tischen Ozean vollendet und daß alle diese Reisen auf den Dampfern derselben Gesellschaft zurückgelegt werden, das gehört selbst in unserem Zeitalter des Verkehrs zu den seltenen bemerkenswerten Erscheinungen. Mit dem Schnelldampfer Havel des Norddeutschen Lloyd hat vor kurzem der Inhaber einer bekannten rheinischen Weinfirma (L. Durlacher in Bingen) seine neunundneunzigste Reise über den Ozean angetreten und kehrt gegenwärtig ebenfalls mit einem Dampfer des Norddeutschen Lloyd von New-Aork zurück. Damit wird der betreffende Herr dann seine hundertste Reise über den Atlantischen Ozean und zwar lediglich auf Schiffen des Norddeutschen Lloyd zurückgelegt haben, ein Vorkommnis, welches jedens- falls ebenso sehr für die Anhänglichkeit des Fahrgastes wie für die Vortrefflichkeit der Einrichtungen des Norddeutschen Lloyd spricht.
Oesterreich-Ungarn.
Wien, 2. Jan. Das „Extrablatt" meldet aus Petersburg: Ungeheurer Aufregung bemächtigte sich vorgestern der hiesigen Studenten, da sich die Nachricht verbreitete, daß die Universität umzingelt und sämtliche Studenten in Hast genommen werden sollten. 200 Studenten verließen an diesem Tage die Stadt und reisten in das Ausland. Die Polizei soll nämlich eine weit verbreitete, geheime Aktion entdeckt haben, unter der Bezeichnung „Nordische Verbindung", deren Mitglieder es sich zur Aufgabe machten, sozialistische Ideen zu verbreiten. Die Studenten waren Wanderprediger dieses Bundes, dessen Anhänger geschworen hatten, durch einfache Lebensweise, Enthaltung aller geistigen Getränke, des Spiels und Tabakrauchens eine gutes Beispiel zu geben. Alle hierdurch gesparten Gelder gelangten in eine gemeinsame Kasse, um damit ein Partei-Organ zu nnterhalten. Die Druckerei dieses Blattes wurde durch die Polizei entdeckt und eine große Anzahl Exemplare beschlagnahmt. In diesen wird ein vollständiger Umsturz des Reiches und der Familie gepredigt. Dreihundert Personen, darunter Mitglieder der vornehmsten Stände, wurden verhaftet. Weitere Massenverhaftungen stehen bevor.
Schweiz.
Neuenburg, 31. Dez. Eine Havasdepesche aus Neuenburg meldet das plötzliche Verschwinden zweier abessinischen Prinzen, die sich dort zur Ausbildung befanden. Sie seien am Abend vor Weihnachten durch einen politischen Agenten Italiens, dem ein im Dienste der Italiener stehender Schoaner Hilfe leistete, entführt worden. Seit dieser Zeit habe man keine Nachricht mehr von den Prinzen, doch seien dieselben am 27. Dez. in Italien gesehen worden.
England.
London, 3. Jan. Eine gestern Nachmittag eingegangene, vom Kolonialamt bestätigte, Depesche meldet: Dr. Jameson erlitt durch die Boeren vor Johannesburg eine ernste Niederlage. Große Verluste an Menschenleben haben stattgefunden. Dr. Jameson ergab sich. Der Minister der Kolonien, Chamberlain, bat telegraphisch um hochherzige Behandlung der Gefangenen und Verwundeten.
Amerika.
Der berühmte Erfinder Edison hat der Regierung der Vereinigten Staaten für den Fall eines Krieges das Anerbieten gemacht, das elektrische Hinrichtungsverfahren mit allerhand erstaunlichen Verbesserungen auf die Engländer anzuwenden. Es wird dem Ruhm des Herrn Edison nur dienlich sein, wenn seine menschenfreundlichen Absichten nicht zur Ausführung gelangen.
Washington, 3. Jan. Eine amtliche Erklärung bestätigt in klarster Form die vollständige Unparteilichkeit der Untersuchungskommission in der venezolanischen Grenzangelegenheit.
Eine neue Republik soll auf der im mexikanischen Golf gelegenen Tiburoninsel gegründet werden. Die Insel gehört zwar Mexiko, wird aber von einem wilden Jndianerstamm bewohnt, welcher die mexikanischen Küsten schwer verwüstet. Die mexikanische Regierung ruft nun Abenteurer, denen sie Geld, Land und das Recht einer eigenen Republik bewilligt, um die Räuber mit Gewalt auszurotten. Echt amerikanisch!!
Afrika.
