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sei, da es ihm schon öfter vergönnt war, die Gastfreundlichkeit und Liebens­würdigkeit der Calwer Gesellschaft kennen zu lernen. In einem Toast auf den Militärverein knüpfte er die Ermahnung, gleich wie sie s. Z. in des Königs Rock, Arm an Arm Freud und Leid geteilt, möchten sie auch zu. sammenhalten im Privatleben, stets gute Freunde bleiben und ^gegenseitiger Unterstützung immer bereit sein. Es folgte noch ein Toast auf II. Maje­stäten den König und die Königin von Hrn. Steuerwachtmeifler Schwert, ein solcher auf das Präsidium des Württ. Kriegerbundes von Hrn. Apotheker Stein, während von Hrn. Oberstlieutenant v. Heinrich ein Hoch auf denVeteranenverein Calw" ausgebracht wurde.

Der Festzug, welcher sich um 2>/z Uhr von der Turnhalle durch die mit Fahnen, Guirlanden und Kränzen festlich geschmückten Strsßen bewegte, wgr wirklich schön und imposant. Eine Anzahl Fsstjungfrauen trugen die verhüllte Fahne. Von hiesigen Vereinen nahmen teil: der Veteranenverein, der Calwer Liederkranz, die Concordia und der Turnverein; von auswärts waren eingetroffen die Kriegervereine von Altburg, Altbulach, Althengstett, Calmbach, Deckenpsronn, Höfen, Liebenzell, Äonakam, Möttlingen, Nagold, Neuenbürg, Neuhengstett, Neubulach, Ostelsheim, Stammheim (M.-V. und V.-V.), Simmozheim, Teinach und Wildberg. Gechingen war nicht erschienen.

Auf den Festplatz, den Brühl, zurückgekehrt, saüg zunächst der Calwer Liederkranz das Lied:Brüder weihet Herz und Hand freudig gern dem Vaterlano", worauf Herr Kollaborator Bäuchle die Festrede hielt, deren Inhalt möglichst wörtlich mitzuteilen wir uns nicht versagen möchten:

Dir möcht ich diese Lieder weihen, geliebtes teures Vaterland; denn dir, dem neuerstandnen, freien, ist all mein Sinnen zugewandt. So hat unser unvergeßlicher Lieblingsdickter Schwabens, unser hochberühmter Lands­mann, L. Uhl and, dessen lOOjähriger Geburtstag in den letzten Wochen in allen Städten Württembergs und weit über die Grenzen des Landes hinaus, gefeiert wurde, dem Vaterland zugejubelt. Dem Vaterland bringen auch die Männer, die heute dre Weihe ihrer neutzü^Fahne vollziehen, ihre Huldig­ung bar. Ihr Streben und der Zweck ihrer Vereinigung ist ja kein anderer als das Nationalbewußtsein zu fördern, die guten Gesinnungen für Kaiser und Reich, für König und Vaterland in Treue und Liebe wach zu erhalten und den kameradschaftlichen Geist, der im Heere wohnt, auch rm bürgerlichen Leben zu pflegen. Fürwahr, ein schöner und idealer Zweck ist es, den sich derMüiiärverein" zur Richtschnur seiner Wirksamkeit gesetzt hat. Dem Vaterland! Das ist ein hohes, hehres Wort, das hallt durch unsere Herzen fort wie Waldesrauschen, Glockenklang, Trompetenschmettern, Lerchensang. Dem Vaterland haben die Mitglieder des Vereins gedient als sie in dem großen entscheidungsvollen Kampfe anno 70 und 71 hinausgezogen sind in die feindlichen Lande, um Haus und Hof, Hab und Gut zu verteidigen; dem Vaterland haben auch diejenigen unter ihnen gedient, die zwar noch nicht den Waff. ntanz mitgemacht, aber in treuer Pflichterfüllung ihre Dienste beim Heere ge« leister haben und die ebenso freudig dem Rufe ihres Feldherrn und dem Zeichen ihrer Fahnen folgen würden. Denn dem Vaterland muß alles gehören, auch das liebste was wir besitzen und wäre es auch das letzte Kind. Wenn die Trommeln lieblich klingen und Trompeten blasen drein, dann ist es alte Germanenart, daß der Jüngling und der Mann freudig zur Wehre greift und fortzieht von der Heimat, fort von der Braut, fort von Weib und Kind, fort von Vater und Mutter, sobald die Marken des Landes bedroht und die Ehre und Freiheit es erfordert. Es sind in den nächsten Tagen, am 10. Mai, 16 Jahre, daß zu Frankfurt a. M durch den ehrenvollen Friedensschluß zwischen Deutschland und Frankreich einem blutigen Kampf ein Ziel gesetzt wurde. Ehren­voll war dieser Friede, weil der Feind in alle Bedingungen des Siegers willigen mußte und segenbringend war er, weil er uns Entschädigung brachte für die Opier an Geld und Gut, die der Krieg von uns gefordert hatte. Dies alles konnte freilich keinen Ersatz bieten für die gewaltigen Verluste an Menschenleben. Nur eme Errungenschaft war so hoher Opfer wert: dieses Entgelt war die Einigung der deutschen Stämme zu einem mächtigen Staate

