Karlsruhe, 20. Okt. Von 34 Abgeordneten­wahlen sind gestern 16 vollzogen worden, darunter in drei Wahlkreisen, wo der Ausgang nach den Wahlmännerwahlen noch zweifelhaft geblieben war. In Rastatt-Stadt fielen auf den vom Zentrum unter­stützten demokr.-freisinnigen Oberingenieur a. D. Delisle von Karlsruhe und den seitherigen national­liberalen Abgeordneten des Wahlkreises, Oberamts­richter Engelberth-Heidelberg je 28 Stimmen. Das Los entschied für Delisle. (Herr Delisle ist erst vor Kurzem aus dem Staatsdienst ausgeschieden und zwar, weil er zur Zeit der Umsturzvorlage bei einem in einer Gesellschaft ausgebrachten Hoch auf den Kaiser sitzen blieb. Er mußte deshalb seinen Ab­schied nehmen und wurde dann in Rastatt als Kan­didat aufgestellt.) Weinheim verloren die National­liberalen an die Antisemiten, die damit zum erstenmal einen Abgeordneten in die Kammer bringen. Ihr Kandidat Pfisterer erhielt 98, der natlib. Bewerber Hübsch 66 Stimmen. Die freisinnigen, ultramontanen und sozialdemokratischen Wahlmänner stimmten für Pfisterer. Bruchsal Stadt behauptete der natlib. Abg. Keller mit 31 Stimmen gegen 28 des Zentr.- Kandidaten Oberamtsrichter Armbruster von Freiburg.

Straßburg, 20. Okt. Gestern abend ö Uhr trat das Kaiserpaar die Rückreise an. Der Kaiser gab wiederholt seiner Freude und Zufriedenheit über den auch dieses mal wieder so herzlichen Empfang seitens der Straßburger Bevölkerung Ausdruck. Der Statthalter wurde von beiden Majestäten in herz­lichster Weise ausgezeichnet. Als das Kaiserpaar den Salonwagen bestiegen hatte, traten der Groß­herzog und die Großherzogin von Baden noch einmal an denselben heran und verweilten im Gespräch bis zum Abgang des Zuges.

Slraßburg, 20. Okt. Der Kaiser hat dem Statthalter in Straßburg anläßlich seiner Anwesen­heit in Straßburg seine lebensgroße Büste geschenkt.

Angesichts der in Angriff genommenen Ab­änderung des Jnvaliditäts- und Altersversicherungs­gesetzes wird erörtert, ob es nicht angebracht wäre, ähnlich der Regelung bei der Unfallversicherung, bei der Jnvaliditäts- und Altersversicherung die Beiträge nach der Gefahrenhöhe abzustufen. Das gegenwärtige Gesetz stellt dies den Vesicherungsanstalten anheim. Es hat aber keine von dieser Befugnis Gebrauch gemacht, und da sich herausgestellt hat, daß in dem Ansprüche auf Renten Landwirtschaft und Industrie sich die Wage halten, so wird die Novelle hier Alles beim Alten lassen.

Berlin, 20. Okt. DasBerl. Tagbl." meldet aus Antananarivo: General Duchesne hat die Königin besucht und das französische Protektorat über Madagaskar erklärt. Die Königin fordert die früh. Bewohner von Antananarivo auf. zurückzukehren. Die französische Regierung verlangt keinen Schaden­ersatz, der Konflikt ist beseitigt, der Krieg beendigt. Die Einnahme der Hauptstadt ist hauptsächlich das Verdienst der Artilleriebrigade Metzinger. Dieselbe kehrt demnächst nach Europa zurück. Die Brigade Voyron und Marinetruppen bleiben als Garnison.

Berlin, 21. Okt. Zum Nachfolger des verstorbenen Chefs der politischen Polizei, Polizeirat von Mauderode, soll, wie derVorwärts" vernimmt, Polizeidirektor Eckhardt auserfehen sein.

Berlin, 21. Okt. Bei der heutigen Enthüllungsfeier des Kaiserin Augusta-Denkmals, welches auf dem Platz zwischen dem kgl. Opernhaus und dem Palais weiland Kaiser Wilhelm 1 errichtet ist, hatten die umliegenden Ge­bäude reichen Flaggen- und Guirlandenschmuck angelegt. Auch der Platz selbst war prächtig geschmückt. Zur Feier war das Kaiserin Augusta-Garde-Regiment mit Fahnen und Musik besohlen. Ferner waren zahlreiche Offiziere, Slaatswürdenträger, Vertreter der Stadt und Deputationen derjenigen gemeinnützigen und Wohlthätigkeitsanstalten er­schienen, deren Protektorat die verewigte Kaiserin über­nommen hatte.

