ster Gladstone und dem Expremierminister Lord Sa­lisbury gewesen. Beide haben sich dafür entschieden, daß die Weiterzahlung aufhören solle. Der Herzog, obwohl er einen rechtlichen Anspruch daraus besitzt, hat seine Zustimmung zu dieser Entscheidung ausge­sprochen.

Die Einnahmen aus der Bierbesteuerung im Reiche stellten sich 1892/93 auf 80833 000 1891/92 auf 77 502000 auf den Kopf der Be­völkerung entfallen im Jahre 1892/93 im Deutschen Reich 1,00 Der Bierverbrauch hat in Deutsch­land wieder etwas zugenommen; es kommen auf den Kopf der Bevölkerung im Jahre 1892/93 107,8 Liter, im Vorjahr 105,5 Liter. Die Einfuhr von Bier hat sich nicht unerheblich gesteigert; nament­lich ist mehr Bier aus Böhmen bezogen worden.

Die erste Lesung der Stempelsteuervorlage ist im Reichstag zu Ende gegangen und damit ist die Beratung der Steuer und Finanzreform bis in den Januar verschoben. Die Beratung der Stem­pelsteuervorlage hat im Ganzen günstige Aussichten für eine Verständigung wenigstens über dieses Gesetz ergeben. Die Redner des Zentrums, der national­liberalen und der konservativen Parteien haben sich zustimmend zu den Grundlagen des Entwurfs aus­gesprochen, wenn auch natürlich im Einzelnen noch mancherlei Vorbehalte gemacht und Verbesserungen gewünscht wurden, inbefondere der Quittungs- und Frachtbriefstempel noch mancher Zurückhaltung be­gegnete. Die freisinnige Volkspartei und die Sozial­demokraten haben in der Bekämpfung der Börsen­steuer wieder einmal Einigkeit bekundet und so eine drastische Illustration zu der Parole geliefert, daß die Kosten der Militärvorlage nicht den schwächeren Schultern auferlegt werden sollen. Die Einnahmen aus den neuen Stempelvorschlägen werden in der Begründung der Vorlage aus etwa 3612 Millionen Mark veranschlagt, das macht beinahe schon zwei Drittel der neuen Militärkoften aus. Der dabei auf 6I2 Millionen veranschlagte Ertrag des Quit­tungsstempels wird aber vielfach noch höher geschätzt. Nachdem die Mehrheit des Reichstags auf den gro­ßen Reformplan, die Ausstattung der Einzelstaaten mit Reichszuschüssen, vorläufig nicht eingehen zu wol­len scheint, bleibe also, unter Voraussetzung der un­verkürzten Bewilligung der Stempelsteuervorlage, nur ein verhältnismäßig geringfügiger Betrag des dringend­sten Bedürfnisses zu decken. Die Schicksale der Ta­bak- und Weinsteuer liegen dermalen noch zu sehr im Dunkeln, als daß man sie in das Bereich begründe­ter Berechnungen ziehen könnte. Daran aber wird wohl nicht zu zweifeln sein, daß der noch erforder­liche Betrag auf irgend eine Weise ohne große Schwie­rigkeiten zu decken sein wird.

Berlin, 6. Dez. Die Zustimmung des Bun­desrates zu dem nationalliberalen Vorschläge, die Er­höhung der Jnvalidenpension mit rückwirkender Kraft schon vom 1. April 1894 an eintreten zu lassen, ist nnt Sicherheit zu erwarten.

Berlin, 7. Dez. Ahlwardt, welcher gegenwär­tig in Plötzensee seine Strafe von 5 Monaten ver­büßt, will eine nochmalige Verhandlung des Juden­flintenprozesses herbeiführen und hat bereits einen Antrag um Wiederaufnahme des Verfahrens gestellt. Er glaubt, durch nachträglich erhaltene Beweisma­terialien die Richtigkeit der seinerzeit erhobenen Be­hauptungen beweisen zu können.

Berlin, 9. Dez. Als Nachfolger des Herrn v. Moser auf dem hiesigen württemb. Gesandschafts- posten nennt diePost" Herrn von Varnbüler.

Seit einigen Tagen tritt in Berlin in sehr bestimmter Weise das Gerücht auf, daß die Abbe­rufung des bisherigen württembergischen Gesandten, Staatsrats v. Mojer, der Berlin vor einigen Tagen verlassen hat, demnächst bevorstehe. Bei Erörterung der möglichen Gründe dieser Veränderung ist auch vielfach von einem Konflikt die Rede, der zwischen der Regierung des Reichs und der württembergischen, oder zwischen dem Kaiser und dem König von Würt­temberg bestehen und den Hauptgrund der Abberu­fung des Herrn v. Moser bilden soll. 'Nach zuver­lässigen Mitteilungen, welche derNational-Zeilung" aus Stuttgart zugehen, kann von irgend einem Zer­würfnis zwischen Berlin und Stuttgart keine Rede fein. So weit ein Konflikt vorhanden ist, heißt es rn dem genannten Blatt, besteht er hienach zwischen dem württembergischen Ministerpräsidenten v. Mtttt nacht und dem bisherigen Gesandten v. Moser; wenn der letztere weichen mußte, so geschah es vor seinem

Chef in der engeren Heimat, nicht vor irgend wel­chen Berliner Einflüssen oder Verstimmungen, und man glaubt in unterrichteten Kreisen, daß Herrn v. Mosers politische Rolle noch keineswegs ausgespielt sei.

