großer Unterschied, eine Parlament. Versammlung zu leiten, oder in einer Regierung zu sitzen. Fürst Bismarck würde niemals zum Präsidenten des Reichs­tags gewählt worden sein. Ein Vertreter des kirchl. Lehramts gehöre notwendig in das oberste Kirchen­regiment. Dekan Wurm: Das theolog. Mitglied des Kirchenregiments könne auch gefährlich werden weil es die übrigen Mitglieder der obersten Kirchen­behörde leicht beherrsche. Dies zeigen die Klagen der positiven Geistlichen im Elsaß. Redner kann sich daher für den Minderheitsantrag nicht erwärmen. Reg.-Rat Huzel tritt für den Minderheitsantrag ein und bekämpft den Antrag Lechler. Schuon empfiehlt den Antrag der Kommissionsmehrheit v. Schad, warnt vor den Folgen der Anträge der Minderheit und des Prälaten Lechler, beide Anträge schließen einan­der nicht aus, es könnten also gleich 2 Theologen in das Kirchenregiment kommen. Der Schwerpunkt der kirchl. Leitung liege ja doch im Konsistorium. Consist.-Präf. Frhr. v. Gemmingen empfiehlt energisch den Antrag der Mehrheit. Im obersten Kirchenre­giment werde es sich nicht um theologische und dog­matische Fragen handeln. Das knchl. Interesse werde auch ohne Beiziehung eines Generalsuperin­tendenten in die oberste Kirchenbehörde gewahrt blei­ben. Prof. Egelhaaf spricht für den Antrag Lechler, wünscht aber, daß die Wahl des theolog. Mitglieds in das Kirchenregiment nur für die Wahlperiode der Landessynode gewählt werde. Pfr. Völker: Man müsse für alle Eventualitäten Vorsorge treffen und dies geschehe durch den Minderheitsantrag. Stadlpfr. Stackmayer: DieDiözesansynode Nagold habe einstimmig beschlossen, es sei dringend notwen­dig, daß ein Generalsuperintendent in die oberste Kirchenvehörde komme. Reg.-Rat Haag: Die kirchl. Organisation habe seit 100 Jahren wesentliche Fort­schritte gemacht. Es sollten also die aus der Kirche selbst hervorgetretenen Mitglieder in der obersten Kirchenbehörde die entscheidende Stimme haben, er empfehle den Minderheitsantrag. Premier ist für den Minderheitsantrag. Vom Kirchengemeinderat und der Diözesansynode bis hinauf in das Konsisto­rium seien Laien und Geistliche, warum man nur die Geistlichen aus der obersten Kirchenbehörde fernhalten wolle, sei ihm nicht verständlich. Zwei Anträge sind eingelaufen, ein Amendement zum Min­derheitsantrag und ein Antrag der als 5. oder 6. Mitglied der obersten Kirchenbehörde einen General- superinteudenten wünscht, der aber nicht von der Landessynode gewählt, sondern von der Kirchenbe­hörde entsendet werden sollte. Hofprediger Braun befürwortet letzteren Antrag, womöglich unter Be- lassung von 5 Mitgliedern ev. sollte der Prälat als 6. Mitglied in das oberste Kirchenregiment kommen. Bartholomai befürwortet diesen von ihm selbst ge­stellten Antrag, ein Prälat müsse in die oberste Kir­chenbehörde hinein; es genügen in ihr aber 5 Mit­glieder. Mitberichterstatter Lang schließt sich dem Antrag Bartholomai im wesentlichen an. Nestle verlangt ebenfalls einen Prälaten in die oberste Kirchen­behörde. 5 Mitglieder für letztere seien genügend, also könne ein Geh. Ratsmitglied wegfallen, v. Bocks­hammer ist für den Antrag Braun, Redner wünscht 3 Mitglieder des Geh. Rats beizubehalten und den Generalsuperintendenten als 6. Mitglied. Die 3 Minister könnten im Staatsministerium niemals über­stimmt werden. Minister v. Sarwey ist erstaunt, daß der Gesetzentwurf unter dem Gesichtspunkt der Wahrung der Kirchenintereffen in der Richtung be­kämpft werde, daß 3 Minister in das Kirchenregiment berufen werden sollen. In Sachsen sei weder ein Consistorialpräsident noch ein Vertreter der Landes­synode im Kirchenregiment. Die Synode habe es ja in der Hand, einen Geistlichen zum Präsidenten zu wählen, dann habe das Kirchenregiment seinen Geistlichen. Das Kirchenregiment hat ja nicht dog­matische und theolog. Verhandlungen zu pflegen. Das Werk werde durch die heutigen Anträge nicht gefördert. Bartholomai möchte von dem Minister wissen, welche besonderen Gründe für einen 3. Ge­heimrat unv gegen einen Generalsuperintendenten sprechen.

