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Ergebnis gehabt und wiederholt bestätigt, daß das Leiden des Kronprinzen keinen bösartigen Charakter trägt. Indessen scheint doch die Nachricht der „Voss. Ztg." richtiger zu sein. Auch der „Köln. Ztg." wird gemeldet, daß die neue Prüfung über die Entwicklung des Kehlkopfleidens des Kronprinzen seit der letzten gemeinsamen Untersuchung am 23. Mai erst morgen stattfinden und Dr. Mackenzie gemäß der vorherigen Abrede zu derselben erst Dienstag oder Mittwoch hier eintreffen wird.
Berlin, 7. Juni. Durch die Presse gehen verschiedene Notizen über Reisepläne des Reichskanzlers. Aus zuverlässiger Quelle hört man, daß ärztlicherseits bereits seit Wochen auf eine Uebersiedclung des Fürsten Bismarck auf's Land gedrungen wird, mit der Motivierung, daß ein Luftwechsel und die Ruhe des Landlebens zur Wiederherstellung der durch Ueberarbeitung angegriffenen Gesundheit des Kanzlers unumgänglich notwendig sind. Wenn Fürst Bismark dem Rate des Arztes bisher nicht Folge ge- leistet hat, so ist dies lediglich darauf zurückzuführen, daß er durch heftige rheumatische M u sk elsch m e rzen bisher am Reisen verhindert gewesen ist.
Tages-Weuigksiten
— Bezügl. der uns von hier gewordenen Korrespondenz, daß sich der Amtsdiener in Neubulach erhängt habe, wird uns von dort mitgeteilt, -haß der Amtsdiener in AItbulach es war, der sich selbst entleibte.
* Emberg. Am Samstag feierten die Bürger der Gemeinde Einberg das 30jährige Dienstjubiläum ihres Schultheißen I. F. Rentschler im Hirsch in Teinach. Die zahlreich, namentlich auch von vielen Teinacher Bürgern besuchte Feier nahm einen schönen Verlauf und legte Zeugnis ab, wie beliebt und geachtet der Jubilar, sowohl in seiner Gemeinde als auch auswärts, ist. — Auch des nunmehr über 30 Jahre im Dienst stehenden Gemeindepflegers Kalmbach wurde ehrend gedacht. Möge diese Feier Allen in angenehmer Erinnerung bleiben. — Die Gemeinde feierte vor nicht langer Zeit ebenfalls das 30jährige Jubiläum ihres nun pensionierten Lehrers H. Buck.
Stuttgart. Abrechnung der Uhlandfeier. Ain'ver- gangenen Freitag hielt der Ausschuß für die Uhlandfeier seine letzte Sitzung, in der die Rechnungen vorgelegt wurden, ab. Dank der Freigebigkeit des K. Hofes, der Stadtgemeinde und vieler Privaten, welche in den letzten Tagen noch beträchtliche Zuschüsse ergeben hatte, wurde es möglich, die ganze Rechnung ins Gleichgewicht der Einnahmen und Ausgaben mit rund 9000 ^ zu bringen.
— Der deutsche Fischhändlerverein hielt gestern (5.) in Stuttgart im Schillersaale der Liederhalle seine diesjährige Wanderversammlung. Derselbe wurde 1880 gelegentlich der Internationalen Fischereiausstellung in Berlin gegründet und bezweckt die Förderung des Fischhandels durch Einwirkung auf die Behörde bezüglich besserer Tarife, Reinigung des Fischhandels von unsauberen Elementen rc. Der Verein erstreckt sich über Deutschland, Oestreich, Schweiz, Holland, Dänemark und Schweden. All- jährlich findet eine Wanderversammlung statt; die Stuttgarter ist die 8. seit Bestehen des Vereins. Anwesend waren gestern Mitglieder aus Berlin, Stettin, Dresden, Hamburg, Bremen, Lübeck, Danzig, Frankfurt, Mainz, Friedrichshofen und Konstanz. Uisi 9 Uhr fand die Vorstandssitzung statt und um 11 Uhr die Wanderversammlung. Der Vorstand Heinemann von Berlin begrüßte die Versammlung und sagte dem Stuttgarter Ausschuß Dank für dessen Anordnung. Der Schriftführer Duncker, Redakteur des Vereinsorgans „Fischereizeitung", berichtete, daß der Verein 231 Mitglieder zählt, 26 mehr als im Vorjahre. An den Minister Maybach ist eine Eingabe beschlossen worden, welche in ähnlicher Weise auch der deutsche Fischereiverein absandte. Mitteilungen wurden gemacht über die Berliner Zentralmarkthalle und den Auktionsmarkt in Hamburg. Ueber die Verhältnisse des Fischmarktes in der elfteren war nichts Gutes zu hören, wogegen es in Hamburg besser
aussieht. Der dortige Auktionsmarkt wird täglich von 40 Hochseefischereien beschickt, und man hofft, daß bald Alles, was früher nach Geestemünde ging, nach Hamburg kommen werde, so daß sämtliche Hochseefischereien dann dort vertreten sein werden. Klagen wurden laut über das Bestehlen der Fischtransportkörbe während der Eisenbahnfahrt; 2 Preise werden ausgesetzt für die Herstellung zweckmässiger Transportkörbe, welche nicht bestohlen werden können, aber nicht teurer sind als die bisherigen und ebenso rasch verschlossen und verpackt werden können. Aus der Neuwahl des Vorstandes gingen Heinemann-Berlin als Vorsitz., Radmann-Berlin als Kassier, Duncker-Stettin als Schriftführer, ferner Bade-Geestemünde, Jank-Dresden, Leonhard-Frankfurt a. M., Dümling-Hamburg hervor. In den Ausschuß wurden 10 Mitglieder, darunter E. Kaufmann-Stuttgart, neugewählt. Die nächstjährige Wanderversammlung soll in Kiel stattfinden. Ein Festmahl vereinigte nach Schluß der Verhandlungen die Mitglieder der Versammlung nebst ihren Damen.