unter einem Kaiser. Damit war, wie jetzt in der Natur sich alles regt und zu neuem Leben entfaltet, auch für unser Vaterland nach langem, trübem Winter der heißersehnte Frühling angebrochen. Ein warmer Frühlingshauch war durch die Herzen der deutschen Völker gedrungen und hatte in ihnen die Bruderliebe angefacht, daß sie laut nach Einigung rief. Jetzt nun, wo Deutschland dasteht, Eins nach außen, schwertgewaltig um ein hoch Panier geschart, innen reich und vielgestaltig, jeder Stamm nach seiner Art, jetzt gilt es ernstlich darauf bedacht zu sein, das Errungene zu erhalten, auf dem gelegten Grunde weiter zu bauen und dazu bereitwillig und freudig mit« zuwirken, wo sich die Gelegenheit bietet und die Aufforderung an uns herantritt. Das muß auch euer Gelübde sein, ihr Glieder des Festvereins, das ihr heute aufs neue dem Vaterland darbringet. Herausgewachsen mitten aus dem deutschen Volk, sollt ihr einstehen für deutsche Sitte, deutsche Treue, deutsches Recht und deutsche Tapferkeit, sollt einen festen Hort des Vater« landes und ein Halt für die Umsturzideen sozialer Reformer bilden und den Geist der Heereszucht auch im bürgerlichen Leben walten lassen. Das Vater­land zählt auf euch in Stunden der Gefahr, es rechnet auf eure Unter« stützung und auf eure selbstlose Bereitwilligkeit zur Aufrechterhaltung der guten Sitten und der Gesetze. Und an all die Pflichten, die euch obliegen, erinnere euch euere Fahne; sie sei euch stets eine heilige Mahnung zu un­ablässiger Arbeit und Erreichung eures Zwecks. So falle denn die Hülle und zeige euch das Panier, unter dem ihr fortan euch scharen werdet.

Nach dieser schönen begeisternden Ansprache ward die Fahne entfaltet, worauf Frln. C. Beißer an die Uebergabe derselben folgende Worte in Gedichtform knüpfte:

Erheb dich, Fahne stolz und kühn,

Weh durch des Schwarzwalds Lüste hin;

Drück auf das Bild der Einigkeit,

Dem Bund, für welchen Du geweiht.

Und wo du ziehest nunmehr hin,

Erwache Liebe, treuer Sinn.

In stiller Zeit, bei Sturmgebraus Bild gute Württemberger aus-

Dein Wehen, Schwingen durch die Luft Am Freudenfest, an stiller Gruft,

Leg Zeugnis ab, daß edles Gold Im deutschen Bürgerleben rollt.

Und kommt das Vaterland in Not,

Wird selbst die Vaterstadt bedroht,

Dann Fahne, strahl im schönsten Glanz,

Erringe dir den Ehrenkranz.

Grüß keck hinaus ins deutsche Land Bekunde, was man heut empfand In Calw, der schönen Nagoldstadt,

Die reichsgetreue Bürger hat.

Verkünd dem großen Vaterland,

Wie deutsche Tugend hier bekannt,

Wie immerfortFurchtlos und treu"

Das Zeichen deines Strebens sei.

Hierauf bestieg Hr. Kollaborator Bäuchle abermals die Redner­bühne :

Mit Gott für König und Vaterland!" lautet der Wahlspruch, der auf der Fahne verwoben ist. Diese Devise umfaßt, was wir der deutschen Vorzeit als Herzschlag ihres Lebens abgelauscht, die Gottestreue als das oberste Lebensprinzip, die Mannestreue als Grundlage aller Tugenden und zwar die Mannestreue in der echt deutschen Weise, welche keine Vaterlands­liebe kennt ohne die persönliche Liebe zu dem, der uns von gotteSwegen als Vater des Vaterlandes gesetzt wurde. Denn die Treue ehrenfest und die Liebe, die nicht läßt, Einfalt, Demut, Redlichkeit, stehe dir wohl o Sohn von Teut. Haltet nun eure Fahne, dieses Symbol der Einheit, der brüder­lichen Liebe und der treuen heiligen Hingebung hoch und wert. Versprecht

Gerda sah die sonst so fülle Ebba, die hier plötzlich eine an ihr ganz unbekannte Leidenschaft entfaltete, erstaunt an.

