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Aufmerksamkeit erfreuten sich wieder die von Hrn. A. Sjödön auf der Harfe gespielten Stücke. Obgleich die Klangfülle in dem Lokal merklich kleiner war als in der Kirche, so waren die einzelnen Piecen doch von wunder» barer Wirkung; wir sprechen auch hier dem Künstler den wohlverdienten Dank aus, wie ihm gestern schon reichster Beifall gespendet wurde. Nach langer Pause ließ sich wieder unser Meister auf der Flöte, Hr. Graf, in einer Arie für Klavier und Flöte von Beethoven in bekannter Art hören. Von Liedern kamen zum VortragDer Wanderer" von Schubert, gesungen von Hrn. Schwämmle;Im Maien" von Hiller, gesungen von Hrn. Major v. Klett;Lohenqrins Verweis an Elsa", vorgetraqen von Hrn. Staiger und 2 prächtige LiederMein Stern" undDas Ageunerkind", gesungen von Frl. F. Staelin. Sämtliche Vortragende wurden ihrer Aufgabe zum Teil in wirklich anziehender und meisterhafter Weise gerecht. Nicht minder gelungen waren die Leistungen auf dem Klavier und der Violine. Eine Romanze von Mozart wurde von Frau Major v. Klett vorzüglich wiedergegeben. Rühmlichst zu erwähnen sind noch die HH. Vinyon und Speidel, sowie die Geschwister Kraushaar und Stark. Der Kirchengesangverein darf somit auf eine glücklich vollendete Aufführung zurückblicken.

Calw. Am letzten Montag entgleiste zwischen Unterreichenbach und Weißenstein der vorm. 11 Uhr von hier abgehende Zug infolge eines vom Berge herabgeglittenen Langholzstammes, welcher den dort beschäftigten Holzmachern entkommen war und sich ins Bahngeleise eingetrieben hatte. Kurz vor der Stelle macht die Bahn eine Kurve, wodurch der Vorgang vom Zug nicht wahrgenommen werden konnte. Lokomotive und Tender mit dem ersten Wagen setzten über das Hindernis hinweg ohne zu entgleisen, die ande n Wagen verließen sämtlich die Schienen. Glücklicherweise passierte kein größeres Unglück, doch -ist es noch bedauerlich genug, daß Kondukteur Alber hier eine Verletzung des Fußes davontrug und auch der Zugführer Perrot nicht ohne eine solche davonkam.

(Amtliches.) Am 29. April wurde von der evangelischen Oberschulbehöcde die Schulstelle in Hünerberg-Meistern, Bez. Calw, dem Schulamtsverweser Graser daselbst übertragen.

Stuttgart, 2. Mai. (V o l a p ü k.) Gestern und heute fand im Bürgerniuseum die Generalversammlung des württembergischen Weltsprache- verems statt. Der Saal war mit Sprüchen in Volopük geschmückt, z. B.: Aonuclodal, kükidsl, (Eine Menschheit Eine Sprache). Vorstand Kniele teilte über die Fortschritte, welche die Weltsprache gemacht hat, folgendes mit: Die größte Verbreitung hat Volapük im Ausland gesunden. Von Rußland und von China kamen kürzlich Telegramme in Volapük an deutsche Firmen. In Frankreich, namentlich Paris, hat ein Professor der hohen Handelsschule eine Assoziation sür Volapük gegründet; 11 Lehrer geben obligatorischen Unterricht; in den großen Handelshäusern, z. B. Magasin Printemps, sprechen sämtliche Allgestellte Volapük. 21 Städte, darunter Bordeaux, und die Kolonien haben Schulen und Vereine gegründet. Eine Grammatik erschien bereit« in 8. Auflage, ebenso ist ein Sprachlexikon gedruckt. In Spanien ist Prof. Guadalacara zu Madrid der Vertreter, der eine Zeitschrift in Volapück herausgiebt. In Holland wirken 100 Lehrer, in Portugal, England, Belgien, Dänemark, Rußland, Rumänien, Bulgarien, Türkei. Griechenland, Syrien sind zahlreiche Lehrer und Vereine thätig, werden Zeitschriften und Grammatiken in den verschiedenen Sprachen gedruckt. Amerika besitzt in 21 Städten Lehrer und Vereine sür Volapük. Ganz besonders ist aber Oesterreich der Weltsprache geneigt, wo auch hohe Offiziere die Sprache treiben. Wien zählt 200 Schüler, sogar auf der Universität wird Volapük gelehrt. In Deutschland beginnt das Interesse sich allmählich auch zu regen, in Norddeutschland ist es besonders Prof. Kirchhof in Halle, der sehr thätig für die Weltsprache ist. Breslau hat eine Volapükzeitung, ebenso Hamburg. In Baden, Bayern und Württemberg ist eine Zunahme zu konstatieren. Für Volapük haben sich u. a. ausgesprochen Prof. Müller in Oxford und