Tübingen, 5. Juni. Der wolkenbruchartige Regen, der gestern namentlich chas Ammerthal heimsuchte , bewirkte ein so rapides Steigen der Ammer, daß die Straße zwischen Tübingen überflutet wurde. Das Wasser der Ammer stieg in kurzer Zeit um nahezu 50 am. Die Nachrichten aus allen Gegenden des Landes bezw. des beharrlich schlechten Wetters lauten immer bedenklicher. Auf den Feldern nimmt das Wasser den Boden mit, so daß u. a. die Kartoffelernte bedroht ist.
Nürtingen, 6. Juni. Gestern wurden wir durch den Besuch des Reutlinger Liede rktanzes erfreut. Obwohl der weitaus größte Teil dieser Gäste, namentlich die Damen, Grund genug gehabt hätten, mißmutig zu sein über ihre von Regenwetter sehr beeinträchtigte Besteigung des Neuffen, von welchem sie in etwa 15 Gesellschaftswagen ordentlich durchnäßt hier ankamen, so war von einer Verstimmung nichts zu bemerken. Ja, als die Sänger ihrem Ehrenmitglied, Musikdir. Burkhardt hier, eine Ovation in Form eines Ständchens dargebracht, und nachdem, das Mittagsmahl (in der^Krone) eingenommen war, entwickelte sich bald in dem Saal z. Sonne, -in welchem der Nürtinger Liederkranz seine Gäste empfing, ein fröhliches Sängerleben und Lied folgte auf Lied. Der Reutl. L.-Kr. verfügt über eine verhältnismäßig große Zahl schöner Tenöre und tüchtiger Bässe und kann sich mit seinen Leistungen den besten Vereinen des Landes zur Seite stellen. Dem lebhaften Beifall, der auf jeden der vorgetragenen Gesänge mit Recht folgte, wurden auch mehrfach Worte verliehen, die sich unter anderem auch auf den Nutzen verbreiteten, den solche Sängertage für die Hebung des Gesangs stiften. Da unserer Besuche noch eine ziemlich lange Heimfahrt wartete, mußten sie uns leider nur zu bald verlassen, doch nicht ohne das Versprechen eines baldigen Zusammenkommens in Reutlingen erhalten zu haben.
Plochingen, 6. Juni. Heute mittag zwischen 1 und 2 Uhr ging ein wolkenbruchartiger Regen über unsere Markung nieder, der besonders in den Weinbergen nicht unbedeutenden Schaden anrichtete. Aus fast heiterem Himmel, ohne Blitz und Donnerschlag, fielen in ganz kurzer Zeit solche Wassermassen herab, daß die Weinbergbächlein wie die Bergströme daherbrausten, alles mit sich fortreißend, an einzelnen Stellen schäumende Wasserfälle bildend. Auch innerhalb des Orts war die Regenmasse so groß, daß z. B. auf der Schorndorfer Straße das Wasser in ganzer Straßenbreite in Fußhöhe einherschoß.
Sulzbach a. M., 4. Juni. Das ganze Murrthal von Oppenweiler bis Murrhardt ist vollständig überschwemmt; der erste Schnitt des Futterertrags ist vernichtet. Zwischen Ort und Station Oppenweiler ist der Verkehr unterbrochen; auf der Straße steht das Wasser 1>/e Fuß hoch. In den tiefer gelegenen Ortschaften sind alle Keller voll Wasser und Schlamm. In Schleißweiler ist die Sägmühle von Karl Sannwald ganz unter Wasser und der Holzvorrat teilweise weggeschwemmt.
