62. Jahrgang.
Zlro. 46.
Amts- unä Intelligenz l-latt für äen «llezirli.
Erscheint Dienstag, Donnerstag L Samstag.
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Donnerstag, äen 21. Äprik 1887.
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'Uotitifche WcrctzvicHten.
Deutsches Reich.
— Der Reichstag hat bei der Wiederaufnahme seiner Thätigkeit noch zu erledigen : in zweiter und dritter Lesung die Gesetzentwürfe über den Servistarif und die Klaffeneinteilung der Orte, das Hinterbliebenengesetz, die Gesetze über die Kunstbutter, über die Beschränkung der Oeffentlichkeit der Gerichtsverhandlungen, über die Ausdehnung des Unfallversicherungsgesetzes auf Seeleute und bei Bauten beschäftigte Arbeiter, sowie über die Verwendung von Blei und Zink bei der Herstellung von Gebrauchsmitteln; in dritter Beratung ist noch zu erledigen das Reichsbeamten-Gesetz; zur ersten Beratung haben noch zu gelangen: die Gesetze über Abänderung der Gerichtskosten und der Rechtsanwaltsgebühren, sowie über die Errichtung eines Seminars an der Universität zu Berlin; hieran reihen sich die allgemeinen Rechnungen für 1883/84, die Uebersicht der Ausgaben und Einnahmen für 1885/86, der Bericht der Rechnungskammer für 1884/85.
— Eine Korrespondent der „Köln. Ztg." aus Berlin bemerkt, daß das Dreikaiserverhälnis „weder Ende vorigen Monats abgelaufen ist, noch zu jener Zeit erneuert zu werden brauchte und daß Rußland von demselben auch nicht ohne amtliche Erklärung zurückgetreten ist. Alle entgegengesetzten Angaben, von irreaesührten oder interessierten auswärtigen Blättern verbreitet, haben sich bis jetzt nicht als begründet erwiesen. Man hat sich darüber gewundert, daß die Franzosen so großen Wert auf das Ablaufen oder sonstige Verschwinden des Einvernehmens der drei Kaiser legten, obwohl dies Einvernehmen doch die bekannten Lockrufe und freundlichen Zwiegespräche in der Presse zwischen Petersburg und Paris die Zeit über nicht verhindert hat. Aber cs mochte den Nachbarn im Westen doch der Gedanke entgegentreten, daß im Ernstfall eine Berufung auf die Verabredung von Skirniewice manchen chauvinistischen oder panslawistischen Zug durchkreuzen und lähmen könnte."
Straßburg, 14. April. Die Strafkammer erledigte dieser Tage zwei politische Prozesse. Der 29 Jahre alte Ladendiener Müller von hier, Franzose durch Option, dem jedoch der Aufenthalt in Straßburg ge- gestattet war, erging sich am 21. Februar d. I. in einer Wirtschaft in Gotteslästerungen, beschimpfte aufs Gröblichste den Kaiser, die katholische Kirche und den Papst. Gegen 7 Uhr abends begab er sich auf das Rathaus, wo eine große Menschenmenge versammelt war, die das Resultat der Reichstagswahlen abwartete. Als dasselbe bekannt wurde, rief Müller wiederholt: »Vivo Kabis, vive la llrancel", was seine Verhaftung zur Folge
hatte. Müller wurde in Anbetracht, daß die erwähnten Auslassungen zu einer Zeit stattfanden, wo derartige Ausrufe und Beschimpfungen leicht zu einem Aufruhr hätten Anlaß geben können und daß hauptsächlich auch die ehrwürdige Person des Kaisers in empörender Weise verletzt worden ist, zu einer Gefängnisstrafe von 9 Monaten verurteilt. — Der 46 Jahr alte Ziegeleibesitzer Kiefer aus Brumath hat im Januar d. I. zu Brumath zu wiederholten Malen „Vivo la kspukliquo, vive Is krance!" gerufen, ebenso am 21. Februar abends. Das Gericht erkannte gegen Kiefer auf eine Gefängnisstrafe von 6 Monaten.
M e tz, 18. April. Herr Antoine, unser Reichstagsabgeordneter, ist von Paris zurückgekehrt und befindet sich seit einigen Tagen in Pagny, der ersten französischen Grenzstation zwischen hier und Nancy, woselbst er bereits verschiedene Besuche von Metz entgegen genommen hat. Von Frankfurt als zukünftigen Aufenthaltsort ist abgesehen, dagegen steht Brüssel und Arnaville auf der Wahl. Letzteres ist ein Dörfchen auf französischem Gebiet, eine Viertelstunde von Noveant entfernt, wo der Vater Antonie's lange Zeit das Amt eines Bürgermeisters bekleidet hat. — In Saargemünd sind folgende vier französische Optanten: Fabrikbeamter Fournier, Agent Acker, Tischler Houston und ein ehemaliger französischer Gendarm Brumaire aus Elsaß-Lothringen ausgewiesen worden.
— Der Kronprinz hat, wie dem „Berl. Tagbl." geschrieben wird, das bei Oels gelegene Rittergut Wabnitz von dem seitherigen Besitzer Hrn. v. Kardorff für den Preis von 800,000 erworben. Wabnitz grenzt an das dem Kronprinzen aus der Hinterlassenschaft des Herzogs von Braunschweig zugefallene Lehnsgut.
