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Der „National" macht dazu folgende Bemerkungen: Also der französische Soldat kostet jährlich 360 Franken mehr als der deutsche, und doch ist dieser besser gekleidet als jener: er hat vier Monturen, der französische bloß zwei. Der Budgetausschuß kann hier zeigen, ob es ihm mit den Ersparnissen ernst ist, und nachforschen, wo die bewilligten vielen Millionen bleiben. Der „National" bringt heute auch die Legende zur Sprache, daß Bismarck den Kriegsminister nur so scharf habe angrerfen lassen, um ihn im Amte zu erhalten. Boulanger sei Bismarcks Werkzeug, „um die französische Armee zu verwirren".
Spanien.
Madrid, 19. April. Gegen den Ex-Marschall Bazaine wurde gestern von einem Franzosen, welcher, wie er sagte, das Vaterland an den Marschall rächen wollte, ein Attentats-Versuch gemacht. Bazaine erhielt einen Dolchstoß am Kopf, doch scheint die Verwundung keine schwere zu sein. Der Urheber des Attentats auf Bazaine ist ein französischer Geschäftsreisender namens Hillairand. Nach der „Jndäp. belge" erklärte der Mörder, daß seine Waffe vergiftet sei.
Gcrges-Weuigkeiten.
* Calw. Fahnenweihe des Militärvereins. Dank der freundlichen Spenden seiner Gönner und Freunde, wie auch der Opferwilligkeit der Mitglieder selbst, sah sich der hiesige Militärverein in den Stand gesetzt, die längst ersehnte Fahne anzuschaffen und soll die Weihe am 8. Mai stattfinden. Die Beteiligung an diesem Fest verspricht eine recht zahlreiche zu werden, da nicht nur die hiesigen Vereine ihre Beteiligung zusagten, sondern auch von verschiedenen auswärtigen Vereinen die Zusage bereits eingetroffen und von vielen die Teilnahme zweifelsohne ist. Auch cher Präsident des W. Kriegerbundes wird vertreten sein.
Calw. Wie wir hören, beabsichtigt Herr Adolf Sjöden, Kammervirtuos Sr. Majestät des Königs von Portugal, am Samstag, den 30. April, abends 7d? Uhr, in der Kirche ein Harfenkonzert zu veranstalten, worauf wir alle Musikfreunde von Calw und der Umgegend aufmerksam machen möchten. Herrn Sjöden geht der Ruf eines der bedeutendsten Harfenkünsiler voraus; was ihn vor vielen auszeichnet, ist die absolute Sicherheit seiner Technik — eine Eigenschaft, die wohl bei keinem Instrumente schwerer zu erringen ist, als bei der Harfe. Das Programm wird , ^ später ausgegeben werden.
* Neuweiler, 18. April. Wie im vorigen Jahr langten auch Heuer wieder Se. Hoheit Prinz Weimar, sowie Se. K. Hoheit Herzog Älbrecht hier an, um Auerhähne zu schießen. Die Herren nahmen im Gasthof z. Lamm Quartier. Se. Hoheit Prinz Weimar hatte das Glück, einen starken Vogel herabzuschießen; sobald wir günstige Witterung haben, beabsichtigen die Herren wiederzukehren.
Stuttgart. Kapellmeister G. A. Carl, der am 1. Aprisi die militärische Laufbahn verließ, um sich zunächst auf seinem Landgute in Gschwend zu erholen, wird sich seiner Ruhe nicht lange erfreuen, da er einen Ruf nach Amerika angenommen hat, wohin er schon nächsten Sonntag ab- reisen will. Er tritt an die Spitze eines ausgezeichneten Orchesters in Philadelphia , woselbst er in den kommenden vier Sommermonaten die Park- Konzerte dirigieren wird. Für die Kapelle sind zunächst frühere Mitglieder der Bilse'schen Kapelle gewonnen worden, sie zählt allein 10 Solisten. Das Engagement ist auf 4 Jahre festgestellt. Carl gedenkt die 8 übrigen Monate jeden Jahres in seiner Heimat der Erholung zu widmen.
— In Eßlingen fand am Samstag und Sonntag zum Besten des Baufonds der Frauenkirche ein Konzert im Museum und eine Aufführung der Gesellschaft „Amicitia" im Stadttheater statt. Bei der letzteren wurde Fr. v. Vlschers schwäbisches Lustspiel „Nicht I a" gegeben. — In Friedrichshafen wurde die neue Restauration am Hafen mit einem Konzert
der Weingarter Regimentsmusik eröffnet. Die Terasse, von der aus man ein großes und schönes Panorama genießt, zeigte das Schweizer Ufer tief ver- schneit. — Wie man der „Schw. Ehr." aus Heid en h ei m schreibt, haben im Brenzthal, auf der Alb und dem Härdtsfeld die infolge der früheren Herbstsaat schon bedeutend erstarkten Samen unter dem tiefen, lange liegenden Schnee notgelitten, besonders Roggen und Dinkel. An manchen Stellen ist der Schaden so bedeutend, daß der Bauer es vorzieht, die Wintersaat neu zu pflügen und Gerste und Haber einzusähen.