Stuttgart, 7. Nov. (Ev. Landessynode. 12. Sitzung.) T.-O.: Fortsetzung der Beratung der Religionsreversalien. Landesherrl. Kommissäre: Mi­nister v. Sarwey, Präs. v. Gemmingen, O.-Consist.- Ral Krafft. Dekan Lang erwidert auf die gestern gegen den Minderheitsantrag erhobenen Einwände in längeren Ausführungen. Der Entwurf stehe im

Ganzen aus dem Standpunkt der Staatsreligion, was für Staat und Kirche gleich ungünstig sei. Das staatliche und kirchliche Leben müsse möglichst ge­schieden sein. Man könne nicht ohne Weiteres von einem hohen Staatsbeamten annehmen, daß er ein ebenso guter Vertreter der Kirche sei. Ein Ge­neralsuperintendent gehöre hinein, ein Mann, der von unten herauf der Kirche gedient, habe doch ein größeres Interesse, als irgend jemand. Er bittet, seinen Antrag anzunehmen, modificiert denselben aber dahin, daß die Oberkirchenbehörde und Synodal­ausschuß zusammen den Generalsuperintendenten wählen sollen. Elben wünscht möglichste Selbstän­digkeit des Kirchenregiments, ist damit einverstanden, daß 3 Geheime Räte in der Behörde sitzen, aber ein Generalsuperintendent gehöre als 6. Mitglied notwendig dazu. Redner tritt deshalb für den Ver­mittlungsantrag Braun ein. Egelhaaf sieht in dem Entwurf eine Anbahnung der Trennung von Kirche und Staat, die früher oder später kommen müsse. Redner spricht gleichfalls für den Antrag Braun. Bacmeister bemerkt, daß die Kommissionsmehrheit die Sache auch angelegentlichst in Erwägung ge­zogen habe. Der Entwurf enthalte ein Kompromiß. Einen so großen Nutzen würde der Prälat nicht bringen, v. Gemmingen bestreitet dem Dekan Lang, daß der Entwurf auf dem Boden derStaatsreli­gion" stehe und tritt wiederholt für denselben ein. Derselbe diene dem Interesse der Kirche am besten. Dr. Braun begründet seinen Antrag. In ein Kirchen­regiment von 6 Mitgliedern gehöre zweifellos ein Vertreter des geistlichen Amtes. Das sei kein Wunsch der Geistlichen, sondern des evang. Volkes. Für gewisse Angelegenheiten sei die Mitarbeit eines Theo­logen doch von Wert. Redner möchte gern wissen, was eigentlich dem Eintritt eines Generalsuperinten­denten entgegenstehe. Schad v. Mittelbiberach spricht in längeren, nicht ganz klaren Ausführungen für den Entwurf. Es sei nicht notwendig daß ein Prä­lat beigezogen werde, v. Sarwey hätte grundsätz­lich gegen die Berufung eines Prälaten nichts ein­zuwenden; es