Bei der Oeffnung von Packeten an Mit­glieder der kaiserlichen Familie oder an hohe Staatsbeamte wird in Zukunft noch größere Vor­sicht wie bisher angewendet werden. Wie einem Berichterstatter von angeblich informierter Seite mitgeteilt wird, soll das Oeffnen solcher Sendungen resp. das Untersuchen etwa Verdacht erregender Sendungen auf den betreffenden Postanstalten vor­genommen werden, also ehe sie überhaupt in die Umgebung der Adressaten gelangen. Bei Sendungen, die auch nur die geringste Spur eines Verdachts aufkommen lassen, soll seitens der betreffenden Post­anstalten sofort polizeilicher sowie sachkundiger Bei­stand hinzugezogen werden.

Nach einer Berliner Lokalkorrespondenz sind am Sonntag zwei französische Kriminalbeamte in Berlin eingetroffen, die aus Anlaß der Mordan­schläge auf den Kaiser und den Reichskanzler dort­hin gesandt worden sind. Dieselben haben sofort ihre Thätigkeit ausgenommen, die darauf schließen läßt, daß man Mitschuldige in Berlin sucht.

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 7. Dez. Eine Vorlage des Minister­präsidenten Wekerle wegen der Feier des tausend- ährigen Bestandes des ungarischen Staates im Jahre 1898 enthält den Vorschlag, es möge eine aus 40 Mitgliedern des Abgeordnetenhauses bestehende Kommission gewählt werden, mit der die Regierung ununterbrochene Fühlung wegen dieser Feier unter­halten würde. ('Nebst dem Bau 2 neuer Donau­brücken in Budapest, des Justizpalastes, der Errich­tung von 400 neuen Staatsvolksschulen, eines groß angelegten Gewerbemuseums und einer Gewerbeschule sowie der feierlichen Eröffnung des Donaukanals beim Eisernen Thore sollen im Jahre 1896 statt­finden: Eine feierliche Gesamtsitzung beider Häuser des Reichstages, womöglich schon im neuen Gebäude des Parlaments, und die Huldigung des Reichstags vor dem Könige; ein historischer Festzug; die Er­öffnung der Landesausstellung; die Enthüllung eines die Gründung des ungar. Staates symbolystrenden Denkmals.)

Frankreich.

In Paris herrscht Schrecken und Erregung: während der Sitzung der Deputiertenkammer am Samstag wurde von der Zuschauertribüne eine Dy­namitbombe auf die rechte Seite des Hauses hinab- geschleudert. 'Nach der Bombenexplosion versicherten mehrere Tribünenbesucher, darunter ein Marineoffi­zier, der Attentäter müsse durch die Explosion der Bombe den rechten Arm verloren haben. In einem Bureau der Kammer wurden 6 Verdächtige festge­halten, die unmittelbar nach der Explosion in die Erfrischungszimmer stürzten und sich zu entfernen suchten. Einer derselben soll der mutmaßliche Atten­täter sein, Zuschauer behaupten, ihn wieder zu er­kennen. Er soll Lenoir heißen. Neuere Meldungen besagen: 30 Verhaftungen wurden vorgenommen, darunter 12 Verwundete. Angaben über den Thäter fehlen; derselbe hat vielleicht doch den Ausgang ge­wonnen, da das ganze Haus von Rauch erfüllt war. Zwei oder drei Verletzte, deren Ableben befürchtet wird, sind noch jetzt, ebenso mehrere Deputierte in der Kammer anwesend. Die Polizei durchsucht das Gebäude. Man hält für den Thäter einen Schuster Namens Champeaux und einen Steinmetz Lenoir. Beide wurden verhaftet. Die neueste Nachricht lautet: Paris, 10 Dez. Der Bombenattentäter, der sich unter den Verwundeten befand, 'Namens Marchal, ist ermittelt. Derselbe legte dem Polizei­präfekten ein volles Geständnis ab.

Paris, 11. Dez. Der Bombenwerfer wurde gestern vormittag unter den im Hotel de Dieu un­tergebrachten verwundeten Verhafteten entdeckt. Er legte ein umfassendes Geständnis ab. Derselbe heißt Auguste Vaillant, ist 32 Jahre alt und arbeitete im Ollois^ le roi in einer Lederfabrik. Er gehört dem sozialistisch-revolutionären Konnte an. Derselbe wollte den Kammerpräsidenten treffen, um der Thal eine größere Wirksamkeit zu geben. Er ist am rechten Beine und an der Nase verwundet.

