ein Rad, er wurde zu Boden geschleudert und geschleift. Auf dem Felde be­schäftigte Leute kamen dem Unglücklichen zu Hilfe, hielten die Tiere an und führten den Schwerverletzten nach Hause. Der Zustand desselben ist besorgniserregend.

Balingen, 28. Febr. Gestern mittag traf dahier die telegraphische Nachricht ein, daß der seit Fertigung unserer Wasserleitung schwebende Prozeß, betreffs Ausnützung der Lauterquellen zum Nachteil der betreffenden Wasserwerks- besttzer in Lausen rc., also zu Gunsten der hiesigen Stadl endgültig entschieden worden ist.

Heidenheim, 28. Mai. Gestern wurde in Gingen a. Br. die staatliche Rindvieschau gehalten. Beigeführt wurden 8 Fairen und 11 Kühe. Das Preisgericht, be­stehend aus Landestierzuchtinspektor Fecht (zugleich Vertreter der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft), Landesökono­mierat Länderer Ellwangen und Gutspächter Breuninger- Bösingen verteilte 9 Preise im Betrag von 760 ^ und zwar einen Farrenpreis II. Klasse, einen solchen III. Klasse und 2 solche IV. Klasse, 1 Kuhpreis II. Klasse, ein solcher III. Klasse. 2 solcher IV. Klasse.

Ravensburg, 28. Mai. Wie erinnerlich, wurden am 9. Febr. d. I. der Tochter und der Magd des Heiligkreuz­wirts hier gehörige Schmucksachen, zwei Uhren, Kette, Brosche rc. gestohlen, ohne daß man vom Dieb eine Spur entdeckt hätte. Gestern vormittag nun kam mit dem Post­stempelBiberach" an die Adresse des Heiligkreuzwirts ein Paket, welches nach Oeffnung zum Erstaunen der Hausmit­glieder die der Tochter gestohlene Uhr samt Kette enthielt.