sollen aber nicht mehr als 5 Mit­glieder in das Kirchenregiment eintreten und die Synode werde nicht auf den Consistorialpräsidenten und den Präsidenten der Landessynode verzichten wollen. Fabrikant Lechler polemisiert gegen den Abg. Schad. Herr Schad habe gesagt, die Prälaten stehen dem Landtag gut an, er begreife dann nicht, daß in einem Kirchenregiment kein Prälat sitzen soll. Es bürge auch niemand dafür, daß die Minister nicht bloß dem Namen nach evangelisch seien. Die verschiedenen Aeußerungen des Staatsministers v. Sarwey in der Synode haben ihm kein Vertrauen eingeflößt. Es kommt sodann zur Abstimmung der Antrag Lang (Kommissionsminderheit) wonach die Kirchenregierung bestehen würde aus 2 Ministern, dem Konsistorialpräsidenten, dem Präs, der Landes­synode und 1 Generalsuperintendenten. Der Antrag wird mit 32 gegen 24 Stimmen abgelehnt. Hierauf wird abgestimmt über den Antrag Dr. Braun. Hie­rnach besteht die Kirchenregierung aus 3 Ministern, dem Konsistorialpräsidenten, dem Präs, der Landes­synode und einem Generalsuperintendenten. Derselbe wird angenommen mit 45 gegen 11 Stimmen, v. Sarwey bemerkt, der Abg. Lechler habe gesagt, er habe zu ihm kein Vertrauen, das könne ihn aber nicht hindern, hier seine Pflicht zu thun. Zu Art. 1 beantragt die Kommission folgenden Zusatz:Wird der Präsident und der Vizepräsident der Landes­synode aus derselben ausscheiden, so ist die Landes­synode einzuberufen. Berichterstatter v. Schad be­gründet den Antrag. Es sollte damit verhindert werden, daß ohne Weiteres der Alterspräsident ge­nommen werde. Präs. v. Gemmingen hält die Even­tualität, daß zeitweilig der Alterspräsident Mitglied der Kirchenregierung sein könnte, nicht für bedenklich. Abg. Elben dagegen ist für den Kommissionsantrag, desgl. Abg. Huzel und Abg. Nestle, v. Seckendorfs spricht gegen den Kommissionsvorschlag. Minister v. Sarwey ist gleichfalls gegen den Zusatzantrag. Er sei nicht nötig und verursache Kosten. Im Notfälle könnte die Kirchenregierung die Einberufung ja doch vornehmen. Der Alterspräsident könnte ja auch der richtige Mann sein. Der Kommissionsantrag wird mit geringer Majorität angenommen. Art. 2 be­stimmt die Beschlußfähigkeit (3) und der Vorstand der Kirchenregierung. (Minister des Kirchenwesens). Hiezu beantragt die Kommission noch die Bestimmung, daß kein Mitglied von der Beratung ausgeschlossen