Feldmarschall Graf Moltke. Rektor Dr. Müller in Calw widerlegte hierauf die gegen die Weltsprache erhobenen Einwände, daß sie unmöglich und unnötig sei. Der erste Einwand sei durch ihre Existenz und leichte Erlernbarkeit widerlegt. Bezüglich der Notwendigkeit wendete sich der Redner speziell gegen die Einwendungen von Prof. Schultheiß in Westermanns Monatsheften und gegen Pastor Stephan, welcher der Meinung ist, daß durch die Signalsprache zur See dem Weltsprachbedürfnis schon Rechnung getragen sei. Pfarrer Schleyer, der Erdenker der Weltsprache, der begeistert empfangen wurde, teilte u. a. mit, daß 424 Lehrer mit ihm korrespondieren. Er will einen engeren Rat um sich bilden, der die Ge­schäfte mit besorgen und für Gründung einer Akademie agitieren soll. Das Volapük soll nicht nur dem geschäftlichen Verkehr dienen, sondern auch der Wissenschaft nützen. Bereits habe er philosophische Werke und selbst Keplers Schriften übersetzt. Für die Poesie eigne sich die neue Sprache ganz besonders wegen ihres großen Reimreichtums. Der von Prof. Schultheiß gemachte Vorschlag, das englische zur Weltsprache zu machen, müsse sowohl an der Eifersucht der Völker scheitern, wie auch an der Schwierigkeit der Sprache. Von Deutschland solle das Band ausgehen, das um die Völker der Erde sich schlingen werde, als ein Friedenswerk. Zum Schluß las Schleyer einige Urteile der Presse und wissenschaftlicher Autoritäten vor. Prof. Müller in Oxford z. B. sagt: Was die Sprache gewollt, haben die Sprachen zerstört, aber Volapük wird die Völker wieder verbinden. Ein begeistertes Hoch wurde nach Schluß des Vortrags von Präz. Heinzeler auf Pfarrer Schleyer ausgebracht.

Stuttgart, 2. Mai. In der Nacht von gestern auf heute um 100z Uhr war ein auf dem Leonhardsplatz postierter Schutzmann veranlaßt, gegen einen Ruhestörer einzuschreiten, wobei sich derselbe thätlich widersetzte. Zwei hinzugekommene Fahnder und ein Viertelsmeister unterstützten den Schutzmann. Bei dieser Affaire gab es einen großen Auflauf, wobei leider wie schon öfters in derartigen Fällen, die große Masse des Publikums Partei für den Exzedenten ergriff, denselben zu befreien suchte, teilweise schon befreit hatte und hiebei die Polizeibediensteten thätlich mißhandelte und verletzte. Drei Thäter sind festgenommen.

Am Samstag wurde der bei dem Brande der elektrotechnischen Fabrik in Cannstatt aus dem I. Stock ins Parterre gefallene Ave'sche Geldschrank, der bis zum Weißglüh-n (?) gekommen war, vor Notar und Zeugen geöffnet und sowohl die Bücher wie das Geld noch in brauch­barem Zustande vorgefunden. Die äußeren Blätter der Bücher sind etwas vergilbt, das Geld durch den in der Hitze verflüchtigten Lack leicht geschwärzt, abex sonst intakt.

Untertürkheim, 30. April. Seit letzten Mittwoch sind die im verflossenen Schuljahr in unserer Arbeitsschule gefertigten weiblichen Handarbeiten im Raume der Kleinkinderschule öffentlich ausgestellt. Die pünktlich ausgesührten Arbeiten zeigen den großen Wert dieser Einrichtung, die sich gewiß in noch manchen Landgemeinden ebenso vortrefflich erweisen würde; denn wenn ein ärmeres Mädchen gut stricken, straminnähen und häkeln kann, so wird es nickt nur während der Schuljahre schon manche Mark verdienen, sondern später stets eine bessere Stelle finden als ein solches Mädchen, dem die Gelegenheit zur Eclernung dieser Handarbeiten fehlte. Den meisten Müttern ist überhaupt dieser Zweig des Schulunterrichts wichtiger als jeder andere.

Winnenden, 2. Mai. Heute vorm, fand der 20jährige Sohn des Bauern O. im benachbarten Hertmannsweiler auf schreckliche Weise seinen Tod. Derselbe, Heuer bei der Musterung zu den Ulanen gezogen, war im Steinbruch Rothenbühl mit Abräumen von Erde beschäftigt, als er durch plötzlich herabfallende Erbmassen niedergeschlagen und zudeckt wurde. Bis der schnell herbeigerufene Arzt ankam, war er schon eine Leiche.

