Möge dies ein gutes Omen sein. Möge unter Wilhelm II das deutsche Reich wachsen, blühen und gedeihen. Und zum Schluffe: Euch Schüler soll der heutige Festtag ein Sporn sein für eure Arbeiten in der Schule, auf dem euer künftiges Leben beruht, daß ihr heranwachset als Männer, die im Stande sind das zu schützen, das was die Väter euch vermacht zu schützen, zu wahren und zu pflegen. Denn immer gilt das Dichterwort: „Was du ererbt von deinem Vater hast, erwirb es um es zu besitzen. — Nach dem gemeinsamen Gesang: „Lobe den Herren" war die schöne Feier beendigt, die gewiß noch lange im Gedächtnis unserer lieben Jugend fortleben wird.
-sich Nagold, 19. Jan. Seminarfeier zur Erinnerung an die Kaiserproklamation zu Versailles. Wie in allen Erziehungsanstalten des deutschen Vaterlands, so wurde gestern auch im hiesigen Seminar eine Feier abgehalten zur Erinnerung an den denkwürdigen 18. Jan. 1871, der uns das neue deutsche Kaisertum gebracht hat. Die Feier wurde eingeleitet durch den Männerchor: „Dem Kaiser sei mein erstes Lied gebracht". Hierauf hielt Rektor I)r. Brügel die Festrede, von der hier ein kurzer Auszug folgt: Den Höhepunkt unsrer Erinnerungen an die große Zeit von 1870/71 bildet weder der Kriegsruhm noch der Milliardensegen, ja nicht einmal die Wiedereroberung der verlorenen Provinzen,, so wertvoll und unentbehrlich sie uns sind, sondern die Einigung der deutschen Stämme, die Zusammenfassung des deutschen Volks zu einem mächtigen Staatswesen, die Errichtung des deutschen Reichs und die Wiederherstellung des deutschen Kaisertums. Die Verkörperung des deutschen Einheitsgedankens am 18. Januar 1871 (genau 170 Jahre nach Errichtung des preußischen Königtums) in Feindesland, im Angesicht der französischen Hauptstadt, ist ein weltgeschichtliches Ereignis. „Welch eine Wendung durch Gottes Fügung!" kann man auch hier sagen. Statt der von den Feinden beabsichtigten Spaltung gerade das Gegenteil: die Einigung! Um zu erkennen, was das bedeutet, dürfen wir nur die Schrift von dem leider früh verstorbenen Julius Klaiber über deutsche und schwäbische Zustände vor 100 Jahren lesen. Dieselbe wirft grelle Schlaglichter auf die Ohnmacht des deutschen Kaisers, die Unfruchtbarkeit der Verhandlungen des Reichstags, der seine Zeit und Kraft in lächerlichen Etikettenstreitigkeiten verzehrte, auf die Verzögerung der gerichtlichen Entscheidungen, auf die Verlotterung des Kriegswesens. Das ist nun anders geworden. Merkwürdigerweise hat den Anfang dazu die eiserne Faust des Korsen Napoleon gemacht, der die Kleinstaaterei durch Säkularisierung der geistlichen und Mediatisierung der weltlichen Stäätchen beschränkte, freilich auch durch den Rheinbund 1806 das alte morsche Kaisertum zertrümmerte. Dann kam die gewaltige Erhebung des deutschen Volksgeistes in den Befreiungskriegen 1813—15, deren Ergebnis infolge der Politik der Kabinette leider nur ein loses Gebilde von 38 Staaten im deutschen Bunde war. Aber das Gedenken an ein großes deutsches Vaterland lebte fort im deutschen Volke und flüchtete sich, als die freien Regungen von oben unterdrückt wurden, insdeutscheLied (Uhland, Pfizer). Immer mehr trat der Gedanke hervor, daß nur Preußen, als der größte rein deutsche Staat die Einigung durchführen könne. Das Jahr 1848 war das Jahr hochfliegender Träume der Besten und Edelsten des Volks; aber welche Enttäuschung und Ernüchterung trat ein, nachdem der Preußenkönig die Königskrone zurückgewiesen hatte! Immer mehr brach sich die Ueberzeugung Bahn, daß das große Werk der Einigung nur durch das thalkrästige Eingreifen eines gewaltigen Willens erreicht werden könne, daher das Sehnen jener Zeit nach einem Mann. Und dieser Mann kam! In den 3 großen weltgeschichtlichen Akten von 1864, 1866 und 1870, 71 hat König Wilhelm von Preußen, unterstützt von Roon, Moltke und Bismarck das deutsche Reich wieder aufgerichtet, und den Höhepunkt dieser großen Zeit von 7 Jahren bildet eben der 18. Jan. 1871, der das Reich auf eine neue und bessere Grundlage gestellt hat, und den der Dichter mit der Apostrophe an die Germania gefeiert hat: „Nun wirf hinweg den Witwenschleier ..." Was hat uns der Tag gebracht? Einen deutschen Kaiser mit wirklicher Macht, ein wehrhaftes Volk, eine respektable Seemacht, eineReichsverfassung, die zwar nicht tadellos aber den einzelnen Verhältnissen angepaßt ist, eine ein