Prätoria, 3. Jan. Die Regierung hat Nachrichten empfangen, daß die Chartred Company weitere Streitkräfte mobilisiert habe, um in Transvaal einzudringen, und daß Kaffernkommandos sich
bereits in Transvaal an der Grenze von Betschuana- land befinden. Der Oranje-Freistaat bereitet sich vor, Transvaal zu unterstützen und habe ein Kommando von 1600 Mann in der Nähe des Vaalflusses aufgestellt. Die Eisenbahnlinie Krügersdors-Johan- nesburg sei aufgerissen.
Kleinere Mitteilungen.
Stuttgart, 1. Jan. Eine böse Sylvesternacht haben wir hinter uns. Kurz nach Anbruch des neuen Jahres verübten mehrere junge Leute, nachdem sie vorher in der Kronprinzstraße arg randaliert hatten, in der hiesigen Bahnhofrestauration II. Kiasse einen derartigen Skandal, wobei sie Tische, Spiegel, Flaschen, Gläser und Stühle zertrümmerten, daß sie erst durch 4 Schutzleute unter Führung eines Polizeiinspektors sistiert und nach dem Polizeiamt abgeführt werden konnten. Nach Feststellung ihrer Personalien wurden sie wieder entlassen und drangen dann abermals in die Bahnhofrestauration ein, um den Skandal zu erneuern, wurden aber diesmal durch Bahnhofbedienstete hinausgehauen. — Gegen 1 Uhr früh entstanden in der Gymnasiumsstraße Raufhändel, wobei wieder einmal das Messer eine Rolle spielte. Der Sohn des Leichenbesorgers Männer erhielt einen Stich in den Kopf und wurde alsbald in das Katharinenhospital verbracht. Der Thäier ist verhaftet. Die Stichwunde des Verletzten soll nicht lebensgefährlich sein. — Im II. Polizeidistrikt (Neckarstraße und Umgebung) entstanden gleichfalls Raufhändel, wobei einem Mann durch einen Stockhieb ein Arm gebrochen wurde. Damit sind aber die Ereignisse „zur Feier des Jahreswechsels" in Stuttgart leider noch nicht erschöpft. Der verheiratete Hafner Heinrich Rößler, Gartenstraße 7, der als Jagdliebhaber von der Schießerei etwas verstehen sollte, feuerte um Mitternacht 4 scharfe (!!) Revolverschüsse aus der Hinteren Seite seines Hauses, ohne zu bedenken, daß jemand getroffen werden könnte und legte dann seinen Revolver aus den Tisch in seiner Wohnstube. In der irrigen Meinung, daß der Revolver ganz entladen sei, ließ er den Hahn nochmals schnappen; der noch geladene 5. Schuß ging los, und die Kugel, welche zuerst dem Schützen selbst ein Fingerglied wegriß, drang dem 9jährigen Töchter- chen Rößlers in die Schläfe. Der unselige Schütze raufte sich in der Verzweiflung buchstäblich die Kopfhaare aus. Das Kind wurde sofort in ein Spital verbracht, wo es bald darauf verstarb.
Stuttgart, 2. Jan. Das Bankhaus Stahl u. Federer besteht mit dem 1. Januar 1896 100 Jahre. Das aus der Calwer Handelsgesellschaft hervorgegangene Haus hat sich in allen Kreisen der Geschäftswelt weit über Württemberg, Deutschland, ja Europa hinaus einen hochgeachteten Namen erworben. Den Mitinhabern der Firma Adolf Vellnagel und Julius Federer wurde von S. M. dem König je das Ehrenkreuz des Ordens der Württ. Krone verliehen.
Altbach, 30. Dez. Gestern abend S',^ Uhr wurde, wie man dem Hohenst. schreibt, auf den Schnellzug Nr. 90, als er die Strecke zwischen hier und Zell befuhr, ein Schuß abgefeuert; die Kugel, welche, ohne jemand zu treffen, die eine Seite im Packetwagen durchschlug, wurde im Wagen aufgefunden. Untersuchung ist eingeleitet.