Ravensburg, 18. April. Vor der heutigen Strafkammer stand der kathol. Pfarrer Paul Harr von Kilchberg, OA. Biberach, angeklagt wegen eines Vergehens im Sinne des § 166 beziehungsweise § 257 des Str.-G.-B. Als Verteidiger stand dem Beklagten zur Seite R.-A. Mayer von Ulm. Vorgeladen waren 38 Zeugen. Die Anklage geht dahin, der Beklagte habe am Feiertag Petri und Pauli vorigen Jahrs in der Predigt gesagt, die evangelische Kirche sei Menschenwerk und sei aufgebaut aus Lug und Trug, Die Zeugenvernehmung dauerte den ganzen Tag. Das Urteil lautet ans 3 Wochen Gefängnis und Tragung der Kosten.
Karlsruhe, 17. April. An den Osterfeiertagen hat die Schutz- Mannschaft einen wichtigen Fang gemacht. Zwei elegant gekleidete Individuen hatten sich, von Mannheim kommend, in einem hiesigen Gasthof einlogiert. In früher Morgenstunde des Ostersonntags erhielten die beiden Fremden den Besuch der Polizei, welche in ihnen höchst gefährliche Einbrecher vermutete. Sie hatten sich nicht getäuscht, denn es wurden bei ihnen DiebS- werkzeuge vorgefunden: 9 Schlüssel, Thürklinken, Feilen, Bohrwalze, 2 Centrumsbohrer, Messer, Totschläger. Die Gauner hatten ohne Zweifel die Osterfeiertage hier zu Einbruchsdiebstählen benützt. Dieselben wurden unter entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen am Mittwoch nach Mannheim abgeliefert.
(L. A.)
Wevmifchtes.
Calw. Hunde-Moniteur. Aus Hannover berichten die Zeitungen, daß dort ein Offiziersbursche in einem der belebtesten Stadtteile von drei Bulldoggen angefallen und schauderhaft zerfleischt worden sei. Der Vorfall, der die Gefahr dieser gefährlichen maulkorblosen Hunde für das Publikum so traurig beleuchtet, errege das allgemeine Aufsehen. — Speziell für hier, wo mehrere solcher Bulldoggen (Bullenbeißer) ohne Maulkörbe herumlaufen, wäre es angezeigt, daß diesen als gefährliche und hartnäckige Raufer bekannten Hunden Maulkörbe, und zwar vorschriftsmäßige, diktiert würden. Im allgemeinen dürfte das Gesetz über die Hundemaulkörbe strenger ge- handhabt werden, denn die Maulkörbe, welche die Metzger- und andern großen Hunde hier anhaben, sind ein wahrer Hohn, was Jeder, der es sehen will, sehen muß. x.
— In Frankfurt a. M. — Neue Kräme 1 — hat der dortige Kolonial-Verein ein Auskunftsbureau für deutsche Auswanderer errichtet. Dasselbe lehnt grundsätzlich ab, irgend ein Auswanderungsziel zu empfehlen, erteilt aber unentgeltlich Rat und Auskunft in allen die Reise und Auswanderung betreffenden Fragen.
— Daß das Rauchen schädlich ist, wird vielfach behauptet; meistens aber kommt es darauf an, was man raucht und — wem dieses Kraut dann ungesund ist. Einen hübschen Beitrag zur Beurteilung dieser „großen" und „brennenden" Frage liefert folgendes, von einer süddeutschen Universität erzählte Histörchen: Der Chirurg daselbst hatte seinen beiden Assistenten erlaubt, im Operationszimmer zu rauchen. Doch schon in den ersten Tagen zeigte der Herr Professor, sobald er in die Nähe der Raucher kam, eine gewisse Unruhe. Nach einiger Zeit sagte er zu dem einen der Assistenten: „Hören Sie, lieber Müller, Sie sehen sehr blaß aus, lassen Sie lieber das Rauchen sein." Müller denkt voll Schrecken, wenn eine solche
Frau Giedde hatte eigentlich die Absicht, sie etwas zu fragen, sie hielt jedoch an sich, drückte einen zärtlichen Kuß auf die Stirn der Maid und blickte ihr lächelnd nach.
