Oesterreich-Ungarn.
Wien, 13. Sept. Der Kaiser Franz Josef hat anläßlich der Manöver bei Stettin an den deutschen Kaiser nachstehendes Allerhöchstes Handschreiben, vom 11. ds. Mts. datiert, gerichtet: Ew. K. K. Majestät haben Mir durch die Einladung zu den Manövern Ihrer Armee eine große Freude bereitet. Sie war Mir vor allem willkommen als wiederholter Beweis, der Mir und Meinem Heere so wertvollen freundschaftlichen Gesinnungen Ew. K. K. Majestät. Als besondere Auszeichnung habe Ich es empfunden neuerdings in der Mitte Ew. K. K. Majestät ruhmreicher Armee weilen zu können. Mit aufrichtiger Genugthuung erfüllt es Mich hierbei durch die hohe Würde, welche Ew. K. K. Majestät Mir zu verleihen geruht haben, Ew. K. K. Majestät Heere nur noch näher getreten zu sein. Beseelt von dem Wunsche, die herzlichen Beziehungen Unserer Armeen noch enger zu gestalten, gereicht es Mir zu besonderer Freude Ew. K. K. Majestät zu bitten, als oberster Inhaber zweier Regimenter auch die Uniform eines Generals der Kavallerie Meiner Armee tragen zu wollen. Diese würde hierin eine besondere hohe Auszeichnung und ein neues Band der Waffenbrüderschaft erblicken.
Wien, 13. Sept. Die „Arbeiterztg." läßt sich aus Warschau telegraphieren, daß der Bezirkskommissar Pobro- wolskr in Colerzi 6 Bauern und den gewählten Wahlmann Liprirz in Ketten legen und einkerkern ließ, weil der Bezirkskommissar mit dem Wahlresultat unzufrieden war.
Wien, 13. Sept. Kaiser Franz Joseph ist um 9' 4 Uhr mittels Extrazugs hier eingetroffen. Die vor dem Bahnhof angesammelte Menge bereitete dem Monarchen eine spontane Ovation. Der Statthalter von Galizien, Gras Badem, ist heute früh hier eingetroffen.
Wien, 14. Sept. Heute mittag wird Graf Badeni von Kaiser Franz Joseph empfangen werden und demselben die neue österreichische Ministerliste zur Genehmigung vorlegen. Die wahrscheinliche Zusammensetzung des Kabinets ist folgende: Badeni Vorsitz und Inneres, Bilinski Finanzen, Graf Glei- spach Justiz, Baron Glanz Handel, von Gautsch Unterricht, Welsersheimb Landesverteidigung, Graf Ledebur Ackerbau.
Der Kaiser von Oesterreich hat 4000 ^ für die Stettiner Armen gespendet.
Triest, 14. Sept. Wie verlautet verbot die Regierung alle Vergnügungszüge nach Italien am 20. Septbr., dem Festtag der Einnahme Roms.
Frankreich.
Paris, 10. Sept. Einem Telegramm aus Port Louis zufolge rüsten sich die Hovas in Jbahahi, 30 Meilen westlich von Tananarivo, zu einem verzweifelten Kampfe gegen die Franzosen.
Paris, 12. Sept. Gerüchtweise verlautet in der Finanzwelt, daß Baron v. Rothschild seit einiger Zeit durch die heftigen Angriffe, denen er in der Presse durch die Attentate, die gegen ihn geplant waren, ausgesetzt ist, vollständig entmutigt ist. Er beabsichtige, die Geschäfte niederzulegen und die Direktion seines Hauses seinem Schwiegersöhne Lambert, welcher das Haus in Brüssel leitet, anzuvertrauen.
Italien.
Rom, 14. Sept. Der Papst hat den Katholiken Italiens Verhaltungsmaßregeln für den 20. Sept. gegeben. Nach denselben haben sich alle Katholiken von den Kundgebungen fern zu halten. Die kath. Munizipalräte sollen gegen alle Kredite stimmen, welche zu dieser Feier verlangt werden. Diejenigen kath. Beamten jedoch, welche ohne schweren Schaden der Kundgebung nicht fern bleiben können, dürfen derselben beiwohnen, sollen aber jeden Beifall oder Zustimmung vermeiden.
Mailand, 14. Sept. Der hiesige Kardinalerzbischof erließ einen Hirtenbrief, worin er der ihm untergestellten Geistlichkeit anempfiehlt, in den Tagen vom 20. bis 22. September in sämtlichen Kirchen Bittgottesdienst abzuhalten sür die Befreiung des Papstes und die Wiederherstellung der weltlichen Macht desselben.
Bulgarien.