Göppingen, 1. Jan. Eine grauenerregende Szene spielte sich gestern abend 7 Uhr in der Wirtschaft „zur Stadt Warschau" ab. Der schon seit längerer Zeit lungenleidende zeitweise geistesgestörte Eisengießer Uxa schoß anläßlich eines Wortwechsels auf seine 22jährige Stieftochter, wobei derselben eine Kugel in den Hals und eine in die Brust drang. Als der herbeigeeilte Schutzmann Knödler I. die Thüre, welche verbarrikadiert war, sprengen wollte, schoß Uxa demselben ins Gesicht, worauf er sich selbst erschießen wollte und sich eine Kugel in die Schläfe jagte. Alle drei Geschossenen sind schwer verletzt, doch konnte bis jetzt bei keinem eine Kugel entfernt werden. Uxa wird schwerlich davonkommen, dagegen hat man Hoffnung, die anderen beiden am Leben zu erhalten. Uxa hatte schon früher Mordversuche und Selbstmordversuche verübt: Bor etwa 12 Jahren schoß er auf den Dreher Maier und wurde deswegen zu tt/r Jahren Gefängnis verurteilt. Vor etwa l'/z Jahren wollte er sich erhängen, man kam jedoch rechtzeitig dazu und schnitt ihn ab. Kurze Zeit darauf kaufte er sich einen Revolver und ein Dolchmesser und drang in die Geschäftsräume seines früheren Arbeitgebers, des Eisengießereibesttzers Schmid ein und wollte denselben ermorden ; von der zu Hilfe geeilten Polizei wurde sein Vorhaben vereitelt. Er kam hierauf wegen Mordversuchs in Untersuchungshaft. Dort schnitt er sich mit einem Glasscherben die Pulsadern durch, wurde aber noch rechtzeitig verbunden. Nun wurde das Verfahren gegen ihn wegen zeitweiser Geistesgestörtheit eingestellt und Uxa wurde (anstatt in rin Irrenhaus gebracht zu werden) aus freien Fuß gesetzt.
Ulm. 1. Jan. Der vorgestern in Herbelhölzle, Markung Neu-Ulm, erschossen aufgefundene Herr wurde im Laufe des gestrigen Tages als der Premierlieutenant Maximilian Stritzl im 12. bayerischen Jnf.-Reg. Prinz Arnulf erkannt. Wie man hört, war derselbe seit 4 Jahren fortwährend kränklich und hatte verschiedene Kuren ohne Erfolg gebraucht. Dies dürste das Motiv des Selbstmords sein.
Ulm, 1. Jan. In der Sylvesternacht entstanden in einer Wirtschaft bei der steinernen Brücke Händel, welche sich auf der Straße fortfetzten. Der in der Langmühle beschäftigte Müller Wilh. Bausch griff hiebei zum Messer und versetzte dem Müller Ernst Aigner von Schnait, ÖA. Schorndorf einen Stich, der unter dem Herz in die Lunge eindrang. Aigner konnte sich noch bis zur Wengenkirche fortschleppen und brach dort bewußtlos zusammen. Nach längerer Zeit wurde er von einer Militärpatrouille aufgefunden und ins Spital getragen. Er kam dann wieder auf kurze Zeit zum Bewußtsein, konnte aber nur das Wort „Langmühle" stammeln, was genügte, den inzwischen nach Hause geflüchteten Thäter zu ermitteln und zu verhaften.
Aigner wird wahrscheinlich sterben, da seine Verletzung eine sehr schwere ist.
Ulm, 2. Jan. In der Neujahrsnacht ist der Privatier Hampp durch einen Fehltritt die Treppe hinuntergestürzt uud bald darauf gestorben.
Ulm, 3. Jan. Heute vormittag fuhr der SO Jahre alte Fischer Friedr. Ko pp von Wiblingen auf einer beladenen Sandzille mit seinem Sohn die hochgehende Donau herunter. Unter der Eisenbahnbrücke, wo der Fluß gewaltige Wellen wirft, kippte die Zille um und beide Männer wurden von den trüben Wogen verschlungen. Hilfe war nicht möglich. An ein Auffinden der Leichen ist vorerst auch nicht zu denken.
Ravensburg, 3. Jan. Gestern abend ereignete sich hier ein schweres Unglück. Zwei Offiziere mit Bedienung fuhren die Eisenbahnstraße hinauf, als plötzlich das Pferd scheute. In rasendem Laufe rannte es wieder dem Bahnhof zu. An einem Sicherheitsstein fuhr das Gefährt mit furchtbarer Gewalt auf und schleuderte die Insassen heraus. Zwei davon kamen mit dem Schrecken davon, während der dritte, ein Offizier, schwer verletzt ins Hotet Hildenbrand verbracht wurde. Aerztliche Hilfe war gleich zur Stelle.
Pinache, OA. Maulbronn, 1. Jan. Ein Akt großer Rohheit und Ruchl-figkeit hat sich in der Neujahrsnacht hier zugetragen: sämtliche Grabsteine auf dem Kirchhofe wurden umgeworfen und beschädigt, sämtliche Grabkreuze mit Ausnahme von dreien, welche nur umgebogen wurden, herausgerissen, auf dem Felde zerstreut und an Bäume aufgehängt. Da der Kirchhof ziemlich entfernt vom Dorfe ist, so konnte der Tjäter, welcher wohl kaum hier zu suchen ist, seine schändliche Arbeit ungestört und unbemerkt vollbringen.