werden könne außer wenn der Gegenstand ihn per­sönlich angeht; sodann daß im Falle der Verhinderung einzelner Mitglieder Stellvertreter einzutreten haben, v. Bockshammer beantragt noch zu sagen, die Stimme des Vorstandes entscheidet im Falle der Stimmen­gleichheit. Psr. Voller beantragt die Beschlußfähig­keit auf 4 Mitglieder (statt 3) sestznsetzen, da das Kollegium jetzt aus 6 nicht besteht.

Ueber die einzelnen Bestiu>--..5.^t'lff?v. den Wort­laut des Art. 2 entspinnt sich eine längere Debatte. Art. 2 wird hierauf mit den Anträgen der Kom­mission und demjenigen des Abg. v. Bockshammer angenommmen. Art. 3 trifft Bestimmungen über die Berufung von Ersatzmännern, falls die erforder­liche Zahl von Mitgliedern des Geh. Rats (Art. 1) nicht, oder nicht mehr vorhanden sind. Die Kom­mission (Berichterstatter v. Schad) beantragt Annahme des Art. 3. v. Schad selbst ist gegen die Aufnahme des Art. 3. Der Art. 3 nahm an, daß das Mini­sterium vollständig aus katholischen Mitgliedern be­stehen könnte, das werde nie geschehen. Das Vor­gehen ist taktisch unrichtig und wäre eine Waffe in der Hand der Gegner, was er des Nähern begründet. Huzel legt die Gründe dar, weshalb der Antrag v. Schad von der Kommission nicht angenommen wor­den sei. Es ist in Art. 3 Vorsorge getroffen für Verhältnisse, wie sie staatsrechtlich wenigstens möglich, wenn auch nicht wahrscheinlich sind. Der Art. 3 wird hierauf mit Stimmenmehrheit angenommen. Art. 4 trifft Bestimmungen über die Verpflichtung der Mitglieder des Kirchenregiments. Die Kommission beantragt hiezu, den Wortlaut des Gelübdes in den Art. 4 aufzunehmen. Art. 4 mit Zusatzantrag wird ohne Debatte angenommen. Art. 5 regelt die Ge­schäftsaufgabe der evang. Kirchenregierung. Dieselbe übt die ihr übertragenen Befugnisse selbständig ohne Anbringen an den König aus. Die Geschäftsauf­gabe umfaßt die sämtlichen innerkirchlichen Angelegen­heiten der evang. Landeskirche wie solche bisher zur Entschließung des evang. Landesherrn standen. Die Kommission beantragt im wesentlichen Zustimmung, will aber die Stelle des Stuttgarter Stiftspredigers von der Kirchenregierung besetzt wissen, nicht von dem König. Minister v. Sarwey hat dagegen nichts einzuwenden. Wendel wünscht, daß alte Pfarrer (nicht nur Prälaten und Dekane) von der Kirchen­regierung und nicht vom Konsistorium ernannt wer­den, stellt jedoch keinen Antrag. Präs. v. Gemmingen ist dagegen. Die Synode nimmt den Art. 5 mit den Zusatzanträgen der Kommission an.

Stuttgart, 7. Nov. Der gestrige zweite und zugleich auch leider der letzte Duseabend brachte Suder- manns Heimat. Das Stück wurde in der Ueber- setzung von Natanson von der italienischen Gesell­schaft wirklich gut gegeben. Die Düse selbst aber war geradezu hinreißend. Jedes Wort, jede Be­wegung bot einen künstlerischen Genuß, so daß der stürmische Beifall des dichtbesetzten Hauses wohl zu verstehen war. Eleonore Düse ist entschieden die bedeutendste Schauspielerin der Gegenwart.

Stuttgart, 8. Nov. Sanitätsrat Dr. Bil- finger sprach sich gestern abend in einer Versamm­lung sehr absprechend über das Heilserum aus. Bei Anwendung von Naturheilkunde starben 5 pCt., bei Serum 20 pCt. Serum sei ' schon wegen der durch die Gewinnung bedingten Tierquälereien ver­werflich.

Stuttgart, 8. Nov. Im Gasthaus zum Hirsch fand gestern abend eine von etwas mehr als 100 Personen, von anarchistischer Seite einberufene Ver­sammlung statt. Auf der Tagesordnung stand ein Referat überinternationale Reaktionsgelüste." Als der Referent nach einem kurzen Ueberblick über die anarchistische Bewegung in Amerika und Spanien auf Ravachol zu sprechen kam und die Meinung äußerte zur Mißachtung Ravachols liege keine Grund vor, ließ der überwachende Polizeikommissär die Ver­sammlung auf Grund des Z 130 R.-St.-G.-B. für aufgelöst erklären. Ausschreitungen kamen bei der Räumung des Saales nicht vor.

Straßburg, 6. Nov. Der Reichskanzler Fürst Hohenlohe dürfte voraussichtlich am nächsten Sonn­tag Abend Straßburg und das Reichsland verlassen. Die Bevölkerung der Landeshauptstadt hat aber für die Abschiedsstunde eine Huldigung geplant, die in ihrer Großartigkeit sie selbst wie den Scheidenden ehren wird. Unter dem Vorsitze des Bürgermeisters Back fand Samstag Abend eine große Versammlung, von Vertretern fast aller Straßburger Vereine statt