Sofia, 11. Sept. Die bulgarischen Reserveoffiziere, welche an der Expedition nach Macedonien teilgenommen haben, wurden gestern verhaftet. Sie wurden von der Polizei angewiesen, binnen 3 Tagen in Sofia eine dauernde Anstellung oder Beschäftigung zu finden, widrigenfalls sie ausgewiesen und in der Provinz interniert werden.
Sofia, 13. Sept. Das Organ Radoslawows wurde wegen Beleidigung des Fürsten in Anklagezustand versetzt. Das Blatt brachte einen Artikel, in welchem der Fürst aufgefordert wurde, Bulgarien zu verlassen, ehe er wie Stambuloff totgeschlagen würde.
Sofia, 13. Sepk. Das Organ Karawelow's
! veröffentlicht ein Schreiben des Ministers Wolitoch- I kow, aus welchem hervorgeht, daß die jetzt am Ruder befindlichen Regierungsmänner seiner Zeit es waren, welche den Fürsten Alexander auf Befehl Rußlands entthronten.
Dänemark.
Kopenhagen, 15. Sept. Vom Oktober an werden mehrere Dampferlinien für den Viehtransport zwischen Esbjerg und den ostjüdländischen Städten einerseits und den mit Quarantäne-Anstalten versehenen deutschen Plätzen andererseits eröffnet.
Rußland.
Ein Riesenplan, der in handelspolitischer wie strategischer Beziehung von hoher Bedeutung ist, wird demnächst in Rußland zur Ausführung kommen. Die dort schon seit langem geplante Anlage eines Kanals zwischen der Ostsee unv dem Schwarzen Meer ist laut einer Mitteilung aus Petersburg nunmehr endgiltig beschlossen. Der Kanal wird, wie es heißt, eine Länge von 1600 Klm., eine Tiefe von 8,22 Mtr., eine Breite von 64,9 Mtr. aus der Oberfläche des Wassers und eine solche von 34,73 Mtr. auf dem Grund haben. Der Ausgangspunkt wird Riga sein. Der Kanal wird dem Lauf der Düna, der Berezina und des Dniepr folgen und in Cherson am Schwarzen Meer münden. Nach den Berechnungen denkt man mit einer Schnelligkeit von 11 Klm. in der Stunde den ganzen Kanal in 6 Tagen durchfahren zu können. Die Dauer der Arbeiten ist auf 5 Jahre bemessen, und die Kosten des Kanalbaues sind auf 200 Mill. veranschlagt worden.
Petersburg, 13. Sept. Der Reichskanzler Fürst Hohenlohe ist gestern abend über Werki nach Berlin abgereist.
England.
London, 14. Sept. Der Dampfer „Ismail" ist im Schwarzen Meer infolge eines Zusammenstoßes mit einem englischen Dampfer untergegangen. Ungefähr 60 Personen ertranken.
London, 14. Sept. Der Kriegsminister hat an die beurlaubten Freiwilligen der britischen Armee ein Rundschreiben gerichtet, worin er dieselben ersucht, sich in die Reservelisten einschreiben zu lassen. Wenn die Freiwilligen diefer Aufforderung Folge leisten, wird die englische Armee um 250000 Mann verstärkt.
Ein Korrespondent der „Times" in Havanna versichert auf Grund von Erfahrungen, die er auf einer Reise durch die Provinz Matanzas gemacht habe, daß die Bevölkerung überall mit den Rebellen sympathisire, deren Heer in Folge der traurigen wirtschaftlichen Lage beständig Verstärkung durch beschäftigungslose Arbeiter erhalte. Die einzige Möglichkeit, Cuba Spanien zu erhalten, sei die sofortige Bewilligung voller Autonomie. Für die Behauptung des Marschall Martine; Campos, daß unter den Rebellenführern Unfriede herrsche, habe er keinen Anhalt gefunden.
Kleinere Mitteilungen.
Freudenstadt, 14. Sept. Gestern abend brannten hier zur großen Freude der hiesigen Einwohnerschaft die ersten elektrischen Lichter, zu dem das hiesige Elektrizitätswerk den erforderlichen Strom geliefert hatte. Auf dem oberen Marktplatz brannten zwei Bogenlampen, die den Platz um den Musikpavillon auf mehrere 100 Schritte Entfernung fast taghell beleuchteten. Im Gasthof zur „Post", im „Schwarzwaldhotel", im Kurhaus „Palmenwald", im Hotel „Krone", in der Apotheke des Herrn Steichele, sowie im Elektrizitätswerk brannten elektrische Glühlampen.