Du wirst fast beleidigend gegen mich", rief sie,und nimmst des Jägermeisters Partei, als stündest Du ihm weiß Gott wie nahe."

Ob er mir nahe steht?" fragte Ebba noch insmer erregt,er war der treueste Freund meiner Kindheit. Unsere Eltern waren Nachbarn und meine Mutter hatte ihn aus der Taufe gehoben. D'rum leide ich es auch nicht, daß Du in meiner Gegenwart schlecht über ihn redest. Ich bin das der Erinnerung an die verflossenen Zeiten schuldig, obwohl ich ihn jetzt lange nicht gesehen habe, und trotzdem er nicht höflich mit mir gewesen ist. Er war noch nicht hier, um mich zu begrüßen nach seiner Rückkehr aus Deutschland; ich meine aber, er weiß nicht, daß ich in Kopenhagen bin und glaubt, ich sei noch in Gieddesborg."

Fräulein Munk die bedeutend älter als Ebba war, lächelte überlegen und warf Leonoren einen fragenden Blick zu, als wollte sie von dieser ihre Meinung über Ebba's Verhältnis zu Holger bestätigt haben.

Was willst Du?" fragte Leonore und runzelte die Stirn.

Nichts, nichts also meine Freundin, dann ist es allerdings seltsam, daß er noch nickt bei Dir war. Verzeihe mir, daß ich Deinem Herzen vorhin durch mein vorschnelles Urteil zu nahe getreten bin, ich wußte ja nicht, daß zwischen Euch Be­ziehungen bestanden haben.Nun der Gemahl der Gräfin Penz wird, selbst wenn er nicht darauf gerechnet hat, seinen Weg schon machen. Man behauptet, die glück­liche Braut habe von dem Könige bereits des Junkers Erhebung in der Grafenstand verlangt, sei aber abschlägig beschieden worden.

Man scheint die Geschichte ja schon ziemlich genau und bis in die kleinsten Nebenscenen ausgearbeitet zu haben", spottete Ebba bitter.

Das ist sehr unwahrscheinlich", meinte Leonore,es wäre doch wunderbar, wenn die Gräfin nicht wissen sollte, daß es in Dänemark keine Grafen gibt. Wir und einige andere Familien sind des deutschen Reiches Grafen, und die Brahe und Sparre verdanken ihren Rang der Krone Schwedens."

Nun, der Anfang ist mit dem Jägermeister gemacht; mir ist für Herrn Wind's Zukunft nicht bange."

Ich wünsche ihm Glück dazu", flüsterte Ebba träumend jetzt waren ihre Hoffnungen, die sie mit dem Ringlein schon abgethan gewähnt hatte, erst wirklich tot.

Zwei Tage darauf war Ebba bei ihrem Vater im Schloß. Um einige Besuche zu empfangen hatte der Oberjägermeister seine Tochter im Wohnzimmer allein ge­lassen; als er aber zu lange ausblieb, und sie nicht ohne Lebewohl Weggehen wollte, begab sie sich nach seinem Arbeitszimmer und öffnete die Thür, wollte jedoch, da noch Jemand bei ihm war, schnell zurücktreten."

Komm nur herein, mein Kind", rief ihr da Herr Giedde nach,Du wirst Dich freuen, einen alten Bekannten wiederzusehen."

Neugierig und ahnungslos trat Ebba völlig in das nur schwach beleuchtet, Gemach und stand dem Jägermeister Holger Wind gegenüber.

Holger!" rief sie erbleichend.

Ja, ja", meinte Herr Giedde lachend,unser alter, treuloser Freund, den unser allergnädigster Herr gestern zu seinem Jägermeister zu ernennen geruht hat. Der neue Würdenträger meldet sich bei seinem Vorgesetzten, sonst hätte er sich unserer vielleicht immer noch nicht erinnert." Der alte Herr hätte Ebba die Begegnung mit Holger sicher erspart, wenn er gewußt hätte, wie weit das Verhältnis durch die Ab­schiedsaussprache im Gieddesborger Park gediehen war. Frau Giedde hatte ihm aber noch kurz vor ihrem Tode nur ihren Wunsch, daß die Beiden ein Paar werden möchten, mitgeteilt, ohne ihn über die Sachlage genauer zu unterrichten.

Holger hatte ebenfalls die Farbe gewechselt und senkte den Blick zu Boden.

Ebba, die sich zuerst faßte, sagte, ihm herzlich und einfach die Hände reichend:

Seid mir im Vaterlande willkommen, Holger, es ist Eure eigene Schuld, daß ich Euch diesen Gruß erst heute zumfen kann."

Ich habe mir eine große Unhöflichkeit zu Schulden kommen lassen, da ich Euch nicht früher ausgesucht habe."

In Ebba wallte es heiß auf.

(Fortsetzung folgt.)

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