die in Aussicht genommene Quittungs- und Frachtbriefsteuer," wonach für sämtliche Quit­tungen bis zum Betrage von 20 10 F,

für Frachtbriefe bis zum Frachtwerte von 3 ebenfalls 10 si zu erheben sind. Diese beiden Steu­ern würden unsere mittleren und kleineren Handels­und Gewerbetreibende in ganz erheblichem Maße neu belasten, während die größeren Betriebe kaum oder verhältnismäßig unbedeutend davon betroffen würden. Es entspann sich hierüber eine lebhafte Debatte. Herr Fabrikant Schaible empfiehlt, sich mit allen Mitteln gegen diese lästigen und un­bequemen Steuern zu sträuben, während Hr. Fabri­kant Reichert sich nur gegen letztere ausspricht, und es für ratsam hält, neue Vorschläge der Reichs­regierung zur Deckung der bewilligten Militürvor- lage vorläufig nicht zu machen, da die Negierung schon von selbst damit herantreten ward. Das Letz­tere bestätigte Herr Maler Hespeler ebenfalls und ersuchte den Herrn Vorsitzenden, die definitive Be­schlußfassung dieser Frage bis zur nächsten Ver­sammlung ruhen zu lassen. Es kamen nun die übrigen Steuerprojekte zur Sprache, die für viel richtiger ge­halten und mit großer Begeisterung besprochen wur­den, u. a. die progressive Einkommensteuer und mit Vorliebe die Zeitungssteuer. "Rach dem neue­sten Zeitungskatalog existieren in Deutschland ca. 3000 Tages- und Wochenblätter verschiedenen In­halts. Würden nun diese Zeitungen mit einer Stem­pelsteuer, wie es in Oesterreich schon seit Jahren gang und gebe ist, belegt, so würde wohl kaum der Zeitungsverkehr eingeschränkt, vielmehr der Zeitungs­abonnementspreis bedeutend erhöht, der Abonnent den Stempel doch mitbezahlen und somit die ganze Sache als eine indirekte Steuer betrachtet werden dürste. Auch der Erbschafts- und Wehrsteuer wurde gedacht; die erstere pertrat Herr Oberlehrer Griesinger. Wenn man von der Thatsache aus­geht, daß jeder Mensch sich irgend welches Eigentum nur auf Kosten der Allgemeinheit zu erwerben ver­mag, und wenn man bedenkt, daß es die Allgemein­heit, d. h. der Staat ist, welcher dem einzelnen Staatsbürger den Schutz für sein erworbenes Eigen­tum gewährt, so muß man zu de^ Schlußfolgerung kommen, daß, wenn der Mensch sich durch den Tod von seinem Eigentum trennt, es hinwiederum der Staat ist, der mit Fug und Recht beanspruchen kann, daß ein Teil des hinter!assenen Erwerbs nun­mehr wieder an die Allgemeinheit zurückfalle. Eine Reichserbschaftssteuer, welche die Vererbung kleinerer Vermögensanteile gänzlich frei läßt, dagegen mit der Höhe desjenigen Anteils steigt, welchen der einzelne Erbschaftsempfänger erhält, und welcher ferner steigt mit der Entfernung der Verwandschaft zwischen Erb­lasser u. Erbempfänger, eine solche Steuer würde nicht nur leicht zu erheben sein und dem Reiche große Sum­men einbringen, sondern sie würde auch namentlich von den weniger bemittelten Klassen als ein Akt ausgleichender Gerechtigkeit empfunden werden. Herr Fabrikant Schaible trat mit energischen und nicht bei Seite zu stellenden Worten für die Wehrsteuer ein. Dieselbe würde von denjenigen zu tragen sein, welche von der Ableistung ihrer Militärpflicht ent­bunden sind, sei es durch ein unbedeutendes körper­liches Leiden, welches sie nur wenig oder gar nicht an der Ausführung ihres bürgerlichen Berufes hin­dert, und die bezw. deren Eltern über ein entspre­chendes Vermögen oder Einkommen verfügen. In der republikanischen Schweiz existiert eine solche Wehrsteuer, und was dort als recht und billig em Pfunden wird, würde gewiß im deutschen Reiche ebenso angesehen werden. Da sich niemand mehr zum Wort meldete, wurde der Antrag des Herrn Hespeler angenommen und der offizielle Teil der Versammlung von Herrn Kommerzienrat Sann wald geschlossen mit dem Hinzufügen, daß in ganz kurzer Zeit eine Sitzung anberaumt werden wird, um über eine geeignete Abfassung einer Petition an den hohen Reichstag endgültigen Beschluß zu fassen. Es folgte darauf der gemütliche Teil der Versammlung, der viele veranlaßte, noch in einem gemeinsamenGedankenaustausch beieinanderzu bleiben.