Pliezhausen, OA. Tübingen, 13. Sept. Im Walde zwischen hier und der Altenburger Brücke machte vorgestern Abend ein den besseren Ständen angehöriges Fräulein aus Eßlingen einen Selbstmordversuch, weil sie gegen ihren Willen in Reutlingen in eine Stelle eintreten sollte. Vor dem Eintritt besuchte sie ihren beim Bezirkskommando in Reutlingen dienenden Bruder, seines Berufs Notariatskandidat, und teilte ihm ihre Absicht mit, sich das Leben zu nehmen. Ohne Urlaub entfernte sich am Montag der Bruder mit seiner Schwester aus Reutlingen. Vorgestern kamen beide hierher und gingen in den zwischen hier und der Altenburger Brücke gelegenen Schönbuch. Während der Soldat den Waffenrock auszog und ihn an einen Baum hängte, benützte die Schwester den günstigen Augenblick um sich hinter ihrem Bruder mittels eines Revolvers mehrere Kugeln in die linke Seite zu schießen. Die Schüsse wurden von zwei Unteroffizieren, die dem Deserteur auf der Ferse waren, gehört. Die Unteroffiziere eilten hinzu und brachten die beiden Geschwister ins Lamm. Wundarzt Münsinger entfernte die Kugeln aus der Brust des Mädchens; er hält die Verletzungen nicht für lebensgefährlich. Gestern wurde das Mädchen in die chirurgische Klinik nach Tübingen überführt, während der Bruder von den beiden Unteroffizieren nach Reutlingen verbracht wurde.
Ulm, 12. Sept. Der Fremdenverkehr hier ist in stetem Zunehmen begriffen und veranlaßt die Hotelbesitzer zur Ausdehnung ihres Betriebs. Am Bahnplatz soll nächstes Jahr ein neues Hotel ersten Ranges errichtet werden und gestern hat Rudolph Scherer z. Bahnhotel das der Witwe Hauser zur Bahnhosrestauration gehörige Nachbarhaus um
115 000 gekauft, wodurch er die Zahl seiner Fremdenzimmer verdoppeln kann.
Aus dem Saarrevier, 10. Sept. In Wehrden a. d. Saar wurde ein Mann, der in die Saar gestürzt war, von zwei Brüdern mit Mühe gerettet. Als Anerkennung erhielten die Retter von einem Herrn 10 ^ als Geschenk. Voll Freude wurde in einer Wirtschaft gezecht, woselbst die Brüder mit einem dritten in Streit gerieten. In dessen Verlauf zog letzterer plötzlich ein Messer und versetzte den Brüdern mehrere Stiche, die den Tod der beiden zur Folge hatten.
Augsburg, 14. Sept. Hiesige Blätter melden: In der Schäfflerbachstraße wurde ein Skelettfund gemacht, der von einem Raubmord herrührt, der vor 20 Jahren an zwei damals spurlos verschwundenen Reisenden begangen wurde. Ein starker Verdacht richtet sich gegen den damaligen Besitzer des Hauses, Schönhaar, der jetzt in Wien sich befindet. Derselbe ist noch nicht verhaftet. Die Behörde sucht eifrig nach ihm.
Worms, 9. Sept. Zwischen Zivilisten und Soldaten vom Jnfant.-Reg. Nr. 118, die von Mainz hierher beurlaubt waren und den letzten Zug zur Heimfahrt benutzen wollten, entstand gestern abend kurz vor 11 Uhr im Wartsaal ein Streit. Unter Hochrufen auf die Sozialdemokratie drang der Arbeiter Biegi auf einen Sergeanten ein und verfetzte ihm einen Messerstich in den Unterleib. Es entstand jetzt zwischen Freunden des Biegi und den Soldaten eine allgemeine Schlägerei; mehrere Soldaten griffen zum Seitengewehr und prügelten den Biegi derart durch, daß er in das Krankenhaus verbracht werden mußte. Der verwundete Sergeant wurde nach Mainz ins Lazareth geschafft. Als der Zug in Mainz an der Haltestelle Neuthor einlief, mußten auf Befehl eines vom Gouverneur gesandten Offiziers sämtliche Soldaten aussteigen und wurden in geschloffener Reihe nach der Zitadelle geführt, wo der Thatbestand ausgenommen wurde.
Köln, 14. Sept. Am Trankgassenwerft wurden zwei weibliche, mittels Tücher zusammengebundene Leichen geländet. Die Mädchen gehörten gutsituierten Familien an und standen im Alter von 20 und 22 Jahren. Das Motiv zu ihrem Selbstmord kennt man nicht.