Paris, 11. Dez. Vaillant ist schon 5mal we­gen Diebstahls und anderer Vergehen bestraft. Er erklärte im Augenblick, als er die Bombe schleudern wollte, machte die vor ihm sitzende Frau eine Be­

wegung, wodurch die Schwungkraft seines Armes gehemmt, so daß die Bombe auf das vorspringende Gesims der Gallerte niederfiel und sofort explodierte, daher mehrere auf der Gallerte sitzende Zuschauer und auch Vaillant selbst verwundet wurden.

Spanien.

Madrid, 8. Dez. Nach Meldungen aus Me­litta sind die Seitens Spaniens vorgeschtagenen Frie­densbedingungen folgende: zeitweise Besetzung von Positionen im marokkanischen Gebiete jenseits des Forts Guariachs, Auslieferung von 12000 Geweh­ren, Stellung von Geißeln, Verurteilung der An­führer des Aufstandes.

Italien.

Rom, 7. Dez. Zur morgigen Papstmesse sind 30 000 Einladungen ergangen. Sonntag, den 17. Dez., wird der Papst den Mitgliedern der verschiede­nen kath. Vereine der Stadt Nom eine Audienz ge­währen. Es sind jetzt schon über 10000 Personen angemeldet, welche der Feierlichkeit beizuwohnen wün­schen. Auf die Ansprache des Papstes ist in Rom alles gespannt, Freund und Feind.

Sogar in Italien ist man gegen die von der deutschen Regierung geplante Weinsteuer. Die überwiegend aus Senatoren und Deputierten beste­hende Gesellschaft von Weinbauern hat beschlossen, den Minister des Aeußern zu bitten, der deutschen Reichsregierung vorzustellen, daß die beabsichtigte Weinsteuer den Geist des bestehenden Handelsvertrags verletzen würde.

Rußland.

Petersburg. Ein neues Judengesetz, welches durchaus nicht günstig für die Juden ist, steht be­vor. Der Ausweisungstermin der Juden aus Or­ten, wo sie kein Aufenthaltsrecht mehr haben, ist bis zum Juli 1894 resp. 1895 aufgeschoben worden, nur weil sich der erste Termin, der 1. Nov. 1893, als zu kurz erwiesen hat und materielle Interessen geschädigt worden wären. Prinzipiell soll nach Ab­lauf der Termine die Ausweisung energisch betrieben werden.

Die Lage der russischen Bauern in den Gouvernements, die von der letzten großen Hungers­not heimgesucht worden sind, wird noch als eine sehr traurige geschildert. In 47 Gouvernements des europäischen Rußlands schulden die Bauern der Krone zusammen 183 Millionen Rubel, außerdem müssen 16 Millionen Quart Getreide zurückgestattet werden. Die Steuerrückstände sammeln sich an und die Leute sind hoffnungslos in Schulden versunken. Zum ersten mal seit 3 Jahren war die Ernte gut. In Folge des Zollkrieges mit Deutschland mußten die Bauern aber ihr Getreide zum halben Wert losschlagen. Es ist schwer einzusehen, wie die Bauern wieder in die Höhe kommen sollen, wenn die Regierung ihnen nicht einen Teil der Steuern und der bei der Hungers­not entstandenen Schuld erläßt.

Kleinere Mitteilungen.

Aus dem OA. Biberach, 6. Dez. Bei einem Brandfalle in Neinstetten, welcher am Sonntag abends dort auskam, wurde der diensthabende Landjäger Weiß von Feuerwehrleuten bedroht mit Worten, wieman sollte ihn ins Feuer werfen" u. dgl. Für dieses Vergehen wurden den Beteiligten harte Strafen auferlegt: ein Mann erhielt 3 Monate, 2 Mann je 2'/2, drei je 2 Monate, drei je 3 Wochen Gefängnis.

Aus Schlesien, 6. Dez. Ueber einen Fall von Scheintod wird derVotksztg." aus Militsch geschrieben: Die Gattin eines Majors sollte hier am 30. v. M. begraben werden. Die Leiche war in einem besonderen Zimmer auf dem Paradebette auf­gebahrt. Da die Herstellung der Gruft sich verzö­gerte, so blieb die Leiche länger, wie anfänglich be­absichtigt war, im Zimmer. Als am Vormittag des vierten Tages des Hiuscheidens ein Dienstmädchen das im Blumen- und Kränzeschmuck prangende Trauer­zimmer betrat, gewahrte es, starr vor Schrecken, daß die als tot betrauerte Herrin sich aus dem Sarge erhebt. Die Dame, welche als^angebliche Leiche vom Regimentsarzt und zwei anderen Äerzten untersucht worden war, war in einen Starrkrampf verfallen und wäre, wenn nicht zufällig die Beisetzung eine Verzögerung erfahren hätte, in der Gruft erwacht.

Ein einfacher Landwirt, der von der vom Zentrum beabsichtigten Aufhebuug des Jesuiten-Ge- setzes im Reichstag gehört hatte, sprach das offene Wort aus: Das kann der Kaiser nicht zugeben, denn er ist ein evangelischer Kaiser und Sie Jesuiten