Berlin, 22. Oktbr. Die Einberufung des Reichstages wird zwischen dem 20. und 26. No­vember erwartet.

Berlin, 22. Okt. Der Besuch des Königs von Portugal am hiesigen Hofe wird Anfang November erwartet.

Berlin, 22. Okt. Das Befinden des Fürsten Bismarck ist demLokal-Anzeiger" zufolge ein ganz vortreffliches. Graf Herbert Bismarck, welcher am Sonntag von seiner Tirol-Reise nach Friedrichsruh zurückgekehrl ist, begab sich gestern nach Schönhausen, wo er dauernden Aufenthalt nimmt.

Berlin, 22. Okt. Das Berl. Tagebl." meldet aus Krakau: Die Spionen-Affaire zieht immer weitere Kreise. Zwei Feuerwerker und zwei Korporale wurden

neuerdings verhaftet. Sie standen mit dem Feuer­werker Schneider in Verbindung, der nach Defrau­dation von 500 Gulden nach Rußland entfloh und sich dort, um seine Auslieferung zu verhindern, der russischen Regierung als Spion anbot.

Am 18. Oktober, dem G eburtstage weiland Kaiser Friedrichs, war dessen Grabstätte im Mau­soleum neben der Friedenskirche zu Potsdam pracht­voll mit Blumen geschmückt. Der Kaiser, die Kaiserin Friedrich, Prinz Heinrich, die erbprinzlich meiningi- schen Herrschaften und eine Anzahl Offiziercorps hatten kostbare Kränze am Sarkophag niederlegen lassen. Bis mittag 12 Uhr war das Mausoleum für das Publikum geschlossen, das dann zahlreich erschien und in stiller Andacht am Sarkophag ver­weilte. Auf dem Palais der Kaiserin Friedrich in Berlin war die Kaiserinstandarte auf Halbmast ge­hißt. lieber der Standarte hing ein Lorbeerkranz mit einer schwarzen Schleife.

Hamburg, 19. Okt. DerHamb. Korr." be­richtet eingehend über die Erfahrung mit den 4. Bataillonen und der zweijährigen Dienstzeit. Die Erwartungen Caprivis, die zur Wahl der zwei­jährigen Dienstzeit drängten, hätten sich in der Praxis bewahrheitet. Die Ausbildung der Fuß­truppen blieb nach den Erfahrungen der letzten zwei Jahre um nichts gegen früher zurück, eher sei sie besser geworden, weil die Cadres in zweijähriger Dauer weder unterbrochen, noch gewechselt, noch fühlbar gehindert wurden. Es sei ein Arbeiten nach einem System im großen. Im allgemeinen spreche sich die am 1. Oktober fällig gewesene amtliche Be­richterstattung günstig über die zweijährige Dienstzeit aus. Anders stehe es mit den vierten Bataillonen, die keine organisatorische Musierschöpfung seien; sie würden schwerlich ein langes Leben haben. Eine Aenderung innerhalb des Rahmens der jetzigen Prä­senzziffer wäre durchaus nicht unmöglich. Vergleiche man die Gesamtheit der Ergebnisse der früheren, durchlöcherten dreijährigen Dienstzeit nebst den Er­satzreserven mit der jetzigen zweijährigen Dienstzeit, so neigt die Wagschale zu Gunsten letzterer. Jeden­falls seien die vierten Bataillone viel besser als die selige Ersatzreserve.

Frankreich.

Paris, 16. Okt.Figaro" will wissen, wie ungefähr der bis jetzt geheim gehaltene Vertrag zwischen Frankreich und der Hovaskönigin lautet. Danach soll die Königin Ranavalo den TitelKönigin von Ma­dagaskar" behalten, sie soll jedoch eine Föderativ- Königin zu Frankreich werden. Frankreich verhilst der Königin zur Hegemonie über die Madagassen- stämmc und setzt in Tananarivo einen französischen Residenten ein, welcher den von der Königin zu er­nennenden Premierminister in seinen Handlungen überwachen soll. Die Königin darf übrigens nur mit Zustimmung des sranz. Residenten, Konzessionen nicht nur im Gebiet der Hovas, sondern auch in allen andern Provinzen erteilen.

