anstatt hat K. Thienemanns Verlag aufgekauft und den Eigentümer Hosmann zum Direktor ernannt. Zur Zeit führen unsere beiden großen Verlagsan­stalten, die Union und die deutsche Verlagsanstalt, mit ihren Zeitschriften einen heftigen Konkurrenzkampf gegen den aufstrebenden Verlag Richard Bong in Berlin, welcher durch ungewöhnlich billige Prozent- verwilligung an Buchhändler scharf mit unseren großen Verlagsanstalten in Konkurrenz tritt.

Stuttgart, 20. Jan. Die hiesige soz.-dem. Partei hat heute massenhaft ein Wahlflugblatt ver­breitet, das abwechselnd Heiterkeit und Entrüstung hervorruft. Als Grundlage für eine maßlose Selbst­beweihräucherung dient dem Flugblatt ein mitunter nicht unberechtigtes, aber im allgemeinen das Maß der objektiven Kritik weil überschreckendes Kritisieren der anderen Parteien. Der deutschen Partei wird u. a. der Vorwurf gemacht, sie sei für den Mili­tarismus, weil derselbe ihr ermögliche,ihre Söhne, die zu einer bürgerlichen Hantierung untauglich sind, als Offiziere im Heer zu versorgen." Daß das Zentrum auch das Seinige bekommt, ist selbstver­ständlich. Das interessanteste und für die politische Lage bedeutsamste ist die Stellungnahme, die das Flugblatt der früher verbündeten Demokratie gegen­über einnimmt. Die letztere kommt so ziemlich am schlechtesten weg, sie ist eineHofdemokratie"; sie ist monarchistisch gesinnt und der schreckliche Schnaidt hat für Erhöhung der Zivilliste plädiert. Die De­mokraten find prinzipienlos, beim Börsensteuerentwurf und bei der Jesuitenfrage haben sie sich feig nach unten, bei der Kaiser Wilhelmdenkmalssrage feig nach oben bewiesen. Daß Haußmann und Payer die Sozi für ihr Sitzenbleiben beim Hoch aus den Kaiser nicht gelobt, sondern getadelt haben, sei traurig. Dann werden dieKandidaten Schumacher-Spaichingen, Sauter-Laupheim u. a. als lebende Beweise demo­kratischer Prinzipienlosigkeit vorgeführt; auch der demokratische Gemeinderat in Ebingen wird als ab­schreckendes Beispiel nominiert, weil er kein Gewerbe­gericht einführen will. Daß derBeobachter" tag- läglich gegen die Konsumvereine wettert, wird auch beklagt. Es folgen nette, denGeist" der Verfer- liger verratende Titel: deulschparleiliche Windfahnen, Zentrumspsasfenknechte, volksparieil. Schönschwätzer und Hofdemokraten,muffige Atmosphäre des Halb­mondsaals". Zum Schluß wurden, was eigentlich selbstverständlich ist, was wir aber, um uns den Vorwurf einer Unterlassungssünde zu ersparen, nicht übergehen möchten, die Sozi als diewahren Ja- köber" angepriesen. (Schw. B.)

Bei Nürnberg hat eine Explosion in einem Bahn­postwagen stattgefunden, welche die Vernichtung von 150 Postpacketen und Wertpacketen und 3 Geldpostbeuteln aus Nürnberg und Frankfurt a. Main zur Folge gehabt hat. Der Schaden beläuft sich auf mehrere hunderttausend Die Unfallstätte war die bayerische Station Shiongding.

Der in die Fuchsmühler Affaire verwickelte Be­zirksamtmann Wall hat am 10. Jan. ein Gesuch um Pensionierung eingereicht. Aus Fuchsmühl wird derAmb. Volksztg." geschrieben:Es freute mich sehr, vor vielen Häusern große Stöße frisch­geschlagenen Fichtenholzes zu sehen, das schwer er­kämpfte Rechtholz. Bereits ist den Fuchsmühlern auch das Rechtholz pro 1895 angewiesen, das sie aber z. Z. des tiefen Schnees wegen nicht schlagen können."