Langenau, 5. Juni. Alljährlich am Pfingstmittwoch findet hier unter dem Namen der „Schülertanz" ein Kinderfest statt. Fast ist es
„Die dringende Angelegenheit berechtigt Sie dazu. Nehmen Sie Platz, Herr Graf. Was führt sie zu mir?"
Er sah sie einen Augenblick an, bis sie die Augen senkte. Dann sagte er mit halblauter, ein wenig zitternder Stimme:
„Ich habe kein Liecht, um Sie besorgt zu sein. Verzeihen Sie mir deshalb. Aber ich konnte nicht anders handeln . . . Sie werden von dem Selbstmorde des Rittmeisters von Riska gehört haben.
„Ich habe davon gehört."
„Man bringt Sie in Zusammenhang damit, und das verdrießt mich."
^ie stand aus. „Herr Graf, ich habe über mein Thun und Lassen Niemand Rechenschaft zu geben."
„Ich bat Sie ja, zu verzeihen. Ich weiß, daß ich kein Liecht zu diesem Schritt habe — nun es aber einmal geschehen ist, sagen Sie mir ein Wort, daß ich dem Gerede ein Ende mache."
„Ich weiß nicht, warum sich Herr von Riska getötet hat. Er hat mich allerdings belästigt, mir aber keinen Antrag gemacht, ich konnte also auch keinen ablehnen."
„Und Sie hätten ihn abgelchnt?"
„Ja. Wie ich jeden solchen Antrag ablehne."
„Jeden?"
„Ich werde mich nie vermählen."
Er sah sie mitrauisch an. Diesmal aber senkte sie nicht die Augen und ihr Blick weilte ruhig auf ihm. Er fühlte, daß dies kein Spiel mit Worten, daß es ein heiliger Entschluß war.
„Dann leben Sie wohl, Baronesse.
Sie reichte ihm die Hand und ihr Auge blickte dabei freundlicher, die Strenge schien der Wehmut zu weichen.
„Leben Sie wohl und nehmen sie meinen Dank. Ich verkenne Sie nicht, Herr Gras, ich danke Ihnen für die Sorge, die Sie sich um mich machten."
Noch ehe er ein Wort erwidern konnte, war sie hinter der Portiere des Nebenzimmers verschwunden. Er schritt seufzend nach der Thür und verließ den Salon.
Draußen auf dem Korridor begegneten ihm zwei Mädchen, die einen eleganten Koffer trugen, und als er sich umwandte, bemerkte er, daß sie in dasselbe Zimmer traten, in das sich Johanna zurückgezogen hatte. Es ging wie ein Stich durch sein Herz, — also wirklich Alles verloren und der schöne Glückstraum zerstäubt, wie ein buntes Bild, das die Sonne einen Augenblick lang in graue Wolken gemalt! Und warum — warum ? Vielleicht einer thörichten Grille wegen, vielleicht .... Da war es ihm, als ob er leise seinen Name rufen hörte. Noch einmal — „Graf Fernegg!"
. . . . Aber es kam nicht aus der Gegend, wo die Dienerinnen verschwunden waren . . . . „Graf Fernegg!" .... Er wandte sich wieder um und sah nun an dem entgegengesetzten Ende des Korridors eine seltsam geputzte Frauengestalt. Sie zog sich sofort wieder ein wenig zurück, winkte ihm aber durch die halbgeöffnete Thüre mit der Hand.
Mit ein paar raschen Schritten war Graf Fernegg dort und mit einer nicht weniger raschen Bewegung zog ihn die Gestalt ins Zimmer. Trotz der Auflegung, in der er sich befand, mußte er lächeln", als er Baronesse Tini nun in Hellem Lichtschein vor sich sah. Welcher Gegensatz zu Johanna! Diese trug ein schlichtes, dunkles Wollkleid und ihr Kastanienfarbenes Haar war kunstlos in einen Knoten geschlungen, während ihm Tini in einem bizarren Hauskleid von roter Seite und mit einer abenteuerlichen, mit einem ganzen Blumengarten geschmückten Frisur entgegentrat. Ihr Körperfehler war durch das Kleid ziemlich geschickt verborgen, so weit er sich eben verbergen ließ, und so war sie mit ihrem nicht gerade hübschen, aber pikanten, leben» sprühenden, sinnlichen Gesicht, das durch Puder und Schminke noch korrigiert war, nicht ganz ohne Reiz. Aber wie jämmerlich erschien dieses Bild gegenüber jenen:, welches er soeben verlassen hatte, und der Verlust, den er erlitten, trat ihm nun auf's Neue lebhaft vor die Seele.
Die Baronesse ließ ihm indeß keine Zeit zu langem Nachdenken. Sie hatte ihn eingeladen, Platz zu nehmen, war dann wieder zur Thür geeilt, die sie vorsichtig verschloß, und dann setzte sie sich ziemlich neben ihm auf das Sopha.
(Fortsetzung folgt.)