Paris, 21. Okt. DerGaulois" schreibt über den Prozeß Magnier einiges Interessante. In dem Prozeß war die Frage, ob Magnier versuchen würde, größere politische Persönlichkeiten zu kompromittieren. Er und sein Advokat haben stillgeschwiegen, aber die Regierung und die öffentliche Meinung werden schon den Skandal erhalten, denn in Kurzem werden gleichzeitig in mehreren Blättern Listen kompromit­tierter Persönlichkeiten veröffentlicht. Diese Liste ist demGaulois" von Magnier nahestehender Seite übergeben worden, so daß man sich auf einen kleinen Panama-Skandal gefaßt machen kann.

Italien.

Rom, 21. Oktbr. Der Papst empfing heute mittag den Großfürsten Konstantin von Rußland und seine Schwester, die Prinzessin Vera von Würt­temberg nur ihren beiden Töchiern. Die Dauer der Audienz währte 45 Minuten. Darauf begrüßten die Herrschaften den Kardinal-Staatssekretär Ram- pola, welcher ihren Besuch am Nachmittag im Hotel London" erwiderte.

England.

London, 21. Okt. Lord Salisbury richtete ein im schärfsten Tone gehaltenes Ultimatum an den l Präsidenten von Venezuela, worin er sofortige Ent- j schädigung für die Verhaftungen und Deportationen ! englischer Unterthanen, sowie definitive Regelung der ! Grenzfrage fordert.

; Dänemark.

! Kopenhagen, 21. Okt. Das Befinden des

Königs läßt zu wünschen übrig. Die Kräfte des Monarchen haben in den letzten Wochen bedeutend abgenommen. Die Aerzte hoffen indes, daß der König bei feiner starken Körperkonstitution die Krisis überwinden und sich bald erholen wird.

Spanien.

Wie aus Havannah gemeldet wird, ist eine Regierungstruppe von 460 Mann am 9. d. Mts. bei Paso Rodle mit 800 Aufständischen zusammen gestoßen, wobei 24 Aufständische und 1 Spanier getötet wurden. Der spanische Ministerrat hat dem neulich gemeldeten Antrag des Kolonialministers ge­mäß nunmehr beschlossen, auf Kuba das Dynamit­gesetz zur Anwendung zu bringen.

Kleinere Mittvilnngen.

Freudenstadr, 22. Okt. Gestern nachmittag 5 Uhr ist auf der Parzelle Kniebis Gemeinde Baiersbronn, in dem Wohnhaus des Holzhauers Matthäus Moser Feuer ausgebrochen, welches das Wohnhaus vollständig einäscherle.

Stuttgart, 19. Okt. Die Berufung des Lizentiaten der Theologie Chr. Schremps gegen ein Urteil des Schöffen­gerichts vom 29. Mai d. I., wodurch dieser wegen Abhal­tung religiöser Vorträge an Sonntag-Vormittagen in der Liederhalle hier als einer Störung des Gottesdienstes zu 8 Geldstrafe verurteilt wurde, verwarf die Strafkammer kostenpflichtig.

Stuttgart, 20. Okt. Wie gering der Weinertrag in Stuttgart gewesen, zeigt am besten, daß ein Heslacher Weingärlner auf einem Morgen nur 10 Liter, in Gablen- berg einer kaum 7 Liter davontrug.

Grunbach, 21. Okt. Ende voriger Woche wurde auf dem Osterhof, diess. Gemeindebezirks, in dem Hause des Weingärtners Joseph Knauer eingebrochen, dessen Sekre­tär mittelst einer Reithaue eine silberne Dose mit etwa 400 ^ in Gold entwendet. Einen daneben liegenden Ein­hundertmarkschein ließ der mit den Räumen offenbar genau vertraute Dieb unberührt.