ß Straßburg i. E. Die am 15. Mai be­ginnende Industrie- und Gewerbe-Ausstellung für Elsatz-Lothringen, Baden und die Pfalz, welche ein lehrreiches Bild des Standes der hochentwickel­ten Industrie und des Gewerbes in den drei Län­dern bieten wird, zeichnet sich schon rein äußerlich vor manchen ihres Gleichen durch die landschaftliche Schönheit des gewählten Ausstellungsplatzes aus. Es ist dies ein die städtische Orangerie, den neu angelegten Stadtgarten und ein zugepachtetes Grund­stück umfassendes Gelände innerhalb der Stadt. Dasselbe ist zum größten Teil bedeckt mit prächtigen Parkanlagen, wo Teiche und Hügel, Gruppen alter Bäume und Blumenbosquets abwechseln. Die Ge­samtgröße beläuft sich auf nahezu 21 Hektar und übersteigt den sonst von derartigen Ausstellungen beanspruchten Raum ganz bedeutend. Auch die Aus­stellungsgebäude, Wirtschaften, einzelne Pavillons u. dergl. nicht mit einbegriffen, haben mit mehr wie zwei und ein halb Hektar Grundfläche eine außer­gewöhnliche Ausdehnung.

Der Zentralvorstand desevang. Bundes zur Wahrung der deutsch-protestantischen Interessen" er­laßt eine Kundgebung, welche gegen die Schmähung

des von allen Protestanten hochgehaltenen Andenkens Gustav Adolfs, verübt durch den Reichstagsabg. Gröber protestiert. Derselbe habe von der Trübine des Reichstags herab nicht bloß die Gefühle von 2 Drittteilen der eigenen Nation, sondern auch die des stammverwandten schwedischen Volkes verletzt.

Daß die Einrichtung einer Reichslotterie, und zwar die Ausdehnung der preußischen Staats­lotterie auf das Reich, unter Entschädigung der Ein­zelstaaten für Aufgabe ihrer Staatslotterie, geplant werde, wurde jüngst in mehreren Zeitungen gemeldet. Diese Nachricht ist aber unbegründet und wahrschein­lich darauf zurückzuführen, daß vor einiger Zeit Beratungen von Vertretern derjenigen Bundesstaaten, die Staatslotterien haben, über die Festsetzung ein­heitlicher Grundsätze für das Staatslotterieweseu stattgefunden haben. Die Regelung des Lotteriewesens gehört nicht zu denjenigen Gegenständen, welche durch die Reichsverfassung der Gesetzgebung und der Auf­sicht des Reiches unterstellt sind, und es würde dem­nach zur Errichtung einer Reichslotterie einer Er­weiterung der Reichskompetanz im Wege einer Ver­fassungsänderung bedürfen und die Anregung zu einer solchen zu geben, liegt aber für Preußen gegen­wärtig kein Anlaß vor.

DeutscherReichstag. (19. Sitzung.) Bei außer­ordentlich schwach besetztem Hause ist am Sonnabend endlich die erste Beratung der neuen Justizvorlage zum Abschluß gebracht und das Gesetz einer Kommission überwiesen worden. Abg. v. Gültlingen (freikons.) ist mit allen Hauptpunkten der Vorlage einverstanden. Die Uebertragung der Geschäfts­verteilung der Gerichte an die Landesjustizverwaltung wäre nach seinen eigenen Erfahrungen nur praktisch. Abg. Gril­lenberger (Soz.) ist mit der Entschädigung unschuldig Ver­urteilter und mit der Wiedereinführung der Berufung sehr einverstanden, bemängelt aber fast alle übrigen Bestimm­ungen und erklärt sie für seine Partei nicht annehmbar. Würden diese bedenklichen Bestimmungen nicht entfernt, würde seine Partei gegen die ganze Vorlage stimmen. Abg. Werner (Ant.) wünscht noch eine Herabsetzung der Ge­richtskosten, und betont, an deutschen Gerichten sollte nur von deutschen Richtern deutsches Recht gesprochen werden dürfen. Abg. Frhr v. Buol (Centr.) verspricht sich von der Wiedereinführung der Berufung wenig. Die Interessen des Verurteilten könnten in anderer Weise besser wahrge­nommen werden. Abg. Marquardsen (nat.-lib) erklärt sich ebenfalls gegen die Berufung. Abg. Lerno (Centr.) wünscht die Berufung, aber ohne jedwede Einschränkung der Rechts- garantieen. Abg. Hilpert (Bayr. Bauernbund) ist im All­gemeinen mit der Vorlage einverstanden. Abg. v. Czar- linski (Pole) verlangt, daß den Zeugen der Eid in ihrer Muttersprache abgenommen werden möge. Damit wird die Debatte geschlossen u. das Haus vertagt sich bis Dienstag 1 Uhr. (Novelle zum Zolltarif.)

