der Entwurf nicht den polizeilichen, sondern den schulgesetz­lichen Weg betrete, dadurch entschieden ein Fortschritt ge­macht werde, wenn auch zugegeben werden muß, daß auf diese Weise die Jugend nicht gehörig überwacht und kon­trolliert werden kann. Dekan Kollmann glaubt, daß die vorhandenen Uebelstände durch ein äußerliches Gesetz nicht vollständig beseitigt werden können. Hier müsse das christ­liche Haus Mitwirken. Doch sei anzunehmen, daß der Art. 10 ii» Volke mit Freuden begrüßt werde. Derselben Mein­ung ist auch Kiene, welcher sich zu dem Gegenstand äußert.

Kirchheim u. T., 22. Mai. Ai» Samstag schlug der Blitz in die Schutzhütte auf dem Käppele, ivo 18 Menschen Zuflucht gegen den strömenden Regen gesucht hatten. Mehrere Frauen und Kinder wurden dadurch zu Boden geschleudert, erlitten in­dessen außer einer länger anhaltenden Betäubung keinen Schaden.

Ulm.. Mai. Der ehemalige Offizier, den man gestern vormittag wegen Verdachts, in die Mordaffiaire verwickelt zu sein, in Untersuchung ge­nommen hatte, wurde abends wieder auf freien Fuß gesetzt, da die Verdachtsgründe sich als unzureichend erwiesen, um die Haft über ihn zu verfügen. Es sind aber bei dieser Gelegenheit ganz böse Dinge in anderer Richtung, nämlich im Sinne des tz 175 des Strafgesetzbuches, aufgekommen.

Mannheim, 15. Mai.Das l'srpotnnn mobi Io erfunden" so schreibt Herr Aug. Zügel hier demG.-A." welcher diesen Stein der Weisen ent­deckt und das Unmögliche möglich gemacht haben will! (??, Man sieht, bemerkt das zitierte Blatt, daß die Löiung des größten Problems, welches den her­vorragendsten Gelehrten unmöglich, einem Kellner gelingen kann, gerade so, wie einem Schneider die Erfindung eines kugelsicheren Panzers möglich ist.

Hamburg, 26. Mai. Der DampferLulu Bohlen,, ist gestern abend 7 Uhr mit dem Kanzler- Lei st an Bord von Cuxhaven hieher abgegangen.

Es bestätigt sich gutem Vernehmen nach, daß im Reichsschatzamt bereits die Vorbereitungen zu einer- umfassenden Umarbeitung des Tabaksteuergesetz- entwurfs im Gange sind. In welcher Richtung sich die Abänderungen bewegen werden, darüber ver­lautet Zuverlässiges noch nicht. An den wenigen eingeweihten Stellen wird hierüber die größte Ver­schwiegenheit beobachtet. Es ist daher lediglich eine, wenn auch naheliegende und nicht unwahrscheinliche Vermutung, wenn in politischen Kreisen behauptet wird, daß auch die neue Vorlage an der Tabak­fabrikatsteuer festhalten werde. Dagegen ist es als sicher zu betrachten, daß maßgebenden Orts von einer Reichsweinsteuer endgültig abgesehen worden ist und daß gegenwärtig dort außer der Tabakfabrikatsteuer keine andere neue Reichssteuer in Betracht gezogen wird. Daraus folgt von selbst, daß von einer Wiedereinbringung der Reichsfinanzreformvorlage bis auf weiteres Abstand genommen worden ist. Ge­wöhnlich gut unterrichtete Kreise versichern, daß dies nicht nur mit Zustimmung, sondern auf Veranlassung des preuß. Finanzministers Miquel geschehe, der in­dessen fest überzeugt sei, daß in diesem Falle ausge­schoben keineswegs aufgehoben sei und daß der von ihm entworfene Plan zur Regelung des Verhält­nisses zwischen den Finanzen des Reiches und der Einzelstaaten über kurz oder lang verwirklicht werden würde.

Fürst und Fürstin Bismarck besuchen in die­sem Jahre kein Bad. Fürst Bismarck schrieb soeben an einen ihm befreundeten Herrn im Rheingau, indem er ihn einladet, ihn in Friedrichsruh oder Varzin zu besuchen, daß er und die Fürstin dieses Jahr kein Bad zu besuchen, sondern ruhig zu Hause zu bleiben und namentlich einige Monate in Varzin zuzubringen gedenken.

Berlin, 25. Mai. Heute morgen um 3-- 4 Uhr sind aus dem Terrain der militärischen Luftschiffer- Abteilung unter furchtbaren Detonationen mehrfache Explosionen des Gasometers und mehrerer gefüllter Gascylinder erfolgt. Durch die Explosionen ist das Aufbewahrungs-Gebäude zerstört ifforden. Durch die umhergeschleuderten Trümmer sind die umstehenden bewohnten Baracken vielfach beschädigt worden. Auch die Trümmer der Gascylinder wurden weit umhcr- gcschleudcrt: die Fensterscheiben in den nahen.Kasernen wurden zerschlagen, Menschen aber sind nicht verletzt worden. Die Ursache der Explosion ist noch unbekannt.