Hannover, 12. Sept. Ueber eine blödsinnige Wette wird dem „Hann. Cour." aus Leer berichtet: Mehrere junge Leute unterhielten sich in einer Wirtschaft über die Möglichkeit der Verspeisung eines „Fliegen-Gerichts". Einer von ihnen erbot sich, sür 1.25 ^ Vergütung 1000 Stück Fliegen zu verzehren. Und richtig, er gewann die Wette. Rund 1000 Fliegen wurden in einein halben Literglase zu Gefangenen gemacht. Der Betreffende war mit dem „appetitlichen Schmaus" innerhalb vier Minuten fertig.
Der Kaiser als Hypothekengläubiger. In das Grundbuch des Amtsgerichts zu Jüterbog hat sich als Hypothekengläubiger der Kaiser eintragen lassen. Das Hypothekendarlehen beläuft sich auf 55000 ^ und ruht auf dem am Schießplatz zu Jüterbog belegenen „Soldatenheim" ; das Heim bezweckt, einen sittlichen Einflm auf die dorthin abkommandierten Soldaten auszuüben u»>d sie besonders an Sonn- und Festtagen von dem Besuch der Schankwirtschaften fernzuhalten.
Der Bruch des Altels-Gletschers. Der Absturz vom Altels-Gletscher erfolgte Mittwoch Morgen 4?/« Uhr. Der Luftdruck war so stark, daß das Vieh an die andere Thalwand und zurück gewirbelt wurde. Die ganze prächtige Alp Spittelplatte, der Einwohnergemeinde Lenk auf Berner Boden gehörend, ist auf eine Ausdehnung von drei Kilometern verschüttet. Der Schutt lieg! an mehreren Orten haushoch. Ein prächtiger Arvenwald ist total rastert. Verloren sind 150 Stück Großvieh, 6 Personen sind tot. Die Alpabfahrt sollte gestern stattfinden, wenige Stunden vor der Katastrophe. Vor ungefähr hundert Jahren hat unter ähnlichen Umständen auch am Tage der Alpabfahrt ein gleiches Unglück sich ereignet. Die Einzelheiten des Vorgangs werden nie festgestellt werden können, da alle Augenzeugen tot sind. Die Behörden von Frutigen sind sofort mit 15 Arbeitern zur Stelle geeilt. Die aufgefundenen Leichen sind gräßlich zugerichtet. Der Kopf ist einem Toten vollständig weggerissen, die Brust ist aufgerissen, die Schädel sind abgedeckt und die Glieder vier- bis fünfmal gebrochen. Allen sind die Kleider vom Leibe abgerissen. Die Leichen wurden auf Walliserboden transportiert. Das Donnern des Absturzes ist in Frutigen, also 6 Wegstunden von dem Unglücksplatz, deutlich vernommen worden. Die abgestürzte Masse wird von Ingenieuren auf 1 250 000 Kubikmeter geschätzt, etwa gleich dem dritten Teil des Gletschers. Sehr lobenswert ist der Eifer des 82jäh- rigen Amtsstatthalters Jungen von Furtigen und Nationalrat Bühler, die mit Arbeitern im schwer gefährdeten Gebiet die Ausgrabung der Leichen vornehmen. — Der Gletscherbruch nahm seinen Anfang an einem mächtigen Gletscherschlund; eine gewaltige Masse, Menschen und Tiere mitreißend, schoß hinunter bis zu den gegenüberliegenden Felspartien. Da wurde sie wieder zurückgeworfen. Die Schuttmasse, in der ganze Berge emporragen, hat eine Ausdehnung von drei Kilometern. Verschüttet ist die sogenannte Spittelmatte. Die Unglücksstätte liegt vollständig auf Berner Seite. Von den verschütteten 6 erwachsenen Personen, sämtliche Walliser, sind vier Leichname bis jetzt gefunden worden. Ihre Namen sind: Kaspar Jäger, Senn von Turtman, etwa 40 Jahre alt, Joseph Rothen, Vizepräsident von Leuk, Hiazinth Tschopp, Schreiner von Leukerbad, Alois Grichting von Leukerbad. Die Identität der gefundenen Leichname wurde amtlich festgesteüt. Noch nicht gefunden sind zwei Hirten. Man vermutet, daß sie während der schrecklichen Katastrophe dem Vieh nachgehen wollten und im Schuttkegel begraben sein dürften. Vizepräsident von Rothen war am Tag vorher auf die Spittel- matte gegangen, um die Käsverteilung vorzunehmen. Er hatte eine einzige Nacht auf der Alp verbracht; Menschen und Vieh wollten die Alp am Freitag verlassen. Nationalrat Bühler von Frutigen war mit dem Regierungsstatthalter am Nachmittag an der Unglücksstätte. „Ich hatte mir das Bergunglück furchtbar schrecklich gedacht, aber die Wirklichkeit