Nagold, 24. Nov. Im Jünglings verein hielt gestern abend vor etwa 2580 jüngeren und etwa lO älteren Mitgliedern der Bundesagent de südwestdeutschen Jünglingsbundes, Herr Mehmke aus Stuttgart, einen zweistündigen, sehr anregenden und ermutigenden Vortrag über die edle Jünglings- oereinsiacbe. Er führte verschiedene Beispiele vor.

wie durch den Einfluß der Jünglingsvereine junge Leute tüchtige, zuverlässige, von ihren Meistern und Prinzipalen geschätzte und in ihrem Fach gesuchte Menschen geworden seien, er bemerkte auch, daß nicht nur die Fabrikanten anfangen, den wohlthäti- den Einfluß der Jünglingsvereine zu erkennen und die Sache zum Teil durch reiche Beiträge zu unter­stützen, sondern daß auch die Behörden ihr ihre Aufmerksamkeit zuwenden. Von den Jünglingen selbst wußte er rührende Beispiele von opferwilliger Anhänglichkeit an die Jünglingsvereinssache anzu- sühren und schloß diesen Teil seiner Darlegungen mit herzlichen Ermahnungen an die jungen Zuhörer. Dann entwickelte er noch einen sehr fruchtbaren Ge­danken, der sich auf die Einrichtung einer älte­ren Abteilung im Jünglingsverein bezieht. Er betonte dabei, daß erfahrungsgemäß viele reifere Jünglinge gerne inden Verein kämen, wenn das Zusam- mensein mit den ganz jungen Mitgliedern nicht wäre, und er giebt der Hoffnung Ausdruck, daß durch Einrichtung einer solchen älteren Abteilung (bis zu 30 Jahren) der J.-V. erst seine rechte Bedeutung und Festigung erlangen werde. Freilich würde eine solche Maßregel bedeutende Opfer an persönlicher Hingabe erfordern, weshalb sich der Agent zum Schluß an die Freunde der Sache wendete mit der Auffor­derung, ihr auch ferner und in gesteigertem Maße ihre Kräfte zu leihen. Der Vorstand, Stadtpfarrer Dieterle, dankte dem Redner für seine anregenden Ausführungen, und zum Schluß stimmte die Ver­sammlung das Bundeslied an.

Teinach, 22. Nov. Im November 1891 wurde von Seiner Majestät dem König die Lostrennung der Gemeinden Teinach, Emberg und Schmieh von der Pfarrgemeinde Zavelstein und die Neubildung einer Kirchengemeinde aus diesen 3 Orten geneh­migt, wodurch ein längst gehegter Wunsch genann­ter Gemeinden in Erfüllung ging. "Nachdem nun in Teinach ein stattliches Pfarrhaus erbaut wurde, fand heute der Einzug des ersten definitiven Seel­sorgers statt. Herr Pfarrer Schell, bisher in Zwerenberg, wurde von dortigen Bürgern bis Ober- haugstett begleitet und da von den hiesigen Psarr- gemeinderäten', welche in 5 Wagen dahin entgegen gefahren waren, abgeholt. Um 12 Uhr fand die Einfahrt in Teinach unter Glockengeläute und Ge­sang der Schulkinder statt. Die Hauptstraße war mit Tannenbäumen, das Pfarrhaus mit Kränzen und Guirlanden reichlich geschmückt. Herr Schul­lehrer Haug von Teinach begrüßte den Herrn Pfar- er namens der Kirchen-Gemeinde, worauf Herr- Pfarrer Schell in der Kirche eine Ansprache an die versammelte Gemeinde hielt. Die Investitur findet am nächsten Sonntag durch Herrn Dekan Braun von Calw statt.