Die Annahme des Jesuitenantrages der Ceutrumspartei im Reichstag und die Umsturzvorlage, deren Commission heute Montag die Arbeit beginnt, werden wieder viel in Verbindung miteinander ge­bracht. Es heißt, die Centrumspartei wolle das Umsturzgesetz annehmen, in der Hauptsache wenigstens, wenn die Reichsregierung das Jesuitengesetz beseitigen wollte. Gras Caprivi war entschieden gegen die Auf­hebung des Jesuitengesetzes; daß Fürst Hohenlohe sehr viel anders denkt, muh man bezweifeln.

Berlin, 20. Jan. Dr. Weber, langjähr. Redakteur derNat.-lib Korresp.", ist gestern an einem Schlaganfalle gestorben.

Berlin, 21. Jan. Der Zar sandte an Kaiser Wilhelm ein herzliches Dauktelegramm für die dem Grafen Schuwalow erwiesenen Ehren. Ferner richtete Schuwalow an den deutschen Kaiser ein Dankschreiben mit der Bitte, ihm auch ferner sein Wohlwollen zu bewahren.

Von der Wahlprüfungskommission in Ber­lin ist die Wahl Bantleons (Ulm), dessen Gegen­kandidat zum Reichstage der Volksparteiler Hänle war, für ungültig erklärt worden.

Hannover, 19. Jan. Von einer Seite, die zufolge ihrer amtlichen Stellung, sowie ihrer ehedem nahen Beziehungen zum Hause Bismarck gut unter­richtet ist, hört derHann. Cour.", daß, falls Her­bert Bismarck in den Reichsdienst zurücktreten sollte, es wenig wahrscheinlich sei, daß er Staats­sekretär werde; dagegen dürfte ihm ein Botschafter­posten übertragen werden, sobald eine Vakanz eintritt.

Frankreich.

Paris, 19. Jan. In politischen Kreisen tancht die Behauptung auf, hinter dem Rücktritt Periers sei ein Geheimnis verborgen, das schwerlich gelüftet werden dürfte.

Paris, 20. Jan. Wie einzelne Blätter erzäh­len, hat der Minister des Innern vor kurzem eine große Anzahl von chromolitographierten Porträts Casimir Periers bestellt, die an Aemter und Schulen verteilt werden sollen. Die Porträts, welche an 70000

Frcs. kosten, wurden wenige Tage vor der Demis­sion Casimir Periers fertig und' das Ministerium soll darob in großer Verlegenheit sein, da die Bil­der doch jetzt kaum mehr verwendbar sind. In ähnlicher Verlegenheit befinden sich mehrere Künstler, die in Erwartung einer Auszeichnung iür den nächsten Salon Porträts Casimir Periers gemalt oder dessen mutige Waffenthat in der Schlacht von Bagneux verherrlicht haben.

Paris, 21. Jan. Das Zustandekommen des Kabinets Bourgeois wird erst heute erwartet. Für die Finanzen kommen Poincarre und Cavaignac in Frage.

Paris, 21. Jan. Am Mittwoch scheidet General Gallifet aus dem aktiven Militärdienst wegen er­reichter Altersgrenze aus. Ein Antrag auf Beibe­haltung des Generals wurde von der Militärbehörde abgelehnt.