Ehe Ebba aber die Thür der Halle erreicht hatte blieb sie plötzlich vor dem großen, über die bunten Tonfliesen gebreiteten Bärenfelle stehen; dann kniete sie nieder und sammelte mehrere Helle Blätter auf, die zwischen den schwarzen Flocken des zottigen Teppichs schimmerten.
In der Schlafkammer setzte sie sich auf den Rand ihres Bettes und breitete Pie aufgehobenen Blättchen auf ihrem Schoße aus — sie waren von der Rose, die sie dem Geliebten auf seinen Wunsch gegeben hatte; die welke Blüte mußte ihm, als «r hinaasging, entblättert sein.
Da lagen sie, die zarten, duftigen Ueberreste von Holgers Talisman», und Ebba bettachtete sie lange mit stillem Sinnen. Wie so viele Frauen, pflegte die Erbtochter des Herrn Giedde in derartigen kleinen Ereignissen, an denen das häusliche Leben so reich ist, Winke des Schicksals für die Zukunft zu sehen; drum mühte sie sich ab, für die entblätterte Rose die richtige Bedeutung zu finden. Sonst war sie gar geschickt in der Auslegung jedweder Begebenheit, heute aber gelang es ihr nicht — oder sie wollte vielleicht den Sinn, der sich ihr gleich aufdrängte, nicht wahr haben.
Schmollend schüttelte sie endlich den Kopf und meinte:
„Ich sagte es ihm ja gleich, er möchte die frische Rosen nehmen, die meinen wären schon welk."
Dann legte sie die Blätter sorgsam zusammen und verwahrte sie in ihrem Gebetbuch. Bevor sie aber zu Bett ging, flüsterte sie träumend:
„Wenn ich nur wißt', was das bedeuten mag?"-
Die Kammerherrin saß allein in dem großen Raume und starrte noch immer gedankenvoll in das reiche Schnitzwerk der Thüre, durch welche Ebba hinausgegangen war.
Eben brach im Kamin das Feuer zusammen, und unzählige Funken stoben aussprühend auseinander. Frau Giedde fuhr fröstelnd auf und erhob sich, indem sie den Fuchspelz, den ihr Holger vorher über die Schulter gelegt hatte, enger um ihre schlanke Gestalt zusammenzog. Nachdem sie mehrere Male das Gemach mit lang
samen Schritten durchmessen hatte, trat sie an das nach dem Park hinaus liegende Fenster und schaute noch lange hinab.
Drüben auf dem Grunde der Waldwiese lagen dicke Nebel, aus denen die Bäume ringsumher wie phantastisch gestaltete Riesen emporragten — der Mond warf blaue Lichter in das Dunkel und zeichnete auf dem schwarzen Spiegel des See's eine schillernde, zitternde Bahn ab. —
Frau Giedde dachte sich sechzehn Jahre zurück. Es war auch ein solcher Herbsttag wie der soeben vergangen, bald nach Ebba's Taufe — der Schwarm der Gäste hatte sich zerstreut und Ruhe und Behaglichkeit war wieder in die Gieddesborg eingezogen. Sie saß oben im Erker neben der Wiege und Herr Ove stand hinter ihrem Sessel und konnte nicht aufhören, das Wunder von Kleinheit und Zierlichkeit, das da in den weißen Kiffen lag und schlummerte, anzustaunen. Da meldete man die edle Frau Wind. „Verzeiht mir Frau Christine und Herr Ove, daß ich meinen Buben mit herüber gebracht habe, aber ihr kennt ja den Unart, er lag mir so lange an mit Bitten und Quälen, ich sollte ihm das kleine Fräulein Giedde weisen, daß ich's um der lieben Hausruhe willen nicht unterlassen könnt." Dann saß der Junker ganz still, wie es sonst gar nicht seine Art war, an der Wiege, bis die Kleine die Augen aufschlug und kräftig zu schreien begann. Wie sie aber den Knaben erblickte, wurde sie ruhig und griff lachend mit beiden unsagbar winzigen Händchen nach seinem bunten Wamms, das wegen seiner bunten Stickerei wohl ihre Aufmerksamkeit erregt hatte. Holger spielte darauf so artig mit dem zierlichen Wesen, daß sich die Mütter ansahen, ihre Gedanken verstanden, ohne sie auszusprechen, und sich wie ihm Geheimen einverstanden zunickten.
An jenem Tage hatte Frau Giedde zum ersten Male eine mögliche Verbindung des Junkers mit Ebba gedacht. Später, als beide Kinder größer geworden waren und gut zu einander zu passen schienen, wurde der Gedanke bald zum Wunsch, und aus diesem entwickelte sich allmählich eine feste Hoffnung.
(Fortsetzung folgt.)
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