Berlin, 25. Mai. Die Hauptverhandlung in dem Prozeß Miguel gegen Ahlwardt wegen öffent­licher Beleidigung findet am 9. Juni statt.

' Verl i n, 25. Mai. DerLokalanzeiger" berichtet aus Mailand: Ein bekannter Sportmann Ghiring-

helli, Beamter der Stadtkasse, erschoß sich im Momente der Verhaftung. In der Stadtkasse fehlen 100000 Lire. Die Untersuchung ergab zahlreiche Mitschuldige, welche den Betrug seit 1887 betrieb«!. Andererseits wird die Schädigung der Stadtkasse auf 150000 Lire angegeben.

Berlin, 25. Mai. Der bei der Explosion auf dem Uebungsplatze der Luftschifferabteilung verursachte Schaden beläuft sich auf ca. 100000 Es sind 75 Wasserstoffgasbehälter explodiert.

Berlin, 25. Mai. In spanischen Blättern wird ein gereizter Ton gegen Deutschland angeschlagen, weil verschiedene deutsche Zeitungen mit vollem Recht die unwürdige Behandlung sich verbeten hatten, welche die maßgebenden spanischen Faktoren in der Frage des Handelsvertrages Deutschland gegenüber sich herausgenommen. Das hat gerade noch gefehlt. Die Unterstellung, als ob einige kräftige Worte der Abwehr auf Eingebung der deutschen Regierung zurückzuführen seien, ist natürlich nur aus der argen Unwissenheit spanischer Redaktionen zu erklären. Die spanische Presse setzt sich jetzt aufs hohe Roß und geberdet sich, als ob der Vertrag für Spanien gar keinen Wert habe und nur Deutschland Nutzen bringe. Wenn die Spanier wirklich diese Ueber- zeugung haben, warum haben sie denn nicht schon vor einem halben Jahre den Vertrag abgelehnt, statt die Frist des Ablaufs immer aufs neue zu ver­längern? Uebrigens muß betont werden, daß ein deutsch-spanischer Handelsvertrag nicht mehr besteht. Ein solcher müßte erst von neuem wieder geschloffen werden.

Berlin, 25. Mai. Die Disziplinaruntersuchung gegen Kanzler Leist findet vor der Disziplinarkammer in Potsdam statt, falls Leist nicht seine Entlassung aus dem Reichsdienst nachsucht. Die Verhandlung ist eine öffentliche. Die Kammer kann auf Ent­fernung aus dem Amte oder auf Strafversetzung in ein anderes Amt mit vermindertem Einkommen er­kennen.

Spanien.

Aus Spanien, 22. Mai. In Madrid und anderen Gegenden herrscht eine eisige Witterung. In Burgos, Avila, Leon, Soria ist Schnee gefallen. In den Straßen von Madrid ist ein Mensch infolge der Kälte ums Leben gekommen. So geschehen im Lande Spanien am Ende des Wonnemonds.

Serbien.

Die Königin Natalie, die Mutter des Königs Alerander von Serbien, gilt nicht nur als eine schöne, sondern auch als eine kluge Frau. Wer an ihrem Besitz der letzteren Eigenschaft noch zweifeln sollte, der kann durch die neuesten Nachrichten aus Belgrad eines Besseren belehrt werden. König Alexander hatte seine Mutter telegraphisch eingeladen, nach Belgrad zu kommen; Frau Natalie hat jedoch geantwortet, daß siebei der gegenwärtigen politischen Situation sich nichtveranlaßt fühle, zurückzukehren."

Rußland.

Aus Rußland. Eine entdeckte Verschwörung verfolgte lautKöln. Ztg." die Absicht, im Hoch­sommer einen Mordanschlag gegen den Kaiser aus­zuführen. In der Nähe der Bahnlinie Witebsk-Orel liegt ein Schloß, das zum mehrtägigen Hauptquartier des Zaren während der diesjährigen Kaisermanöver bestimmt war. Dieses Schloß, bezw. die Kirche des benachbarten Dorfes, wollten die Verschwörer während der Anwesenheit des Kaisers in die Luft sprengen und hatten bereits mit den Vorarbeiten und Minen­gängen begonnen. Es wurden viele Beamte der Witebsk-Orelbahn, darunter mehrere Ingenieure, die sämtlich orthodoxe Russen sind einer von ihnen ist sogar ein Neffe des Fanatikers Pobedonoszeff als wahrscheinliche Mitwisser in Orel und Witebsk verhaftet und nach Petersburg abgeliefert. Ein In­genieur erschoß sich sofort bei der Verhaftung.

kleinere Mitteilungen.

1K, Milliarden Postkarten werden jetzt jährlich im Weltpostverkehr befördert. Bedenkt man, daß dies neu­zeitige Nachrichtenmittel eben erst das 25. Jahr seiner Ein­führung erreicht, so ist die Entwicklung erstaunlich. Ter Gedanke zu dieser Einrichtung ist im Jahre 1865 vom je­tzigen Leiter unseres Reichspostwesens, damaligen Geh. Postrat Stephan, den Mitgliedern der V. deutsch-österrei- ! chischen Poslkonserenz in Karlsruhe in einem Schriftsatz unterbreitet worden.