heitliche, achtunggebietende Vertretung im Ausland, eine einheitliche Gesetzgebung mit dem obersten Reichsgerichtshof in Leipzig, ein Reich als festes Bollwerk des Friedens. „Gott allein die Ehre!" muß heute unsere Losung sein. Aber wir müssen auch dankbar derer gedenken, die zum Gelingen des großen Werks mitgewirkt haben: der Fürsten und Staatsmänner, unsres tapfern Heeres, von den höchsten Offizieren bis zum geringsten Soldaten, insbesondere derer, die ihr Herzblut für die große Sache geopfert haben. Die Freude an dem neu gewonnenen deutschen Vaterlande wollen wir uns nicht verkümmern lassen durch den Blick aus allerlei trübe Zustände der Gegenwart; wir wollen uns die Hoffnung auf eine glückliche, segensreiche Zukunft im Aufblick zu Gott nicht rauben lassen; in seine Hand befehlen wir die Zukunft des deutschen Volks und des deutschen Kaisertums. Unsere Hoffnung beruht aber auch auf der deutschen Jugend, die tüchtig werden soll, das in blutigen Opfern Errungene zu erhalten durch Glauben, sittlichen Ernst, Selbstzucht, Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit, Treue und Beständigkeit, deren Wahlspruch allezeit sein und bleiben soll: „Mit Gott für Kaiser und Reich, für König und Vaterland!" Nach dieser Rede folgte ein wunderbar ergreifender Chor: „Thuiska schlummert im Eichenhain" von Otto, dann Vorträge von Zöglingen des Seminars und der Präparanden- anstalt: „Barbarossas erstes Erwachen" (bei der Hinrichtung von Konradin 1286), „ein Lied vom preußischen Adler" von Treitzschke, „Heroldsgruß ans Vaterland", „Beim Eintritt der Süddeutschen !in das Reich" von Kemmler, „Alldeutschland" v. Geibel. Die ganze erhebende Feier schloß mit dem Männerchor von Kistner: „Deutschland, Deutschland über alles!"
— Nagold, 20. Jan. Die Reihe der patriotischen Gedenkfeiern des Kriegs-Jubiläumsjahrs fand mit der gestrigen Feier der Kaiserproklamation ihren Abschluß. Im Saale des Gasth. z. „Hirsch", der die Gäste kaum fassen konnte, wurde diese Feier auf Anregung des Kriegervereins gehalten. Herr Prof. Wetzel, der schon so oft in liebenswürdiger Weise dem Verein beigesprungen ist, hielt die Festrede. In geistreicher, höchst anregender und dabei doch unterhaltender Weise zeichnete er mit kurzen, kräftigen Zügen die Geschichte: „Die deutsche Kaiserkrone in tausend Jahren." Redner entwarf in Einzelbildern von der Krönung Karls d. Gr. an bis zum Tode Konradins, ein Gesamtbild von der mittelalterlichen berückenden und weltumfassenden Kaiserhsrrlichkeit, wie sie auf Goldgrund in Blut gemalt ist und sich aus germanischer Heldenhaftigkeit und deutscher Treue, aber auch aus welscher Tücke und italischem Verrat wunderbar und wechselvoll zusammenspielte. Sodann wurde das Elend u. der Jammer gezeichnet, die das alte deutsche Reich im Reichstag, in der Reichsarmee darbiete. Längst war Kaiser und Reich gestorben, als Napoleon I. mit Hohn und Spott anno 1806 es vollends in aller Form begrub. Die Befreiungskriege brachten keine deutsche Einheit, keinen Kaiser. Auch die Revolution von 1848 holte sich von dem König von Preußen, Friedrich Wilhelm I V., die Absage der ihm angetragenen deutschen Kaiserthrone. Und doch war es Preußen, das längst in seiner Geschichte, durch seinen in den Befreiungskriegen für ganz Deutschland bewiesenen Opfersinn und Heldenmut, das durch die stille Vorarbeit des Zollvereins sich einen gerechten Anspruch auf die Führung in Deutschland erworben hatte. Bismarck führte im Bunde mit seinem Kaiser das Werk der deutschen Einigung wunderbar zum Ziele. Gott schütze den deutschen Kaiser aus dem Hohenzollern- hause und schenke dem deutschen Volke immer würdige Träger der Krone. Gott erhalte uns das Reich! Blüh im Glanze Deines Glückes, blühe deutsches Vaterland ! Aufs neue mußte man sich nach gehörtem Vortrage sagen, wie glücklich die Stadt Nagold ist, eine ganze Reihe von Männern zu besitzen, die in Wissenschaft und Kunst nicht nur in ihrem Berufe thätig sind, sondern auch ihre Mitbürger zeitweise damit erfreuen und Feste und Unterhaltungsabende damit nicht nur genußreich, sondern auch anregend und allgemein bildend machen. Allen Herren, insbesondere aber rn. Prof. Wetzel sei auch an dieser Stelle nochmals ank gesagt. — Den gesanglichen Teil hatte der Sängerkranz übernommen. Verschiedene Trinksprüche schlossen sich dem Vortrage in buntem Wechsel mit Allgemeingesängen an, so daß der Abend einen sehr
gemütlichen Verlauf nahm. (Nachstehend lassen wir das Gedicht folgen, welches einer der Herren vortragen hat. Die Red.)