Heilbronn, 2. Mai. Beim Nachenfahren gerieten gestern abend durch unrichtige Steuerung drei junge Leute über das Wehr. Der Nachen

Sie richtete seinen Kopf zu sich empor und sah ihn innig an:

Und für so viel Liebe, glaubst Du, könnte ich Dir zürnen. Du Narr wäre ich nicht des lieben Herrgotts undankbarste Kreatur, wollte ich Dir böse sein um etwas, was mich unaussprechlich glücklich macht?"

Als er darauf nichts erwiderte, fuhr sie fort und ihre Stimme zitterte leise:

Ja, ja, ich liebe Dich und ich will Dir gehören mit Leib und Seele."

Gnädigste Gräfin!" rief er da auffahrend und seinem Glück nicht trauend.

G nävigste Gräfin", sprach sie lächelnd nach und schüttelte den Kopf, das klingt so kalt, nenne mich Dein Gemahl, nenne mich Sophia."

Ja, Sophia will ich Dich nennen", sagte er, ihr beide Hände an sein Herz drückend,Du bist ja meine Weisheit Du bist mein Alles und ich könnte närrisch werden vor lauter Glück."

Als Holger nach seiner Wohnung ging, schwirrte ihm der Kopf; sein Herz war bedrückt, er meinte, am Ziele alles Glückes angelangt zu sein und war doch nicht zufrieden. Er liebte die Gräfin noch nie hatte ein Weib eine so nachhaltige und heftige Leidenschaft in ihm wachgerufen: die strahlende Erscheinung mit dem sinn­betörenden Lächeln belebte seine Gedanken bei Tag und seine Träume bei Nacht, aber eine eigene Empfindung verbitterte ihm seine Liebe. Nicht etwa die Erinnerung an Ebba nein, die blonde Erbin von Gieddesborg war längst vergessen aber ein Lied, das er in Meißen bei Hofe gehört hatte, wollte ihm nicht mehr aus dem Kopf es war der Gesang von dem Ritter Tannhäuser und der Frau Venus.

VI.

Am folgenden Tage hatte die Gräfin Penz bei früher Zeit eine geheime Unter­redung mit dem Könige; der Kammerherr Detlev Munk, der den Dienst bei dem Herrscher zu versehen und die schöne Witwe eingesührt hatte, hörte im Vorzimmer, daß es ziemlich heftig zwischen den Geschwistern herging, daß die Gräfin mehrere Male laut ausschluchzte, mit den kleinen Füßen stampfte und viel von Lieblosigkeit und Hartherzigkeit sprach. Endlich wurde die Unterhaltung etwas ruhiger, der Name Holgers wurde wiederholt ausgesprochen, und es ist dem guten Kammerherrn, der

mit den Wind's durch seine Frau im vierten oder fünften Grade verwandt war, wohl bei seinem Interesse für denVetter" zu verzeihen, wenn er sich ein wenig vergaß und sein Ohr an das Schlüsselloch legte.

Ich kann mich Deinen Ansichten durchaus nicht fügen", sagte der König so­eben; daß Du Dich wieder vermählen würdest, war vorauszusehen, denn Du bist noch jung und schöner und begehrenswerter als die meisten unserer Fräuleins."

Deine Anerkennung macht mich stolz", entgegnete die Gräfin spöttisch.

Ich hatte aber erwartet, daß Du es mir überlassen würdest, unter den Fürsten und Prinzen der Nachbarländer für Dich einen Deiner würdigen Gatten auszuwählen."

Meiner würdig ist Der, der mich glücklich machen kann", klang es zornig zurück. Jahre lang habe ich neben Penz den Tag meiner Geburt betrauert, und ich konnte nicht weinen, als mein Mann starb, denn sein Tod gab mir endlich die lang ersehnte Freiheit, die schon verloren geglaubte Jugend wieder."

Du scheinst, meine Liebe für Dich gar gering zu schätzen."

Ich urteile nach den Thatsachen, nicht nach Worten. Wenn Du mich so lieb hast, wie Du immer sagst, warum verweigerst Du mir meine Bitte?"

Weil ich nicht wie Du durch eine Leidenschaft geblendet bin und es unmöglich für gut halte, wenn Du die Gattin eines so bedeutend jüngeren Mannes wirst. Ich will Dir eine Enttäuschung ersparen, und wünsche nicht, daß meine Schwester sich lächerlich macht. Zudem habe ich Dir ja zugestanden, daß ich die Verhältnisse sorg­fältig prüfen will und Deiner Wiedervermählung kein Hinternis in den Weg legen werde, wenn sich Dein Wille und Deine Ansicht in Betreff des Junkers bis zum Herbst nicht geändert haben."

Ich habe allerdings viel Zell zum Warten", meinte die Gräfin laut lachend, glaubst Du etwa, daß eine Handlung, die man heute lächerlich nennen würde, es in einem halben Jahre weniger sein wird?"

So wollen wir wenigstens erst mit Uhlfeld sprechen; er muß in diesen Tagen aus Holstein zurückkommen?"

(Fortsetzung folgt.)

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