! Der Antwerpener Diamantenhändler Zolkowsly

ist auf einer nächtlichen Eisenbahnfahrt zwischen Calais und Paris um Diamanten im Wert von 135 000 Franken samt Geldtasche bestohlen worden.

Auch in Skandinavien ist den ungewöhnlich schönen Frühlingstagen rauhes Wetter gefolgt. Aus Aalesund wird gemeldet, daß es dort zwei Tage hindurch geschneit habe und das Thermometer auf dem Gefrierpunkt stehe. Aus der Gegend von Upsala wird berichtet, daß infolge der Kälte Bäche und Flüsse stark gefroren waren.

Die Elektrizität im Dienste der Menschheit.

Von A. Brun».

(Schluß.)

Die älteste Anwendung elektrischer Ströme wurde in der Telegraphie gemacht,'und zwar schlug Sömmering schon 1808 vor, die zersetzende chemische Wirkung des galvanischen Stromes auf Wasser zu telegraphischen Zeichen zu benutzen. Zeiger und Schreibtelegraphen gehören erst einer neueren Epoche an und beruhen im Wesentlichen auf einer schnellen Stromunterbrechung durch den sogenannten Stromunterbrecher.

Weit interessanter gestaltete sich die Erfindung der Telephonie, weil sie doch mehr in das Privatleben des Einzelnen eingreift. Graham Bell machte 1877 zuerst die äußerst sinnige Anwendung von sogenanten Jnduktionsströmen durch die Konstruktion seines Fernsprechers. Es ist bekannt, daß ein Magnet durch Nähern od. Entfernen einer Eisenplatte Schwankungen in der Stärke seines Magnetismus erleidet. Ebenso erzeugt verschieden starker Magnetismus unter be­stimmten Bedingungen elektrische Ströme verschiedener Jntensität. Durch Umsetzen der Schallwellen in diese vertikularen Bewegungen des Magneten und Strom­leiters und wieder zurück wird es dann möglich, die bekannten Wirkungen zu erzielen.

Durch einen ähnlichen Vorgang der Bewegungs­übertragung der Schallwellen gelang es dem berühmten Edison, selbst menschliche Laute sestzuhalten. Sein Lautsprecher oder Phonograph ist fast jedem bekannt und hat, wenn auch heute noch wenig praktischen Wert, so doch ungemein viel Interessantes in der Originalität seiner Wirkungsweise.

Wenn wir nun recht beurteilen, waren diese Errungenschaften auf dem Gebiete der angewandten Elektrizität schon hinreichend, um tief in den Verkehr einzugreifen. Es wäre schon an sich ein unermeßliches Feld der Thätigkeit in praktischer wie theorelischer Ausbildung dieses Zweiges der Technik gewonnen worden: da traten Männer mit neuen Erfindungen in die Oeffentlichseit, die geeignet waren, unsere indu­striellen Verhältnisse von Grund auf zu erschüttern und umzugestalten.

Elektrisches Licht, elektrische Fahrzeuge, elektrische Motoren konkurrieren heute mit allen früheren Ein­richtungen in Bezug auf Beleuchtung, Heizung und Fortbewegung und Arbeitsleistung, und man be­hauptet nicht zuviel, wenn man die Verwendung elektrischer Ströme zu allen jenen Zwecken für fähig hält, eines Tages der gesamten kultivierten Welt unersetzbar zu werden.

Bei dieser Bedeutung der Elektrizität wird es dem Leser gewiß interessant sein, mit den wichtigsten Methoden, die wir bei Beleuchtung, Heizung und Arbeitsleistung anwenden, bekannt zu werden. Bei der unglaublich großen Menge dieser Einrichtungen und dem verhältnismäßig geringen Platze wird es wiederum nur gestattet sein, das wichtigste aus der Fülle Herauszugreisen.

Unterbricht man au einer Stelle einen sonst ge­schlossenen Strom, der in diesem Falle von eigens dazu konstruierten Maschinen geliefert wird und fügt in die Unterbrechungsstelle zwei Kohlenstiste ein, so bildet sich an jener Stelle ein bläuliches Liclst, das sogenannte Bogenlicht, welches bei geeigneter Strom­stärke sich zu einer Intensität von 500 Normalkerzen und noch mehr steigern kann. Unsere Lindenlampen haben ungefähr die Leuchtkraft von 509 Normalkerzen. Ein weniger starkes Licht giebt das sogenannte Glüh­licht, welches seine Leuchtfähigkeit der Glut eines hohlen Kohlenfadens in einer luftleer gepumpten Glasbirne der bekannt Form verdankt.

Ebenso wie der elektrische Strom Licht erzeugt, kann er natürlich auch durch paffende Vorriclstungcn auch große Wärmemengen ausstrahlcn. Läßt man da­gegen den Strom durch Anwendung größerer Ma­schinen noch größere Intensität erreichen, so ist mau