Aller Künste Meister.
Zum 18. Januar.
Im Sachsenwalde, da lebt ein Mann,
Der Alles weiß und der Alles kann.
Ist klüger als Tausend zusammen:
Er hat geschneidert und hat genäht,
Er hat gedroschen, er hat gesä't,
Geschmiedet in sprühenden Flammen!
Er hat gewebt und er hat gefärbt,
Er hat gemünzt und er hat gegerbt.
Er wußte zu mauern, zu zimmern,
Er hat gemalt und er hat gereimt Und kunstreich wieder zusammengeleimt Was morsch war und elend in Trümmern.
Gezimmert? — Jawohl: einen stolzen Turm,
Dem schadet kein Feuer, den fällt kein Sturm,
Ob Wind ihn und Wölfe umheulen!
Gemauert? — Jawohl: und mit Eisen und Blut.
Die Steine verbunden! Der Bau ist gut,
Er gründet auf ehernen Säulen.
Geschneidert? — Jawohl: ein bräutlich Kleid Germania, seiner geliebten Maid,
Statt der alten, buntscheckigen Flicken!
Gedroschen? — Jawohl: auf der Feinde Haupt,
Die uns die Ehr und den Frieden geraubt!
Gegerbt? Manch' bübischen Rücken!
Gesä't? In der Deutschen Herzen Grund Hat er gelegt für den neuen Bund Den Samen nie welkender Treue!
Die Saat ward mir heiligem Blut benetzt.
Daß nie sie ein tückischer Wurm verletzt Und sie immer erblühe auf's Neue.
Geschmiedet? — Jawohl: ein Notungschwert Dem Arme, den erst kaum ein Stecken bewehrt —
Und wie hat die Klinge gepfiffen!
Begeisterung hat ihm das Eisen geglüht,
Und am stahlharten Teutonengemüt Hat er die Schneide geschliffen!
G.ewebt? Ja, ein unzerreißbar Band Und mit gewaltiger Meisterhand Verknüpft den Süden und Norden!
Gefärbt? Mit köstlichem Purpurrot Den Kaisermantel, der in der Not Der Zetten schäbig geworden!
Gemünzt? Der Vaterlandsliebe Erz,
Das tief erfüllte des Volkes Herz,
Doch von Schutt und von Schlacken umwoben!
Lang wußten sie nicht, wie reich sie sei'n —
Da leuchtete er mit der Fackel drein.
Und der herrliche Hort war gehoben!
Gemalt? Ein funkelndes Wappenvild,
Das heute vor jedem anderen Schild Hindräut über Länder und Meere!
Gereimt? Jawohl, für das alte Lied
Von schmählicher Zwietracht, die Deutschland schied.
Das Lied von Eintracht und Ehre.
Gar trübe sah's ans vor dem großen Jahr,
Es waren dem herrlichen Kaiseraar Gebrochen Schwingen und Klauen;
Die Krone, die sank ihm vom stolzen Haupt —
Und frevelnde Hände hatten geraubt Die schönsten der rheinischen Gauen!
Und weil unfern Bismarck die Not bedrückt,
D'rum hat er den Leim topf an's Feuer gerückt;
An glühender Herzen Flammen,
Da kochte er sich einen festen Krtt Und rührte ihn brav und leimte damit Den Aar und die Lande zusammen!
Ein Vrerteljahrhundert hält es schon Und nirgend erblickt man die Spur davon,
Daß es nicht auf immer sollt' halten!
Und wer nur im Lande sein Handwerk kann.
Der sieht das Werk mit Bewund'rung an Und segnet den herrlichen Alten!
So lange Ihr Ihn zum Vorbild wählt,
Jst's nimmer um guten Rat gefehlt Im Reiche germanischer Geister:
Und heute ist just der rechte Tag,
Daß man sein in Ehren gedenlen mag.
Der aller Künste ist Meister!
Die Gläser herbei — und das Beste hinein!
Und donnert es laut über Weichsel und Rhein,
Daß Fenster ad Wände beben!
Der Held, der die Deutschen des Fürchtens entwöhnt Und der uns in Welschland den Kaiser gekrönt,
Der alte Bismarck soll leben! (M. N. N.)
* Nagold, 18. Jan Wir machen auch an dieser Stelle darauf aufmerksam, daß H. Pastor Laub aus Straßburg am nächsteu Mittwoch einen Vortrag über Judenmission im Zellersaal halten wird. Der Vortraggeber hat die hiesige Stadt schon früher besucht und i.eht sein damaliges Auftreten noch in bester Erinnerung.
Hochdorf, OA Horb, 20. Jan. (Einges.) Auch hier wurde am gestrigen Sonntag an die große Zeit vor 25 Jahren gedacht. Es versammelten sich hiezu gegen abend im Gasthaus z. Linde die Veteranen, verschiedene Bürger und die Mitglieder des früheren Gesangvereins, welche unter vortrefflicher