Stuttgart. In einem Teil der Presse wird es als eine vorher nicht bedachte Folge der Ver­waltungsnovelle vom 21. Mai 1891 bezeichnet, daß im Fall der Wahl von Bürgerausschußmitgliedern in den Gemeinderat die erforderliche Ergänzung des Bürgerausschusses nicht mehr sofort, , sondern erst nach Ablauf eines Jahres stattftnden könne. Der Vorwurf, der Hiemil gegen die Regierung erhoben werden will, beruht auf vollständiger Unkenntnis des Gesetzes. Das Verwaltungsedikt wie auch das Gesetz vom 6. Juli 1849 enthielten über den Zeit­punkt der Vornahme der Bürgerausschuß­wahlen und über die Vornahme außerordentücher Ergänzungswahlen gar keine Bestimmung. Erst die Novelle vom 21. Mai 1891 hat diese Lücke ausge­füllt. Nach Art. 9 Abs. 3 des letzteren Gesetzes finden auf die Vornahme außerordentlicher Ergän­zungswahlen beim Bürgerausschuß die für den Ge­meinderat geltenden Bestimmungeil entsprechende An­wendung. Hienach sind die Gemeindekollegien zu jeder Zeit in der Lage, die V.iruah.ne einer Wahl behufs Ersetzung abgegangener Mitglieder zu be­schließen, wenn ihnen dies als Beoües.us erscheini; sie sind verpflichtet, eine Ergänzung swayl anznorbnen, wenn andernfalls einer der beiden .Kollegien beschluß­unfähig würde. Hiemit ist die Möglichleit gegeben, abgegangene Mitglieder des Bürgerausschnges als­bald wieder zu ersetzen, wobei üvrigens ui hi bloß der besondere Fall der Wahl eines Bürgerausschuß­mitglieds in den Gemeinderat, sondern auch alle sonstigen Möglichkeiten des Abgangs, z. "B. durch Tod, Wegzug, Erkrankung u. f. f., ins Auge zu fassen sind. Wenn zur weiteren Begründung des erhobenen Vorwurfs auf die Verhältnisse in der

Stadt Stuttgart exemplifiziert wird, so ist dieses Beispiel nicht glücklich gewählt. In Stuttgart legte man auf die Möglichkeit sofortiger Ergänzung des Bürgerausschusses nach der Gemeinderatswahl so wenig Gewicht, daß die bürgerlichen Kollegien im Jahre 1878 aus eigenem Antrieb beschlossen, die Bürgerausschußwahlen vom Dezember in den Juni zu verlegen, wobei es bis zum Inkrafttreten der Verwaltungsnovelle von 1891 verblieben ist. Wie in Stuttgart, so fanden auch in einer Anzahl an­derer Gemeinden des Landes die Bürgerausschuß­wahlen vor dem Jahre 1891 nicht mit den Ge­meinderatswahlen im Dezember, sondern im Juni statt, obwohl die Kollegien nicht gehindert waren, auch die Bürgerausschußwahlen im Dezember vor­nehmen zu lassen.

Stuttgart, 23. Nov. Im Druck erschienen ist der Bericht der Finanzkommission über Eingaben, betreffend Heranziehung der Erwerbs- uno Wirt- schastsgenossenschaften zur Gewerbesteuer, sowie über die Bitte des Bäckerverbandes, daß den Staatsbe­amten die Beteiligung an Konsumvereinen untersagt werde. (Ref. v. Luz.) Die Kommission beantragt, die ersteren Eingaben der K. Regierung zur Erwä­gung, die Bitte des Bäckerverbandes zur Kenntnis­nahme zu übergeben.