Vom Bodensee, 1. Jan. In freundlicher Erinnerung haben die beiden ältesten Söhne des deutschen Kaisers den Bodensee behalten. DerGymnastst Hausamann den die munteren Kiaben während ihres Sommeraufent-, Halts in Konstanz !ennen lernten, erhielt zu Weihnachten von den Prinzen Wlhelm und Eitel ihre Photographien in hübschen Rahmei, „zum Andenken an die schönen Tage in Konstanz"; wie dir Kronprinz aus seinem Bilde bemerkte. Auch zwei in kamaadschaftlichem Freundeston gehaltene Briefe waren der Beihnachtsgabe beigefügt. — Mit dem am Weihnachtstage beerdigten Wechselwärter Ehr. Sibold wurde das erste der reuen Ueberlinger Eisenbahn zum Opfer gefallene Menschenbben zu Grabe getragen. Der Verstorbene kam kurz mch seiner Versetzung von Stockach auf der Station Espasirgen beim Rangieren unter die Räder eines Güterwagens, die ihm den Fuß zermalmten.
Pforzheim, 2>. Dez. Ein angeblicher Bijouterie- Importeur aus Batwia war vor einigen Tagen hier eingetroffen und halt, verschiedenen Fabrikanten größere Aufträge in Aussich gestellt, wofür er auch von diesen aufs Freigebigste ryaliert wurde. Beim Champagner entdeckte er einem Katenfabrikanten, daß er wohl einen Wechsel auf Amsterdcm, aber kein Geld mehr in der Tasche habe, was den Fabrikanten veranlaßte, ihm 100 ^ vorzustrecken. Als gestern der Fabrikant Verdacht schöpfte, war der „Indier" bereits ausgerückt. Verschiedene Nachforschungen führten,u dem Ergebnis, daß der angebliche Einkäufer in einem nahen Luftkurort im Schwarzwald dingfest gemacht und hier eingeliefert werden konnte. Der „Ueberseer" wurde sodann als der schon 13 Jahre im Zuchthaus gewesene Schwindler Knauer aus Fürth in Bayern recognosziert, der ähnliche Manöver wie hier bereits in verschiedenen anderen Städten ausgeführt haben soll.
Offen bürg, 31. Dez. Großes Aufsehen erregt die heute erfolgte Verhaftung des Kassierers der städtischen Sparkasse, Spediteur Bauer. Bereits gestern nachmitt, waren Vorkehrunge» getroffen, um eine etwaige Flucht desselben unmöglich zu machen. Die Unterschlagungen sollen die Höhe von 130,000 ^ (andere Angaben reden von 800,000 ^) erreichen.
Die Lebensretter der Prinzessin Friedrich Leopold von Preußen, nämlich der Maschinist Nötiger, die Steuermänner Krietenmeyer und Jrrgang und der Maschinist Hankwitz haben ein Geschenk von je 2000 ^ erhalten. Schon am Tage des Unfalls hatte die Prinzessin ihren Rettern mehrere Flaschen Wein zur Stärkung zugesandt. Der Sohn des Weichenstellers Arnds aus Neubabelsberg, welcher, als der Unfall geschehen, schnell einen Wagen aus Schloß Glienicke requirierte, hat ebenfalls eine Belohnung bekommen. Für die vier Männer ist die Verleihung der staatlichen Rettungsmedaille beantragt worden.
Rudolstadt, 29. Dez. In einem Thüringer Walddörfchen hatte ein Zähler von einer Familie die Zählkarten abgeholt und war gerade im Begriff, sich aus der Nahe des Hauses zu entfernen, als ihm der kleine Junge des Besitzers nachgeeilt kam und sagte: „Kommen sie nur noch emal wieder, wir haben eben noch e ganz kleenes Mädchen gekriegt."
Graz, 31. Dez. In Stübingraben stürzte am Freitag ein Freischurf ein und begrub einen Bergknappen, Roch in der Samstag-Nacht wurden dessen Jammerrufe aus der Tiefe gehört. Am Sonntag konnte nnr noch die Lerche geborgen werden. _
Lokales.
Nagold,3.Jan. (Einges). KaufetamPlatze. Dieser so dringende und beherzigenswerte Mahnruf, welcher schon öfters von kaufmännischer Seite an bieserStelle zu lesen war, veranlaßt den Einsender dieses, das Wohlwollen und
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den Rechtsinn der hiesigen Einwohner anzuregen und auszufrischen. Mit wenig Ausnahmen starren um diese Jahreszeit in unserem Thale noch die Gärten von Eis und Schnee und keine, nicht einmal die eifrigsten unserer Gärten besitzenden Hausfrauen und Blumenfreunde denken an das sogen. „Gürteln", da durchziehen schon wieder ,ene bekannten Gestalten mit ihren grünen Zwergsacken, wie einstmals der Coloradokäfer, oder wie ein gefährlicher Fadenpilz in wohlorganisierten Marschrouten Städte und Ort-