Paris, 22. Jan. DiePolitique Koloniale" veröffentlicht heute ein Telegramm aus Kairo, wo­nach eine Abteilung eingeborener Truppen unter dem Kommando italienischer Offiziere von 10 000- Derwischen bei Kassalla angegriffen worden sei. Es geht das Gerücht, die Italiener seien vollständig aufgerieben.

Marseille, 21. Jan. Der Spezialgesandte Le Myre de Villiers ist von Madagaskar zurückgekehrt.

La Röchelte, 19. Jan. Der degradierte Haupt­mann Dr eyfus traf gestern Abend hier ein, um von da nach der Insel Reunion transportiert zu werden. Da die Menge ihn erkannt hatte, wartete man längere Zeit im Bahnhof. Als Dreyfus aber hinausgeführt wurde, stürzte sich die Menge miß Stöcken und Regenschirmen auf ihn unter den Rufen: Tötet ihn!" Die Gendarmen konnten Dreyfus nur mit größter Mühe schützen und nach dem Wagen geleiten, dessen Fensterscheiben alsbald zertrümmert wurden. Schließlich gelang es, den Wagen mit dem Gefangenen nach dem Anlegeplatz der Dampfer zu. bringen.

Italien.

Der frühere Reichskanzler Caprivi ist bei Sonzier oberhalb Montreux von einem den Berg herabsausenden Heuschlitten, den er zu spät gewahr wurde, gestreift und in den Schnee geworfen worden. Ein Unglück setzte es dabei, nicht ab, vielmehr scheint so schreiben Schweizer Blätter dieseNiederlage" oder dieserUmsturz" dem ehemaligen Reichskanzler eher Spaß gemacht zu haben; er lachte dazu,, erhob sich wieder und wischte sich ab, um seine Promenade fortzusetzen.

England.

London, 19. Jan. Die Abendblätter veröffent­lichen eine Depesche aus Haitsching vom heutigen Tage, welche berichtet, daß gestern eine chinesische Armee von 14 000 Mann bei Niutschwang eine Niederlage erlitten hätte. Die Chinesen hätten die japanischen Linien angegriffen, seien aber zurück­geschlagen worden und geflohen. Die Verluste sol­len auf chinesischer Seite ungefähr 900, auf japa­nischer 50 Mann betragen.

London, 21. Jan. Laut einer Meldung aus- Shanghai verlautet, daß die japanische Flotte Sengtschonfou fortgesetzt bombardiere.

Serbien.

Belgrad. Schon seit geraumer Zeit befinden sich Gerüchte über angebliche Mißhelligkeiten zwischen König Alexander nnd seinem Vater in Umlauf, die durch die völlig unerwartet erfolgte Abreise Milans nach Paris nur noch zugenommen haben. Es bleibe dahingestellt, ob und wie viel Wahres an diesem Gerede sei. Thatsache ist, daß in den Beziehungen König Alexanders zu seinem Vater in letzter Zeit eine unverkennbare Wendung zum Schlimmern ein­getreten ist. Der König hing noch vor wenigen Monaten mit größter Hingebung an seinem Vater, that nur das, was Milan wollte, und ging in dieser seiner Bereitwilligkeit so weit, auch seine Mutter, die er in seiner Kindheit so zärtlich liebte, gänzlich zu vernachlässigen. Neuerdings scheinen sich nun in der unmittelbaren Umgebung des jungen Mo­narchen Einflüsse geltend zu machen, die ihn zu einer Umkehr in dieser Beziehung mahnen und ihm die Ereignisse der letzten Monate so darstellen, um ihn zur Erkenntnis gelangen zu lassen, daß ihn sein Vater mehr als einmal übel beraten habe. In der That hat sich Milan in dieser Beziehung gar manches zu Schulden kommen lassen. So kam es, daß sich, der junge König innerhalb einiger Monate mit allen Parteien überwarf. Was Wunder daher, wenn den jungen König zeitweise ein Unbehagen erfaßt, wenn