Frankreich.
Paris, 18. April. Frances Magnard beschäftigt sich im „Figaro" mit den Ersparnissen, welche die verschiedenen Ministerien anstreben sollten, und giebt zu, daß nur zwei derselben, der Krieg und die Marine, erkleckliche Abstriche ertragen würden. Dabei erinnert er daran, daß Graf Douville- Maillefeu unlängst in der Kammer fragte, warum das französische Heer, welches weniger zahlreich sei als das deutsche, mehr koste als dieses. Niemand antwortete dem Abgeordneten der äußersten Linken und doch hätte eine genauere Untersuchung der Mühe gelohnt. Der französische Soldat kostet durchschnittlich 1273 Franken, der deutsche nur 913 jährlich, der französische Bürger bezahlt durchschnittlich 15 Franken Heeretzsteuer, der deutsche nur 9. Der Budgetausschuß sollte den Mut haben, in das Geheimnis dieses Unterschieds zu dringen und die Axt an den heiligen Hain zu legen. Damit könnte er zur wahren Popularität gelangen — meint der Chefredakteur des „Figaro". —
JeuiLLeton. m-chdru-
In sWZ'is.
Novelle von Wolfgang Arachvogel.
(Fortsetzung.)
Aber wie sollte er es denn anfangen? Die drängende Eile verwirrte ihn noch mehr.
Da fiel sein besorgter Blick wieder auf die Rosen in ihrem Gürtel, und allen Mut zusammenraffend, sagte er:
„Wenn ich nun von Dir bin und Du mich nicht mehr siehst, wirst Du dann auch noch an mich denken?"
»Ich werde mich Deiner immer erinnern, wenn ich unsere alten Waldbäume ansehe", entgegnete sie, ihn mit großer Zärtlichkeit anblickend.
„Gib mir ein Andenken an Dich mit", bat er darauf zögernd.
„Würdest Du mich ohne dasselbe vergessen? fragte sie, stehen bleibend.
„Nein, bei Gott", rief er leidenschaftlich.
„Zu was soll dann das Andenken?"
„Ich möchte einen Talismann haben und meine, was Du mir schenkst, müßte mir Glück bringen."
„Und was willst Du, daß ich Dir geben soll?" flüsterte sie zaghaft, denn der eigene Klang seiner Stimme und seine glühenden Blicke machten ihr bange.
„Eine Rose, Ebba."
Da that sie, als verstünde sie ihn nicht, trat etwas seitwärts bis zu der Rosenwand und brach nach kurzer Auswahl eine halberbrochene Knospe, die ihr die schönste dünkte, ab. Als sie ihm dieselbe hinreichte, sah sie ihn nicht an, und doch färbte ihr dunkles Rot Wangen und Schläfe.
„Du verstehst mich nicht", meinte er stockend, vermochte aber nicht weiter zu sprechen.
„Du wolltest doch eine Rose", sagte sie leise, „und ich biete sie Dir."
„Ich bat Dich um eine Rose, weil ich hoffte, Du würdest mir eine aus Deinem Gürtel reichen."
„Die meinen sind schon welk", entgegnete sie und zog ihren Strauß aus dem Gürtel, „ich habe sie schon den ganzen Tag über getragen, und sie sind nicht mehr schön. Diese jedoch, die ich Dir bot, ist frisch und prangend und ihr Duft ist süß."
„Du aber hast sie nicht getragen", flüsterte Holger.
Da nahm sie eine Blume ihres Straußes und reichte sie ihm hin.
Er drückte die welke Knospe jubelnd an seine Lippen, und dann fühlte Ebba, wie sich sein starker Arm um ihren Nacken legte, und sank bebend an seine Brust. Sie weinte bitterlich, und wußte nicht, ob vor Leid oder Glück, und Holger küßte ihr die Thränen von den Wangen. Plötzlich schien ihm die Sprache wiedergekommen zu sein, und er bot seine Beredsamkeit auf, sie zu trösten und ward nicht müde, sie mit Namen zu nennen, die ihr gar wunderlich im Ohr klangen. Sonst hatte er sie, wenn er recht zärtlich war, „mein holder Geselle", oder „Prinzessin" benannt, jetzt hieß er sie aber „mein süßes Gemahl" und „meine blonde Braut", und küssen konnte er, als habe er das sein Lebtag geübt.
Indessen war auch das blässeste Rosenwölkchen vom Horizont verschwunden, blaugraue Berge türmten sich riesenhaft empor, auch zwischen den nahen Hasel- und Buchenhecken schwankten silberartige Nebelwogen — die Nacht begann.
„Ebba — Holger!" tönte es durch die Büsche und die jungen Leute fuhren erschreckt zusammen. Ebba sah den Freund vorwurfsvoll an.
„Zürnst Du mir?" fragte er.
„Wie könnte ich?" entgegnete sie innig, dann aber wandte sie sich und eilte davon, so schnell, daß er ihr kaum zu folgen vermochte. In dieser wilden Jagd erreichten sie die Halle, in der Frau Giedde schon lange auf sie wartete.
Hl.
Holger war fort.
Ebba wünschte der Mutter eine geruhsame Nacht und küßte ihr die Hand.