Göppingen, 19. Okt. Vor einigen Tagen kehrte ein. Bartenbacher aus Amerika zurück, wo er sich 14 Jahre auf- gehalten hatte. Er suchte im heimatlichen Dorfe Freunde und Verwandte auf und saß am Abend mit solchen im Lamm zusammen, wo er dann auch übernachtete. Mitten in der Nacht mußte er aufstehen, und da er sich in dem Innern des Hauses nicht zurecht fand, stürzte er schließlich zu einem Fenster hinaus. Durch den Fall zog er sich schwere innere Verletzungen zu. Man brachte ihn am andern Mor­gen hieher zu seinem Bruder, wo er verg. Nacht unter argen Schmerzen gestorben ist.

Ulm, 20. Okt. Auch das hiesige Feldart.-Regiment König Karl (1 württ.) Nr. 13 wird zur Erinnerung an die Tage von Champigny-Villiers am 30. Nov. eine Feier veranstalten, zu der die Veteranen des Regiments Ein­ladungen erhallen haben.

Mannheim, 20. Okt. Der Vater des Bankdiebes Mayer, der Kaufmann Max Mayer, sowie der Schwager des Elfteren, Kaufmann Haymann, sind gestern unter dem Verdachte der Mitwiffenschaft verhaftet worden. Haymann hat erst vor kurzer Zeit die Schwester des Richard Mayer geheiratet, die bei ihrer Bereyelichung eine Mitgift von 25 000 ^ mitgebracht haben soll. Man hegt nun den Verdacht, daß diese 28 000 ^ mit einen Teil des gestoh­lenen Geldes bilden. Ob diese Vermutung sich bestätigt, wird die Untersuchung ergeben.

Vom Fränkischen, 20. Okt. Eine von scheußlicher Rohheit zeugende Thal entdeckte die Feuerschaukommission zu Ziegenberg. Der dortige Taglöhner Geiger hielt sei­nen blöden 10jährigen Sohn nackt aus dürftigem Strohlager mit einem Stricke gefesselt in einem zerfallenen Backofen verborgen. Der Unmensch wurde verhaftet.

Nürnberg, 20. Okt. Ein Verbrechen wurde heute bei Tagesgrauen entdeckt. Bei der in Mitte der Stadt gelegenen Haltestelle eines Borortszugs fand man die Leiche eines neugeborenen Kindes. Man vermutet, daß das Kind von der Rabenmutter während der Fahrt herausgeschleu­dert worden sei, wodurch auch die Verletzungen im Gesichte erklärlich sind. Bis jetzt fehlt jede Spur bezüglich der Thäkerin.

Breslau, 21. Okt. Wie der Breslauer Zeitung aus Beuchen gemeldet wird, explodierte am Samstag Abend der Gasometer der Oberschlesischen Eisenbahn mit großem Knall, wobei vier Personen mehr oder weniger schwer ver­letzt wurden. Das Mauerwerk ist teilweise geborsten und das den Gasometer überwölbende Dach wurde abgehoben.

In Wormstadt bei Apolda verstarb eine alleinstehende Witwe, die in den bescheidensten Verhältnissen lebte. Nie­mand, auch nicht die vorhandenen Anverwandten, halten, getäuscht durch die Anspruchslosigkeit der Verstorbenen, eine Ahnung von deren Vermögensverhältnissen. Bei der amt­lichen Feststellung des Nachlasses wurden vorgesunden: 58 000 ^ in Staatspapieren, 57 000 ^ in Sparkassen­büchern und ca. 18 000 ^ in Hypothekenscheinen.

Lebensfrohe Greise waren es, die sich dieser Tage in Potsdam zusammensanven, um gemeinsam den Tag zu begehen, an welchem sie gerade vor fünfzig Jahren vom Potsdamer Lehrerseminar in das praktische Lehrfach traten. Es waren ihrer damals 19 von denen noch 12 am Leben sind. Bon diesen waren 8 zusammengekommen, darunter noch 3 im Amt befindliche Lehrer. Nach fröhlichem Bei­sammensein und heiterem Austausch ihrer Jugenderinner­ungen gaben sich die Lehrer das Versprechen nach abermals 5 Jahren wieder in Potsdam zusammenzukommen.

Wien, 18. Okt. Als Nachspiel zum Münchener Prozeß gegen den Hypnotiseur Czynski wurde heute von dem hiesigem Landesgerichle der Agent Wartalski, der als falscher Pastor die Scheintrauung mit der Baronin Zedlitz > vornahm, wegen Betruges zu 8 Monaten mit Fasten ver­schärften Kerkers verurteilt.