Ulm, 23. Nov. Die in Ulm für eine neue Artilleriekaserne zum Vorschlag gebrachten Bau­plätze sind von der obersten Militärbehörde sämtlich abgelehnt worden, woraus hier geschlossen wird, daß die neue Feldartillerie-Abteilung nach Cannstatt oder Stuttgart kommt.

Außer 140^648 Evangelischen und 609594 Katholiken tzählt Württemberg noch 7451son­stige Cristen." In diesen sind begriffen: 3282 Methodisten und Mitglieder der evangelischen Gemein­schaft, 1639 Baptisten, 509 Zwinglianer und Re­formierte, 454 Apostolische und Jcvingianer, 416 Templer und Jerusalemsfreunde, 229 Nazarener, Neukirchliche, 204 Mennoniten, 136 Freireligiöse und Freikirchliche, 133 Griechisch- und Russisch-Ka­tholische, 128 Dissidenten, 67 Altkatholiken, 56 Eng­lische und Schottische Kirche, Presbyterianer, 41 Daristen, 25 Deutsch-Katholische, 22 Evangelische Brüderkirche.

München, 22. Nov. Die Kammer der Ab­geordneten lehnte in ihrer heutigen Sitzung mit 76 gegen 67 Stimmen den liberalen Antrag aus Aufhebung der Steuerfreiheit der Staudesherren ab und nahm nach lebhafter Erörterung den Zentrums­antrag auf Untersuchung über den fiskalischen Um­fang dieser Steuerfreiheit behufs Feststellung des Betrages einer eventuellen Ablösung innerhalb der verfassungsmäßigen Zulässigkeit an. Der Minister des Innern sagte die gewünschte Untersuchung zu, die innerhalb der gegenwärtigen Landtagstagung jedoch kaum abgeschlossen werden könne. Grillen­bergers Wort von der nodlssss obliAS gegenüber- erklärt der Minister, hier liege ein begründeter Rechts­anspruch vor. Durch freiwilliges Uebereinkommen sei oer Zweck des Antrages erreichbarer.

Aus Baden, 21. Nov. Zu dem schrecklichen Vorfall, der sich in Jhrin gen zugetragen, wird derBreisg. Ztg." folgende neue Lesart gemeldet: Die auf die Hilferufe der Mutter der Verstorbenen herbeieilenden Personen fanden den Dr. Schelldorf am Boden neben seiner bewußtlosen Frau knieend, !mit einem Gläschen in der einen Hand, in der an- s deren ein kleines Messer, doch enthielt das Gläschen ! Gegengift, wie sich bei Untersuchung desselben nach ' Aussage des später herzukommenden Arztes erwies. Schelldorf behauptet auch beharrlich, er habe nur Gegengift anwenden wollen, da er die Wahrnehmung gemacht, daß seine Frau Gift genommen habe. Auch teilte derselbe den ihn bewachenden Personen mit, Paß er und seine Frau die Absicht gehabt hätten, sich gemeinschaftlich zu vergiften. Es fand sich auch der oer Durchsuchung des in der "Nähe befindlichen Bettes ein zum Teil gelehrtes Giftgläschen vor. Die Sache bleibt also immerhin rätselhaft. Erschwerend für Schelldorf ist sein verstocktes, gleichgültiges Be­nehmen, sowie der Umstand, daß sich der Vorfall unmittelbar nachher ereignete, nachdem die Schwie­germutter erklärt hatte, kein Geld mitgebracht zu haben, während Schelldorf aufs sicherste solches er­wartet hatte, sowie, daß Schelldorf erst am IO d. M. das Gift aus einer Apotheke in Freiburg erhal­ten hat. Schwer belastend ist für Schelldorf sein